Montag, 20. März 2023

Vom Jüppchen seinem L e n k r a d

Das Haus des Jupp Jäckchen"! - Vulgo: 'Joseph-Beuys-Gesamtschuuuuule'*]:

  • Der Traum des Joseph-Beuys-Redivivus -


       Eine Lenkrad-GeSchichTee # 011

 

Ja, er lauert. Der Bentley steht auf dem Parkplatz -

Vierzehn Stunden, 21 Minuten und sechs Sekunden im Haus des Lernens


Gut in der Zeit! Okay. Hat geklappt. Ich betrete vom Westflur her den Waschsaal. Voll ausgeschlafen. Klasse! Habe fast zehn Stunden wie doll geschlafen. War prima gestern, das Ankommen. Macht diesen Morgen optimal. Kein Schleimspritzen, keine obszönen Gesten, kein Geschiebe, kein Stimmengefurze, kein Gedrängel. Kein Gebibbel. Einfach - Ruhe in Allem, Sammlung im Innern. Und immer mal wieder ein Blick – äh, nur ein Blickchen - rauf zu einer der vielen Überwachungskameras. Vor den Spiegeln keine Hast. Den Mädchen wird Zeit gelassen, bis sie mit dem letzten Pickel den Kampf gegen das Unschöne gewonnen haben...

Vielleicht war das mit den Griffen auch genau umgekehrt.

Ich bin in der neuen Lehranstalt, deren Eröffnung samt zahlreicher Prominenz in der vorigen Woche im Fernsehen vorgestellt wurde. Ich bin zur Probe hier, wörtlich zum Test für eine Übernachtung und einen Schulvormittag, zur Feststellung der Eingangsqualifikationen und Leistungsprognosen...

Nun, ich bin angekommen. Meine Scoolcard-card regelt den Zugang zum Parkplatz unter Linden (ja, auch für Schüler!), zu meinem Doppelzimmer, zu einem Schrank. Zu allen Türen, die ich noch öffnen muß, heute, in den letzten vier Stunden. Oder es werden die ersten vier meiner Karriere am herzoglichen Haus des Lernens. Nicht auszudenken! Hendrik, denk an deine gute Erziehung; bleib ruhig. Deine Mutter betet für dich. Das ist das beste autogene Training. Und Direktor Schuster erwartet das von mir...


Also, Wecken mit Vivaldi (Frühjahrs-Motiv, wie es klingelt im Weidengehölz), Morgenwäsche, Frühstück (es schmeckte; und es gab eine prima Auswahl am Büfett!) und Gang zur Info-Center, Erdgeschoß .0.012. - tiefgestaffeltes, aber einleuchtendes System.

Von überall her bewegen sich die Schülerinnen und Schüler: Sie trotten nicht, nein, sie gehen gemessenen Schrittes; sie rangeln nicht, nein, sie bereiten sich emotional auf den nächsten Lernakt vor; sie quatschen nicht, nein, sie denken schon daran, ob ihre Hausaufgabe gleich abgerufen wird. Sie haben alle Laptops unter dem Arm, der auf dem vorgesehenen Sitzplatz per Adapter dem Lehrerterminal zugeschaltet wird.

Vielleicht war das mit den Torten auch genau umgekehrt.

Meine Scoolcard-card hat den Zeitraum von vier Stunden gespeichert, und an einem Lesegerät werde ich informiert mit aufleuchtenden Buchstaben begrüßt: Guten Morgen, Hendrik. Hatten Sie ein gutes beginning im Hause? Wir begrüßen Sie und geben Ihnen die nötigen Informationen für die nächsten vier Stunden. Wir drücken Ihnen den Daumen, daß Sie den Initiationsqualifikationen unseres Instituts gerecht werden. Dann ist Ihnen ein Arbeitsplatz bis über das Abitur hinaus garantiert. Im anderen Falle werden wir uns um 12,05 verabschieden müssen. Dann wünschen wir Ihnen für den weiteren Weg an Ihrem alten Gymnasium alles Gute. Bitte, gehen Sie die Stationen Ihres Check-Ins gemäß den Infos des Displays.

Ich muß zum Gesundheitscheck.: Die üblen Notwendigkeiten: Blut, Stuhl, genetische Analyse. Dann geht die Suche los mit meinen Körperpartikeln: gezielte Suche nach dem ADYX3A6C-Gen.

Anschließend darf ich ab 8,30 Uhr an drei Lehrstunden teilnehmen müssen. Die Lehre begrüßen mich kurz und herzlich. Alles ist getimt und angemeldet. Ich hätte den Mund halten können, das „guten Tag“ runterschlucken - wäre es gemerkt worden, vermerkt, gespeichert?

Vielleicht war das mit den Orten&Torten auch genau umgekehrt. Zu-Rück nach Kranenburg -

Der Deutschunterricht der Epoche 11,236 findet in einer stimmungsvollen, kapellenartigen Einrichtung statt: Für die Epoche des Symbolismus werden die Dichter Rilke und George behandelt, in einem Kurzfilm, mit einer eingespielten Interpretation des „Sehers“ von Marcel-Reich-Ranicki. Weiter: im Raum 11,24 findet die Analyse von Trivialelementen der Kunst und Literatur in einem Karl-May-Ensemble statt. Raum 11,23, als „Prager Raum - 20er Jahre“ ausgewiesen ist die einzige Panne, die ich erlebte: Kafka und seine Zeit“ - der Zugang ist versperrt. Ich frage vorübergehende Schüler. Sie ziehen die Schultern hoch: keine Ahnung. Steht nicht auf meinem Lehrplan. Interessiert mich nicht. Über das Display erhalte ich auch schon die Korrektur: Begeben Sie sich auf die Station 5 Ihres Lerntages. Ich komme in einen Biolehrsaal, der als Safari-Camp ausgestattet ist. Leinwand, auf Stoff gedruckt, an die Wand geklebt: Hemingway beim Löwenabschuss. ("Ich erschieße alles, was nüchtern ist.") Darunter, gekritzelt mit einem Schwarzstift, krakelig, flüchtig: Stierkämpfer, Frauenfreund, Whiskyheld, Nobelpreisträger. (Wann wird das übermalt...? Hab die Fragen auch schon vergessen.) Dann Kritik unter fünf qualifizierten Gesichtspunkten. (Wortlaut hab ich vergessen. Ich vergess hier so viel...) Ich darf teilnehmen an der Beantwortung der Fragen: Viermal „richtig“ erhalte ich für die Einspeisung der Begriffe „ökologisch, ethnisch, geographisch und politisch“. Da erhalte ich schon, noch vor der Prozentauswertung, die bei mir fehlende, fünfte Antwort: „Es fehlt: aus religiösen Gründen“.

Vielleicht war das mit den Begriffen auch genau umgekehrt.

Ich schleiche mich in den Physiksaal, er ist als Weltraumlabor eingerichtet. Nebenan, der Physiksaal 12.31, die Tür stand offen, aber mir war der Eintritt verwehrt, als „Alchemistenstübchen“. Dann war noch ein halbe Stunde eingeplant für Politik/Soziologie. Der nächstwohnende Bundestagsabgeordnete, der Dorfpolitologe H. Weh Möllemann war eingeladen worden (von wem nur?) und beantwortete die Fragen, die die Schüler in der Hausaufgabe formuliert hatten. Die Statements des Fachgelehrten wurden simultan in Schriftsprache konvertiert und allen Lernenden in die Datenspeicher transferiert. Ja, hier geht keine Information verloren. Alles wird der Lernende nach vier Semestern für das Abitur abrufen können, auch ein Blick auf Möllemanns Lippen, mit den definitiven Merkmalen „Rhetorisch geschürzt“, „klassisch geformt“, „individuell-expressiv“. Und, als P. S. der „Personalbiographie“ „Superzeichen eines maskulin-dominierend- intelligenten Schnurrbartes, als Zaum der Zähne“.

Ich werde wieder zur Zentrale dirigiert. Ich erlebe einen Ausfall eines High-Lernenden, als Abiturient etikettiert. Er leckt den Fleck, von dem aus ein Lehrer eine Information, offenbar eine Ermahnung, an ihn erging. Ein anderer Lehrer beobachtet dies. Eer geht auf den Knienden zu und geleitet den Jungen zu einem Zimmer, das kein Türschild trägt.

Ach, ich hab’ die Testverfahren vergessen. Sehr unkonzentriert - "ich, ich, warum immer ich?" flackert das Display! In einer Art Wintergarten mussten wir, so an die dreißig Auserwähle, acht Multiple-Choice-Tests absolvieren. Oh, Gott, was waren das alles für Fragen? Ich erinnere mich nur noch an einige wenige: „Glauben sie an Eingebungen?“ „Wer hat Sie in ihrer Personalbiographie begleitet, in der Säuglingszeit, im Kindergartenalter, im primären Lernbereich?“ „Welche Eltern-Dyade ist Ihrer Einschätzung nach für Sie gegeben: Mutter-Dominanz, Primatenkopulation, Vaterherrschaft, Protektion der Waren, Geflecht irritierender Beziehungen o.ä. „Wie schätzen Sie Ihr Über-Ich ein: flexibel-reflexionsstark, rigid-moralisch, jugendlich-diskursiv?“ Vielleicht war das mit den Begriffen auch genau umgekehrt.

Oder: Präferieren Sie ganz allgemein Ihre Interessen, und an gab es eine Liste, da standen, einfach gleichrangig so Sachen wie „SOS-Kinderdörfer“,“Greenpeace“, „Coca-Cola“, „ADIDAS“, Champions League“, „UNO“, und irgendwo da drunter auch „Religion“, Olympische Spiele“, „ALDI“ und sonst was. Ach, ja, auch "McDonald" und solche Sponsoren. Scheiß drauf. Nimm's mit!

Im "primary consulting" - na, heißt das nicht mehr Sekretariat? - erhalte ich den Ausdruck meiner schulischen Diagnose: die Skalierung meiner medizinischen, soziokulturellen und leistungsmäßigen und verhaltensmäßigen Norm. Eine Assistentin erklärt mir die Zahlen..

Kurz gesagt: Um 12,13 stand ich wieder auf dem Parkplatz. Mit den besten Wünschen entlassen... Ich spielt mit dem Autoschlüssel herum, als ich mir überlegte, wie ich das Gastspiel hier meinen Eltern und meinem Geschichtslehrer verklickern könnte. Da fiel der Schlüsselbund runter, zwischen die Ritzen eines Gullys. Dumm kucken. Das nächste Kunstwerk planen. Rumschnitzen an den Eichen. Oder doch lieber den Regenbogen anstreichen. Social art mss es aber noch sein. Jedenfalls musssss man es all den pseudoreligiös vernarrten Rohrkrepieren der sozialdemokratischen Bildungsreform der 70er Jahr noch beibiegen können.

Bleib cool, Jupp! Du kannst deinen Gefühlen vertrauen. Bei der Parkplatzaufsicht gab es einen Stabmagneten, mit denen der Wärter mir den verdammten Schlüssel hochpuhlte. Gesprächig war der: „Pech gehabt, mein Junge?“ Ich schau in ein liebes, verrunzeltes Gesicht unter grauem Haar. (Mein Vater?) Ich höre ihn: „Ja, hier hab ich schon junge Leutchen weinen sehen. Hoch Begabte! Was interessiert Sie denn besonders: „Literatur! Eigentlich nur Literatur: Hesse und so. Auch der phantastische Dürrenmatt! So was von brutal-logisch!“

Er lockt mich zu seiner Holzbude unter einer kugelschattigen Eiche. Aus einer Pappkiste holt er ein Taschenbuch hervor. „Hier! Hesse! Lese ich selber immer wieder. Hab ich auf Vorrat!“ Ich schau drauf: „Unterm Rad“! Kenn ich nich -Wat- issen dat? „Sie brauchen sich nicht zu schämen. Normalerweise vergießen nur Mädchen hier Tränchen. Wenn die einen Geigenkasten wieder im Auto verstauen. Oder ihren Köter begrüßen und sich abknutschen lassen von ihrem Vieh. Und sich nicht erholen können.- Ach, lassen Sie sich Zeit, bevor Sie wieder auf die Autobahn rauffahren. Picknicken Sie doch mal an der Nassauer Allee, verstehn Sie, an der Haltestelle da. Kenn’n Se doch? Oder? Sind doch ein gebildeter Mann! - Übrigens, wenn Sie da an dem Bildstock rechts fahren und der nächsten Ausschilderung durchs Dorf folgen, kommen Sie an einem Denkmal für den Gründer vorbei. Da vor der Herzog-Roman-Apotheke! Da können Sie auch gratis mit Komplexvitaminen auftanken. Ja, berufen Sie sich auf mich! - Und dann der blauroten Ausschilderung folgen.“

Nur nicht aufwachen aus dem Traum, Jüppchen! Sonst fall’n noch alle Preise auf dem Kunstmarkt! Durchhalten! Weiterträumen! Das Bildungssystem steht dir offen. Gesamtschule. Hochschule. Behindertenpädagogik. Taubenschule. Äh – Friedensschule -Jüppchen-Beuys-Schule?

Vielleicht war das mit den Begriffen&Orten&Torten auch genau umgekehrt.

 Wattdenn – eine Lenkrad-GeSchichTe! - Äh, was – da steht doch nix vom Lenkrad drin! - Eben -Datt ist abbstraaaaakt - Änn: Üt Leem worre Tichelsteen gemakkt! - Dänn Noamensdag von Papp dörf gej nij vergäte!

 *] Watt- vom - NiederRhein: Johanna-Sebus-Gymnasium - Kleve; gibbet et nichmähr? - Äh – was hat doch zu sehr an Goethe erinnert; jetzt gilt es Jüppchen-Beuys zu eh(r)en, bevor er ves(r)gessesen wird.

Wiki überliefert: Zum Ende des Schuljahres 2009/2010 wurde das Johanna-Sebus-Gymnasium geschlossen. Im Schuljahr 2012/2013 übernahm die Joseph-Beuys-Gesamtschule Kleve das ehemalige Johanna-Sebus-Gymnasium als einen Standort, damals noch als Sekundarschule Kleve. - https://de.wikipedia.org/wiki/Johanna-Sebus-Gymnasium_(Kleve) – Abruf 22.03.2023 -

**] Noch  - Watt- vom -NiederRhein:


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