Donnerstag, 30. März 2023

Pferd B u k e p h a l u s als Begleiter&Streiter

B  u ph  u  s   # 02

Man verzeihe mir:Auch dieser S t r e i t e r, die Pferde von Astid Lingren (in: "Brüder Löwenherz" - Bröderna Lejonhjärta. 1973) ... gehören für mich zu den Sreitrössern des Menschlichen, beim Abschied vom Irdischen -

 >> Die Brüder Löwenherz -'Krümel' und Jonathan - reiten Grim und Fjalar.






 

Motiv-Studien: Folge 1 

Das  Pferd   Bukephalus

   - Streit-R o s s  


Das Pferd Bukephalus als Begleiter
auf dem Weg der Menschheit zur Gerechtigkeit

Bukephalus (oder griechisch  βουκέφαλος war das Pferd Alexander des Großen und wird als das bedeutendste Pferd der Geschichte bezeichnet. Auf dem Rücken dieses Hengstes eroberte Alexander innerhalb von 18 Jahren das größte Reich, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Im Jahre 326 v. Chr. starb der Hengst mit 21 Jahren, nach großer Kampfkraft in einer Schlacht und von Wunden bedeckt.

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Historische Notiz: Kaiser und Heerführer - und ihre Tiere:

Das Beklagen von verstorbenen Tieren galt in der Antike als eigene Literaturgattung. Dass man ausgewählten Tieren genauso viel Liebe entgegenbrachte wie bestimmten Menschen war allseits akzeptiert, maß man doch etlichen Tieren, wie z.B. die Römer den Weissen Hühnern, magische Kräfte zu.
Alexander der Grosse benannte eine Stadt nach seinem Lieblingspferd Bukephalos (=Stierkopf) und eine andere Stadt nach seinem Lieblingshund Peritas.

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Zur Biografie:

Alexander wurde 356 v. Chr. in Pella geboren. Dies war die Hauptstadt Makedoniens.
Alexander war einer der bedeutendsten Feldherren der Geschichte. Er war ein tapferer Soldat und seine Feldzeuge waren glänzend geplant. Alexanders Eroberungsfeldzug dauerte elf Jahre, dabei legte er über 32.000 km zurück.  Alexander war eine unbeschreibliche Ausnahmeerscheinung im Gegensatz zu allen anderen Feldherrn seiner Zeit. Er übertraf alle an Schönheit, kämpferischem Können und Schlauheit. Er war schön und klug wie ein junger Gott. Er hatte eine athletische Gestalt, einen feurigen Blick und dichtes Haar. Er war sehr gebildet, wodurch er geschickte, unerwartete Angriffs- und Kriegszüge leiten konnte. Deshalb konnte er sogar so ein riesiges Heer versorgen. Sein legendäres Pferd BUKEPHALOS trug ihn auf allen Schlachten. Alexander war großzügig, jähzornig, temperamentvoll und willensstark. Seine Charakterzüge sprachen also für sich als Herrscher und Fehldherr.

In seiner frühen Jugend genoss er die beste Erziehung, die ihm sein Vater ermöglichen konnte. Sein Lehrer war der berühmte Philosoph Aristoteler. Dieser weckte in ihm die Liebe zur Wissenschaft und zur Kultur.

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Folgenden Weg nahm diese spezielle Pferde-Metaphorik seit der deutschen

Aufklärung durch die Literatur (soweit mir bekannt): 

Gottlieb Konrad Pfeffel:  Der Kornett und sein Pferd

Mit Stolz bestieg Max, der Kornett,
Sein Pferd Buzephalus
Und tummelt es, wie ein Poet
Den alten Pegasus.

Stracks stund es still, als ihm der Sporn
Den Wink zum Tanzen gab,
Und warf beim dritten Stich voll Zorn
Den kleinen Henker ab.

„Ha, Biest!“ rief er, „das ist zu grob.“
„Ich geh dir“, sprach das Tier,
„Im Schritt, im Trab, selbst im Galopp,
Den Tanz verbitt ich mir.“

„So, so“, rief Max, du brauchst das Maul?
Ein Bauer, spricht Papa,
Ein Tanzbär und ein Rittergaul
Sind zum Gehorchen da.“

Gepeinigt durch der Peitsche Zwang,
Tanzt sich der Braun' halbtot,
Bis endlich der Trommete Klang
Dem Heer ins Feld gebot.

Max fiel. Voll Wut zerstampfet ihn
Der wiehernde Koloß.
„Was tust du?“ schrie der Paladin.
„Ich tanze“, sprach das Roß.



*

  • Anmerkungen:
  • Kornett: früher der jüngste Offizier einer Schwadron, der die Fahne trug (Fähnrich)
  • Buzephalus: Pferd Alexanders des Großen
  • Paladin: Gefolgsmann eines Fürsten

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> > Neuzeitlich, modern, kafkaesk:

Franz Kafka: Der neue Advokat

Wir haben einen neuen Advokaten, den Dr. Bucephalus. In seinem Äußern erinnert wenig an die Zeit, da er noch Streitroß Alexanders von Macedonien war. Wer allerdings mit den Umständen vertraut ist, bemerkt einiges. Doch sah ich letzthin auf der Freitreppe selbst einen ganz einfältigen Gerichtsdiener mit dem Fachblick des kleinen Stammgastes der Wettrennen den Advokaten bestaunen, als dieser, hoch die Schenkel hebend, mit auf dem Marmor aufklingendem Schritt von Stufe zu Stufe stieg.

Im Allgemeinen billigt das Bureau die Aufnahme des Bucephalus. Mit erstaunlicher Einsicht sagt man sich, daß Bucephalus bei der heutigen Gesellschaftsordnung in einer schwierigen Lage ist und daß er deshalb, sowie auch wegen seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, jedenfalls Entgegenkommen verdient. Heute - das kann niemand leugnen - gibt es keinen großen Alexander. Zu morden verstehen zwar manche; auch an der Geschicklichkeit, mit der Lanze über den Banketttisch hinweg den Freund zu treffen, fehlt es nicht; und vielen ist Macedonien zu eng, so daß sie Philipp, den Vater, verfluchen - aber niemand, niemand kann nach Indien führen. Schon damals waren Indiens Tore unerreichbar, aber ihre Richtung wer durch das Königsschwert bezeichnet. Heute sind die Tore ganz anderswohin und weiter und höher vertragen; niemand zeigt die Richtung; viele halten Schwerter, aber nur, um mit ihnen zu fuchteln; und der Blick, der ihnen folgen will, verwirrt sich.

Vielleicht ist es deshalb wirklich das Beste, sich, wie es Bucephalus getan hat, in die Gesetzbücher zu versenken. Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller Lampe, fern dem Getöse der Alexanderschlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten Bücher.

(F. K: Sämtliche Erzählungen. Fitabu. 1078. Ffm. 1970.. S. 123)

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Weitere Auftritt des Pferdes: Bukephalu/Buzephalus

Goethes: Werther. Buch I:

Werther an seinen Freund Wilhelm

Am 22. August.

Es ist ein Unglück, Wilhelm, meine tätigen Kräfte sind zu einer unruhigen Lässigkeit verstimmt, ich kann nicht müßig sein und kann doch auch nichts tun. Ich habe keine Vorstellungskraft, kein Gefühl an der Natur und die Bücher ekeln mich an. Wenn wir uns selbst fehlen, fehlt uns doch alles. Ich schwöre dir, manchmal wünschte ich ein Tagelöhner zu sein, um nur des Morgens beim Erwa­chen eine Aussicht auf den künftigen Tag, einen Drang, eine Hoffnung zu haben. Oft beneide ich Alberten, den ich über die Ohren in Akten begraben sehe, und bilde mir ein, mir wäre wohl, wenn ich an seiner Stelle wäre! Schon 3ässt3e Mal ist mir’s so aufgefahren, ich wollte dir schreiben und dem Minister, um die Stelle bei der Gesandtschaft anzuhalten, die, wie du versicherst, mir nicht versagt werden würde. Ich glaube es selbst. Der Minister liebt mich seit langer Zeit, hatte lange mir angelegen, ich sollte mich irgend einem Geschäfte widmen; und eine Stunde ist mir’s auch wohl drum zu tun. Hernach wenn ich wieder dran denke, und mir die Fabel vom Pferde einfällt, das seiner Freiheit ungeduldig sich Sattel und Zeug auflegen 3ässt, und zuschanden geritten wird; - ich weiß nicht, was ich soll – Und, mein Lieber! Ist nicht vielleicht das Sehnen in mir nach Veränderung des Zustands eine innere un­behagliche Ungeduld, die mich überallhin verfolgen wird?

(J. W. von Goethe: Die Leiden des jungen Werther. Stuttgart 1995. RUB 67. S. 62f.)

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Erläuterungen zum Brief vom 22. August

aufgefahren“: eingefallen.

angelegen“: anliegen, mit Bitten bedrängen; unser Modewort geht zurück auf Luk. 23, »Aber sie lagen ihm an mit großem Geschrei und forderten ... «

Die Fabel vom Pferde“- bei Stesichorus, Horaz (Epistulae. 1, 10) und Lafontaine (Fabeln 4, 3); vom Pferd, das im Kampf gegen den Hirsch den Menschen zu Hilfe ruft und danach vom Menschen als Acker- und Jagdtier ausgenutzt wird.

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Folgende Jura-Anekdote kann Dr. juris Kafka (wohl) gekannt haben.

Sie ist aber eine durchaus für ihn eine zeitgenössische Symbolhandlung und die mögliche Repräsentation einer (nicht nur) aktuellen und formidablen Gerechtigkeitsschimäre...

Eine königliche Order vom 4. Juli 1879 und eine Ministerialverfügung vom 12. Juli 1879 interpretierten den § 89 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. April 1878, womit festgelegt wurde: „Die Amtstracht besteht aus einem schwarzen, bis über die Mitte des Unterschenkels herabreichenden, faltenreichen Wollstoffgewande mit weiten offenen Ärmeln, vor der Brust schließend, mit breitem Besatz, der für die Richter und Staats­anwälte von schwarzem Sammet, für die Rechtsan­wälte von schwarzer Seide ist; dazu ein Barett." In Bayern wurde die Amtstracht erst 1880 eingeführt, nachdem ein Anwalt in heller Hose vor Gericht erschienen und gerügt worden war, was in der Presse einiges Aufsehen erregt hatte. In der Freien Hansestadt Hamburg plädierten die Anwälte dagegen weiterhin in Zivilkleidung. Als einmal einer im Reitanzug vor Gericht erschien, diktierte der Vorsitzende in das Verhandlungsprotokoll: "Für den Kläger erscheint Rechtsanwalt Müller zu Pferde."

(Aus: G. Heindl u. H. Schambeck (Hrsg.): Advokaten sind wie die Adler. Wien 1979. S. 87)

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Franz Kafka - 1921: Brief an Max Brod -

Weg vom Judentum, meist mit unklarer Zustimmung der Väter (diese Unklarheit war das Empörende), wollten die meisten, die deutsch zu schreiben anfingen, sie wollten es, aber mit den Hinterbeinchen klebten sie noch am Judentum des Vaters und mit den Vorderbeinchen fanden sie keinen neuen Boden. Die Verzweiflung darüber war ihre Inspiration.

(Zitiert nach M.R.R.: Außenseiter und Provokateure. Zitiert S. 169.)

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Monika Mann: Die Pferde

Das Orgelbrausen der Kanäle und raschen Himmelsflut, das Fest des Regens, es schert die Pferde nicht, die vor dem Wagen stehen triefend und unberührt: jede Fiber ist stumpfe Selbstvergessenheit, wo Erhabenes spukt wie eine andere und höhere Geburt.

(Aus: M. M.: "Tupfen im All". In: Die Familie Mann. Ein Lesebuch mit Bildern. Ausgewählt von Barbara Hoffmeister. Reinbek. Rororo 23197. S. 226)

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Die Mythos-Figur des "Bucephalus" wird seit der antiken Tradition verwendet, sie ist seitdem ein Ansatzpunkt für gesellschaftlich-politische Einvernahme von fabulöser, bildlicher Tier-Herrlichkeit:

< (Möglicher) Arbeitstext .   Fabel von Bukephalos

(Bucephalus, Bukephalas)

Lieblingspferd Alexanders des Großen (356-323 v. Chr.)

Der makedonische König Philipp II. kaufte das Pferd Bukephalos in jenem Jahr, in dem er auch seine Olympischen Spiele in Dion ver­anstaltete, etwa 347 v. Chr. Er bezahlte dem Pferdehändler Philoneikos dafür 136 Talente - eine Summe, mit der man den Monats­sold für 1500 Soldaten hätte begleichen können oder 351kg Silber kaufen - und schenkte den Hengst seinem Sohn Alexander.

Bukephalos heißt Ochsenkopf. Vermutungen über die Herkunft dieses Namens gibt es mehrere: Der griechische Geograph Strabo (63 v. Chr.-2Qi n. Chr.) behauptet, daß das Pferd seinen Namen wegen seines breiten Schädels erhielt. Andere sagen, daß er von Bukephalos' stierköpfigem Charakter abgeleitet worden wäre, von kleinen hornartigen Auswüchsen an seinem Kopf oder endlich von einem weißen Fleck auf seiner Stirn, der die Form eines Stierkopfs gehabt haben soll. Vielleicht war Alexanders Leibpferd aber bloß eines der thessalischen Pferde, die als Brandzeichen einen Ochsen­kopf trugen. Meistens wird Bukephalos als schwarzes Pferd be­schrieben, mal mit einem weißen Stern auf der Stirn, mal mit ver­schiedenfarbigen Augen.

Alexanders des Großen außergewöhnliches Kriegsglück führte früh zu sagen- und romanhaften Ausschmückungen seiner Taten, wovon auch der Bukephalos nicht verschont blieb. So soll Alexan­der der einzige gewesen sein, der das neu erworbene Pferd seines Vaters hatte besteigen können. Er bemerkte, daß es der eigene Schatten war, wo dem Bukephalos scheute, und stellte das Pferd gegen die Sonne, so daß es den Schatten, der sich durch den aufstei­genden Reiter bewegte, nicht mehr sah.

Natürlich verdankte Alexander ihm auch mehrere Male Sieg und Leben. Bukephalos war ausgezeichnet dressiert und geübt dar­in, »den Feind mit Huf und Zahn zu packen«. Als das Pferd in der Schlacht bei Theben schwer verwundet worden war und ausge­wechselt werden sollte, erbat es sich durch »Äußerungen des Zorns und Wiehern .... die Vergünstigung« (M. Graf von Hutten-Czapski), auch blutüberströmt weitermetzeln zu dürfen.

Bukephalos hat Alexander bis nach Indien getragen, wo das Pferd im bemerkenswerten Alter von angeblich 30 Jahren am Fluß Hydaspes, einem Nebenfluß des Indus, einging - der Legende nach bei einer letzten Lebensrettungsaktion seines Herrn. In der Schlacht gegen König Porus (327 v. Chr.) durchbrach »das herrliche Roß« -mal wieder schwer verwundet - mit Alexander dem Großen die feindliche Umzingelung und trug ihn heim, exakt bis ans königliche Zelt, wo Bukephalos für immer zusammenbrach.

Alexander veranstaltete ein prächtiges Begräbnis, dem er selbst beiwohnte, und weihte seinem teuren Kampf-, Ruhm- und Legen­dengenossen ein erhabenes Grabdenkmal. An dieser Stelle errichte­te er auch die Stadt Bukephala (Alexandria Bukephalos), heute Lahore.

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(K. Duve u. T. Völker: Lexikon der berühmten Tiere. S.P. 2684. München 1999. S. 123ff.

Lit: Peter Green, Alexander der Größte. Mensch oder Mythos? Würzburg 1974

N. G. L. Hammond / H. H. Scullard, The Oxford Classical Dictionary, Oxford, 2. Auflage 1970

Marian Graf von Hutten-Czapski, Die Geschichte des Pferdes, Leipzig 1985. S. 123ff.)

>> Lösungsstichworte: Zu den dichterischen Texten:

1. In der griech. Mythos:

Das Pferd, als dem Menschen untergeordnetes, von ihm gezüchtetes und dressiertes Tier, erprobtes, kämpferisches, stärkstes Tier, das den Herrscher Alexander bis nach Indien tragen durfte: Es musste stark sein, so dem Cäsaren-Typ Alexander angemessen; und es ist schon auf dem Hof des väterlichen Reitstalles vom jungen, kenntnisreich-fähigen "Alexander" erkannt, eingeschätzt,

2. Politische Neufassung im republikanisch-satirischen Fabeltyp des "rebellischen Pferds": vom „Stürmer und Dränger“ Pfeffel, eines sehr wichtigen politischen, deutschen Fabeldichters, der die deutsche Aufklärung mitprägte. Er überträgt die Freiheitssignale der Französischen Revolution auf das Abhängigkeitsverhältnis des leidenden, kämpfenden, schikanierten Volkes durch die eitel-dreisten-ignoranten Adelsherren, die den dienenden Untertanen zum Aufruhr treiben.

(Formulierungen alsnterpretation und Klärung der Intention überlasse ich hier jedem Interessierten.)

3. In eigenständiger Allegorie bei Kafka:

F. K. erfindet einen neuen Rechtsgelehrten Dr. Bucephalus im kulturellen, menschlichen Kontext; aus dem tierischen Lebensbereich, der nur in der Mythologie als Vorform der geordneten Religionen bestand, überträgt er ihn genial-intuitiv und selbstständig in den akademischen, juristischen Dienstleistungsbereich, Dr. Bucephalus ist eingeführt in den Büro-Bereich der Weltgeschichte, aber sein Aufgabenbereich, seine Interessen bleiben ungeklärt. Rätselhaft: das edelste, herrliche Reit- und Kampftier des Alexander des Großen als Ratsuchender, als juristischer Beistandsvertreter in kulturellen Fragen, in geschicht-lichen Prozessen, in philosophischen Theorien. - In Menschenrechtsfragen?

Arbeitsvorschlag für Schüler-:

4. Aufgabe zur selbstständigen Interpretation:

Wie verstehst du den abschließenden Satz Kafkas: „Frei, unbedrückt die Seiten von den Lenden des Reiters, bei stiller Lampe, fern dem Getöse der Alexanderschlacht, liest und wendet er die Blätter unserer alten Bücher“?


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