Samstag, 26. November 2022

Thema A u t i s m u s - eine Klausur für den EW-Unterricht (NRW-Stufe 13)

 

 

 

 

> Bienchen, vor Lavendel. "Sie lebt nicht mehr; letal, nicht autistisch"  by AStRey)

 

 Zum Thema   A u t i s m u s

# Klausur: Dietmar Z ö l l e r s  Beurteilung zum Film "Rain Man": Der Autist Zöller (vgl. M. 5.10.) besuchte den Film am 9. April 1989 und hielt seine Bewertung in Tagebucheinträgen fest.( Aus: D. Z.: „Ich gebe nicht auf.“ (Zuerst 1992). München 1995 (dtv 30452). S. 60f., 71f.) 

Arbeitstext:

 9. April 1989 - «Rain Man», ein Film mit Fragezeichen. Der Film war ein Erlebnis. Man sollte nicht glauben, daß ein Schauspieler eine solche Rolle spielen kann. Das war echt und eindrucksvoll. Gestört hat mich, daß Leute gelacht haben. Die ahnen wohl nicht, wie schlimm eine solche Behinderung ist. Es war doch erschütternd, daß der Mann nicht wußte, was Partnerliebe ist, und es darum nur mißverstehen konnte. Ich habe immer nur gedacht: Wie gut, daß ich alles begreife und das Leben verstehe, auch wenn ich nicht die Aufga­ben des Alltags bewältige. Man sollte aber Behinderte nicht lächerlich machen. Vielleicht brauchte der Film eine Einleitung über den Autismus und seine Ausprägungen. Ich weiß nicht recht, was ich von dem Film halten soll. Ein wenig hat er mich gekränkt, weil ich die Schwierigkeiten eines Autisten aus eigenem Erleben und Leiden kenne. Wenn ich es recht bedenke, dann war der Film für mich aufregend. Ich war sehr gespannt und konnte an manchen Stellen nicht ertragen, einen solchen Spiegel vorgehalten zu bekommen, denn ansatzweise sind die Schwierigkeiten bei mir auch noch vorhanden. Ich habe z. B. auch noch Probleme, wenn wir abends Auto fahren und die Lichter so blenden. Was glaubt wohl Dustin Hoffman, wie die Wirklich­keit eines Autisten aussieht? Alles ist noch viel schlim­mer, als man es spielen kann. 

27. Juni 89 - Lieber Herr Mayer, ein letzter Brief, den ich als Schüler an meinen Lehrer schreibe. In Zukunft schreibe ich dann an einen Freund, der mir ja vielleicht das Du anbietet. Das hätte ich jedenfalls gern. Ich fand die Abschlußfeier ganz gut und war auch nicht übermäßig traurig, nur nachdenklich. Morgen sieht das noch mal ganz anders aus, das ist endgültig. Ich gebe mir Mühe, nicht auszuflippen. Abends gehe ich mit Mama und ihrer Projektgruppe in «Rain Man». Freitag fahre ich mit der Gruppe nach Stetten im Remstal. Das interessiert mich wirklich. Die Schüler können dann ja am lebendigen Beispiel, näm­lich an mir, feststellen, wie das ist, wenn man behindert ist. Ich mache mit. Mal sehen, wie es wird. Ade, bis bald, Dietmar 

29.6.89 - Das war gestern eine gute Ablenkung mit "Rain Man". Ich habe viel mehr gesehen als beim ersten Mal. Aber ich muß mich abgrenzen. Ich bin anders. Ich beharre nicht auf solchen Ritualen und kann viel besser Veränderungen ertragen. Es hat mich aber vieles an meine Kindheit erinnert. 

Aufgabenstellung: 

1. Sellen Sie fest, welche Bewertungen er trifft, und erklären Sie mögliche Gründe für seine Beurteilungen! 

2. Belegen Sie an Beispielen des Filmes dar, welche Ursachen in Raymonds Fall für sein autistisches Syndrom gegeben sein könnten! 

3. Erarbeiten Sie beispielhaft, welche Versuche Charlie Babbitt unternahm, um mit Raymonds Verhalten "fertigzuwerden"! Was bewog ihn schließlich, seinen Bruder wieder zum Wohnheim nach Warbrook reisen zu lassen? 

4. Beurteilen Sie die Qualität und sozialpädagogische Relevanz des Filmes an einem Beispiel, in dem deutlich wird, wie die Umwelt auf den autistischen Raymond reagierte! 

 <Viel Erfofg!>

Freitag, 25. November 2022

Arbeitsblatt zu "H a n s, m e i n I g e l" - Grimms Märchen # 108 (ATU 441) -

Zur Symptomatik des „behinderten Kind-Mannes“ im Grimmschen Märchen - als Fallbeispiel: "Hans der Igel" (KHM 108)

                                                - < Bild von Nikolaus Heidlelbach; in: Märchen der Brüder Gimm. Betz&Gelber < 

 

Folgende Symptome lassen sich bei "Hans mein Igel" erfassen - analysieren Sie die märchen-typischen Aufstellung als psychosexelle und medizinische Erarbeitung: ** Sozialer Druck, der zu Zwangsvorstellungen führt: eigenes Kind als unbefragtes Muß: Stärkung des sozialen Ansehens ** Emolionalität: statt Liebe - funktional-zweckgebundene Zeugung eines Kindes d. d. Vater ** Hohes (?) Alter der Eltern (als Risikofaktor bei der Mutter für die Gesundheit des Kindes in der modernen Medizin erkannt) ** Hautprobleme und Verhaltensprobleme (als atavistische, starke Behaarung oder Verschuppung des Körpers; Hyperaktivität des Säuglings) ** Schwierigkeiten beim Versuch des Stillens (Störung der Mutter-Kind-Dyade in der oralen Phase) ** Fluch (zeittypische Verwünschung), Zeichen der Ablehnung und un/bewußten Tötungsabsicht: als langandauernde Stigmatisierung, die eine Entwicklungsstörung verursacht: das Kind fühlt sich völlig abgelehnt, es muß einen Überlebenskampf führen ** Versuch der Mutter, Liebe und Zuwendung zu zeigen ** Schwacher Protest der Mutter führt zu Unterordnung unter die Gewalt des Vaters Entwicklungsstillstand über sieben Jahre hinweg ** (Wahrscheinlich) späte Sprachentwicklung: erst in der Phase, die unserem Schulkindalter entspricht ** Regression in die innere Welt, die Traumwelt (? Animismus)

 ** Änderung des babyhaften "Einrollens" mit acht Jahren (zu deuten als verspäteter Eintritt und schnelles Verlassen der Entwicklungsstufe des Kleinkindes) 

** Retardation: Rückzug, Flucht vor dem (starken) Vater 

** Verhaltensstörungen: Selbst-Isolation und Manien, Zwänge, Stereotypien in Handlungen statt kreativen Spiels und altersgerechter Entwicklung 

** Fixierung, Wahrnehmungsspezialisierung auf klanglich starke Reize (Anregungspotential der Musik) ** Besondere Begabung für musikalische Phänomene (bei Autisten genial eingestufte Fähigkeiten bei äußerer Anregung neben anderen Spezialbegabungen) 

 ** Selbständige Arbeitsleistungen außerhalb des Elternhauses, die zur Zufriedenheit und zum Erfolg durch Leistung führen 

** Kontakt mit "Reisenden" (mit anderen Menschen) als Ausweis seiner Fähigkeiten: Versuch, sich zu behaupten 

** Reifungsschritt zum Erwachsenenalter (Adoleszenz) hin: Erwachen der Sehnsucht nach Liebe oder Partnerschaft 

** Machtdemonstration: Bestrafung der Prinzessin durch einen Gewaltakt 

** Erwachsenwerdung in der Suche und Liebe zur richtigen Frau 

** Überwindung der eignen Behinderung, seines Andersseins (Ablgegen und Vernichtung seiner abstoßenden "Igelhaut") in der sexuellen Begegnung 

** "Schwarzer" Zustand der Nackheit = Hilflosigkeit, als Hilfsbedürftigkeit, Notwendigkeit der Zuwendung und ärztlichen Betreuung, um nachträglich zu reifen, würdig seiner neuen sozialen Stellung zu werden 

** (Er-)Lösung/Heilung (nach Zauber-Märchen-Art:) glückliche Liebe; Mann macht Frau glücklich 

** Aussöhnung mit dem Vater als letzter Schritt der Liebenden für ihre Zukunft (in der königlichen Welt)

(Möglicher) Klausurtext:  Rudolf Meyer: [Aus] Die Weisheit der deutschen Voksmärchen. Frankfurt/M. 1981. Fi-TB 5505. S. 234f. Voraussetzungen: Kenntnis des Märchens "Hans, mein Igel", der Text müßte für die Bearbeitung vorliegen; die Krankheitssymptome für den Autismus; psychosoziale Entwicklungskrisen nach dem Identitätskonzept der PSA Erik Eriksons (z. B. in der Fassung des Pädagogik-Arbeitsbuches "Gestörte Entwicklung und Sozialisation", erarbeitet von Heribert Fischer. Frankfurt/M 1985: Hirschgraben-Verlag (Nr. 128900). S. 43 - 53). 

Aufgabenstellung: 

 1. Erarbeiten Sie die Darstellung Meyers und kennzeichnen Sie seinen Ansatz! 

2. Welche Symptome für Autismus werden von Meyer erfaßt? Gibt es darüber hinaus im Märchentext noch definitive oder hypothetische Krankheitsmerkmale? Welche gehen über das Krankheitsbild Autismus hinaus? 

3. Welche psychosozialen Krisen (nach Erikson) durchläuft der Junge Hans? Welche Anforderungen kann er nicht integrieren in seine Identität? 

4. Meyer spricht in seiner Deutung von "zurückgehaltenen Kräften" des Lebenslaufs des Märchenhelden und von einer "imaginativ gehaltenen Biographie" <der Zauberei>. 

Erwartete Leistung(en): 

Setzen Sie sich auf dem Hintergrund der Ihnen bekannten Ursachen-Hypothesen mit diesen Deutungen auseinander! Eine katalogmäßige Typologie der Krankheitssymptome, der überlieferten physischen oder psychischen Krankheitsbilder von Märchenfiguren, gibt es nicht; lediglich in der Reifungs- und Ablösungs-Psychologie, in der Analyse der Verdrängungs- und in der Identifikationsproblematik ist eine Übertragung des modernen, realitätsgerechten, medizinischen Blicks auf althergebrachte Vorbilder und Symptome, als Fälle früheren normalen oder unnormalen Verhaltens, kranker oder wieder gesundeter Zustände, fassbar.  

Literatur: 

W.. Scherf. Bd, 1/2, 1995. S. 1513) Märchenausgaben mit dem vergleichbaren Typus ’Mensch/Igel': „Hans mein Igel“ (KHM 108) „Das Borstenkind“ In: Haltrich, Josef: Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen. Hrsg. von Hanni Markel. Bukarest: Kriterion Verlag 1973. Hans Meschendörfer. München 6. Aufl. 1956. „Sohn Igel“ In: Else Byhan: Wunderbaum und goldener Vogel. Slowenische Volksmärchen. Kassel 1958: Röth. (Das Gesicht der Völker) „Von einem Igel und den Herrentöchtern“. In: Boehm, Max und Specht, Franz [Hrsg.]: Lettisch-litauische Volksmärchen. Jena: Diederichs 1924 (Deutsche Volksmärchen)  

 

Sekundärliteratur: 

Rudolf Meyer: [Aus] Die Weisheit der deutschen Volksmärchen. Frankfurt/M. 1981. Fi-TB 5505. S. 234f. Ingrid Riedel: Hans mein Igel. Wie ein abgelehntes Kind sein Glück findet. Zürich 1984: Kreuz-Verlag. R. Geiger: Hans mein Igel. In: R.G.: Märchenkunde. Stuttgart 1982. S. 450 - 463. I. Köhler. Hans mein Igel. In: Enzyklopädie des Märchens. 6, 494 - 498. (Krüger S. 46-48.) Liungman, Waldemar [Hrsg.]: Weißbär am See. Schwedische Volksmärchen von Böhuslän bis Gotland. Kassel 1965: Röth (Das Gesicht der Völker) S. 103; 361. Schmidt. Hans mein Igel. In: Brüder Grimm Gedenken. Hrsg. von Ludwig Denecke. (1963 ff.) S. 319-320. Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Berlin/Bosten 2013. S. 232-235. XXX  

Vgl. bei Wiki den Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_mein_Igel

                                                             > Differenz: Mensch/tierisches Wesen <

Samstag, 12. November 2022

Ein suizidaler Fall: Virgina W o o l f in ihrer F r e i-Tod-Erklärung

Ad-Surdes &ProFessionelles zu V i r g i n i a W o o l f:  

Wahres, immerzu  W a h r e s <in stilo et in poeticis et in brevitate  v i t a e  litterae1]

 

Virginia Woolf und ihr Desaster <nach Freudscher Theorie>:


In führe weiter den AufSatz: Virginia Woolf und Sigmund Freud von Susanne Hatmann an:

https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/31281/ssoar-1995-1-hartmann-virginia_woolf_und_sigmund_freud.pdf?sequence=1


Virginia  W o o l f s Suizid-Erklärung:

Von Virginia Woolf - https://www.brainpickings.org/, Bild-PD-alt, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=9397469


Ihr niederschmetterndes Ergebnis ihres Lebens mit ihrer Suizid-Erklärung gegenüber ihrem Mann lässt folgende Fragen ungeklärt:


  • Ihr künstlerisches SelbstVerständis (als Emotion): Es - als ihre literarische Psyche, war erschöpft. Alles, was V. W. in ihrem Werk erarbeitet hatte, endlos beschäftigt, immer wieder tastend und im Ergebnis (in summa:) unsicher, labil, lyrisch-verschmolzen: Alles ist in einer Banalität nieder-geschrieben,einzig für ihren Mann, dass ich mich fragen will, wie kann man am Finis mortis, realiter am Lebensende so viel banal aufschreiben, ohne Erklärungen zu geben?

  • Ihr peripheres Wissen um ihre Krankheit: Nie aufgearbeitet; immer nur erprobt, versucht, nicht substituiert, um von den normalen realistischen Erzählweisen (der englischen Tradition) zu abstrakten Formen der gekünstlerten Unterhaltung zu denken; die ihrem eigenen Gehirnstruktur zupaß kamen, als sie ehrlich von ihrem Ehemann Abschied nahm, ein völlig expositorisches Textlein, mit drei Paraphrasen, das in ihren  hoch-gestellten Ambitionen ihrer verbalen Künste völlig enthoben war. Spricht man so ad thantaos autos, wenn die eigene, so hart angestrebte Kunst versagt? (Nein, es gibt viele Abschiedsbriefe, die poetisch gestaltet sind; immer denk-kulturellen Zuschnitt der Familie oder dem/der Geliebten zugewandt, zu-getext ...). Hat sie sich völlig auf die verbalen Bedürfnisse ihres Mannes angepasst, sich ihm emotional-suzidal ergeben?

  • Ist sie hatte (leider) keine Kenntnisse von pharmokologischen oder anderen Arzneien (natürlichen Substraten!) Subtanzen, die bei Depressitvität, bei Neurasthenie, bei sublimen Formen der Erschöpfungszustandes hätten helfen können. (Warum gibt es da in der Gegend der Künstlerin Gärten und SpazierVerLäufe <auch heute> für Touristen in Gärten, die man erfassen/erfahren kann? Gab es in ihrem Bloomsbury-Kreisen keinem/keine, der/die sich erfahren war, andere Arzneien, in Jahrzehnter langer Tradition erprobten Natursubstanzen?

  • Ihre Formulierungen im Brief selbst sind so „beknaut“, so erschöpfend, so untauglich an künstlerischer Struktur, sich wiederholend – ohne eine wirkliche psycho-.logische Information: anders ausgerückt: ich mach, was ich kann - und stelle die Behauptung auf, die so minial unterschiedlich sind: Sie sind in dreifacher Hinsicht paraphrasenhaft. – Warum drückt mensch sich und dem anderen (Geliebten, Partner, Ehegatten) seine Liebe in dreifach gesteigerter Phrasierung aus? Muss mensch ihn über-zeugen? „I feel certain I am going mad again.“ - „mad'“; „mad again“; „I am going mad ...“ [Aber, wer kann schon wissen, was&wie&warum V.W. und ihr Ehemann L.W. unter „m a d“ verstanden haben; sie hatten ja auch eine gemeinsame Suizid-Vereinbarung im&wg. des Krieges geschlossen....]

  • Hier, wird von mehreren Suizid-Versuchen des V.W. berichtet: https://en.wikipedia.org/wiki/Virginia_Woolf

* ~ *

 

Liebster,

ich spüre mit Sicherheit, dass ich wieder verrückt1 werde. Ich glaube, dass wir diese schreckliche Zeit nicht noch einmal durchstehen können. Dieses Mal werde ich mich nicht erholen. Ich beginne, Stimmen zu hören, und ich kann mich nicht konzentrieren. Ich tue also, was das Beste zu sein scheint. Du hast mir das größtmögliche Glück geschenkt. Du bist mir in jeder Weise all das gewesen, was jemand sein kann. Ich glaube nicht, dass zwei Menschen hätten glücklicher sein können, bis diese schreckliche Krankheit kam. Ich kann nicht mehr kämpfen. Ich weiß, dass ich Dein Leben verschwende, dass Du ohne mich arbeiten könntest. Und das wirst Du, das weiß ich. Du siehst, nicht einmal das hier kann ich ordentlich schreiben. Ich kann nicht lesen. Was ich sagen will, ist: Ich verdanke alles Glück in meinem Leben Dir. Du unglaublich geduldig und gut zu mir. Ich möchte das sagen – jeder weiß es. Wenn mich jemand hätte retten können, wärst Du es gewesen. Mich hat alles verlassen außer die Gewissheit Deiner Güte. Ich kann Dein Leben nicht länger verschwenden.

Ich glaube nicht, dass zwei Menschen hätten glücklicher sein können, als wir es waren.

V.

* ~ *

Virginia Woolf gab ihren inneren Stimmen in ihrer Literatur – weitgehend, mit vielen Schwankungen und Veränderungen - einen finalen Platz (wenn sie den Text veröffentlichte). Sie gilt als eine der ersten Autorinnen, die den inneren Monolog in ihren Werken <teilweise> zur Vollendung brachte und so die Seelenlage ihrer Protagonisten wirkungsvoll ausdrücken konnte [wie es K. Mann (s. u.) beschrieb]. Das gelingt ihr auch in ihrem Abschiedsbrief, in dem sie emotional schildert, was sie trotz aller Liebe zu ihrem Mann zu einer solchen Handlung treibt: Tod & Ergebung in einen 'Wahn', den sie „Verrücktheit“ nennt. Das Schreiben war für sie therapeutisch, ebenso wie ausführliche Gespräche über Literatur, doch letzten Endes schien auch das ihr nicht mehr zu genügen: Sie verschied, sie gab auf, sie wollte sich erlösen. Sie trennte sich <schriftlich> von ihrem Mann (dem sie sich verantortlich fühlte: ein freiwilliges Geständnis zu ihrer SterbeWilligkeit, ohne BeiHilfe zu verlangen: Die Sprache ihres Dokuments ist absolut kunstLos konzipiert, liebevoll-willig ergeben ihrem Ehemann, dem sie sich bedingungslos anvertrauen kann/will. Es ist final, gemeinschaftlich geprägt nach ehelich-liebenden Verständnis (wie sei es zeitlich-ehelich nie erfahren hat; ihrem eigenen Verständis zuFolge).

* ~ *

Ein Auszug aus eine nomal-stimmigen Abhandlung zu Woolfs Symptomen nach Freudschen Theorien:

Obwohl sich in den späten 20er Jahren die enge Verbindung zwischen
Bloomsbury und der Psychoanalyse gefestigt hatte, war Virginia, als
einzige in der Gruppe, gänzlich der Idee abgeneigt, sich analysieren zu
lassen. Alix erinnerte sich kurz vor ihrem Tod: 'James wunderte sich
oft, warum Leonard Virginia nicht überredete, aufgrund ihrer Nerven¬
zusammenbrüche einen Psychoanalytiker aufzusuchen. Es gab damals
Analytiker, die ausreichendes Wissen gehabt hätten, um ihre Krankheit
zu verstehen'"
. (Meisel & Kendrick 1986, S. 308-309)

* ~ *

Klaus Mann (1929), der als erster eine literarische Initiation der V. W. im Deutschen leistete: "Die englische Schriftstellerin Virginia Woolf ist sehr in Mode, was mißtrauisch gegen sie macht. Ein geistreicher Kritiker hat sie als «Joyce für Damen» verulkt; das scheint mir ungerecht, denn sie prätendiert nichts, was sie nicht ist." (Klaus Mann [1929]: Zwei europäische Romane. (Virginia Woolf und Jean Cocteau). - In: Klaus Mann. Auf der Suche nach einem Weg. Berlin: Tansmare Verlag (1931). S. 227-234. - Abdruck aus: K. M.: Die neuen Eltern. Aufsätze, Reden, Kritiken 1924- 1933. Reinbek/Hamburg 1992. S. 207-211.

* ~ *

Im Deutschen: Es gibt komische, von inhärenten, modischen Interessen gespeiste Veröffentlichungen, ob's Kumpel&Füllereien oder von Journaillisten, die nicht literarisch, schon gar nicht psychologisch gebildet erscheinen - ersonnen:

https://www.spiegel.de/kultur/szenen-einer-ehe-a-2d467921-0002-0001-0000-000013529765

* ~ *

Diese Einschätzung des menschlihen & literarischen Falles V. W. ... ergibt sich nach genauen Kenntnissen von 31 suizidalen Fälle in menem Leben >seit dem 16. Jahr>; aufgrund meiner sozialwissenschaftlichen Studien und meines Erlebens mit suizidalen Patienten in einer kirchlichen Praxis der 'Anhörung'  <accueil für Menschen der Straße>. Ich bewerte V. W.s Erklärung als Bekundung ihres iind ividuelle Lebensendes, als finis vitae cantici; aut: Finis coronat vitam et opus [Ovid in Heroides (2, 85)],

1] Wie man auch übersetzt; die verzweifelte, ab eine klar, destikt, nicht lyrisch poinierte Botschaft lautet: "Liebster, ich spüre genau, dass ich wieder wahnsinnig werde".

1 vita est: non accipimus brevem vitam, sed facimus nec inopes
eius, sed prodigi sumus. (.Seneca, Epistulae morales)

* * *  

Nachtrag: 16.02.2023:

                                                                                                                               Roger Fry: Porträt  Virginia Woolf, um 1917

       

 

Virginia Woolf:

Zitate. ,,Sprüche“ – hehre AusSagen; allenfalls AusDruck von Missbehagen, MissFlüchtigKeiten. (Geheimnivoll Femines. EntSetzen ob maskuliner Überlegenheit, die sie (sehr wohl) gerne selbst an/über/nommen hätte … - wenn sie anders gestaltet – und sozialisiert worden wäre [sie selbat hätte sozialiseren können!]: ein perönliches Unvermögen, das sie theatralisch formuliert (in den verbalen AusFlüchten; was in ihren Romane äußerst selten/dezent/schattenhaft/ver-heimlicht … vorkommt.

Ich vergleiche diesen psychischen BeFunde mit typischen Mörikeschen Angaben für Depressionen, Melancholien, Missbehagen seinem seelischen UnBehagen: – das vollkommen klar-intim ausgedrückt wird (in Briefen an seinen Umkreis - Mutter, Schwester. Freunde/Feundin: Braut (genannt), Literaten - :

Eduard Mörike: Zur Hypochondrie; zu seiner Hypochondrie [egal, wie man sie heuee ärztlich nenen mag:Dystonie; psychische Störungne, affektive Dilemmata,cognitive Dissonanz, schizophren oder schizothyme Beeichträchtigen; etc.:

  „INNERE NOT“: Laße dies Herz alleine haben / seine Wonne, seine Pein.

Ich bin jetzt so ziemlich zufrieden … Ziemlich zufrieden sage ich. wenn der Satan Hypochondrie nicht wäre, denn dafür erkenn ich ihn selber in guten und nüchternen Stunden. (An Ludwig Bauer. 9. 12. 1827. EM: HSK. Bd. 10; 198f.))

Als meiner hypochondrischen Natur ... tepesziere [lat. depascere: abweiden] ich mit Leid und Freude gerne so fort; sonst komme ich aus dem Gleichgewicht. (Brief an Kaufmann v. Juli 1825). EM: HSK. Bd.10. 103f.)

... halb weinerlich und lustig bewegt mich ein sonderbarer Wechsel von freudigem und herzlichem Mute und von zaghafter Schüchternheit. (An Gustav Schwab v. 22. 3. 1828. In.: EM: HSK: Bd. 10. S. 203f.

* ~ *

Kaum bin ich hier angelangt, bestes Kind, so gibt es schon wieder Gelegenheit, die Madel nach Grötzingen zu schicken, und ihr ein liebes Wort an Dich mitzugeben. O Herz! wie seltsam hat es die kurze Zeit, als ich von Dir bin, in meinem Innern gewechselt! So lang ich unterwegs war und in der frischen glänzenden Winterluft, wiegten sich meine Gedanken nur in einer Art von glücklicher Dumpfheit hin und her, kaum saß ich zu Haus, so fehlte mirs an allen Ecken und Enden, eine unerklärbare Unruh kam über mich; nicht blos das Heimweh nach Dir, nicht die Starrheit der alten Einsamkeit, nein, eine ganz neue unbekannte Trauer zog mir die Brust zusammen, aber Deine Gegenwart, ein Wort von Dir hätte mir doch allein geholfen.
Ich warf mich matt und abgespannt aufs Bette und fand, wie seit langer Zeit nicht, wieder eine Zuflucht in dem Troste unverhaltner Tränen. Es ist das einer von den rätselhaften Augenblicken, von denen es heißt: sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
Du hast Dich deswegen auch nicht drum zu kümmern und ich hätte füglich nichts davon gesagt, wenn mirs nicht eine Erleichterung, ein Bedürfnis wäre, Dich eben in dieser Wehmut herbei in meine Arme zu ziehen, gerade jetzt Dir zu sagen, wie ganz Du mich durchdringest! (…)
- (An Luise Rau: lattenhardt, den 2. Dezember 1829. Mittwoch Abend)