Montag, 27. Mai 2019

Heinrich Bölls G e b e t

Heinrich Böll:
Das Gebet
(1946)

Mit allem Willen,
aller Qual
Konnt' ich die Blumen Gottes
nicht gebären
Mein Herz verkrampfte sich
in lähmendem Verwehren
und stieß ein dumpfes Schluchzen aus,
ohne die quellende
Süße der Tränen
Da riß mir Gottes Hand
die müden Funken auf
und ließ den Wein der Tränen
strömen, strömen .....
Vom Blut der Gnade
fand sich dann sein Lauf
und wölbte sich in seliger Spannung auf
in wildem Sehnen...
(In: H. B. Kölner Ausgabe. Bd. 2. Texte 1946 – 1947. S. 60

Zu dieser Zeit, als Heinrich Böll kryptisch- medidtative Gedichte, wie dieses GEBET,  schreib, hatte er noch nicht seine Phase der kritisch-reflexionen Text gefunden, deren vorzüglich-ergreifenden Text er mit den „Ansichten einer Clowns“ im Jahre 1963 lieferte.
Die Vorform seines christlichen „Gebets“ nimmt Anleihen im Mythtischen, in der Meditation. In einre solchen Interpretation kann jede behustsame Seele „die Blumen Bottes“ erkennen und die „Funken in die Bedeutung von Augen erkennen. Wein . ..Gnade kann auf das im Wein der Eucharistie enthaltene und gespendete Blut Christi identifiziert werden.

In der auf scharf gestellten Prosa des „Ansichten des Clowns“ wird Fraktur geredet: in aller Materie ist auf die Emotionen der Liebenden abespielt und ihre christlichen Fesseln werden bloßgelegt.
         Szenenfoto aus „Ansichten eines Clowns“, Film von Vojtech Jasný (1976)


Im Text der Romans:
  
Ich nehme es, wie es kommt, und rechne mit der Gosse. Marie hat ganz andere Ideen im Kopf; sie redete immer von »Verkündigung«, alles sei Verkündigung, auch, was ich tue; ich sei so heiter, sei auf meine Weise so fromm und so keusch, und so weiter. Es ist grauenhaft, was in den Köpfen von Katholiken vor sich geht. Sie können nicht einmal guten Wein trinken, ohne dabei irgendwelche Verrenkungen vorzunehmen, sie müssen sich um jeden Preis »bewußt« werden, wie gut der Wein ist, und warum. Was das Bewußtsein angeht, stehen sie den Marxisten nicht nach. Marie war entsetzt, als ich mir vor ein paar Monaten eine Guitarre kaufte und sagte, ich würde nächstens selbstverfaßte und selbstkomponierte Lieder zur Guitarre singen. Sie meinte, das wäre unter meinem »Niveau«, und ich sagte ihr, unter dem Niveau der Gosse gebe es nur noch den Kanal, aber sie verstand nicht, was ich damit meinte, und ich hasse es, ein Bild zu erklären. Entweder versteht man mich oder nicht. Ich bin kein Exeget. (H. B.: „Die Ansichten eines Clowns“. 6. Kapitel KA. Bd. 13. S. 38)

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Kommentar:

38.27-28 „Verkündigung“, alles sei Verkündigung] Der Kommentar von Arpad Bernath gibt an: Im religiösen Sprachgebrauch Bezeichnung für die Botschaft vom Heilshandeln Gottes in Jesus Christus und ihre Weitergabe durch die christlichen Kirchen in Wort und Tat. - Hans Schnier ist seinem unverblümten, einer wahren Diktat, dass er von „irgendwelchen Verreckungen“ spricht, in einer Wahrheitsliebe, die man als man ein Diktat von Sigmund Freud auffassen kann: „Unsere Kultur ist ganz allgemein auf der Unterdrückung von Treiben aufbaut.“ , oder Hanns Schnier nennt es „Indolenz“; in Wahrheit sind es pschyoanalytische Setzungen, in Schniers lauten Rufen. 
Es sind Prokovationen des „Clowns“, die Theologen oder Wischiwaschi-Feuilettonisten in Gänze und Vehemenz beantwortet werden zur Entstehungszeit von 1963/65.

In den Kritiken und Würdigungen nach zu Bölls Todestags hat die Schärfe der Ablehnung von Hans Schniers Kritiken abgekommen...

Poet in der Nähe Jesu – Heinrich Böll, das Politische Nachtgebet in Köln und das Christentum:


Böll, als katholischer Rebell:

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Jürgen Springer:

100 Jahre Heinrich Böll: Wider den Halbschlaf