Dienstag, 19. März 2024

Oster-Lektüre: Anton T s c h e c h o w: "D e r B i s c h o f"

 

> Buch von Sigismund von Radecki >


Vor Osern lese ich >alleJahrewieder> 

Der  Bischof - von  Anton T s c h e c h o w



I. Auf den Palmsonntag hin wurde im Alt-Petrowschen Kloster die Abendmesse gefeiert. Als man die Palmzweige auszuteilen begann, ging es schon gegen zehn Uhr, die Flammen waren trübe geworden, die Dochte hatten Lichtschnuppen, es war alles wie im Nebel. Im Dämmer des Kirchenraumes wogte die Menge wie ein Meer, und dem hochwürdigsten Peter, der schon drei Tage nicht gesund gewesen, schien es, als ob alle Gesichter - alte und junge, männliche und weibliche - eines wie das andere aussahen, und daß alle, die zum Empfang der Zweige herantraten, denselben Ausdruck der Augen hatten. Im Nebel konnte man die Türen nicht erkennen, die Menge bewegte sich immerzu, und es war, als ob sie nie ein Ende haben werde. Ein weiblicher Chor sang, den Kanon las ein Nönnchen.

Es war so schwül, so heiß! Wie lange die Abendmesse dauerte! Der hochwürdigste Peter war müde geworden. Sein Atem ging schwer, hastig, trocken, die Schultern schmerz­ten vor Müdigkeit, die Beine zitterten. Und unangenehm erregte es, daß auf der Empore ein Narr in Christo ab und zu aufschrie. Und dann schien es dem Hochwürdigsten noch Plötzlich, als wenn zu ihm mit der Menge seine leibliche Mutter Márja Timoféjewna herantrete, die er schon neun Jahre nicht gesehen hatte, oder eine alte Frau, die ihr ähnlich sah und, den Zweig von ihm entgegennehmend, zur Seite trat und die ganze Zeit auf ihn lustig, mit einem guten, frohen Lächeln blickte, bis sie sich wieder unter die Menge mischte. Und irgendwarum flossen ihm Tränen übers Ge­sicht. Die Seele war ruhig, alles war gut und schön, doch er blickte unbeweglich auf das linke Chor, wo man vorbetete, Ivo im Abenddunkel bereits kein Mensch mehr zu erkennen war, und - weinte. Tränen erblitzten auf seinem Gesicht, auf seinem Bart. Da fing in der Nähe noch irgendwer zu weinen an, dann noch einer und noch einer, und allmählich war die Kirche endlich von stillem Weinen erfüllt. Doch ein wenig darauf, als nach etwa fünf Minuten ein Mönchschor sang, wurde nicht mehr geweint, und alles war wie früher.

Bald war auch der Gottesdienst zu Ende. Als sich der Bi­schof in seine Kutsche setzte, um nach Hause zu fahren, so überströmte den ganzen mondbeschienenen Garten der fro­he, schöne Klang schwerer, teurer Glocken. Die weißen Mauern, die weißen Grabkreuze, die weißen Birken, die schwarzen Schatten und der ferne Mond am Himmel, wel­cher gerade über dem Kloster stand, lebten jetzt, schien es, ihr eigenes, besonderes Leben, das dem Menschen unver­ständlich, jedoch nah verwandt war. Es war Anfang April, und nach dem warmen Frühlingstage wurde es erfrischend kühl, es begann ein wenig zu frieren, und in der weichen, kühlen Luft fühlte man den Hauch des Frühlings. Der Weg vorn Kloster zur Stadt war sandig, man mußte im Schritt fahren; und auf beiden Seiten der Kutsche stiefelten im hellen, ruhi­gen Mondlicht die Andächtigen aus der Kirche durch den Sand. Und alle schwiegen nachdenkend, alles umher war freundlich, jugendlich und so nahestehend, alles - die Bäu­me und der Himmel und sogar der Mond, und man wollte glauben, daß es immer so bleiben müsse. [...]

Es können folgende Kapitel II, III, IV (bis zur Osternacht und wie der Bischof sie erlebt...)

(Aus: A. Tschechow: Seelchen. Übersetzt von S. von Radecki.: Zürich 1963: Diogenes. S. 248ff.) 

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Seine Eminenz Bischof Peer [Pjotr] stirbt kurz vor dem „lauten, freudigen“ Frühlingsfest Ostern. -

Anm.: Mit dem Sterben des Bischofs in der Karwoche habe Anton Tschechow den Vorabend des eigenen Todes beschrieben.[6] - 

13. Oktober 1961, Ludolf Müller in der Zeit: Sophie Laffitte meint in ihrer Monographie, zwar habe Anton Tschechow die Selbstdarstellung sonst tunlichst gemieden, doch in dem späten Text „habe er sich ganz mitgeteilt“[7].Wikipedia. Abf. 19.03.2024:  https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Bischof_(Tschechow)

- Den ganzen Text hier: 

https://www.seniorenportal.de/community/blog/anton-tschechow-der-bischof/33090

> Ein Turm, samt Dom  auf AbRuf. Wie in der Geschichte erzählt, nur auf die Person des Bischof bezogen.  Welcher Bischof das ist - ...<



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