Montag, 13. Februar 2023

E i n g e l i e f e r t ....

 

E i n g e l i e f e r t

. eine vergebliche Geschichte -

 

"Dr. Klinkhammer? # 201 - Patientin!"

Aber noch reißt es ihn nicht von seinem Diktierstuhl. Er nimmt den nächsten Fallbericht zur Hand.

"Herr Doktor, bitte. - Die Frau ist ganz verwirrt. Ich binde sie fester. Jetzt plörrt sie an ihrer Jacke herum. Ich muß die Hände schon festhalten. Was will sie? Ich kann nicht verstehen, was sie murmelt."

Jetzt wird der Stuhl zurückgeschoben.

"Lesen Sie mal die Einweisung vor."

"Frau Metelen. Gerda-Maria."

"Was, bitte?"

"Me-te-len, geb. 17.01.22."

"Lassen Sie sehen!" Der Stuhl ruckt weg. Der Arzt ist schon hinzugetreten.

"Tante. Hej. Das ist meine Tante. Schwester, lesen Sie alles vor."

"Sie kommt aus dem Westpark-Stift."

"Das weiß ich. Sie lebt dort im Seniorenheim seit fünf Jahren oder sechs. - Di-ag-nose - bitte!"                                        

                                                                            < Weihnachten isset >     

"Hier. Kaum zu lesen. Extraktion der verbliebenen Eigenzähne, beidseitig, oben und unten."

"Was wollen die? Lassen Sie sehen. Ach, die Frau Dr. Helene Kruckmann. Dr. dent."

Die Schwester schaut den Stationsarzt fragend an.                            

"Der Frau sollen die wenigen Zähne noch gezogen werden ..? - Und dann? Wollen die sie mit einer Sonde ernähren?"

"Das können sie auch mit den restlichen Zähnen. Aber sie trug schon ein gutes Gebiß. Bevor sie da ins Heim zog, hat sie sich die Zähne reparieren lassen. Meine Schwester hat ihr damals den Umzug organisiert. Und meine Mutter die Rechnungen überwiesen. War ein Prachtgebiß für über 6000.

Kann ich mir einmal im Leben leisten, hat sie damals gesagt. Dafür hat mein Mann 38 Jahre im Kohlendreck malocht! Das soll jetzt nur so blitzen in meinem Zuckermündchen!

Das Gebiß hat man ihr rausgenommen. "Konnte es nicht mehr repariert werden? Komisch!"

Der Arzt, tätschelt leicht die Wange links, die Wange rechts. "Tante Gerda? Tantchen?"

Aber Frau Metelen ist eingeschlafen.

*

Der Arzt telefoniert mit der einweisenden Ärztin.

"Haben Sie selber einmal bei einem solchermaßen erschwerten Essen teilgenommen? Ich meine natürlich: zugesehen? - Ah, Sie haben sich auf die Angaben der Heimleiterin verlassen. - Pflegesatzverordnung? - Aber mit Frau M. haben Sie auch nicht über ihr Gebiß gesprochen. Ah, das ging nicht mehr. - Ständig verwirrt? - Und dann stillgestellt, aha. - Temporär, meinen Sie? - Nicht simpel abgestellt? - Ja, welche Dosis? - Ja, ich verstehe. - Aber wie können Sie denn, bei fehlender Patientenkontrolle über den Mundraum und insbesondere die Zunge - wie können Sie davon sprechen, daß Fr. M. bei dem neuen Vollgebiß reagieren und kontrolliern kann, wie das Gebiß sitzt? - Aha, Erfahrungswerte? - Gnatologisch, ahja. - Ich verstehe das aber richtig, ihr bisheriges Gebiß ist noch tadellos? - Können Sie die objektivieren? - Ja, ich selber werde noch meinen Chef konsultieren. Aber meine Meinung steht fest. Ich werde die Extraktion nicht vornehmen. - Ja, das können Sie. Aber Sie können mir glauben, daß ich auch in den zwei anderen Korthusener Krankenhäusern die chirurgischen Abteilungen informieren könnte. - Ja, wohl, ganz wie das können Sie. - Kann ich mir vorstellen, daß Sie da ans Knappschaft in Bochum denken? Aber da arbeitet der Bruder meines Chefs. - Ja, davon können Sie ausgehen. - Und, ich will Ihnen noch eins sagen, zum Abschluß, Frau Kollegin. Ich lasse hier ein Aufnahmegerät schon mitlaufen. Nur so, prophylaktisch. - Frau M. ist meine Tante. Sie haben sie zufällig hier ins Barbara-Hospital einliefern lassen. Ich bin zufällig Arzt hier. Ich habe heute zufällig Dienst für meinen Kollegen, der gestern geheiratet hat. Ich habe Morgendienst in der Ambulanz, zufällig. Und ich soll zufällig meine Tante operieren in Vollnarkose -."

Klack.

Die Leistung ist tot.

Der Arzt spricht weiter: "Ich habe zufällig einen Vorfall mitbekommen. Ich komme zufällig auf die Idee, daß da jemand ärztlich was veranlassen will, was Geld bringt, für den Einweisenden, für den Zahnarzt, für den Zahntechniker. Vielleicht auch für die Leiterin eines Altersheimes. 

Ich werde diesen Vorgang zurückverfolgen, zufällig?"


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