Donnerstag, 22. Juni 2023

G O T T E S - V O R - STELLUNGEN

Gott als Metapher




Noch bleiben auf der Elemententafel

Quadrate weiß für neue Formeln,

In die hinein die Poesie der Fakten

Gott als Metapher für das Unerforschte.-

Arno Reinfrank (1934): Das weiße Quadrat. In: Fernsehabend. Wiesbaden: Limes 1975.



Was Gott ist, wird, in Ewigkeit

Kein Mensch ergründen,

doch will er treu sich allezeit

Mit uns verbünden.

C.F. Meyer: In Harmesnächten



Gott der Rache

Unser Gott ist nicht die Liebe;

Schnäbeln ist nicht seine Sache,

Denn er ist ein Donnergott,

Und er ist ein Gott der Rache.

Heine, Disputation



Gott genügt

Wer Gott nicht losläßt,

kennt kein Entbehren.

Gott nur genügt.

Theresa von Avila


Gott hat uns genarrt

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten

In Winterskälte und Hungersnöten;

Wir haben vergebens gehofft und geharrt,

Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt.

Heine, Die schlesischen Weber


Gott in der Ferne

Erleuchtet königlich daher

Aus hoher ungemeßner Ferne,

Und ungezählt, wie Sand am Meer,

Stehn um ihn her die Sterne.

Anna Louise Karschin, An Gott


Gott in uns

Ich, Lalla, ging mit Sehnsucht aus, Im Suchen mir Tag und Nacht verstrich, Da fand ich den Herrn in meinem Haus, Und der Stern der Stunde nie wieder verblich.

Lallä (v. Glasenapp)




Wär nicht das Auge sonnenhaft, Die Sonne könnt es nie erblicken;


Läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

Wie könnte uns das Göttliche entzücken?

Goethe, Sprüche in Reimen


Gott ist noch mehr in mir, als wenn das ganze Meer

In einem kleinen Schwamm ganz und beisammen wär.

Angelus Silesius, Der Cherubinische Wandersmann


Wer Gott will finden doch, der muß ihn mit sich bringen ;

Nur, wenn er in dir ist, siehst du ihn in den Dingen.

Rückert, Weisheit der Brahmanen


Gott ist alles

Herr, du bist selbst der Himmel und die Erde,

Luft, Wasser, Blume,

Sandel, Nacht und Tag.


Du bist die Opfergabe auf dem Herde,

Bist Alles, Herr. Wo ist, was ich dir opfern mag?

Lallä (v. Glasenapp)


Gott ist ewig

Alles vergehet; Gott aber stehet...

Gerhardt, Die güldne Sonne


Gott ist kein Perfektionist  . Werk, göttliches

(Hölderlin)


Gott ist überall

Alles durchdringst Du, die Höhen, die Tiefen

und jeglichen Abgrund.

Du bauest und bindest alles.

Hildegard von Bingen, Sequenz an den heiligen Geist


Du bist überall, Gott, in jedem Schrank.

Majakowski, Wolke in Hosen (Thoß)


Gott ist unbegreiflich

Gott ist nicht faßlich.

Fassest du's,

so ist’s nicht Gott.

Unbek. griech. Dramatiker


Gott loben

Sooft du schlagen hörst die Stund,

So lobe Gott mit Herz und Mund.

Spee



Gott ohne Vorzimmer

Gott hat nicht Vor und Hinterzimmer.

Zu ihm kannst du immer oder nimmer.

Will Vesper, Rufe in die Zeit


Gott riecht nicht alles

Der liebe Gott, der Herr des Gerichts,

Auf güldnem Thron - ja, riecht er denn nichts?!

J. Berstl, Sankt Peter


Gott spricht -

Licht ins Dunkle

(Joachim Ringelnatz)


Gott schläft

Noch ist die Menschheit nicht erlöst,

Weil Gott im Himmel schläft und döst.

Klabund, Die Kriegsbraut


Gott sehen

Denn trägt aus Zeit und Raumes Zwang

Mich die Flut auch weit: ich trau,

Wenn mir die große Fahrt gelang,

Daß ich des großen Fährmanns Antlitz schau!

Tennyson, Überfahrt


Gott sehen, überall -.

Glauben, bequemer

(Blake)


Gott und Narr zugleich

Du selber bist der Gott

und bist der Narr. Wen hielt,

wer hielt nicht Gott zu seinem Narren!

Hagelstange. Glück des Weisen


Gott weiß allein -

Wer glaubt, die Welt zu wenden, irrt.

ER weiß allein, wie's enden wird.

Papentrigk, Die dreifache Ehrfurcht


Gott werden

Nun bin ich Gott geworden, ich bin Gott!

Geendet hab ich, und bin an den Anfang Zurückgekommen.

Aus dem ägyptischen Totenbuch (17. Spruch) (Goldscheider)


Gott zeigt sich

Mehr als durch das Pulver sehe ich, daß du dich ausdrückst durch die Grashalme, Durch die Augen der Bäche und durch die Spiele der Kinder, Aber auch durch die Meere und durch die Ketten der Gebirge.

Supervielle, Hinweis auf einen Dichter (Kraft)


Gott zum Hassen

Nicht zum Lieben,

nein zum Hassen

Sollt ihr uns den Herrgott lassen,

Weil man sonst nicht fluchen könnt

Himmel-Herrgott-Sakrament!

Heine, Stoßseufzer, gottbefohlen


Des Leibes bist du ledig; Gott sei der Seele gnädig!

Bürger, Lenore


Götter

In all der Zeit, seit wir begannen hier,

Was fügten uns die Götter zu? Was mir?

Swinburne, Rondell (v. Bernus)


Götter, Herkunft der

Doch, wem ist auszuforschen je gelungen, Wer hat, woher die Schöpfung stammt, vernommen? Die Götter sind diesseits von ihr entsprungen! Wer sagt es also, wo sie hergekommen?

Aus dem Rig-Veda, Die Schöpfung (Deussen)


Götter, unsichtbare

Zu lang, zu lang schon ist Die Ehre der Himmlischen unsichtbar.

Hölderlin, Patmos


Götter kommen

Sie nahen, sie kommen, die Himmlischen alle,

Mit Göttern erfüllt sich die irdische Halle.

Schiller, Dithyrambe


Götter und Menschen

Was unterscheidet Götter von Menschen?

Daß viele Wellen Vor jenen wandeln,

Ein ewiger Strom Uns hebt die Welle, Verschlingt die Welle,

Und wir versinken.

Goethe, Grenzen der Menschheit


Götter verlassen uns

und die Götter packen ganz behutsam ihre prächtigen Kleider

und ihr Opfer zusammen und lassen sich von Blumen ersetzen.

Brechbühl, Auf der Suche nach den Enden des Regenbogens


Götterdämmerung

Felsen zerstäuben, Riesinnen stürzen,

Es birst der Himmel,

Es fahren Helden

In die finsteren Hallen

Wo Hela hauset.

Aus der Edda, Götterdämmerung (Jordan)


göttergleich werden

Friede (Schikaneder)


Götterlieblinge

Alles geben die Götter, die unendlichen, Ihren Lieblingen ganz, Alle Freuden, die unendlichen, Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.

Goethe, Alles geben ...



Gotteserkenntnis 

- vulgo Gottes-Vorstellungenm, die der Nach-Stellungen bedürfen:


...die Erd' ist der Gotteserkenntnis voll Wie das Meer der deckenden Wogen.

Jesaia, Kap. 11, Vers l -9, Messianische Verkündigung (E. Müller)


Gotteskraft

Betrunken in des Kaisers Wein

Trat bald ein Kriegsknecht zu ihm ein,

Tät sündlich auf ihn dringen;

Der Jüngling rang in Gotteskraft

Und tät ihn niederringen.

Knaben Wunderhorn, Pura ??

 

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Der Agnostizismus als geheime, luzide Idee:


Als ich das Marie erklärte,wurde sie fast wütend. Sie sagte, sie fände es „irgendwie pervers“, daß ein Agnostikesr wie ich dem Heiligen Vater zujubeln möchte. (...)“



* *

Hans Schniers, von den ich berichte


... wenn ein Agnostiker austeilt:


Die verschiedenartigen Typen des Hauses in Ansichten eines Clowns möchte ich mit der Urform des Hauses vergleichen, wie Wolfgang Borchert sie nach dem Krieg in seiner Parabel Der Schriftsteller schuf. Von Wolfgang Borchert ist nich überliefert, dass er sich als Agnostiker bezeichnet; vielleicht hat er siechnicht mit Typen, mit Überflierungen, mit pilosophischen Bezeichnungen befasst.


In der Verfilmung der "Ansichten eines Clowns": Begegung von Hans Schmier mit seinem Bruder, einem Theologie-Studenten im Park der Priesterseminars


Wolfgang Borchert. Der Schriftsteller:

Der Schriftsteller muß dem Haus, an dem alle bauen, den Na­men geben. Auch den verschiedenen Räumen. Er muß das Kran­kenzimmer «Das traurige Zimmer» nennen, die Dachkammer «Das windige» und den Keller «Das düstere». Er darf den Keller nicht «Das schöne Zimmer» nennen.

Wenn man ihm keinen Bleistift gibt, muß er verzweifeln vor Qual. Er muß versuchen, mit dem Löffelstiel an die Wand zu rit­zen. Wie im Gefängnis: Dies ist ein häßliches Loch. Wenn er das nicht tut in seiner Not, ist er nicht echt. Man sollte ihn zu den Straßenkehrern schicken.

Wenn man seine Briefe in anderen Häusern liest, muß man wis­sen. Aha. Ja. So also sind sie in jenem Haus. Es ist egal, ob er groß oder klein schreibt. Aber er muß leserlich schreiben. Er darf in dem Haus die Dachkammer bewohnen. Dort hat man die toll­sten Aussichten. Toll, das ist schön und grausig. Es ist einsam da oben. Und es ist da am kältesten und am heißesten.

Wenn der Steinhauer Wilhelm Schröder den Schriftsteller in der Dachkammer besucht, kann ihm womöglich schwindelig werden.

Darauf darf der Schriftsteller keine Rücksicht nehmen. Herr Schröder muß sich an die Höhe gewöhnen. Sie wird ihm gut tun.

Nachts darf der Schriftsteller die Sterne begucken. Aber wehe ihm, wenn er nicht fühlt, daß sein Haus in Gefahr ist. Dann muß er posaunen, bis ihm die Lungen platzen! - (W. B. Das Gesamtwerk. Hamburg 1949(/1989. S. 285; ein

nachgelassener Text, zuerst gedruckt 1949)

auf einem Friedhof  -


War der Autor, der Dichter, ein Agnostiker; ein Welten-Rufe?


 

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