Donnerstag, 7. September 2023

Story M e i n B r u d e r J a k -

 




Ein Bruder,

ach, mein Bruder, der mir die Ohren warm hielt des Winters


Bei den Krähen. Das war seine Spezialität. Er kletterte so hoch, dass es ihm schwindlig wurde; das sagte er später, damit wir die Kleineren es ihm nicht nachmachten.

Und eines Tages kam er stolz ins Haus. Jäh, er hat sie erwischt! Jetzt sind sie runtergeholt. Mutter hatte ihm streng verboten, auf die höchste Kastanie zu klettern, um an das Krähennest zu kommen. Eierstehlen galt nicht. Man musste oben sein, weil sie ein Mittagsschläfchen hielt

Spaziergang zum Wäldchen

Der alte Mann kam zwei in der Woche aus dem Kalbecker Busch nach Hause gezogen, mit dem Schlitten, in die Siedlung hinein, in seine Stoppelhütte zurück.

Mit einem Bund Gestrüpp, er nannte es Bordes, Zweige auf dem Rücken. Bis zum letzten Wäldchen schleppte er seine kostbare Fracht, mit Erlaubnisschein des Forstamtes, eingesammeltes Krüppelholz.

Dort versteckt er seine dünnästige Beute. Und holte sie zu Beginn - abends erst heim, im Dunkel, auf dem Leiterwägelchen.

Einmal dirigierte der Bruder – einen kleinen Tanz, hinter dem zweiten Busch lagen die zwei Holzbündel. Einer hatte ein Taschenmesser parat, er zerschnitt das Sisaltau. Dann durfte jeder einen Tritt setzen – nur einen, es kamen ja vier zusammen – so flogen die Holzer, das Astzeugs, weite auseinander.

Wir beobachteten den Mann, in der Dunkelheit, als er seine Hölzer wieder binden – und nach Hause rollen...

Ach, der hatte keinen Holzschein, wusste Jakob! Wir dürfen ihn nicht verraten beim Förster, sagte Papa.

Abends zum Tischbrot setzte sich Jakob neben mich. Mutter schaute auf. „Nein, ist nix!“sage Jakob. Und leise nach einigen Bissen: Du, ich habe dich nicht allein gehen lassen. Ich saß ob in einer Pappel – und hab dir nachgekuckt, bis du den Schlehenweg zum Pannofen gelaufen bist.“

Jakob – du - „aber ich habe weitergeschluckt!

Sonntagsnachmittags. Ich hatte keine Lust, durch den Park zu laufen; man muss ja immer wieder zurückkommen.

Irgendwann sollte es auch eine Semasatraße, pardon: Lindenstraße geben. Ich lag auf meinem Bett; das Bett meiner Ehefrau rechts daneben. Das Tele schellte. Ich meldet mich. Da hatte ich meinen Bruder Jakob im Ohr, Hallo, du! Hier ist Jakob.

    - Ich ruckte sofort aus dem Bett. Nein, das Telefon lag auf der Hörergabel. Wer da angerufen hatte – ich weiß es nicht. Abr e war der Ton, den ich nicht imitieren kann, tief im inneren Gehör, dass er mich aufrucken liess, am schläfrigen Nachmittag.

    - Vier Jahre nach dem seltsamen Ohren-Schmerz – lege ich einige Sparren zusammen, vom Pannofen, dem Baunerhof auf einer alten, aufgelassenen Lehmgrube, die eine Ziegelei gespeist hatte. - wo unsere gemeinsame Kindheit begann, bis zum Bett in einer Chirurgischen Klinik links des Rheins: Ich besuchte Jak nach seiner Operation wg. eines Blastoms – der auch seinen Tod - nach jämmerlichen Leiden – verlangte.

    Ich .. in der REHA. Ich muss mich auch erholen von den Einschränkunen, die ich dch ein Todeserlebnis im Aufwachraum hatte: ich reagiete mit Stressautomatismen: Mit einem fruchtbaren Moment des Konsrollverlusts, als ic ein scheußlich knatterndes Moped vor dem Fenster hörte. Ich fand mich wohl nach 30/40 Sekunden im Raum wieder. Noch viermal spielte mir dieses Trauma aeinen Streich: Ich sah hiner mir eine Mann der mich bedrohte: auf ein Pferd ein wilder Reiter. Erst als ssich im stand hieslt – merkte ich, er näher sich nicht mehr.

    Aber, dann rief mein Bruder mich an, echt, realistisch-nah: Es war Heilung durch den Geist – eben er mir - oder ich ihm schenkte..

    Am Adventssonntag 2017:

    Bin zerrüttet aufgewacht.

    Geträumt in der Wohnung, die wir als Familie mit zwei Kindern vor fast 20 Jahren bewohnten: Ich wache inder Küche auf. Ich lausche in die anderen Räume hinüber, binden Flur hinüber. Meinem Bruder begegne ich da. Müde aus, hat angestrengt gearbeitet. Er ist meine Reaktion gespannt und macht vorsichtig die Tür zum Wohnzimmer auf. Ich schaue hinein. Da ist alles weggeräumt. Schränke, Regale, Tische weg - nur ein Stapel Bretter liegt da noch.

Als er mir die Ohren schützte – (davon später, wenn noch Zeit -).

Als die Größeren Doktor spielten (… noch später davon!)

Hinter der Türe, die sich nur halb aufschieben ließ – Jakob bediente den Schalrer mit geübtem Griff: das ich sie – die Bücher – gestapelt vom Fußboden bis zur Decke, pickepacke!

Er wird morgen die Reha verlassen. Ich mach mir den Tag gemütlich, mit Blümchen, die ich einer Schwester schenke. Mit Lesen: Vegesacks Die baltische Trägodie.; nochmals das Einleitungskapitel:

Mila - Aurel lag in seinem schmalen Gitterbett, sreckte die kleinen Hände nach den hölzernen Stäben aus, die ihn wie in einem Käfig gefangenhielten. Aber die Stäbe ließen sich wenigstens drehen, und das gab einen lustigen, quietschenden Ton.

Und wenn er mit den Armen noch weiter nach unten vortastete, kann er sogar ein weiches, warmes Fell erreichen, das dann gleich zu schnurren anfing. Nein, er war nicht allein: Minka war bei ihm. Jeden Abend, wenn Karlomchen gegangen war, sprang sie lautlos zwischen den Gittestäben zu ihm ins Bett und blieb bis zum Morgen.

Und dann muss gleich die Mila kommen, das Kindermädchen. - Und er schlägt zurück zum Motto des Buchs: Die kleine Frühlingsnacht des Lebens verfließe dir ruhig und hell - der überirdische Verhüllte schenke dir darin einige Sternbilder über dir - Nachtviolen unter dir - einige Nachtgedanken in dir - und nicht mehr Gewölk, als zu einem schönen Abendrot vonnöten ist, und nicht mehr Regen als etwa ein Regenbogen im Mondschein braucht! - Ja, Jean Paul. Das muss er zu Hause nachlesen, auf dem „Leben des Quintus Fixlein“.

Dann – bei der Sesamstraße, Quatsch der Lindenstraße – oh, es ist schon spät. War er schon beim Abendessen? - geht das Telefon, rechts von seinem Bett. Er recht sich, meldet sich.

Das hört er eine Stimme, vertraut von Kindertagen: Hallo, mein Bruder. Hier spricht Jakob. Geht es dir gut?

Verwirrt lauscht der Fernseher.

Und wieder war um ihn eine große, weiche Dunkelheit, eine wohlige Wärmen und tiefes Geborgensein. 

Aurel/Antonius/Aurel schlief ein.


>> Die eingeschalteten Partien entstammen der Eiinleitungszene der Baltischen Tragödie“ (1935, als Trilogie erschienen, von Siegfried von Vegesack (Ausgabe Graz 2004).

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