Freitag, 1. September 2023

S c h u l e in Leid&Freud. Frust&Lust. Sack&Pack -

 Schule, verpackt wie im Heiligen Rock:



Auf ... tat sich mein  S p r a c h s a c k :


Mein Veränderungs-Begehren wwwwwwwwächst dazuwwwwwweilen, sintemalen.


Mein Sprachsack, liebe ich zu sagen, hat viel Sach&Pack geladen:



Witz, Ironie und tiefere Bedeutung in der Schullandschaft



List- und Lustvolles von Schülern, Lehrern, Eltern und Hausmeistern


Eine ziemlich aktuelle Anekdote als Vorspruch zum freud- und leidvollen Thema Humor und Schule:


Als ich 16 war, sollen wir in der Schule einen Aufsatz schreiben zum Thema: ‘Der Tag meines Lebens in zehn Jahren’. Der Lehrer war nur wenig älter als wir und konnte mich nicht ausstehen. Ich wußte genau, daß ich meinen Text vor der Klasse vorlesen mußte. Ich schrieb: ‘In diesem Jahr führt mich meine Hochzeitsreise nach Ostfriesland, und natürlich versäume ich nicht, das Grab meines verstorbenen Deutschlehrers zu besuchen.’ Ich bekam das Heft um die Ohren gehauen, aber die Klasse tobte. Schon damals lief ich lieber mit offenen Augen ins Verderben, als eine Pointe auszulassen.

(Aus: „Hauptsache, es macht kaputt.“ Karl Dall im Interview mit Lothar Gorris und Adriano Sack. In: DER SPIEGEL Nr. 26/1999. S. 187. - Dieser zitierte Gag sei dem bedauernswerten Deutschlehrer gewidmet, über den der anarchistisch-rüpelhafte Komödiant Karl Dall, rtl-comedy-Spezialist und souveräner Niveauunterbieter, aus seiner Schulzeit plauderte.)

Morgens haben die Lehrer recht und nachmittags frei.“

Wir sind die Schüler und Studenten von heute, die in Schulen von gestern von Lehrern von vorgestern auf Probleme von übermorgen vorbereitet werden sollen.“

Lehrer sind Menschen, die uns helfen, Probleme zu lösen, die wir ohne sie nicht hätten.“

Sprüche, ja, sogenannte Sponti-Sprüche, denen Sie auch schon mal begegnet sind in Ihrer Praxis - auf Schulbänken, auf Tafeln, auf Schmierzetteln? Im haßblanken Gesicht einer Schülerfigur? Nein, wirklich nicht? Dann sollten Sie sich auf eine schärfere, sensiblere Sicht auf das Umfeld Ihrer pädagogischen Strategiefelder leisten. Wenn ja, dann haben Sei sicherlich schon mal die nutzbringenden Leistungen als Reaktion auf eine anarchische Provokativen aus dem Umfeld Ihres überlegen verteidigten Pultes!?

Haben Sie schon mal gefragt, wenn es der erste Spruch war, der Sie anregte zu mutigen, motivationalen Ausfällen: Recht - wozu? Zu welchem Zweck? Frei - wofür? Um welche Interessen und Pflichten zu erledigen? Und überhaupt: Was tut ein Lehrer abends? In der WDR-Fernsehen-Redaktion anzurufen, um seinen vehementen Protest gegen eine lehrerkritische Reportage abzusetzen, die gerade über den Sender ging? Oder brüten Sie noch in ihrem mitternächtlichen Tagebucheintrag über die geniale Antwort eines Schülers, der, als Sie in fragten, ob er den Text zu trocken fände, um sich dadurch motivieren zu lassen: „Staubtrocken, Mister. Aber wir sind im Ruhrpott ja an Staublungen gewöhnt. Sozusagen Berufskrankheit von Bergleuten und Schülern.“ Und dann erst nachts? Träumt der Lehrermensch da schlecht?

Zum Beispiel von der neu herzoglichen Roman-Ruck-Haus des Lernens?

- Vierzehn Stunden und 21 Minuten und sechs Sekunden an einer Neuschule -

Ich betrete den Waschsaal. Habe fast zehn Stunden wie doll geschlafen. War prima gestern, das Ankommen. Macht diesen Morgen optimal. Kein Spritzen, keine obszönen Gesten, kein Gefurze, kein Gedrängel. Ruhe in Allem, Sammlung im Innern. Und immer mal wieder ein Blick rauf zu einer der vielen Überwachungskameras. Vor den Spiegeln keine Hast. Den Mädchen wird Zeit gelassen, bis sie mit dem letzten Pickel den Kampf gegen das Unschöne gewonnen haben...

Ich bin in der neuen Lehranstalt, deren Eröffnung samt zahlreicher Prominenz in der vorigen Woche im Fernsehen vorgestellt wurde. Ich bin zur probe hier, wörtlich zum Test für eine Übernachtung und einen Schulvormittag, zur Feststellung der Eingangsqualifikationen und Leistungsprognosen...

Nun, ich bin angekommen. Meine school-card regelt den Zugang zum Parkplatz unter Linden (ja, für Schüler!), zu meinem Doppelzimmer, zu einem Schrank. Zu allen Türen, die ich noch öffnen muß, heute, in den letzten vier Stunden. Oder es werden die ersten vier meiner Karriere am herzoglichen Haus des Lernens. Nicht auszudenken! Hendrik, denk an deine gute Erziehung; bleib ruhig. Deine Mutter betet für dich. Das ist das beste autogene Training. Und Direktor Schuster erwartet das von mir...

Also, Wecken mit Vivaldi (Frühjahrs-Motiv), Morgenwäsche, Frühstück (es schmeckte; und es gab eine prima Auswahl am Büfett!) und Gang zur Info-Center, Erdgschoß .0.012. Einleuchtendes System.

Von überall her bewegen sich die Schülerinnen und Schüler: Sie trotten nicht, nein, sie gehen gemessenen Schrittes; sie rangeln nicht, nein, sie bereiten sich emotional auf den nächsten Lernakt vor; sie quatschen nicht, nein, sie denken schon daran, ob ihre Hausaufgabe gleich abgerufen wird. Sie haben Laptops unter dem Arm, der auf dem vorgesehenen Sitzplatz per Adapter dem Lehrerterminal zugeschaltet wird.

Meine school-card hat den Zeitraum von vier Stunden gespeichert, und an einem Lesegerät werde ich informiert: Guten Morgen, Hendrik. Hatten Sie guten Anfang im hause? Wir begrüßen Sie und geben Ihnen die nötigen Informationen für die nächsten vier Stunden. Wir drücken Ihnen den Daumen, daß Sie den Initiationsqualifikationen unseres Instituts gerecht werden. Dann ist Ihnen ein Arbeitsplatz bis über das Abitur hinaus garantiert. Im anderen Falle werden wir uns um 12,05 verabschieden müssen. Dann wünschen wir Ihnen für den weiteren Weg an Ihrem alten Gymnasium alles Gute. Bitte, gehen Sie die Stationen Ihres Check-Ins gemäß den Infos des Displays.

Ich muß zum Gesundheitscheck.: Die üblen Notwendigkeiten: Blut, Stuhl, genetische Analyse. Dann geht die Suche los mit meinen Körperpartikeln: gezielte Suche nach dem ADYX3A6C-Gen.

Anschließend darf ich von 8,30 Uhr an an drei Lehrstunden teilnehmen müssen. Die Lehre begrüßen mich kurz und herzlich. Alles ist getimt und angemeldet. Ich hätte den Mund halten können, das „guten Tag“ runterschlucken - wäre es gemerkt worden.

Der Deutschuntericht der Epoche 11,236 findet in einer stimmunsvollen, kapellenartigen Einrichtung statt: Für die Epoche des Symbolismus werden die dichter Rilke und George behandelt, in einem Kurzfilm, mit einer eingespielten Interpretation des „Sehers“ von Marcel-Reich-Ranicki. Weiter: im Raum 11,237 findet die Analyse von Trivialelementen der Kunst und Literatur in einem Karl-May-Ensemble statt. Raum 11,238, als „Prager Raum - 20er Jahre“ ausgewiesen ist die einzige Panne, die ich erlebte: Kafka und seine Zeit“ - der Zugang ist versperrt. Ich frage vorübergehende Schüler. Sie ziehen die Schultern hoch: keine Ahnung. Steht nicht auf meinem Lehrplan. Interessiert mich nicht. Über das Display erhalte ich auch schon die Korrektur: Begeben Sie sich auf die Station 5 Ihres Lehrtages. Ich komme in einen Biolehrsaal, der als Safari-Camp ausgestattet ist. Hemingway beim Löwenabschuß. Dann Kritik aus fünf Gesichtspunkten. Ich darf teilnehmen an der Beantwortung der Fragen: Viermal „richtig“ erhalte ich für die Einspeisung der Begriffe „ökologisch, ethnisch, geographisch und politisch“. Da erhalte ich schon, noch vor der Prozentauswertung die fünfte Antwort: „Es fehlt: aus religiösen Gründen“.

Ich schleiche mich in den Physiksaal, er ist als Weltraumlabor eingerichtet. Nebenan, der Physiksaal 12.312, die Tür stand offen, aber mir war der Eintritt verwehrt, als „Alchemistenstube“. Dann war noch ein halbe Stunde eingeplant für Politik/Soziologie. Der Politologe H. Weh Möllemann war eingeladen und beantwortete die Fragen, die die Schüler in der Hausaufgabe formuliert hatten. Die Statements des Fachgelehrten wurden simmultan in Schriftsprache konvertiert und allen Lernenden in die Datenspeicher transferiert. Ja, hier geht keine Information verloren. Alles wird der Lernende nach vier Semestern für das Abitur abrufen können, auch ein Blick auf Möllemanns Lippen, mit den definitiven Merkmalen „Rhetorisch geschürzt“, „klassisch geformt“, „individuell-expressiv“. Und, als P. S. der „Personalbiographie“ „Superzeichen eines maskulin-dominierend- intelligenten Schnurrbartes, als Zaum der Zähne“.

Ich werde wieder zur Zentrale dirigiert. Ich erleben einen Ausfall eines High-Lernenden, als Abiturient etikettiert. Er leckt den Fleck, von dem aus ein Lehrer eine Information, offenbar eine Ermahnung, an ihn erging. Ein anderer Lehrer beobachtet dies. Eer geht auf den Knienden zu und geleitet den Jungen zu einem Zimmer, das kein Türschild trägt.


Ach, ich hab’ die Testverfahren vergessen. Sehr unkonzentriert - ich! In einer Art Wintergarten mußten wir, so an die dreißig Auserwähle, acht Multiple-Choice-Tests absolvieren. Oh, Gott, was waren das alles für Fragen? Ich erinnere mich nur noch an einige wenige: „Glauben sie an Eingebungen?“ „Wer hat Sie in ihrer Personalbiographie begleitet, in der Säuglingszeit, im Kindergartenalter, im primären Lernbereich?“ „Welche Eltern-Dyade ist Ihrer Einschätzung nach für Sie gegeben: Mutter-Dominanz, Vaterherrschaft, Protection der Waren, Geflecht irritierender Beziehungen o.ä. „Wie schätzen Sie Ihr Über-Ich ein: flexibel-reflexionsnah, rigid-moralisch, jugendlich-diskursiv?“ Vielleicht war das mit den Begriffen auch genau umgekehrt.

Oder: Präferieren Sie ganz allgemein Ihre Interessen, und ann gab es eine Liste, da standen, einfach gleichranig so Sachen wie „SO-Kinderdörfer“,“Greenpeace“, „Coca-Cola“, „ADIDAS“, Champions League“, „UNO“, und irgendwo da drunter auch „Religion“, Olympische Spiele“, „ALDI“ und sonst was. Ach, ja, auch McDonald und son Scheiß!


Im Sekretariat erhalte ich den Ausdruck meiner schulischen Diagnose: die Skalierung meiner medizinischen, soziokultrellen und leistungsmäßigen und verhaltensmäßigen Norm.


Kurz gesagt. Um 12,13 stand ich wieder auf dem Parkplatz. Mit den besten Wünschen entlassen... Ich spielt mit dem Autoschlüssel herum, als ich mir überlegte, wie ich das Gastspiel hier meinen Eltern und meinem Geschichtslehrer verklickern könnte. Da fiel der Schlüsselbund runter, zwischen die Ritzen eines Gullys. Bei der Parkplatzaufsicht gab es einen Stabmagneten, mit denen der Wärter mir den verdammten Schlüssel hochpulte. Gesprächig war der: „Pech gehabt, mein Junge?“ Ich schau in ein liebes, verrunzeltes Gesicht unter grauem Haar. Ich höre ihn: „Ja, hier hab ich schon junge Leutchen weinen sehen. Hoch Begabte! Was interessiert Sie denn besonders: „Literatur! Eigentlich nur Literatur: Hesse und so. Auch Dürrenmatt, Grass und noch so’n paar.“

Er lockt mich zu seiner Bude. Aus einer Pappkiste holt er ein Taschenbuch hervor. „Hier! Hesse! Lese ich selber immer wieder. Hab ich auf Vorrat!“ Ich schau drauf: „Unter Rad“! Kenn ich noch nicht. „Sie brauchen sich nicht zu schämen. Normalerweise vergießen nur Mädchen hier Tränchen. Wenn die einen Geigenkasten wieder im Auto verstauen. Oder ihren Köter begrüßen und sich abknutschen lassen von ihrem Vieh. Und nicht erholen können.- Ach, lassen Sie sich Zeit, bevor Sie wieder auf die Autobahn rauffahren. - Übrigens, wenn Sie da an dem Bildstock rechts fahren und der nächsten Ausschilderung durchs Dorf folgen, kommen Sie an einem Denkmal für den Gründer vorbei. Da vor der Herzog-Apotheke. - Und dann der blauen Ausschilderung weiter.“

*

Hegen Sie auch manchmal, frage ich, ungute Erinnerungen oder gar Rachegedanken - wenn Sie sich an Ihren eigenen Deutschlehrer - oder Ihre Deutschlehrerin (empirisch bevorzugte Objekte üblen schulischen Angedenkens) erinnern? Da können Sie sich selbst ein wenig helfen, sich abzureagieren. Katharsis und Erzähl- oder/und Entdeckunglust in der Ver- oder Erfassung von Pointen sind eigene Kreationen!

Zur Praxis: (Aus dem Vollen vieler Witzesammlungen und Rubriken in Zeitungen und Zeitschriften gegriffen!)

Nach den verschiedenen Möglichkeiten werden hier fünf Beispiele Angeboten, zur Belustigung und zur Belehrung, unterschiedlich in Thema, Provenienz und Geschmack.

Der Sohn des Bankmanagers ist in ein nobles Schweizer Internat gebracht worden. Eine Woche später ruft der Direktor an, um den Vater zu informieren, wie der Junge sich eingelebt hat.

Ja, es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht über das Verhalten Ihres Sohnes“, eröffnet er das Gespräch. Zunächst die schlechte, Ihr Junge hat eindeutig homosexuelle Neigungen.“

Und - muß er da das Internat verlassen, Herr Direktor?“

Nein, nein.“

Das beruhigt mich. Ich hatte auch schon so eine Ahnung. Nun ist es eben lar. Ich kann das auch akzeptieren. - Und das Zweite?“

Da komme ich auch schon zur guten Nachricht. Ihr Sohn hat sich so beliebt gemacht, er ist von den Mitschülern einstimmig zur Maikönigin gewählt worden.“

*

W i n t e r: Der erste Schnee. Schon in der ersten Pause große Aufregung in der Grundschule.

Der Rektor informiert Frau Schneyders. „Kommen Sie mal mit nach draußen. Da will ich Ihnen was zeigen.“ Am Eingang zur Turnhalle ist in den Schnee gepinkelt: Schneider, du Luder!

Frau Schneider, echauffiert: „Den krieg ich raus, den Pisser! War wahrscheinlich Karlchen. Seine Mutter habe ich gestern schon wegen Fehlverhaltens zum Gespräch bestellt.“

Die Lehrerin nimmt sich nach der Stunde den Jungen vor. „Hör mal, Karl. Warst du heute morgen schon vor der Turnhalle. Da, wo der Schnee nicht geräumt ist?“ Karl streitet alles ab. Frau Schneider gibt nicht auf. Sie bringt ihn schließlich zum Weinen. „Kannst du denn noch nicht mal meinen Namen schreiben, hä?“

Karl heult schließlich: „Ich - ich, ich hab ja nur gepinkelt. Die Anna, die hat geschrieben!“

*

Die Grundschullehrerin will mit den Kindern im Fach Religion über das Abendgebet sprechen.

Sie fragt los:

Wer erzählt mir mal, was er abends macht, nach dem Abendessen. Ja, du Hans?“

Ja, ich kuck dann fern!“

Und dann?“

Dann schickt mich Mama ins Bad.“

Und dann?“

Wenn meine Mama nicht aufpaßt, dann brauch ich mir die Zähne nicht zu putzen!“

Und dann. Was macht da noch bis zum Einschlafen.!“

Ich muß mich ja erst noch ausziehen!“

Ja, aber wenn du dann schon im Bett liegst?“

Ja, dann kuck ich mir noch ‘n Comic an.“

Und dann, schläfst du dann schon ein?“

Meistens ja!“

Und - hast du denn nicht schon leise abends in Schlafzimmer deiner Eltern gekuckt? Was machen die denn, bevor sie einschlafen?“

Boah ey! Soll ich das hier erzählen? Da hab ich einmal reingekuckt bei denen. Da hat die Tür geknarrt. Und da hab ich mir von Papa aber ein paar Ohrfeigen eingefangen.“

**

Ein Deutschlehrer, kurz vor der Pensionierung, der häufiger Namen vergißt, findet am letzten Morgen vor den Osterferien folgenden Text in verstellter Blockschrift an der Tafel im Raum der Klasse 10 d:

Ärztliches Boulletin:

Für Herrn Oberstupidienrat J. W.

Diagnose: Morbus chronicalis Alzheimer:

Bedenken Sie folgende positiven Aspekte der langwierigen und elenden Erkrankung:


  1. Man lernt dauernd neue Schüler kennen.

  2. Man kann die Ostereier suchen, die man selber versteckt hat.

  3. Man muß nicht mehr über die Wiederholungen im Fernsehen ärgern.

  4. Sie verlieren keine Unterrichtszeit, in der Sie über solche TV-Ereignisse meckern.

  5. Man kann den Schülern immer neue Fünfen und Sechsen verpassen. (Sie müssen nur noch die Eintragungen in den Lehrerkalender vergessen!)


Alles Gute für die Erholung (falls möglich. Wir sind sicher, daß sie unsere kleine Bosheit schnell vergessen werden - oder so schwer daran tragen, daß noch weitere Unpäßlichkeiten auftreten könnten. Seien sie also auf der Hut...! Sie müssen sich noch rächen!).

Ihre 10d


*

Ein Religionslehrer will in einer Unterstufenklasse den Begriff des Wunders erarbeiten.

Stellt euch mal vor, jemand springt mit einen Bungeeseil von einer hohen Brücke. Es reißt. Aber der Springer landet unten, unverletzt und quietschfidel.“

So ein Zufall!“

Und wenn er noch einmal springt - und er verletzt sich wieder nicht. Was meint ihr?“

Da hat er aber doppelt Glück gehabt!“

Und wenn er nochmals, zum dritten Mal springt, und wieder heil unten ankommt.“

Dann hat er schon Übung, daß er es bestimmt immer wieder versucht. - Oder er wird ein Springerschule einrichten.

Aber wenn er dann nochmals springt. Zum vierten Mal! Was dann?“

Dann kommt er ins Guiness-Buch der Rekorde!“

Und wenn er zum siebten Mal springt?“

Dann hat er vielleicht nicht mehr so viel Glück! Das kann er ja nicht endlos überleben!“

Und zum achten Mal? Was denkt ihr, wenn er da wieder unverletzt unten ankommt?“

Sagen Sie mal, Herr Gervers, wollen Sie uns das Zählen beibringen?“

*

In Paris, Ende der Dreißiger Jahre:

Auf dem Eiffelturm treffen sich durch einen Zufall drei aus Deutschland vertriebene Lehrer, ein jüdischer aus München, ein deutscher aus Hamburg und ein österreichischer aus Linz an der Donau.

Da nähern sich ihnen drei schwarz gekleidete Männer. Einer davon packt sich den jüdischen Exilanten und stürzt ihn den Turm hinunter.

Zwei Stunden später: In der Hölle fragt der Mörder vom Oberteufel begrüßt und gefragt: Na, Adolf. Hast du deinen Besuch auf der Erde wieder für eine kleine Bestialität genutzt und ein bißchen an deinen Haßneurosen gearbeitet?

Adolf Hitler antwortet: Ja, ich war diesmal sogar besonders erfolgreich: Ich habe einen Juden umgebracht, der auch noch Lehrer war.

Teufel: Und da waren aber noch zwei andere Männer auf dem Eiffelturm bei dem Juden. Was ist denn mit denen passiert?

Hitler: Ach, das waren Schutzengel, die sollten den Juden beschützen. Aber weil es Deutschlehrer waren, haben die natürlich wieder mal nix kapiert.

*

Lehrer Schwänger hat eine Schülerin ermahnt, mit Hinweis auf eine fällige Nachricht an die Eltern.

Nach einer kleinen Pause wendet sich das Mädchen an ihre Nachbarin: „Du, ich sag dem ollen Bock da vorn gleich mal was: ‘Ich bin mit Ihnen auch nicht zufrieden.; Herr Schwengel. Aber habe ich mich als Schülerin jemals bei Ihren Eltern beklagt?’“ Die Banknachbarin darauf: „Tu das lieber nicht, so schwengelt der dir noch eine ins Klassenbuch!“

Anita und Karin da vorn - wegen Schwätzens Eintrag ins Klassenbuch!“

Siehste!“

*

Als Lehrer würde ich mich freuen, wenn du nicht immer diese beiden furchtbaren Adjektive verwunden würdest. Das eine ist geil, und da andere ist super.

Geil, super, okay“, sagt Heiner. „Und wie heißen denn nun die beiden ah, äh, Dingsda, die Sie da meinen?“

*

Ein besonders konservativer Pädagoge ist mit einer Kleptomanin verheiratet. Bevor es zu einer Verhandlung am Amtsgericht kommt wegen eines neuerlichen Vorfalls, schickt er seine Frau in die Behandlung eines Psychoanalytikers und Professors. Nach drei Wochen ruft der Lehrer den Therapeuten hocherfreut an: „Sie sind auf gutem Wege, Herr Professor. Jetzt stiehlt meine Frau nur noch Bücher, aber ziemlich wahllos. Wenn Sie weiter behandeln, schaffen Sie es, daß sie vielleicht nur noch pädagogisch wertvolle Bücher klaut, die wir für die Kinder und die Enkel gebrauchen können.

*

In den Wochen der Wiedervereinigung von Deutschland-Ost und D-West ließ sich ein Lehrer von Schülern Trabi-Witze aufschreiben und anschließend vergleichend bearbeiten.


Folgender Witz war der Favorit der Vereinigungs-Saison in einer Klasse 6 am Gymnasium:

Ein Trabi hat Berlin-West erreicht. Nun will er nicht mehr weiter. Gottseidank bleibt er vor einer Filiale von BMW stehen. Der Fahrer bittet den Mechaniker, den Trabi zu reparieren. Dieser sagt zu: „Gerne, kommen Sie mal in einer Stunde wieder. Der Fahrer bedankt sich und geht spazieren. Pünktlich kommt er wieder und der Wagen (Trabi) steht bereit Der Fahrer bedankt sich und fragt nach dem Preis der Reparatur der Mechaniker entgegnet das sei in der Woche nach dem Fall der Mauer selbstverständlich und der Trabi-Besitzer fährt los und kommt drei Meter weit und bleibt stehen dasselbe wiederholt sich bis der Fahrer die Nase voll hat und zurückfährt. Der Mechaniker sagt lachend: "Sie haben Intervall eingeschaltet - bei dem Motor den wir ihnen eingebaut haben handelt es sich um einen Scheibenwischermotor wir besaßen keinen kleineren Motor für ihr Fahrzeug!


Nun also, nach dem Lustigen, dem delectare, einiges zur Einsicht und Theorie, dem prodesse:

Wie in allen Witzen finden wir in den Beispielen folgende Merkmale des Humoristischen:


  • Ausgangssituationen, die allgemein nachvollziehbar ist.

  • Oppositionen: Kuriosität als Gegenüberstellung von Situationen, Figuren und Konflikten

  • (Fast immer) geschickte Auswahl aus dem Leben durch gezieltes Erfassen der Eigenheiten oder Kennzeichen von Instiutionen oder Vertretern spezieller Gruppen, meist Minderheiten (Frauen, Geistliche, Hobbyisten, Randfiguren, Ärzte, Homosexuelle, Behinderte, religiöse Gruppenmitglieder, Lehrer - in beliebiger Reihenfolge).

  • (Häufig nur scheinbare) Lösung des Problems bzw. der Oppositionsstruktur durch überraschende Wendung


Zur Theorie und Praxis

Aufgabe: Können Sie sich vorstellen, folgenden gerütt- und geschüttelten Text zu verifizieren?

Nachdem je


ein mensch sagt bitter weiß gott wo

ein anderer milde gott weiß wo

durch sprachlich kleinsten unterschied

getrennt man ganze welten sieht 1


Ob dieser Wortsalat zu einem erkennbaren Ergebnis führt, das sich pädagogisch nutzen läßt, den Inhalt und die Struktur des Epigramms zu erfassen und zu interpretieren? Versuchen Sie es einmal in verschiedenen Klasse!

Die unterscheidlichen Temperamente mit ihren sprachlichen Akzenten lassen sich in eigener Erkenntnis verblüffend genau ermitteln, bis die Originalfassung erarbeitet und für alle an die Tafel geschrieben wird...

Ich glaube, es hängt vom Humor und Fragegeschick des Lehrers (also der freudig-freundlichen Mitarbeit des eigenen Herzens) und des Interesses der Schülerinnen und Schüler ab, aus diesem geheimnisvollen Tafeltext oder gar nur Diktiertem einen verständlichen typischen „Eugen Roth“ zu machen, der sprachspielerisch-humorvoll allgemein menschliche Schwächen aufspießt.

Spüren Sie einiges von einer eigenartigen Genugtuung erfülltes kleines, wohltuendes Aufatmen oberhalb des Zwerchfells. (Sonst bedarf es längerwieriger Übungen des Ein- und Ausatmens, in denen nach Goethe zweierlei Gnaden stecken...


Überschauen wir die Lage, blicken wir mutig in Deutschlands Klassenzimmer und in deutsche Bücher über Humor und oder in der Schule - so befällt mich Grausen. Wo Humor drauf steht oder wer seinen Vorlieben für Humoristen - ich denke da an Eugen Roth, Christian Morgenstern, Ludwig - pardon! - Heinz Erhardt und den noch lebenden Rudolf Gernhardt - merkt, wenn er empfindlich ist für die Zwischen der Lehrerinteressen und Schulmachtkämpfe und Zwänge des Auswendiglernens

Ja, auch der Humor kann zur Betonierung des versteckten Curriculums, des heimlichen Lehrplan mißbraucht werden, wenn nicht der souveräne, Selbstständigkeit voraussetzende und Emanzipation leistende Witz (aller Arten und Schattierungen) im Klassenzimmer herrscht, sondern die zur eigenen Statussicherung genutzte und zur eigenen Beseeli- und Bestätigung inthronisierte Dominanz sich Platz verschafft.


Witz, Humor, Satire - also schöpferische Eigenmächtigkeiten sehe ich in folgenden Textsorten, Arbeitsmethoden und Veröffentlichungen gegeben bzw. möglich:

                                                                     vertrottelt der andere ... -


  1. Erinnerungen an die eigene schulische „Karriere“ (zur Ergänzung oder Korrektur von beruflicher Deformation wichtig!)

  2. Fortsetzungen humorvoller Erzähleinleitungen

  3. Schreiben von Parodien auf Schüler-, Lehrer- und Zeitgenossentypen

  4. Schüler-Lehrerwitze aus Schülermund oder in buchhandelsüblicher Verpackung

  5. Eigenproduktionen der Schüler: Abfragen von gängigen Witztypen

  6. Anekdoten aus dem Alltag der Positionskämpfe, dem realen Schulleben (Ausplündern von alten Schüler- und Abitur-Zeitungen); „I survived“; Erzählung des Schülers Sebastian Rolf; verfaßt1997)

  7. Humoristische Texte (Gedichte und Erzählungen), die die Schulrealität reflektieren,

  8. Texte, die das Ideal der schulischen Erziehungs- und Bildungsarbeit und der Lehrerpersönlichkeiten satirisch ex negativo anbieten als Studium der wahren Klassenverhältnisse

  9. Beispiele für gegenwärtige und historische komischer Lektürestoffe zum Thema Schule-Schüler-Eltern-Staat

  10. Anthologien, die in Anekdoten dem Volksmund auf denselben schauen

  11. Text- oder Lebenszeugnisse biografischer oder autobiografischer Art, die das Innenverhältnis zur institutionalisierten Macht der Pädagogen und schulischen Verwaltungsherrschaften aufdecken.

  12. Erarbeiten und Verfassen satirischer Texte zu dem Spießbürgertypus nach der „Wendriner“-Figur von Kurt Tucholsky

  13. Der ganz eigene Typus des jüdischen Witzes am Beispiel des Schülers „Klein-Moritz“ (Vgl. Salcia Landmanns Sammlung!)

  14. Erkundungen auf dem schulischen Gelände der Aggressionen, Mobbingmethoden und emotionale und soziale Vorurteile über je spezifische Tages- und Regionalaktualitäten: Ostfriesen, Bayern, Immigranten (Beispiel: Türken), Ossi-Wessi-Mentalitäten, Trabi-„Analysen“, typische Mädchen- und Jungenattitüden, Eigenheiten und Bekenntnisse religiöser Bekenntnisse (zur Zeit im Abklingen: Judenvernichtungs-phantasien), Nationalitätsbeleidigungen (Polen-Witze), Dümmlichkeiten über Manta-Fahrer und Blondinen - und neuerdings die Rache der Frauen in coolen Mackerwitzen. 2

  15. Beispiel „Türkenwitze“, aus dem Jahre 1995( von Schüler niedergeschrieben); Analyse mithilfe eines Aggressionsmodells (nach Peters/Peters: Irre und Psychiater und Soziologie des Irren- und Psychiaterwitzes. München 1974).

  16. Scherze, Zauberei, Kunststückchen...

    (Aus: Wie verblüffe ich meine Freunde? Von L. Model u. C. Delafosse. Ravensburg 1989: RUB 1703. S. ...

  17. Heiterer Sadismus am Objekt Schüler

    (Aus: Paul Pfefferkorn. Wie man Schüler zwiebelt...

    Schüler. S...

  18. Analytisches Erfassen und kreative Gestaltung von Schüttelreimen

    Arbeitsbeispiele

  19. Vorlesen, Diskussion und Verfassen von „Briefen“ bzw. „neuen Schulaufsätzen“ von Kindern (nach den italienischen Vorbildern; herausgegeben von M. D’Orta und F.L. Zanardi)

  20. Analyse und eigene szenische Aufführung des Vortrags von Witzen (nach dem Vorbild der rtl-Comedy „Sieben Tage - sieben Köpfe“); Arbeitsbeispiel „Thema Fremdsprachen“, aus: 7 Tage..

  21. Käpt’n-Blau-Geschichten (Erarbeitung und Selberschreiben nach dem Vorbild der Blaubärgeschichten aus der Fernsehserie „Neues von Käpt’n Blaubär“ (Beispiel:

  22. Papa-Charly-Geschichten (Erarbeiten -Aufbau, Wortwahl, Charakterisierungsmomente, Spachstil, Intention - und Selbst-Verfassen der Hörszenen nach den Vorlagen eines Textes von Ursula Hauke „Die verpaßte Chance“

  23. Aktuell: neue Kohlwitze: auf Ehre und Bargeldkoffer und unvermeidliche geschichtliche Größe, äh, Körperfülle

  24. Sprachspiele, besondere Textsorten (...

  25. Erarbeiten und Verfassen ironischer Texte nach dem Vorbild der satirischen „Rechenaufgaben“ von Kurt Tucholsky

  26. Witze, die das Schulsystem der Bundesrepublik thematisieren

  27. Stilkritik, weil das ist mittlerweile das Schwarzbrot jeglichen profilsüchtigen Lehrers, auch im Umgang mit seinesgleichen

  28. Kästners Kritik an den Lehrern im Jahre 1930, der er eine noch schärfere Abrechnung nachreichen durfte, ja mußte.


Damals, 1930? Gedanken an dieses Datum geraten leicht zur Selbstüberprüfung: wie hätte ich damals reagiert? Hätten ich den historischen Durchblick gehabt? Wäre mir mein Beamtenstatus mehr wert gewesen als eine mutige Demonstration? Mit wem hätte ich mich verbunden können? Wer von meinen Freunden und Kollegen wäre wohl auf der Seite solche mutier Männer und Frauen gewesen wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Mascha Kaléko? Hätte ich solche Texte überhaupt zu lesen bekommen? Wie hätte ich mich damals informiert, mit Scheuklappen? Mit Weitsicht? Hätte ich die Aushöhlung der Republik erkannt? Hätte ich mutig meine Stimme erhoben?

Verlegene Fragen, unsichere Antworten...!

Ja, es lohnt sich, Fragen an die Geschichte eines Berufsstandes zu stellen... Bei einem Kritiker, der zum Glück das soziale und politische Desaster der geplanten tausend Jahre überstand:

Erich Kästner!

Nein, er wäre kein Haus- und Hofschreiber gewesen, den der Ex-Ministerpräsident von Niedersachsen zu seinem privaten Vergnügen eingestellt hätte - in der Absicht, die faulen Säcke über Vers und Reim aufs Korn nehmen möchte... Nein, Erich Kästners Kritik an den Lehrern 1930 war fundiert, ging ans Fundament der Verantwortung von Akademikern, von Lehrern, von, so nannten sie sich noch nach dem Krieg, Humanisten!

Er, der politische Trichinenbeschauer mußte noch eine schärferes Postscriptum nachreichen...

Auf geht’s’s: Der Lehrer-Schlacht erster Teil:


Erich Kästner

Von faulen Lehrern



Zu lernen ist schwer. Zu lehren noch schwerer.

Mir ist diese Thema gut bekannt.

Ich kenne den deutschen Volksschullehrer

aus erster Hand.


Ich weiß, daß er sich die ersten zehn Jahre

mit hohen Idealen balgt.

Dann aber läßt seine Seele Haare

Und er verkalkt.


Nun trabt er auf tänzelnden Steckenpferden

zur Altersgrenze und läßt sich Zeit.

(Ich sollte selbst mal Lehrer werden

und weiß Bescheid.)


Ein jeder spezialisierte sich. Nämlich:

Der erste sucht Berge, die er besteigt;

der zweite frißt sich langsam dämlich;

der dritte geigt.


Der vierte betreibt Familiengeschichte.

Der fünfte hockt ständig vorm Hühnerstalle.

Nur in der Schule, beim Unterrichte,

da gähnen sie alle.


Sie wurden, das Volk zu erziehen, berufen!

Nun stehn sie herum und marschieren am Ort.

Und nur auf ihres Gehaltes Stufen

schreiten sie fort.


Einst hungerten sie nach geistiger Nahrung

und wahren Freunde gepflegten Lateins.

Jetzt sind sie verstopft mit Paukererfahrung

und Einmaleins.


Sie könnten für Deutschland Größeres leisten

als Leute mit Namen und großem Maul.

Sie könnten. Sie sollten! Aber die meisten

von ihnen sind faul.


(Zuerst in: „Jugend. Nr. 26. 1930. S. 567)


Damals, 1930? Da wurde protestiert, Abos der Zeitschrift abbestellt - und ein Redakteur wurde erpresst, den Wahr-Sager Kästner erst mal aufs Eis zu legen...

Der ließ eine weitere gekonnte Sottise drucken, anderswo, nachdem die kritisierten Lehrer bei der Redaktion der „Jugend“ böse Leserbriefe abluden und Kündigungen abließen: Die Antwort wurde aber nicht gedruckt. Die Redaktion hatte Angst...! Wir können sie uns heute leisten, zumindest finanziell..! Also, die Fortsetzung der Satire, weil Kästner sie so gut kannte, die Lehrer. Eine entsprechende Schüler-Kritik hat er nicht geschrieben. Damals waren Schüler Günstlinge oder Opfer ihrer dominanten, unangefochten herrschenden Lehrer.


Erich Kästner

An die beleidigten Lehrer


Die Lehrerschaft hat erklärt:

Kästner hat uns beleidigt.“

Es wird Zeit, daß sie erfährt,

wie Kästner sich verteidigt.


Er läßt euch hierdurch sagen:

ihr brachtet den Kindern zwar bei,

nach dem Akkusativ zu fragen

und was eine Gleichung sei.


Aber er hatte sich mehr erträumt!

Er sah eure höhere Pflicht.

Diese habt ihr versäumt.

Diese tatet ihr nicht!


Zwölf Jahre, behauptet er,

vergingen seit dem Krieg.

Zwölf Jahre sind es her,

seit er euch liebte und schwieg.


Jetzt steht er von euch entfernt.

Sein herz wurde immer schwerer.

Das Volk hat nichts gelernt.

Und ihr wart des Volkes Lehrer!


Ihr fandet nur dafür Zeit,

das Einmaleins zu lehren.

Nun sind sie wieder soweit

und spielen mit Schießgewehren.


Sie saßen in euren Klassen.

Sie waren in eurer Hut.

Nun wollen sie wieder hassen.

Nun wollen sie wieder Blut.


So habt ihr Deutschland erzogen!

Und da stellt ihr euch hin und sprecht:

Kästner, der Kerl hat gelogen.“

Nein, der Kerl hat recht!


(E.K.: Zeitgenossen, haufenweise. Werke. Bd. I. Gedichte. München 1998. S. 345f.)


*

Zum Thema Humor in und wegen der schulischen Mißgeschicke oder in dessen Bedeutung für das Miteinander in der Schule liegt nur intellektueller Schrott vor. 3

Dem gegenüber sind in der letzten Zeit folgende literarisch- anthologischen Neuerscheinungen zu vermelden, die in die Konzeption dieser Serie eingeflossen sind.


Anthologien:


* Peter Härtling und Christoph Haacker. Hörst du’s schlagen halber acht. Die Welt der Schule in Gedichten und Prosa. Stuttgart 1998

Volker Michels (Hrsg.) Unterbrochene Schulstunde. Frankfurt 1972: st 48)


Satiren:


Friedrich Mahlmann: Pestalozzis Erben. Heidelberg 1997: Wolf Schwartz Verlag. (Mensch beachte die reale, pädagogische und juristische Relevanz dieses „gruppendynamischen Schulprojekts“ eines intellektuell einsam kämpfenden, aber wachsamen Gymnasialdirektors im Vorgeländes des teutonischen Bildungswaldes!)


Günther Willen (Hrsg): Alle lieben Lehrer. Bilder & Worte. Oldenbourg 1998: Lappan Verlag.


Analyse:

Hanna Kiper: Vom „Blauen Engel“ zum „Club der toten Dichter“. Literarische Beiträge zur Schulpädagogik. Baltmannsweiler 1998: Schneider Verlag Hohengehren

Sammlung von Anekdoten bzw. Witzen:

Norbert Kühne (Hrsg.:) 30 Kilo Fieber. Zürich 1997: Ammann Verlag. (Neben den schulischen Beispielen finden sich hier viele Alltagseinsichten in den Kinderanekdoten.)


E. Gambsch (Hrsg.): Die 300 besten Schülerwitze. Knaur-TB 2796.

E. Gambsch (Hrsg.): Die 300 besten Lehrerwitze. Knaur-TB 73044.



Neuerscheinungen zu speziellen Themen (auch als Klassenlektüre in der Unterstufe verwendbar):


Ulli Schubert: Die Schulhoferpresser. Würzburg 1998: Arena Verlag. (Mobbing-Probleme)

Annika Thor: Ich hätte Nein sagen können. Weinheim 1998: Beltz & Gelberg. (Ebenso Mobbing)


Krimis:


Reinhard Junge: Klassenfahrt. Dortmund 1998: grafit-Verlag.

Michael Buschmann: Tatort Schulhof. Asslar 1997: Verlag K. Gerth

Leo.P.Ard (Hrsg.) Der Mörder schwänzt den Unterricht. Schulkrimis. Dortmund 1994: grafit Verlag.


Schämen wir uns - als Unterhalter und Aufklärer - nicht - wir sind Teil der real existierenden Zwänge und Privilegien und Gewohnheiten, und es schärft den Blick für vorherrschende Neigungen zu Machtmißbrauch, gewöhnlichen Dummheiten und Einstellungs- und Begriffsdeformationen - wenn wir, nach entsprechender Fragestellung und bei Einsatz von ein wenig Unterrichtszeit- oder Vertretungsgelegenheit und a bisserl Mut - hoffen dürfen oder harren müssen der ersten Witze über unser aller Kanzlers Begriff der Ehre und Treulosigkeit gegenüber einem Eid wie „...alles zu unternehmen, um Schaden von deutschen Vaterland abzuwenden“. Sie - die witzigen Bosheiten, frechen Wahrheiten und witzigen Überraschungen - sind starke pädagogische Stützen im Kampf gegen Verluderung, Habitualisierungen, Dummheiten, Frechheiten und Ungerechtigkeiten. Ganz immanent, prägnant und psycho-logisch im unerwarteten Aha-Effekt erfüllen sie jeden frei Denkenden mit eigenartiger Belohnung: mit Freude, Schadenfreude, Erkenntnis und Lust auf Veränderung.

Humor und schick-witzige „Essays“ auch als Ersatz der verordneten und für den Vorzugsplatz auf dem Schreibtisch der Dezernenten designten Hochglanzschulprogramme? Lieber nicht! Ein Stoß unbedruckten Abzugspapiers (eingesetzt in einer Vertretungsstunde), ein Blick auf die bekritzelten Schulbänke, in die Schülerzeitschriften oder die „Tonnen“ der eigenen Kinder - ein riskanter Einblick in den Schulalltag - dort finden die großen Tragödien und die kleinen Komödien statt.

Es gibt schulerfahrene Autoren, von deren Erfahrungen wir profitieren könnten, wenn es vermögen und wollen, haben halt immer noch recht:

Maxim Gorki: „Wenn wir das Leben von Lehrern vorurteilslos betrachten, sehen wir, daß nicht nur die Lehrer, wie man allgemein denkt, ihre Schüler verderben, sondern daß auch die Schüler den Charakter des Lehrers schädigen „(Zusatz von A.S.R.: oder kultivieren vermögen, wenn er dazu den Ansatz zeigt.)

Oder das alte, schulübliche Zitatlaster neu beurteilt: „’Non scholae sed vitae’ ruinieren wir die Schüler.“ (Werner Schneyder). Oder der gute und alte Satiriker Erich Kästner in zwei Gedichten, deren Aktualität mensch reflektieren könnte...



Noch ein Aushängeschild:


Altes Schild eines Dorfschulmeisters:

Deutlich lesen, zierlich schreiben,

Künstlich rechnen, züchtig bleiben,

Tugend lieben, Gott recht kennen,

Ist der Grund und Mittelpunkt

aller Trefflichkeit zu nennen.

Willst du nun dein Kind zu mir

und zu meiner Schule kehren,

Werde ich diß alles dich

unter Gottes Gnade lehren. 4


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Günter Grass:

Auf eine Schiefertafel


an der ein Schwamm hängt,

will ich erste Wörter schreiben,

dann löschen,

nicht nur der Fehler wegen,

auch soll der Schulgeruch

früher ‘Ängste aufleben

und tadellos mit ihm

das erste Glück.

(Aus. G. G.: Gesammelte Gedichte.)



Unser Neuland im Osten: Ossis und Wessis - Oder - Was sich liebt, das neckt sich; und was sich aus dem Wege gehen kann, das versteckt sich...


Erich Mühsam: E r z i e h u n g


Der Vater zu dem Sohne spricht:

Zum Herz  und Seelengleichgewicht,

zur inneren Zufriedenheit

und äußeren Behaglichkeit

und zur geregelten Verdauung

bedarf es einer Weltanschauung.

Mein Sohn, du bist nun alt genug.

Das Leben macht den Menschen klug,

die Klugheit macht den Menschen reich,

der Reichtum macht uns Herrschern gleich,

und herrschen juckt uns in den Knöcheln

vom Kindesbein bis zum Verröcheln.

Und sprichst du: Vater, es ist schwer.

Wo nehm ich Geld und Reichtum her?

So merk: Sei Deines Nächsten Gast!

Pump von ihm, was du nötig hast.

Sei's selbst sein letzter Kerzenstumpen -

besinn dich nicht, auch den zu pumpen.

Vom Pumpen lebt die ganze Welt.

Glück ist und Ruhm auf Pump gestellt.

Der Reiche pumpt den Armen aus,

vom Armen pumpt auch noch die Laus,

und drängst du dich nicht früh zur Krippe,

das Fell zieht man dir vom Gerippe.

Drum pump, mein Sohn, und pumpe dreist!

Pump anderer Ehr, pump anderer Geist.

Was andere schufen, nenne Dein!

Was andere haben, steck dir ein!

Greif zu, greif zu! Gott wird's dir lohnen.

Hoch wirst du ob der Menschheit thronen!


(Aus: E.M.: Trotz allem Mensch sein. Gedichte und Aufsätze. RUB 8239 S. 23)



1 Das Gedicht lautet in der Druckversion bei. E.R.:


Je nachdem


Ein Mensch sagt bitter: „Weiß Gott, wo!“

Ein andrer, milde: „Gott weiß, wo!“

Durch sprachlich kleinsten Unterschied

Getrennt man ganze Welten sieht.

(Werke. Bd. 1. Frankfurt/M. 1995. S. 271)


2 Beispiele gefällig? Warum sind Blondinenwitze so dümmlich? Weil einige Männer sie erfunden haben und für alle Machos verständlich sein sollen.

3 Vgl. R. Wegmann: Pädagogische Ketzereien. Donauwörth 10984: Auer. - Ebenso unerträglich im Gönnerton: N. Seibert u.a.: Humor und Freude in der Schule. Donauwört 1990: Auer.

Ein Kuriosum sei hier noch vermeldet: Paul Pfefferkorn (Pseudonym): Wie man Schüler zwiebelt. Leitfaden für ratsuchende Pädagoginnen und Pädagogen. Bad Homburg 1996: Zwiebel-Verlag. - Das Bändchen bietet Kalauer, Rezepte und erprobte Ansätze von Konfliktunterdrückung, Rat-Schläge für Machtproben und Beleidigungen von Schülern. Ein Beispiel: Kollegin L. hatte mehr Erfolg mit der Androhung: „Weißt Du was? An der Eichendorffschule hat ein Lehrer 350 Mark zahlen müssen, weil er einem Schüler eine geknallt hat. Und Dir kann ich nur ein sagen: 700 Mark bist Du mir wert.“ Solche Angriffe teilen die Atmosphäre und die Lerneinstellung in verschiedene Lager: Die sich mit der Aggression identifizieren, sind die Gewinner. Die Looser müssen noch, pädagogisch geschickt, genauer eingestuft werden, nach dem Gschmack der Lehrer.

4] Ruth Dirx: Das Kind - das unbekannte Wesen. Frankfurt/M. 1967: Fitabu 816. S. 122.

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