Samstag, 9. September 2023

M ö r i k e s "Ballade vom wahnsinnigen Feuerreiter" (Urfassung 1828)

 

                 
  
>> Anton  Stephan   R  e  y  n  t  j  e  s

Maybachstr. 31 . 45659 Recklinghausen-Hillerheide

anton@reyntjes.de

Neufassung der 1973er Examensarbeit -

1                                                                 - Als Ms. überarbeitet 1996 und /2011/2022 -


Anton Stephan R e y n t j e s:


Eduard Mörikes „Romanze vom wahnsinnigen Feuerreiter“

- Staatsexamensarbeit bei Prof. Dr. Ludwig Völker an der WWU Münster 1973 -

>> Inhaltsverzeichnis:

1. Die Interpretationsschwierigkeit der "roten Mütze" des "Feuerreiters"

2. Zur Textgeschichte und Forschungslage des "Feuerreiters"

3. Methodische Grundlegung meiner Arbeit

4. Skizzierung des Aufbaus meiner Arbeit

5. Exemplarische Belege zur Rezeptionsgeschichte und vorgängigen literarhistorischen und -pädagogischen Interpretationspraxis

6. Mörikes eigener Bericht von der Entstehung und Umarbeitung des "Feuerreiters"

7. Zur Einheitlichkeit der Fassungen der Romanze bis 1838

8. Der politisch-soziale und literarästhetische "Hintergrund" der Romanze

9. Der sagenkundliche Hintergrund des "Feuerreiters"

10. Zur Feuer-Motivik in anderen frühen Werken Mörikes

11. Zur Bildlichkeit des "Feuerreitens" im Schwäbischen

12. Topische Interpretationshorizont der angezeigten politischen Motive "rote Mütze" und "Reiter"

13. Zur Gattungsfrage Ballade oder Romanze

14. Zum Kontext des "Ur-Feuerreiters" im "Maler Nolten"

15. Mörikes "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" als allegorisches Gedicht


 



1. Die Interpretationsschwierigkeit der "roten Mütze" des "Feuerreiters"

Anstoß und fortwährende Fragestellung meiner Beschäftigung mit Eduard Mörikes 1824 entstandener "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" 1] war die im Text festgestellte und in der Sekundärliteratur nicht geklärte, meist nicht thematisierte Schwierigkeit, die "rote Mütze" des Feuerreiters angemessen, d.h. dem Wortlaut, dem Handlungsvollzug und der motivlichen Bedeutung sachlogisch und ästhetisch entsprechend, zu interpretieren.


In der Fassung von 1828 lautet der Eingang des Gedichtes

Seht ihr am Fensterlein

Dort die rothe Mütze wieder?

Nicht geheuer muß es seyn,

Denn er geht schon auf und nieder! 2]

Leser, Zuhörer, fiktiv wohl auch eine Gruppe von Zuhörern in direkter Nähe mit dem nicht ausgewiesenen Erzähler (als Vermutung: Moritaten-Sänger), werden aufgefordert, die rote Mütze zu beachten, zu beobachten.

Durch eine syntaktische Inkonsequenz wird jedoch nicht mehr die rote Mütze, also das Pronomen "sie" weitergeführt, sondern ein "er" vom Dichter vorgestellt, der Träger dieser roten Mütze sein muß, aber optisch und semantisch noch nicht in Erscheinung getreten ist. Dieser ästhetische Hinweise teilt also mehr als das Sichtbare mit: Die rote Mütze verweist auf einen Menschen; bzw. der Mensch, der noch - als Spannungsmoment - ungenannt bleibt, ist vergegenständlicht in dem signifikanten Modell rote Mütze. wir müssen also sinnbildhaft mit einer besonderen Funktion, einer Symbolik der roten Mütze rechnen, die über die metaphorische Funktion hinausgeht; denn als solche müsste sie durch den aufgezeichneten Kontext determiniert sein, als bekanntes Signum der materiellen Stofflichkeit und ihrer übergreifenden Bedeutung, für den Leser spätestens im Fortgang der Handlung erschließbar sein.

Aber auch die weiterführende inhaltliche Erschließung, die rote Mütze als Symbol für den Menschen, von dem das Gedicht laut Ankündigung im Titel und in den nachfolgenden vier Strophen handelt, als Hinweis auf den Feuerreiter, der zum Feuer in einem selbstzerstörerischen Verhältnis zu stehen scheint, zu interpretieren, stellt der Wortlauf der letzten Strophe eine entscheidende Schwierigkeit entgegen: Die Mütze wird dort als noch vorhanden beschrieben, obwohl nach Verlöschen des Brandes und dem leiblichen Verschwinden des Reiters das verkohlte Gerippe von Ross und Reiter als beinerne Mähre aufgefunden wird:

(IV, 1-4) Nach der Zeit ein Müller fand

Ein Gerippe samt der Mützen

Ruhig an der Kellerwand

Auf der beinern' Mähre sitzen (...) 3]

Die nicht rein stoffliche, sondern materielle und ideelle, eben symbolische Qualität der Mütze leuchtet auf, dem Leser ein; aber wie ist sie zu fassen in ihrem ästhetischen Gehalt? Innerhalb des Kontextes kann sie nicht das pure, flackernde, zerstörerische Feuer sein. Als Metapher, als Signifikat für Feuer hätte sie das Bezeichnete, eben den Ausbruch, das Entbrennen und Verlöschen des Feuers, überdauert.

Diese über den konkret-materiellen Vorgang hinaus sich verselbständigte Bildaussage erzeugt ein "Mehr" an Bedeutung, das sich jedoch nicht dem modernen Verständnis der grotesken, wenn nicht gar absoluten Metapher, einer Chiffre zum Beispiel, decken kann 4].

Ich vermute also, dass die rote Mütze in ihrer kompositorischen und symbolischen Funktion auf mehr als das Verbrennen eines menschlichen Körpers und von Dinglichem hinweist; sie deutet möglicherweise auf einen außertextlichen Gehalt, der über das rein Stoffliche hinaus in symbolischer und konnotativer Verwendung vom Dichter für legitimierte, vertraute Leser seines Umkreises im Tübingen und Ludwigsburg assoziiert wird.

Dieses Plus an Sinn, diese gewollte Redundanz, ist sicherlich in der Person des Reiters, in seinem Verhalten als Feuerreiter, in seiner Mission, seinem Auftrag, seiner zielgerichteten Aufgabe beim Feuer zu suchen - in logischer Übereinstimmung von Figur und sie abdeckender Mütze, die sogar als Kapuze 5], als Verhüllungstuch, beschrieben wird.

Welche Bedeutungsschichten lassen sich noch heute für die ästhetisch vielfarbige "rote Mütze" erkennen?


2. Zur Textgeschichte und Forschungslage des "Feuerreiters"

Auf einen referierenden Überblick über die Forschungslage zum Gedicht verzichte ich hier. Einen vorzüglichen Einblick in die Text- und Entstehungsgeschichte gibt Rainer Pohl in seinem Aufsatz "Zur Textgeschichte von Mörikes 'Feuerreiter'" 6]; der allerdings an einigen wenigen Stellen seinem eigenen textkritischen Anspruch und der philologischen Exaktheit nicht genügt. Pohl versucht, den von A. Mundhenk 7] vertretenen Befund von zwei Fassungen der Ballade zu relativieren, kommt jedoch letztens zu einer Fehleinschätzung der Frühfassung, die er im nicht mehr fassbaren Dunkel einer "elementar-mythischen Konzeption" 8] belassen will.

Demgegenüber behaupte ich einen geschlossenen Entwurf Mörikes für seinen "Ur-Feuerreiter" bis zur entscheidenden Umgestaltung durch die Interpolation einer weiteren Strophe in die kompositorische und inhaltliche Mitte des Gedichts.

Dieser Neuansatz Mörikes erfolgte im Dezember 1841; bis dahin ergibt sich, kurz skizziert, folgendes Bild der Entstehung des Textes: Das in seiner Studienzeit im Sommer 1824 verfasste Gedicht nahm Mörike in die erwähnte Sammelhandschrift des "Grünen Heftes" aus dem Jahre 1828 auf, veröffentlichte es erstmals in seinem Roman "Maler Nolten" (1832) und fügte es in die Erstausgabe seiner Gedichte (1838) 9].

Textgrundlage für meine Untersuchungen ist die früheste überlieferte Fassung von 1828. Sie stellt zwar im wesentlichen Sinn keine Publikation Mörikes dar; ich gebe ihr aber den Vorzug, da sie nur in Details 10] von der Erstfassung abweicht.

Der Text 11] lautet:

Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter


Seht ihr am Fensterlein

Dort die rote Mütze wieder?

Muß nicht ganz geheuer seyn,

Denn er geht schon auf und nieder!

Und was für ein toll Gewühle

Plötzlich auf den Gassen schwillt!

Horch! das Jammerglöcklein grillt

Hinterm Berg, hinterm Berg

Brennts in einer Mühle!


Schaut! Dort sprengt er wüthend schier,

Durch das Thor, der Feuerreiter!

Auf dem rippendürren Thier

Als auf einer Feuerleiter.

Durch den Qualm und durch die Schwüle

Rennt er schon wie Windesbraut.

Aus der Stadt, da ruft es laut

Hinterm Berg, hinterm Berg

Brennts in einer Mühle!


Keine Stunde hielt es an

Bis die Mühle borst in Trümmer.

Und den wilden Reitersmann

Sah man von der Stunde nimmer.

Darauf stiller das Gewühle

Kehret wiederum nach Haus.

Auch das Glöcklein klinget aus:

Hinterm Berg, hinterm Berg

Brennts -!


Nach der Zeit ein Müller fand

Ein Gerippe samt der Mützen

Ruhig an der Kellerwand

Auf der beinern Mähre sitzen;

Feuerreiter! wie so kühle

Reitest du in deinem Grab! -

Husch! da fällts wie Asche ab.

Ruhe wohl, ruhe wohl

Drunten in der Mühle! 12]



In der Gedichtsammlung (G1) hat Mörike dem Gedicht eine umfangreiche Fußnote beigegeben, die auf eine "unvollendete Novelle" verweist und die romantische Figur des Feuerreiters als "einen jungen Mann von seltsamer abgezehrter Gestalt" charakterisiert, der "nach der Volkssage jedesmal vor Ausbruch einer Feuersbrunst" 13] gesehen worden sei.

Nun gibt aber weder dieser "Prosabericht" 14], noch die ähnlich lautende Fassung, in der Mörike im Maler Nolten" 15] diese poetische Figur vorstellt, und auch nicht die Fußnote in der Gedichtausgabe von 1838 16] und, den Spätlesern und Nicht-Mitwissern, entscheidende Aufschlüsse für das Verständnis der schon in Tübingen zur Studentenzeit Mörikes berühmten Ballade.

Für die Neufassung des bisher "Romanze" genannten Gedichtes, die in der zweiten Auflage (A2) erstmals gedruckt wurde, konnte Mörike die Fußnote weglassen. Der Dichter hatte dazu schon am 3.12.1841 seinem Freund und Priesterkollegen Wilhelm Hartlaub, seinem Ur-Freund, geschrieben:

"Der Feuerreiter hat einen neuen Vers [gemeint: Strophe] zwischen dem zweiten und dritten erhalten, wodurch er ohne Note [gemeint: Fußnote] und ohne das Prädikat wahnsinnig in der Aufschrift verständlich wird." 17]


Ohne auf eine Urfassung aus dem Jahre 1824 zu spekulieren, glaube ich also, mit der Fassung von 1828 eine sichere Grundlage für die Erörterung zum "Feuerreiter" gefunden zu haben und die Rahmenkonstruktion für die Einpassung in den "Maler Nolten" als sekundär einstufen zu können, als Erklärungshilfe für Menschen und Leser jenseits des Freundeskreises Mörikes in Tübingen.

Wenn überhaupt noch rekonstruierbar, liegt die Erklärbarkeit in den hier zugrunde gelegten vier Strophen. Entscheidende Hilfe dazu ergibt sich aus den später zu erörternden Rezeptionsbelegen, sowie aus den im Gedicht verarbeiteten Motivkomplexen.

Bevor ich jedoch die mehrfachen Explikationen vornehmen kann, will ich, ausgehend vom Motiv der "roten Mütze" eine Grundlegung des literarwissenschaftlichen Verfahrens meiner Interpretation versuchen.



3. Methodische Grundlegung meiner Arbeit



"Die geheimnisvolle rote Mütze aber, die nicht verbrennt, prägt in allen Fassungen das gesamte Gedicht", schreibt Rainer Pohl 18]. Und er interpretiert diese, wie wir sahen, als Signal gleichsam feuerfeste Mütze als "Bild für das Feuer" 19], das bis zur Lyrik der Moderne durchgängig sei. Er belegt diesen Bildgebrauch am prägnantesten mit einem Zitat aus Bert Brechts Sonett "Über Schillers Gedicht 'Die Glocke'"20]. Pohl läßt es offen, ob hier eine Anspielung auf Mörikes Gedicht vorliegt; eine solche, merkt er an, "würde die eindeutige Auffassung des Bildes eher bekräftigen als einschränken" 21]. Da Brecht allerdings eine eindeutige Interpretation erfordert, wenn auch m.E. nicht als Mörike-Replik, sei das kritisch-ironische Gedicht hier ganz zitiert; und zwar mit Brechts eigener Lesehilfe zu seinen Literatur-Sonetten: "Diese sozialkritischen Sonette sollen natürlich den Genuß an den klassischen Werken nicht vereiteln, sondern reiner machen". 22]






Bertolt Brecht:


Über Schillers Gedicht 'Die Glocke'


Ich les, dass Feuer eine Wohltat ist

Solang der Mensch es zähmet und bewacht

Dass es ihn aber, ungezügelt, frißt.

Ich frage mich: an was hat der gedacht?


Was ist, das er euch zu zähmen bitte?

Dies Element, das er so nützlich nennt

Gesittung fördert, selber nicht gesittet -

Was für ein Element ist wohl dies Element?


Dies Feuer, diese Tochter der Natur

Die, ihrer Zügel los, durch eure Gassen wandelt

Mit roter Mütze auf, wer ist das nur?


Das ist nicht mehr die gute alte Magd!

Ihr habt wohl die Person zu mild behandelt?

Ich seh, sie hat euch nach dem Lohn gefragt. 23]



Brechts politischer, klug provozierender Rückfrage in die Geschichte, nicht nur die Literaturgeschichte, folgend, fand ich, nicht nur in Schillers Verständnis, viele Motiv-Belege für eine eindeutige Interpretation der roten Mütze als politisches Signal; sie bildet keineswegs nur das gewöhnliche Flackern eines Feuers nach, sondern ist sinnfälliges Zeichen für einen gesellschaftlich-politischen Brand, Signal und Kennzeichen für revolutionär-republikanisches, jakobinisches Gedankengut, kenntlich als Jakobiner-Mütze, die im bewußten Gegensatz zur Perückenkultur des französischen Adelsstandes, besonders der Hof-Kamarilla in Paris und Versailles, nach 1789 Symbol der Erhebung des Volkes gegen König, Klerus und Adel geworden war 24].



An dieser Stelle: ein Einschub, Zusatz, ein motivgeschichtliches, die semi-pleonastische Formulierung sei gestattet, irritierendes Movens:


Ein - fast zufälliger – Fund; wegen seiner besonderen Gegensätzlichkeit, vielleicht anarchisch-geschichtlichen Gleichrangigkeit, hierher gesetzt:




Das Feuerbesprechen.

(Mündlich)

 

Zigeuner sieben von Reitern gebracht,

Gerichtet verurtheilt in einer Nacht,

Sie klagen um ihre Unschuld laut,

Ein Jud hätt ihnen den Kelch vertraut.

 

Die Rathsherrn sprechen das Leben leicht ab

Sie brachen dem sechsten schon den Stab,

Der siebent ihr König sprach da mit Ruh:

»Ich hör' wohl in Lüften den Vögeln zu!

 

Ihr sollt mir nicht sengen ein Härlein vom Kleid,

Bald krähet der rothe Hahn so weit!«

Da bricht die Flamme wohl über wohl aus,

Aus allen vier Ecken der Stadt so kraus.

 

Der rothe Hahn auf die Spitze gesteckt,

Er krähet, wie jener, der Petrum erweckt,

Die Herren erwachen aus Sünden schlaf,

Gedenken der Unschuld, der harten Straf.

 

Die Herren sie sprechen zum Manne mit Flehn,

Er möge besprechen das feurige Wehn,

Er möge halten den feurigen Wind,

Sein Leben sie wollten ihm schenken geschwind.

 

Den Todesstab da entreist er gleich,

Den Herren damit giebt Backenstreich,

Er ruft: »Was gießet ihr schuldlos Blut?

Wie wollet ihr löschen die höllische Glut?

 

Das Kindlein vom Stahle die Funken gern zieht,

Der Fromme im Steine das Feuer wohl sieht,

Was spielt ihr mit Dingen, die schneidig und spitz,

Der rothe Hahn wohl unter euch sitzt.«

 

Jezt spricht er: »Willkommen du feuriger Gast,

Nichts greife weiter, als was du hast,

Das sag ich dir Feuer zu deiner Buß,

Im Namen Christi, des Blut hier auch floß.

 

Ich sage dir Feuer bey Gottes Kraft,

Die alles thut und alles schafft,

Du wollest also stille stehn,

Wie Christus wollt im Jordan stehn.

  

Ich sag dir Feuer, behalt dein Flamm,

Wie einst Maria die heilge Dam

Hielt Jungfrauschaft so keusch so rein,

So stelle Flamm deine Reinigung ein.«

 

Da flog der rothe Hahn hinweg,

Da nahm der Wind den andern Weg,

Das Feuer sank in sich zusamm,

Der Wundermann ging fort durch die Flamm.25]




Doch ein Verweis, ein Schritt zurück, zur literarisch belegten Adäquanz: Eine herkömmlich, gleichförmige, motivgeschichtlich gesicherte Bildfunktion ist im Umkreis der vormärzlich-jungdeutschen Literatur bei G. Büchner, H. Heine, Gutzkow u.a. vielfältig belegbar - und über ein Jahrhundert hinweg knüpft der historisch kundige Brecht offensichtlich an. In diesem historischen Zusammenhang erhält das Motiv der roten Mütze die Signifikanz eines überindividuellen, kollektiven Topos, der die direkte Parteinahme für die Verwirklichung demokratischer Grundrechte, der Freiheit, der Gleichheit und Brüderlichkeit, aufzeigte und tradieren half. 26]

Läßt sich nun eine solche provozierende Deutung auf Mörikes Feuerreiter übertragen? Ist er ein vom revolutionären Engagement Getriebener, Wahnsinniger 27], der Opfer seiner eigenen Tat wird, im selbst gelegten Brand des Umsturzes umkommt? Signalisiert dies die rote Mütze des so hektisch und zielbestimmt handelnden und des so prägnant, sprachlich realistisch und intuitiv dramatisch abgebildeten Feuerreiters?


Eine solche Interpretation müsste den Nachweis führen, dass ein mit der vormärzlichen Literatur einheitlicher historischer und literaturästhetischer Hintergrund für Mörike in seinen Tübinger Jahren bestimmend war, so dass man die bei ihm vorliegende symbolische Verwendung der roten Mütze dem recht einsichtigen, topischen Gebrauch des politischen Motivs zuordnen könnte. Gelänge ein solcher Nachweis, müsste man, um das Gedicht interpretierend zu erfassen und einzuordnen, von einer geradezu reaktionären, politisch-konservativen Intention des Textes sprechen, denn dieser Feuerreiter geht an seinem individuellen Handeln, seinem "Element" 28] zugrunde; er scheitert an der Verwirklichung seiner Ziele und steht damit konträr zu dem progressiv-politischen Signalwert, den Dichter und Publizisten seit der revolutionär-französisch-jakobinischen Aufklärung bis zum Jungen Deutschland in der republikanischen Tradition der roten Mütze zusprechen.

Abgesehen vom historischen Zusammenhang und der Kenntnis Mörikes von ihr - beides müsste bewiesen werden - läßt sich eine solche Wertung innertextlich stützen? Die Tat als das Schicksal des Reiters erfährt eine in den Mund des Müllers und simultan des Lesers gelegte eigenartige Beurteilung:


(IV, 5f.) Feuerreiter, wie so kühle

Reitest du in deinem Grab!- 29]


Diese Worte sind sicherlich als spöttisch-ironische Distanzierung, ja als Verurteilung des sich selbst ad absurdum führenden "Feuerkopfes" zu lesen - aber auch als Kritik politisch-revolutionärer Aktion?

Dieses Gedicht kurzerhand zum Exemplum des sich "biedermeierlich" von dem lästig-schmutzigen Geschäft der Politik abwendenden noch nicht zwanzigjährigen Mörike erklären zu wollen, käme einem philologischen Husarenritt gleich, der sich, eines vermuteten topischen und ungeklärten geschichtlichen Zusammenhangs wegen, hinwegsetzt über die konkreten Voraussetzungen und Intentionen des Einzelfalles, innerhalb derer ein Bildgebrauch, und sei er noch so allgemein gebräuchlich, historisch determiniert sei - zugunsten einer einfachen, praktikablen Nutzwendung.

In Wirklichkeit ist der Hintergrund, näherhin der Einfluss literarischer und politischer Impulse, auf dem die Romanze des Tübinger Studenten des evangelischen Theologie verständlich gemacht werden kann, sehr komplexer Natur; und wir werden uns hüten müssen, das Ergebnis, das Produkt, dieser Einflüsse und Zustände in seiner vorliegenden individuellen sprachlich-poetischen Fassung auf das notwendig-rationale Politikum eines modernen, geschichtserfahrenen Interessenstandpunktes zu reduzieren. Damit würden wir einem psychologischen und historischen Produkt nicht gerecht, allenfalls einem politischen, als Wissenschaft ungenügenden Interesse, dem der unreflektierten, distanzlosen Identifikation bzw. Ablehnung historischer Vorgänge. 30]


Der konkrete, persönliche und soziale Hintergrund Mörikes, damit auch seine Veranlassung und sein Fortschreiten zur Dichtung und Reflexion über dieses Gedicht - materialistisch gesprochen: Mörikes soziokulturelle Basis - läßt sich nur in Details und Bruchstücken rekonstruieren. Die eigentliche künstlerische und fortwährend poetologische Leistung, die Umsetzung in Sprache und literarisch eigenständiger oder assimilierter Form, läßt sich dadurch nicht annähernd bestimmen. Deshalb muß mein vorliegender Interpretations-Versuch problematisch bleiben, auch problemorientiert, diesen Verstehensprozess voranzutreiben als Rekonstruktion des sprachlich-literarischen Übersetzungsvorgangs aus dem aufzuzeigenden Hintergrund, der sich, so meine Vermutung, annähernd vierfach aufgliedern läßt: in die Bereiche des vorrational-individuell Erlebten und Erlittenen, des offenkundig politisch Erfahrenen, des volkskundlich-sagenhaft Überkommenen und der literarisch-ästhetischen Einflüsse.


Auf diesen vier Ebenen, die streng zu unterscheiden und methodisch exakt zu untersuchen wohl unmöglich ist und keineswegs eine modellartiges Bedingungsgefüge für die Entstehung von Literatur abgeben soll, möchte ich Mörikes Gedicht zu erläutern versuchen. Dazu sollen teils vergessene, teils nie auf Mörike bezogene Überlieferungsstränge aufgearbeitet werden.

Zu diesem Zweck nehme ich ein methodisch disparates wirkendes Vorgehen in Kauf; einerseits werden Ähnlichkeiten, seien sie politischer, literarischer oder volkstümlich-sagenkundlicher Art, wahrscheinlich gemacht oder nur vermutet - andererseits aber wird dem dichtenden Subjekt Mörike (als Objekt und Prisma vieler persönlicher Beziehungen) ein Spielraum der Erfassung und kreativen Gestaltung solcher Einflüsse und Momente zugestanden. Dass er über solche poetischen Mittel genuin verfügte, ist aus seinem Freundeskreis vom aus Tübingen flüchtenden Feuerkopf Wilhelm Waiblinger bis zum Urfreund Wilhelm Hartlaub überliefert und braucht in dieser Arbeit nicht bewiesen zu werden.


Ich habe nun zusätzlich zu den vier Ebenen des vermuteten Hintergrundes eine weitere Methode des Aufschlüsselns nach Motivkomplexen gewählt, die mir konstitutiv für diesen in Mörikes Laufbahn als Mensch und Dichter wichtigen Text zu sein scheinen: zur Sinnbildlichkeit des Feuers, der umgreifenden Bedeutung der roten Mütze und der Sinnfigur des Reiters. Dadurch hoffe ich, topische Freilegungen poeto-historischer, für Mörikes "Feuerreiter" mitschwingend-prägender und für uns erhellender Vorstellungen zu erzielen.

Das Eingeständnis, dass ich die motivgeschichtlichen Belege aus ihrem textlichen Zusammenhang löse und sie in einen anderen als von ihren Autoren gewollten Gedankengang einordnen muß, ist kein überflüssiger Bescheidenheitstopos - es ist vielmehr m. E. notwendige Kennzeichnung des literarhistorisch Arbeitenden, der - entgegen naturwissenschaftlicher Methodik mit Hypothese und Experiment - keine Arbeitsthesen aufstellen, um sie empirisch zu verifizieren oder zu falsifizieren, da nie zu vermuten ist, dass alles nötige poetische "Beweismaterial" noch dazu in naturgesetzlich strukturierter und fixierbarer Form und in der vollständigen Überlieferung vorläge und so dem von einem ideengeschichtlich späteren Untersuchungsgang den schlüssigen Kausal- oder Ähnlichkeitsbeweis ermöglichen könnte.

Es bleibt nur der leichthin als positivistisch verschriene Weg des Sammelns von Buchstaben, Wörtern, Sätze und Sinn- und Textzusammenhängen, die sich im Verstehenshorizont eines erkannten Problems aufspüren lassen: ein glückhaftes Colligere, ein Beispiel „synthetischen Interpretierens“ (vgl. J. Hermand 31).

Diese Arbeit über den Feuerreiter ist nur ein solcher Versuch, nach den Möglichkeiten eines eingeschränkt arbeitenden Individuums, das seine Ergebnisse der Kritik offenhalten muß und will.

Nun habe ich bisher recht unbekümmert eine sprachtheoretische Position eingenommen, die sich darauf einläßt, z.B. die Vokabel "ästhetisch" zu benutzen, ohne sie terminologisch abzusichern, und von einem "künstlerischen Prozess" zu sprechen, der außerhalb prägender historischer Bedingungen zu stehen scheint.

Eine solche Position wirkt im Jahre 1974 anachronistisch; ja sie scheint durch Adornos einleitenden Satz seiner "Ästhetischen Theorie" obsolet geworden zu sein: "Zur Selbstverständlichkeit wurde, dass nichts, was die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich ist, weder in ihr noch in ihrem Verhältnis zum Ganzen, nicht einmal ihr Existenzrecht". 32]

Einem solchen, modernen Diktum, das selber zeitabhängig ist, ein paar Sätze aus einem literaturkritischen Programm des Polit-Denkers Georg Herweghs zu Lebzeiten Mörikes gegenüberzustellen, mag sich lohnen; in selbstverständlicher Weise verwandte er noch Begriffe wie "Mensch", "ästhetisch", "Herz" und "enthusiastisch". Ich zitiere: "Die Literatur und, genauer bestimmt, hier die Kritik, muß der Politik unter die Arme greifen. Hat die Politik die Aufgabe, den Bürger zu emanzipieren, so übernimmt die Literatur das vielleicht nicht minder schöne Amt, den Menschen in sich frei zu machen. [...] Wir dürfen über dem Bürger nicht den Menschen vergessen, über die Politik nicht die Poesie. [...] So sei mir denn jeder willkommen mit den Schätzen, die er in dem stillen Busen, in dem menschlichen Herzen erbeutet hat, er soll an mir einen gerechtem, nach Umständen enthusiastischen, immer aber seines Amtes wohl bewußten Kritiker finden. Werde ich mich auch Erscheinungen mit Vorliebe hingeben, in denen das Herz der Zeit pulsiert, es soll mir doch nie begegnen, dass ich bedeutsame Individualitäten unter Standpunkte nötige, wodurch die persönliche Berechtigung derselben geschmälert werden könnte. Ich werde die Feinheiten ästhetischer Kombination so gut zu schätzen wissen wie den großartigen Gedanken, der eine Produktion beherrscht. Nur was zusammenhanglos dasteht mit dem Leben der Nation oder gar deren Interessen verletzt, werde ich mit unerbittlicher Strenge bekämpfen." 33]

Nun weiß ich sehr wohl, dass die von Herwegh verwandten Begriffe in keiner gegenwärtigen Seminar-Diskussion mehr "unhinterfragt" blieben; ich vermute aber, dass nicht so sehr die diese Begrifflichkeit prägenden Vorstellungen unmöglich, als vielmehr die Nützlichkeit und Anwendbarkeit dieser Ideen brüchig oder mißverständlich geworden sind. M.E. kann Kunst auf diese Vorstellungen und Ideen, in historisch veränderbarer und unterschiedlicher Problematik, nicht verzichten, ohne unproduktiv zu werden.

Gerade aber auf Mörikes lyrisches Werk bezogen, hat Adorno selbst eine Kunstthese formuliert, die dem Kunstwerk eine Minimalchance eingeräumt. In einer Analyse des Gedichts "Auf einer Wanderung" hielt er fest: "In der industriellen Gesellschaft wird die lyrische Idee der sich wiederherstellenden Unmittelbarkeit, wofern sie nicht ohnmächtig romantisch Vergangenes beschwört, immer mehr zu einem jäh Aufblitzenden, in dem das Mögliche die eigene Unmöglichkeit überfliegt". 34]

Über diese kreativ poetische, anthropologische Funktion am Rande des Nicht-mehr-Möglichen als Transzendierendes gründet sich mein Vertrauen in die verantwortliche, künstlerisch-ästhetische Welterfassung auf die kommunikativen Funktion der Sprache, die die innovierende Dimension des ungewöhnlichen, gewagten Poetischen einschließt; seine Berechtigung sehe ich gegeben durch die in allen Epochen literarischer Entwicklung zu belegende Tatsache des "unegale[n] Verhältnisse[s] der materiellen Produktion (...) zur künstlerischen", wie Karl Marx es 1857 vorsichtig und bescheiden formulierte, ohne die kritisch produktive Diskrepanz freilich positiv zu bestimmen, so dass er sie dem geschichtlich ungleichen Machtspiel überließ. 35]


Durch einen komplexen Begriff vom dichterischen Möglichen werte ich keineswegs die politisch-soziale Funktion literarischer Zeugnisse ab. Um jedoch, wie ich es vorhabe, einen Text aus dem ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts verstehen zu können, erweist sich ein Vorgehen in rein literatursoziologischer Fragestellung als recht kurzsichtig, da es um praktikabler, politischer Erkundung willen Gefahr läuft, die Geschichtlichkeit eines Textes einzig auf der Folie des politischen Bedarfs oder des Interesses des Produzenten oder des Rezipienten zu werten.


Die Beschreibungsmuster und Modellkonstruktionen literaturwissenschaftlicher, also literarisch sekundärer Art können nur zeitgemäße Aktualisierungen primärer dichterischer Vorgaben sein. In diesem Dilemma kann ein Interpret jedoch Klärung seines eigenen Interesses und Orientierung in der Diskussion wirkungsgeschichtlicher Zeugnisse erreichen, um sein eigenes Verstehen kritisch zu vergleichen und zu sichern.

H. R. Jauß formulierte diesen Zusammenhang in einer These der Rezeptionsästhetik so: "Die Geschichtlichkeit der Literatur beruht nicht auf einem post festum erstellten Zusammenhang 'literarischer Fakten', sondern auf der vorgängigen Erfahrung des literarischen Werkes durch seine Leser. Dieses dialogische Verhältnis ist auch die primäre Gegebenheit für die Literaturgeschichte. Denn der Literarhistoriker muß selbst immer erst wieder zum Leser werden, bevor er ein Werk verstehen und einordnen, anders gesagt: sein eigenes Urteil im Bewußtsein seines gegenwärtigen Standorts in der historischen Reihe der Leser begründen kann." 36]


Meine Beschäftigung mit Mörikes "Romanze" ist geprägt vom Wissen um und von der Reflexion über das eigene historische, d. h. auch wandelbare Erkennen und setzt methodisch einen weiten Begriff von Interpretation an, den man als "kritische Einfühlung" 37] bezeichnen könnte. Ein solches Verfahren auf den sprachkritischen und erkenntnis- und kunsttheoretischen Begriff zu bringen, wäre ein den Rahmen meiner Arbeit sprengendes Unterfangen. 38]


Nicht zur Absicherung, sondern als Vorwurf der eigenen Arbeit sei ein sprachphilosophischer Gedanke von Karl Kraus zitiert: "Der Wissenschaftler bringt nichts neues. Der Künstler entdeckt, was nicht gebraucht wird. Er bringt das Neue" 39]. - Gewiß ein nobler Topos der Bescheidenheit, ein geziemender Ort, der dem Literaturwissenschaftler als gewöhnlicher Arbeitsplatz bleibt.


4. Skizzierung des Aufbaus meiner Arbeit



Nach einem kurzen Blick auf die Rezeptionsgeschichte und die allgemein übliche Interpretationspraxis werde ich die Einheitlichkeit der erhaltenen, frühen Fassungen des Gedichtes zu beweisen versuchen.

Einen Hauptteil werden die Erörterungen zum politischen und literarhistorischen "Hintergrund" sowie zu den sagenkundlichen Motivschichten bilden. Ein umfassendes Verständnis hoffe ich aus der Analyse der Motive des Feuers, der roten Mütze und zur Sinnfigur des Reiters zu gewinnen.

Ein Versuch, aus dem Gattungsverständnis Mörikes Kriterien für die Interpretation der "Romanze" von 1828 im Gegensatz zur Ballade von 1848 herzuleiten, wird sich anschließen.


Einen weiteren Raum werden die Probleme des Zusammenhanges der Romanze im Roman "Maler Nolten" (1832) und die dortigen Verstehensmöglichkeiten einnehmen.

Durch die anschließende Analyse einzelner Textveränderungen, die Mörike in fortlaufender, beinahe immerwährender Arbeit an seinem Jugendgedicht vornahm, und eines gewichtigen Rezeptionsbelegs werde ich mein Verständnis von der Urfassung des "Feuerreiters" als eines allegorischen, politischen Gedichts begründen.


5. Exemplarische Belege zur Rezeptionsgeschichte und vorgängigen literarhistorischen und -pädagogischen Interpretationspraxis

Es gibt Belege des Verständnisses, die stark unterschiedlich sind und den Blick auf die Urfassung und ihre poetische Sprachkraft und ihren Wirklichkeitsbezug versperren.

Der "Feuerreiter" scheint sich heute, wie erwähnt, einem direkten Leserverständnis zu sperren. R. Pohl nannte ihn eine "ebenso bekannte wie geheimnisvolle Ballade" 40].

Für ein heutiges, allgemeines Verständnis scheint mir Werner Oehlmanns Kritik repräsentativ zu sein: "Die Ballade (...) hat heute an Überzeugungskraft verloren; die Schauermär von dem gespenstischen Reitersmann, der in der brennenden Mühle zum Gerippe verzehrt wird, scheint dem heutigen Hörer eher der Sphäre des Aberglaubens als der Poesie anzugehören." 41].

Solches Unverständnis bezieht sich natürlich auf die fünfstrophige Fassung des Gedichts, wie sie der Gedichtsammlung letzter Hand 42] entspricht und in allen Balladenanthologien und Lesebüchern für den Haus- und/oder Schulgebrauch abgedruckt wird; und diesem Text kann in der Tat ein "moderner, zeitgenössischer Verstand" nur wenig abgewinnen...

Vor fünzig Jahren war dies offensichtlich bei sensiblen Menschen noch anders. So schreibt Rosa Luxemburg am 8.9.1917 aus dem Gefängnis einer Freundin: "Ich freute mich sehr zu hören, dass Du Dir den Mörike angeschafft hast. Dass Du Dich vorerst nicht zurecht finden kannst, wundert mich gar nicht: Man muß in ihm wie in einem Hochgebirge einen Bergführer [nehmen und] selbst die schönsten intimen [Partien] herausfinden. In dem ganzen [Band befin]den sich nämlich unter eine[m Wust] von mittelmäßigen und sogar [schlechten] Gedichten etwa ein Du[tzend,] die sogar über Goethe gehen. [Diese] allein sind wert immer [wieder gelesen] zu werden. Ich will sie Dir nennen." 43] In ihrer nun folgenden Aufstellung findet sich neben dem Gedicht "Auf einer Wanderung", das R. Luxemburg in einem früheren Brief als ihr Lieblingsgedicht zitiert hatte, u. a. auch der "Feuerreiter" 44]. Schwierigkeiten des Verstehens gibt Luxemburg durchaus zu und in ihrer Begründung rechtfertigt durch den Vergleich mit einer Hochgebirgstour den mühsamen Aneignungsprozess. Sie, die politisch und ästhetisch keineswegs naiv oder politisch unangemessen extrem argumentiert, legt in einem Satz wie "Ich fühle mich in der ganzen Welt zu Hause, wo es Wolken und und Vögel und Menschentränen gibt" 45] ein sensibles, umfassendes Weltverstehen dar, das in unseren Tagen des "politisch-kritischen Verstehens" nicht mehr angebracht zu sein scheint. Eine poetische Figur des "Feuerreiters" wirkt heute bestenfalls anachronistisch.

Doch auch schon zu Lebzeiten Mörikes fand der mysteriöse Feuerreiter bei den Literaturkritikern. Das früheste Urteil findet sich in Friedrich Notters Rezension des "Maler Nolten" aus dem Jahre 1833; Notter lobt die in den Roman eingearbeiteten Gedichte; sie seien "wenn auch nicht frei vom Einfluß fremder Muster, sinnvoll, tief, zuweilen höchst anmuthig. (...) Nur das Lied von dem Feuerreiter hat uns nicht recht zusagen wollen; das Schauerliche, Unheimliche, das hier in Anwendung gebracht werden soll, ist dem Dichter unseres Bedenkens nicht schauerlich genug gerathen" 46]. Und noch einmal 1842 verdeutlichte Notter seine Bedenken: "'Der wahnsinnige Feuerreiter' soll schauerlich auf den Leser einwirken; er macht aber meiners Erachtens, eher nur einen abenteuerlichen Eindruck, als den tief poetischen des wirklichen Schauders" 47]. Dieser Tadel könnte meinen, dass Mörike den angeschlagenen Ton der "schönen, schauerlichen Weise" 48], also auch wohl die Ernsthaftigkeit des Themas, leichtfertig einer ironischen Distanzierung geopfert habe 49].

Eine positive Kritik erfuhr der "Feuerreiter" durch den Mörike-Freund und Ästhetik-Professor Friedrich Theodor Vischer in einer Rezension der Erstauflage der Gedichte. Zwar rügt er pauschal Mörikes Balladendichtung: "Die Phantasie, in der Dämmerung volkstümlichen Bewußtseins schweifend, irrt gerne in das Reich der Wunder, der Phantasmagorie hinüber, und in dieser Art ist denn alles, was uns der Dichter von Balladen und Romanzen gibt" - den "Feuerreiter" nimmt Vischer aber erstaunlicherweise von dieser Kritik aus: "Ungleich konkreter durch die Bestimmtheit des Gegenstandes und gewiß etwas Vortreffliches ist das Gedicht, worin der angstvoll wilde Geist der Feuersbrunst in einem wahnsinnigen Feuerreiter personifiziert ist"50].

Dieses Zeugnis belegt also nachdrücklich eine symbolische Interpretation; durch es stützt R. Pohl seine These von der "elementar-symbolischen Konzeption" 51] der Urfassung, die er an anderer Stelle eine "elementar-mythische" 52], bzw. eine "naturmythische" 53] nennt. Eine solche Deutung bleibt jedoch im Wesentlich-Unbegrifflich-Unbegreifbaren stecken, allenfalls in einer Kategorie der "Daseinsunheimlichkeit" 54, wie sie für Mörikes Balladendichtung behauptet wurde, deren gewichtige Stücke (darunter auch der "Feuerreiter") die "Welt des Elementarischen evozieren" 55] sollen. Von einer Bestimmtheit des Gegenstandes, die Fr. Th. Vischer noch lobte, findet sich in einer solchen Betrachtungsweise nichts mehr. Stattdessen wird das "Feuer" zum "Dämon", z.B. in der Interpretation Benno von Wieses 56]; in diesem Sinne beschreibt er den Unterschied der ersten zur erweiterten Fassung so: "Nunmehr ist der Feuerreiter nicht so sehr eine mythische Verkörperung der Feuersbrunst, sondern der magische Gegner des Elements, der mit ihm zugrunde geht. Die magische Einheit von Feuerreiter und Feuer geht als Stimmung durch das ganze Gedicht hindurch, bereits am Eingang bildhaft mit der 'roten Mütze' gegeben, deren Auf- und Niedergehen am Fensterlein die beginnende Katastrophe ankündigt" 57].

Doch werden hier weder Gegnertum noch Einheit zum Element, noch die Bildlichkeit der Mütze exakt beschrieben und geklärt; über die Behauptung des "Elementarischen" gelangt eine solche Textbeschreibung nicht hinaus.

Demgegenüber verfährt Pohl wesentlich präziser; für die Fassung von 1828 58] hält auch er ab der elementar-mythischen Konzeption 59] fest und versucht, sie gegen die Fassung MN und den selbständigen Druck G1 abzugrenzen, indem er in ihnen das Schicksal eines "wahnsinnigen, romantischen Sonderlings" 60] gestaltet sieht.

Ich werde versuchen, Mörikes Gedicht in seinen Fassungen GH, MN und G1 61] als einheitliche Konzeption verständlich machen, für die die Charakterisierung der Romanze als "Bekenntnis zum Element" 62], was immer das glaubensmäßig sei, nicht ausreicht, um ihre poetische Suggestion bei Zeitgenossen und der Nachwelt zu erklären.


6. Mörikes eigener Bericht von der Entstehung und Umarbeitung des "Feuerreiters"

Nach Mörkes eigenem Hinweis sind wir verpflichtet, den Zusammenhang und die Vorgeschichte der "Urfassung" ernster zu nehmen, als Pohl beispielsweise verfährt 63].

In dem auch von Pohl herangezogenen Brief Mörikes vom 3.12.1841 an den "Urfreund" Wilhelm Hartlaub findet sich ein deutlicher Hinweis und eine Erklärung für die angestrebte Neufassung. Ich zitiere: "Ich habe neulich angefangen, meine Gedichte für den Fall einer neuen Ausgabe durchzugehen und mit aller Diskretion für das Gute, das der ursprüngliche Wurf im Allgemeinen hat, verschiedene Verbesserungen vorzunehmen. Am meisten schien mir deren die Romanze vom Feuerreiter und das Gedicht: Die Elemente zu bedürfen. Beide sind noch in Tübingen im Jahre 1824 gemacht (der erstere im Sommer auf einem schönen Rasenplätzchen beim Philosophen-Brunnen, das andere im Winter). Diese Stücke genießen bei Freunden und Bekannten eines gewissen herkömmlichen Ansehens, das ohne Zweifel dazu beitrug, mich gegen ihre Fehler blind, oder, sofern ich sie zum Teil ganz deutlich fühlte, sicher und gleichgültig zu machen. Auch geschieht es einem bei älteren Gedichten, dass eine Art von Pietät jede Kritik verdrängt." 64]. Es folgen die Begründung bezüglich der "Elemente" 65] und der hier bereits zitierte Satz vom neuen "Vers" (= Strophe) des Feuerreiters 66] und der Hinweis auf eine weitere Textänderung: "Auch möchte ich das grillende Jammerglöckchen mit einem ordinären Feuerglöcklein vertauschen" 67].

Mörike weiß sich also eines "gewissen (...) Ansehens" sicher, das auf einem "bestimmten Herkommen" 68] beruht und dem Autor (und den Freunden und Bekannten) den Ent- und Verstehenszusammenhang bewußt gehalten hat.

Für den "Feuerreiter" läßt sich nun recht plausibel eine Vorgeschichte und eine spezielle Verständnis bei "Freunden und Bekannten" aufzeigen, die durch die in der bisherigen Mörike-Forschung vermutete oder behauptete "elementar-mythische" Bedeutung der frühen Fassungen nicht abgedeckt sind. Die wichtigsten Zusammenhänge zuerst erschlossen und dargestellt zu haben, ist das Verdienst von Johannes Proelß 69]; seine Arbeit ist von der Mörike-Philologie nicht zur Kenntnis genommen worden, obwohl der Mörikeforscher und -biograph Harry Maync sie im Anhang seiner Werkausgabe 70] mitteilte.


7.  Zur Einheitlichkeit der Fassungen der Romanze bis 1838


Die Versuche Mörikes, sein 1824 entstandenes Gedicht in andere Zusammenhänge einzuordnen bzw. innerhalb der Gedichtsammlung von 1838 zur Selbständigkeit zu verhelfen, zeigen deutliche Spuren von Unsicherheit, ja Brüche in der gedanklichen Konzeption. In dem privaten "Grünen Heft" (GH S. 22) bleibt das Schicksal des jungen Mannes" ebenso ungeklärt wie in dem Roman "Maler Nolten" selber. Der jeweils vorangestellte Prosabericht 71] gibt einen allgemeinen Eindruck - im GH "nach einer Volkssage", in G1 "nach dem Volksglauben" - der dem einmaligen, besonders motivierten Geschehen der Handlung nicht Rechnung trägt, außer es ließe sich im Gedicht selbst der Grund für den Abbruch des Geschehens finden, das als "jedesmal vor dem Ausbruch einer Feuerbrunst" ablaufend geschildert wird 72]. Der Rahmen schafft zwar eine spezifische, kommunikativ direkte, intensive Hörererwartung, bietet aber keine Begründung oder Motivation für das schauerliche Scheitern der Romanzen-Figur selbst.

Es ist also festzuhalten, dass der "Feuerreiter" 1824 als unabhängiges Gedicht konzipiert und ausgeführt und erst nachträglich in den "Maler Nolten" eingepaßt wurde. Dies läßt sich nicht nur aus Mörikes Brief vom 3.12.1841 folgern, sondern es lassen sich auch in der Novelle Hinweise finden, die auf ein anderes "Herkommen" und eine andere Verstehbarkeit deuten, als sie die Einfügung in den Handlungsrahmen vermuten lassen. 73]

Mörike weiß sich also eines gewissen Ansehens sicher, das auf einem "bestimmten Herkommen" 74] beruhte und dem Autor (den Freunden und Bekannten) den Entstehungs- und Verstehenszusammenhang bewußt gehalten hat.

Für den "Feuerreiter" läßt sich nun recht plausibel eine Vorgeschichte und ein spezielles Verständnis für die Figur und den Gedichttext bei "Freunden und Bekannten" aufzeigen, die durch die in der bisherigen Mörike-Forschung vermutete oder behauptete "elementar-mythische" Bedeutung der frühen Fassungen nicht abgedeckt sind. Die wichtigsten Zusammenhänge erschlossen und dargestellt zu haben, ist das Verdienst von Johannes Proelß 75]; seine Arbeit ist von der Mörike-Philologie nicht zur Kenntnis genommen worden, obwohl der Mörikeforscher und -biograph Harry Maync sie im Anhang seiner Werkausgabe 76] mitteilte.

Die differenzierte Analyse Pohls, für die frühen Fassungen hauptsächlich werkimmanent, verwirrt den im wesentlichen gleichlautenden Textbefund. Die von ihm in Anschluß an Vischers Deutung gefolgerte Feuer-Symbolik verbleibt, gerade wegen ihrer Begründung im Elementaren, formal und ohne den Bildinhalt 77] Feuer zu würdigen und ihn historisch und im Sozialen fundiert zu erläutern. Die Explikation des Symbolischen ist nun entscheidend, nicht nur meine Bemühungen um die Urfassung, in Abgrenzung zur späteren, zu rechtfertigen, sondern überhaupt verständlich werden zu lassen, wer oder was mit der Figur der "Feuerreiters" gemeint sein könnte, bevor ihr Schöpfer sie "umzusatteln" entschloß 78].

Mundhenk stellt hierzu die interessante Frage, "ob hier Mörike nicht, mehr oder weniger unbewußt, ein Symbol seines damaligen gefährdeten Zustandes geschaffen" 79] habe und zielt damit auf die Lebenssituation Mörikes als Impuls oder gar als Thema, auf eine komplexe, poetische Selbstdarstellung im Jahre 1824; aber, "in das Gedicht Natursymbolik und mythischen Sinn hineinzulegen", lehnt Mundhenk entschieden ab 80].

So halte ich mit ihm an der These zweier unterschiedliche Fassungen fest, wenn ich, unbeirrt durch die vorgeblich volkstümliche, sagenhafte "Einrahmung" in den Prosaberichten, die Einheitlichkeit der verschiedenen frühen Überlieferungen (GH, MN, G1) betone und sie abhebe gegen die spätere, mit christlichen Schuld- und Sühneaspekten motivierende Umgestaltung im Jahre 1841.

Für die frühe Fassung suche ich den Umkreis der Ideen, der Bekannten Mörikes, auch dem Herkommen nachzugehen und im Ansatz den sozialen und kulturellen "Hintergrund" auszumachen, über den sich der dichterische Entwurf erstreckt, der sich als ein umfassender und nicht als ein diffuser erweisen wird.


8. Der politisch-soziale und literarästhetische "Hintergrund" der Romanze

Johannes Proelß' detailreiche Untersuchung hier im einzelnen wiederzugeben, ist nicht möglich und nicht sinnvoll; sie belegt m.E. mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit, dass der Theologiestudent Mörike im Sommer 1824 die Romanze "Der Feuerreiter" als eine Text- und Ideen-Entgegnung 81] auf Hauffs burschikos-abenteuerliches "Feuerreuterlied" 82], ein engagiertes Trinklied, verfaßte, um sich von den burschenschaftlichen Aktivitäten und ihren ziellosen revolutionären Ideen und Beschäftigungen warnend und mahnend zu distanzieren, in die W. Hauff und einige Mörike-Freunde, z.B. Rudolf Lohbauer, Friedrich Notter, Ernst Friedrich Kauffmann, verstrickt waren.

Zum Verständnis der speziellen Tübinger burschenschaftlichen Szene will ich zuerst den größeren, nationalen Hintergrund der studentischen Bewegung im deutschsprachigen Raum darstellen.


8.1.  Die deutsche Burschenschaftsbewegung

Nach den Freiheitskriegen 1813 - 1814 sah sich in Deutschland, einer buntfleckigen Ansammlung von Ländern, Fürstentümern und Freien Städten unter der politischen Führung Preußens und Österreichs, die studentische Jugend durch die geschichtliche Entwicklung maßlos enttäuscht: Die nationale Einigung, für die man mitgekämpft hatte, blieb aus 83]. Der individuelle Mißmut und die kollektiven, altersgruppenspezifischen Enttäuschungen führten zur Politisierung und Radikalisierung der studentischen Jugend, die in der Gründung des "Allgemeinen Deutschen Burschenschaft, 1818 in Jena, ihren Ausdruck fand. Über den allgemeinen nationalen Idealismus als engagierten, verständlichen Überschwang hinaus verfolgten die Burschenschaften anfänglich kaum konkrete, politische, also deutsch-national gestimmte Ziele. Radikalere Pläne, auch im Sinne revolutionärer Geheimbündelei und vereinzelter Aktionen vertrat nur die Richtung der "Unbedingten" und "Schwarzen", die in Gießen ihr Zentrum und in Karl Follen einen fanatischen Führer besaßen. In deren Forderungen nach einer "ethischen Republik" wirkten sowohl das stoisch-antike als auch das jakobinische, französische Vorbild nach. Infolge des Wartburg-Festes der politisch aktiver werdenden Studenten 1817 und der Ermordung des Literaten August von Kotzebue, durch den Studenten Karl Ludwig Sand am 23.3.1819 kam es zu eine generellen politischen Reaktion der Herrschenden auf die burschenschaftliche Bewegung. Im August 1819 kamen auf Fürst Metternischs Betreiben die "Karlsbader Beschlüsse" zustande, die die allgemeine Revolutionsfurcht der deutschen Paläste, Höfe und Herrscherhäuser spiegelten. Deren "Regelungen" sahen vor: Verbot der universitären Burschenschaften, Einführung einer präventiven Zensur und Einrichtung einer zentralen Untersuchungskommission zur Aufdeckung "revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen". Die berüchtigten Demagogenverfolgungen der 20er Jahre setzten ein.

"Das System der Karlsbader Beschlüsse hat die Bewegungskräfte für zwei Jahrzehnte lahmgelegt und schon gleich dazu geführt, dass in den 20er Jahren, in denen Südreuropa von Spanien bis Griechenland von einer Revolutionswelle erfaßt wurde, Deutschland ruhig blieb." 84]


8.2. Mörikes und seiner Freunde Studienzeit in Tübingen

Die burschenschaftliche Bewegung hatte auch in Tübingen schnell Fuß gefaßt. Der Mörike-Biograph Maync schreibt: "Zwar war die Burschenschaft infolge der Karlsbader Beschlüsse (...) aufgehoben worden, im Verborgenen aber brannte die Flamme fort" 85].

Zum Teil fällt Mörikes Studienzeit in diese bewegte Phase des universitären Lebens; ihm "mußte das Lärmende, Prahlerische und Überderbe gerade des damaligen Burschentums in der Seele zuwider sein, und er machte keinen Hehl daraus", lesen wir bei Maync 86].

In Mörikes Briefen gibt es viele Stellen, in denen er präzise seine kritische Distanz zu studentischer Politik schildert; noch in der Klosterschule Urach, schreibt er im März 1822 an den Dichter-Freund Waiblinger: "Ich mußte den Sand von jeher wegen seiner ächten, guten Gesinnung lieben, ich gesteh aber, dass so manch eisenfresserischer Studiosus mit seinem kindlichen Geschrey oder vermeintlichen Enthusiasmus, wie er sich besonders in den Stunden des Weins bey manchem Lümmel, der nicht weiß was er will, in Lobeserhebungen Sands zu äußern pflegt - mir das Gute u. Wahre, das ich an dergleichen Dingen fand, verkümmerte, so dass mir nicht selten ein eigener Widerwille aufsteigt, wenn ich v. Sand rühmlich sprechen höre" 87]. An diese für einen Achtzehnjährigen erstaunliche Differenzierung zwischen der "ächten guten Gesinnung" und dem Aufwand, der zu ihrer Unterstützung getrieben wird, dem "vermeintlichen Enthusiasmus", werden wir uns später erinnern müssen.

Als Mörike im November 1822 88] sein Theologiestudium am Tübinger Stift aufnahmen, zeichnete er sich dort auch nicht anders aus als in der Uracher Klosterschule, wo ihn die Beurteilung eines Lehrers als einen "Freund des Ästhetischen, dem trockenem Studium abhold" 89], charakterisiert hatte.

Dem akademischen Burschenleben vermochte er keinen Reiz abzugewinnen. Rückblickend auf seine Studienzeit schreibt Mörike im Jahre 1828 einen Brief an seinen ehemaligen Kommilitonen Kauffmann, in dem er ein phantastisch- satirisches Szenarium des studentischen Treibens entwirft; nach der Schilderung eines "Generalspaziergangs durch die Stadt" 90] heißt es dort: "Betrübt war mir der Anblick der Kneipen um diese Zeit. Wie leer! wie abgestanden! Ich dachte, es wäre nicht übel, wenn ein Gesetz der Natur wäre, dass sich in der Vakanz Stühle und Bänke besauften, statt der Studios, und Kommerzlieder sänge, statt patriotische Reden und Ehrensachen im Mund führten usw. Ich bin überzeugt, Deutschland würde sich zwar nichts besser, aber auch um kein Haar schlimmer befinden, wenn dies das ganze Jahr hindurch der Fall wäre; ja, wer weiß, ob nicht mehr dabei herauskäme, als wenn fünf Universitäten ihre Sande ausschickten" 91].

Mit Mörikes eigenen Zeugnissen decken sich nicht völlig Friedrich Notters Studentenerinnerungen an Mörike, veröffentlicht im Jahre 1875: "Er floh nicht nur jede Studentenverbindung und Studententracht, sondern es schien auch bei ihm ein wirklicher Mangel an Empfindung für solche in der Jünglingsseele gewöhnlich liegende Forderungen, keineswegs absichtliche Opposition gegen dieselben zu sein, wenn er z.B. das damalige Abzeichen des Philistertums, den schwarzen runden Filzhut, die burschenhaften Mütze entschieden, und oft als der Einzige unter vielen Hunderten vorzog" 92].

Notter nämlich verstand die Verweigerungshaltung als "einen bezeichnenden Zug der entschiedenen Innerlichkeit seiner Natur" 93]. Anspielend auf die satirische Studenulk-Szene der Silvesternacht in "Maler Nolten" 94] verzieh es Notter, auch aus dem Abstand von nahezu fünfzig Jahren, dem Mörike nicht, dass er als "der junge Dichter ein Streben, das trotz alledem für jeden, welcher der Zerrissenheit Deutschlands gedachte, lediglich nach der komischen Seite aufzufassen pflegte" 95].

In der Charakterisierung der Aversion gegen Jugendlich-Buschikos-Schwärmerisches stimmt Notters Bericht mit Mörikes eigenen brieflichen Äußerungen überein; Notters daran geknüpfte Wertung aber als einer nicht bewußten, im patriotischen Sinne verantwortunglosen, nur irgendwie innerlichen Negation des ernsten, noch nicht zur Entscheidung gereiften politischen Hintergrundes wird Mörikes eigener präziser Unterscheidung zwischen dem möglichen Ernst, der "guten Gesinnung" und dem hektischen Aufwand nicht gerecht, der Mörikes Kritik und Spott ja erst herausfordert und die karikierende Darstellung auslöst. Notter wertete den Rückzug Mörikes aus persönlicher, leidenschaftlicher Teilnahme an den burschenschaftlichen Umsturzbemühungen 96]; und er traf einen Kern der politischen Ab-Wertung in Mörikes damaliger Dichtung, lange bevor der Begriff Biedermeier literaturgeschichtliches Epochenkriterium wurde, wenn er von Mörikes "entschiedener Innerlichkeit" sprach, die jedoch, wie ich aus Mörikes Briefen zu belegen versuchte, aus einer tatsächlichen Auseinandersetzung und der Würdigung des Ernstes der politischen Situation im Brennpunkt einer Vor-Revolution entsprach; zog doch, wie Notter es selbst ihm attestiert, indem er ihm vorwirft, "entschieden" den philisterhaften Filzhut der burschenschaftlichen Mütze vor.

Die von Notter, allerdings nicht im Zusammenhang mit der "Feuerreiter-Romanze", erwähnte Mütze war also das vorzeig- und schnell abnehmbare Charakteristikum burschenschaftlicher Gesinnung, einer politischen Protesthaltung. Das geht auch aus Proelß' Aufsatz hervor: "Rote Mützen, ja bei Hauff's Feuerreutern [den Mitgliedern einer als privat-gesellig getarnten Nachfolgeorganisation der verbotenen Burschenschaft in Tübingen] auch rote Hosen waren damals ein Abzeichen der Zugehörigkeit zur Burschenschaft" 97].

Den illustrativen Nachweis für diese bedeutungsvolle Mode 98] liefert eine Tuschzeichnung Rudolf Lohbauers, die Mörike im Kreise von vier Freunden zeigt; Lohbauer und Kauffmann tragen Burschschaftsmützen, Mörike und ein weiterer Freund Hüte mit breiten Schirmen; der vierte Trinkkumpan, Wilhelm Waiblinger, ist als Hitzkopf ohne Kopfbedeckung abgebildet. Mörike trägt als einziger einen Kranz, den Dichterlorbeer 99]. Aus dieser von seinen Freunden Mörike zugestandenen Sonderrolle als Dichter heraus, so macht Proelß 100] wahrscheinlich, hat er seinen "Feuerreiter" verfaßt, der im Kern eine Entgegnung und Absage auf das Hauffsche Burschenschafts "Feuerreuter-Lied" darstelle, das im Frühjahr 1824 für den engen Freundeskreis um Hauff entstanden war.

Über die versteckte, bei den Freunden aber verständliche Feuer-Metaphorik ("ihr Feuerbrüder!") dieses Lieds hinaus, war Hauff als Verfasser politisch-riskanter Lieder bekannt, z.B. des Spottliedes "Die Mainzer Kommission" 101]; ebenso enthusiastisch klingt es in seinem "Burschenschaftslied", auch 1824 entstanden:

(VI, 1-3) Doch was das Volk so schön entzündet,

Die heil'ge Flamme ist entwendet

Von königlicher Frevlerhand (...). 102]

F. Martini charakterisiert Wilhelm Hauff, in ergänzender Korrektur zum vorherrschenden Bild des phantasievoll unterhaltsamen Märchenerzählers, der er auch war, so: "Sein impulsives, leicht erregbares, mitgerissenes, gewiß auch leichtsinniges Temperament [...], seine Freude an Witz und Eulenspiegelei fanden in einem lebhaften studentischen Treiben den nötigen Spielraum und gaben ihm ein Ansehen, das zu starkem Selbstbewußtsein verhalf. Er schloß sich dem 'Burschenverein' an, der trotz der Karlsbader Beschlüsse von 1819 zusammenhielt. Er war ein Mitglied des in Tübingen radikalsten Kreises, der 'Feuerreuter' [sic!]. Zu diesem politischen Engagement, so vage und emotional es sein mochte, trieb offenbar auch die Familientradition" 103].

Diesem Milieu des feuereifernden, mit dem "Feuer" spielenden, studentischen Treibens, für das Hauff als repräsentativ stehen kann 104] - galt ihm, und nur ihm, Mörikes Lied vom sich selbst gefährdenden, ja vernichtenden "Feuerreiter"? Proelß zieht diesen Schluß wohl zu eindeutig, kurzsichtig, als er Mörike in diese Zeiterscheinungen einordnete: "Als der zarte feinhörige Empfindungsaristokrat aber das Verhängnis aus der revolutionären Gedankensaat der Gründer des Jugendbundes wie ein Gewitter über Tübingen aufsteigen sah, als Karl Follen [mittlerweile von der Demagogenverfolgung betroffener Organisator der Burschenschaften] Sendboten nach Tübingen" schickte, "... als dem stillen Beobachter am 'Philosophenbrunnen' klar wurde, wie diese Feuerbeschwörer statt die herandrohende Gefahr zu löschen, sich und andere nur ins Verderben brachten, da wurde auch er wieder zum Tendenzdichter, aus Tendenz gegen die Tendenz jener Geheimbündelei" 105].


Diese Schlußfolgerung ist, gerade durch die Fülle des von Proelß beigebrachten Materials, sicherlich eine berechtigte, eine historisch und biographisch passende Interpretation; sie jedoch zur einzig möglichen, zur abschließenden Deutung zu erklären, hieße, Mörikes Dichtung auf den Einzelfall nur historischer Anläßlichkeit einzuschränken; sie geht aber demgegenüber, und das soll im weiteren auch aus Mörikes eigenen poetologischen Zeugnissen gerade dieser frühen Jahre belegt werden, über den Einzelfall hinaus und gewinnt eine übergreifende, allgemeinere Bedeutung, die dem intensiven Blick des kreativen Dichters den eigentlichen, vordergründigen Anlaß nicht mehr allein sichtbar und verbunden, weil aufgehoben, werden läßt.


8.3. Zu Mörikes frühem Dichtungsverständnis

Für Mörikes "romantischste" 106] Phase, eben die Tübinger Jahre, ist das bezeichnendste kunsttheoretische Zeugnis der sogenannte Abschiedsbrief an den Freund Waiblinger, vom 8.4.1825; ihm, dem "vielleicht wichtigsten Mentor seiner dichterischen Anfänge" 107] schrieb er: "Sieh! ich wäre Dir, Du wärest mir ein Hindernis, ein Aufenthalt unseres Laufes, den jeder für sich nehmen muß. Du sahest dies nur darum nicht früher, weil ich Dir in Deiner Empfindungsart, in der ich mich gar gerne selber wiederholte, nicht entschieden widerstand; dies war mir nicht möglich, denn ich wollte glücklich bei Dir sein, und was wir gleiches hatten, mochte ich mit Lust genießen. Allein es ist meine alte Erfahrung (und das hätt' ich auch jetzt nicht sollen übersehen), dass ich die Poesie im Umgang mit keinem zweiten teilen kann, der ihre Unruhe und Leiden um sich verbreiten muß, statt dass er sie rein in sich verwindet oder, wenn sonst keine Auskunft ist, auf einem (nur scheinbar) entferntern Weg sich mit ihr ins Gleichgewicht setzt" 108].

Mörike spricht deutlich aus, was sein künstlerisches Streben bezwecken soll: den Versuch, soweit das Leben sich nicht direkt oder praktisch zur individuellen Zufriedenheit gestalten läßt, weil die Verhältnisse es nicht gestatten, es im Medium der Kunst für sich und für Gleichgesinnte unter ästhetischem, formalem Anspruch aushandelnd zu bewältigen. Frau von Heydebrand hat diese Idee der "Verbindung von Kunst und Harmonie" 109] als kunsttheoretische Grundlage des gesamten Schaffens Mörikes beschrieben: "Solche Kunst ist ein in den Beschwernissen des Lebens höchst notwendiges Therapeutikum" 110].

Mörike nutzt in diesem Brief unsere heute verblaßte Metapher vom Lebenslauf: einem Lauf, "den jeder für sich nehmen muß"; von dieser Bedeutung des gleich- oder ungleichmäßig fort-laufenden Lebens bis zu der die Romanze grundlegend prägenden Metapher des Rittes als eines nicht mehr kontrollierten, ungestümen Verlaufs, eines schicksalhaft oder selbstverschuldeten Zuende-Gehens, ist es nur ein kleiner, ironisch-kritischer, intensiv poetischer Gestaltungsschritt.

Erläutern wir daraufhin die Metaphorik frühe Fassung des Gedichtes GH hinsichtlich der Handlung, die der "Feuerreiter" vollzieht:

Im Prosabericht heißt es: Er sei "hervorgeprengt und habe pfeilschnell und unfehlbar seinen Lauf genommen"; im Gedicht selber lesen wir: (I,4) "er geht schon auf und nieder"; (II,1) "da sprengt er wütend schier"; (II,6) "Rennt er schon wie Windesbraut" - und nach dem Verschwinden "des wilden Reitersmannes" sieht man ihn (I,3f.) "Ruhig [.../..] sitzen" - abschließend (IV, 5f.) in der Form des rhetorisch uneigentlichen, nämlich ironischen Sprechens: "wie so kühle / Reitest du in deinem Grab!" 111].

Wir sehen, die fortschreitend-symbolische, ja allegorisierende Darstellung einer Fehl-, einer existenziellen Nichtnormalform des Laufes ist nicht von der Hand zu weisen; die Vermutung, dass solcher Art der Lauf des Menschen ist, der, wie Mörike im Brief an Waiblinger formuliert und sein Mitwissen um den Romanzentext voraussetzend, "Unruhe und Leiden" des Lebens, gar der Poesie "um sich verbreiten muß [Verf.], statt dass er sie rein in sich verwindet", wird im weiteren, besonders in der Erörterung des Attributs "wahnsinnig" im Titel, erhärtet werden.

Erst kürzlich hat Charles L. Cingolani sich um eine Analyse des o. zitierten Briefes an Waiblinger bemüht. Er interpretierte: "Mörike erfuhr an Waiblinger, dass die Dichtung eine gefährliche Kraft sein konnte. (...) Im Gegensatz zu dem ins Grenzenlose drängenden, zum Exzess neigenden Waiblinger, der sich in seiner dichterischen Kraft verbrennt, wirkt Mörike beherrscht. (...) Dichtung wird für Mörike nicht wie für Waiblinger zum Ausdruck innerer Konflikte, sondern zum Mittel ihrer Überwindung. Sie stellt keine Gefahr an sich dar, sondern eine Möglichkeit, Gefahren künstlerisch zu bannen" 112].

Aus solch einer, um der Deutlichkeit willen vereinfachenden Gegenüberstellung ließe sich eine Feuerreiter-Existenz Waiblingers behaupten oder gar den Typ Waiblinger zu einem Urbild des "Feuerreiters" erklären; das hieße aber, nicht so sehr Mörikes beweisbarer Intention zu folgen, sondern eher der Verurteilung Waiblingers durch Mörike und Mörikes Familie nachträglich zum Recht zu verhelfen; aus deren Einschätzung und Sorge um den sensiblen, häufig kranken Sohn und Bruder ist nämlich die negative Charakterisierung des damals schon in jungen Jahren wegen seiner exzentrischen Genialität berühmten Waiblinger 113] überliefert.

Maync zitiert in seiner Mörike-Biographie aus einem Brief der Schwester Luise an Eduard, die moralisch vehement gegen Waiblinger Stellung bezieht: "Dieser W. mit seinem verderblichen Kometenfeuer, mit seinem wüsten, schlammigten Leben, stellt sich so beängstigend zwischen Dich und Dein reines Sein. Es kann kein guter Geist von diesem Menschen ausgehen." 114]

Ebenso nimmt sie, schwesterlich besorgt und sicherlich im familiären Auftrag der Mutter, Stellung gegen Rudolf Lohbauer: "Du hoffst, die einzelnen Funken eines besseren Gefühls, das hie und da aus der wilden, verzehrenden Flamme hervorbricht, mit einem reinen warmen Hauche zum milden, beglückenden Himmelsfeuer zu beleben. O, das sind schöne Träume." 115]

Ließe man die hier so häufig und treffend ausformulierte Feuer-Metaphorik als alleinigen Beweis gelten, müsste man Waiblinger und Lohbauer als "Feuerreiter" par excellence, als wegen ihrer "Leidenschaftlichkeit maß- und haltlose" 116] Menschen und poetischen Ur-Figuren im Umkreis Mörikes benennen. Dazu könnte man sich zwar psychologisch, aber nicht philologisch berechtigt fühlen.

Den Wert dieser Brief- und Biographie-Stellen als allgemein verständliche Kennzeichnung genialisch-eigenwilliger Charaktere, keineswegs als nur wegen ihres politisch-revolutionären Treibens, gilt es jedoch festzuhalten und durch Zeugnisse aus Mörikes eigenen Briefen weiter zu klären.

Auf eine weitere, im einzelnen nicht beweiskräftige Aufzählung von Brandereignissen und konkreten Lebensgefährdungen durch Feuer, auch in der Bildlichkeit des Liebesfeuers, im Leben Mörikes und besonders Waiblingers im Sommer 1824 will ich hier verzichten. 117]

Ich möchte nur noch einen Brief Mörikes aus dem August 1824, ebenfalls an Waiblinger, den er "Lieber, Getreuer!" nennt, erwähnen, in dem er in sehr subtiler Weise die Feuer-Metapher als einen Prozess leiblich-seelischer Gefährdung erkennen läßt und m.E. bis zu einer poetologischen Definition, einer fast materialistischen Grenzbestimmung, seines lyrischen Wahrnehmungsverfahrens vorstößt. Er befindet sich im Waldhäuschen, dem gemeinsamen Ort vieler poetischer Verwandlungs-Inszenierungen:

"Unser Innerliches fühlt sich sonderbar geborgen und guckt wie ein Kind, das sich mit verhaltenem Jauchzen vor dem nassen Ungestüm draußen versteckt mit hellen Augen durchs Vorhängel, bald aus jenem, bald aus diesem vergnügten Winkelchen. (...) Das Kind würde Dir liebreich ins Gesicht sehen, und Du fragtest vielleicht leise: Ists denn meine Vergangenheit oder Zukunft? Oder dächtest Du, - ob Du nicht in letzter Zeit einen Traum gehabt, wo sich alle schönen Gestalten in Feuer und Qualm aufgelöst und Dich zum Teil verlassen haben, zum Teil, neben Dir in den Schutt versunken, vergangen seien, und dass nur das Kind aus dem Traum heraus in die Wirklichkeit Dir nachgelaufen sei, verkörpert, nicht von Dir lassen könne und möge, der Du so lebhaft und liebevoll von ihm geträumt." 118]

Ohne diesen Text im Kontext des Briefes erschöpfend interpretieren zu können, läßt sich behaupten, dass hier Mörike für seine und des Freundes psychische Erschütterungen des Jahres 1824 - hier die Peregrina-Affäre, dort Waiblingers Liebe zu Julie Michaelis - die Persönlichkeit im Bild des Brandes in seiner letzten Konsequenz, der Zerstörung, verwendet, einem Ende, das nur noch die Lebens-Persönlichkeit als Kind im Traum überdauert und sich dem sprachlich Faßbaren zu entziehen sucht. 119]

Diese sicherlich psychisch tiefste, kaum rationale Schicht des Persönlichkeits-Konzepts kann in der Feuer-Metaphorik gesucht, aber sicherlich nicht isoliert-rational betrachtet werden.

Für die Romanze selbst können wir mit einem Funktionieren der harmonisierenden Poesie-Konzeption rechnen, wie Mörike sie wiederholt beschrieben hat 120], als einer Sinn-Klärung, die die real - meistens sozial - gestörte Harmonie in der poetischen Schöpfung wiederherzustellen sucht, d.h. dass z.B. die dem "Feuerreiter" geltende Ironie nicht die vorgestellte Person als Gegenstand aufhebt und zerstört, wie in der romantischen Ironie, sondern ihn mitleidvoll-versöhnlich in der ästhetischen Darstellung überdauern läßt.


8.4. Lohbauers Zeugnis über das Ur-Bild des "Feuerreiters"

Das von Mörike behauptete "herkömmliche Ansehen" der Romanze kann näher begründet werden, über den bisher erörterten Zusammenhang mit burschenschaftlicher Feuereiferei hinaus.

Den einzigen vollständigen und direkten Hinweis aus dem Freundeskreis Mörikes auf die Entstehung und einer sich daraus erschließenden Interpretation verdanken wir Rudolf Lohbauer.

1897 konnte Wilhelm Lang folgende Passage aus einem Brief Lohbauers an seine Braut vom 27.4.1840 mitteilen: "Mörike, dieser phantastische Tübinger Freund von mir, nimmt einen hohen Rang in der deutschen Lyrik ein, ob er gleich von den wenigsten Gemütern verstanden wird. Mörike ist, als wäre er ein Sohn Goethes, geistig, aus geheimnisvoller wilder Ehe.(...) Die Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter dichtete er etwa in seinem zwanzigsten Jahre. Du wirst sogleich die außerordentliche Plastik des Gedichts bewundern. Dann ahnt man ebenso schnell eine tiefe Bedeutung, der man folgt und die man doch nie ganz erreicht. Das ist das Wahre an aller Poesie. Hölderlin, der oft mit einer weißen Mütze auf dem Kopf unruhig in seinem Zimmer hin und her lief, so dass man ihn bald an diesem, bald an jenem Fenster vorbeischweben

sah, brachte Eduard auf den ersten Gedanken. Wie mächtig ist der tragische Spott: Feuerreiter wie so kühle" 121].

Lohbauer bestätigt hier also die vagen Angaben zu Entstehungszeit und -ort von Mörike selbst. Seine Kenntnis des Textes bezieht sich offensichtlich auf eigenes Erleben, aber auch auf die Lektüre des "Maler Nolten", sicherlich auch der ersten Gedichtsammlung, also auf die Urfassung; von der Umarbeitung konnte er 1840 noch keine Kenntnis haben. 122]

Lohbauers literarhistorische Einordnung der Lyrik seines Freundes zeigt beachtliches, kunstsinniges Verständnis. 123] Sein Hinweis auf Hölderlin als einem Ur-Bild des Feuerreiters ist zwar im einzelnen nicht faßlich, aber keineswegs unglaubwürdig oder gar so leicht zu widerlegen, wie es G. Storz 124] versuchte.

Dieser Brief gibt aber einen literarhistorischen Hintergrund frei, der für Mörikes Freunde in der Lektüre und im eigenen literarischen Schaffen wichtig wurde und auch in unserem Zusammenhang für den Text und die Textsorte der Romanze Verständnishilfen bietet.


8.5. Das "Ur-Ur-Bild": das Vorbild Hölderlins

Mörike lernte den in geistiger Umnachtung und sozialer Isolation lebenden Dichter Friedrich Hölderlin, hauptsächlich durch die Bemühungen Waiblingers um den pflegebedürftigen Dichter, persönlich kennen. 125]

Aber nicht nur aus seinem Erleben und der Beobachtung des in einem Turm am Neckar-Ufer wohnenden Hölderlin, sondern auch aus einer literarischen Quelle mag Mörike angeregt worden sein zu seiner Einleitungsfrage: "Sehet ihr am Fensterlein..."

Einen Hölderlin am Fenster, und zwar auch des Turmes, hatte Justinus Kerner schon 1811 literarisch gestaltet in seinem zuerst anonym erschienenen, satirisch-grotesken Roman "Die Reiseschatten des Schattenspielers Luchs"; zwar unter der Namensmaske des "wahnsinnigen Dichters Holder" 126], aber für jeden Leser in Schwaben unmittelbar verständlich.

Die teils grotesk übertreibende, teils als Satire konkret erschließbare Motivballung dieser Erzählung mag auf Mörike und seine Freunde großen Einfluß ausgeübt haben; den Einfluß Kerners bzw. "eine auffallende Ähnlichkeit von Mörikes poetischer Anlage mit der Kerners", setzte H. Maync hoch an 127], gerade für die Tübinger Zeit, in der er die "stärksten literarischen Anregungen in sich aufnahm" 128].

Als direkte Anregung für Mörikes Romanze ist, soweit ich sehe, Kerners Werk bisher nicht interpretiert worden. Aus einem seiner Briefe an Ludwig Uhland wissen wir, dass er seinen Roman auch als direkte, politische Satire gestaltet hatte; er wunderte sich dem Dichterkollegen gegenüber: "Die Zensur ließ alles ungestrichen, auch Holders unsinnige Worte (...), die so lauten: "O Deutschland, das du geglättest bist, wie der Rücken eines Esels!" 129]

Als Beschreibung Hölderlins zitiere ich hier aus zwei Szenen, in denen der Schattenspieler Luchs den "Holder" auftreten läßt.

"Da ersah ich plötzlich, wie ein Reiter auf einem weißen, dürren Gaule einhergeritten kam; der alte Gaul war seltsam mit Blumen umhängt, der Reiter aber hatte ein langes weißes Tuch im sonderbarsten Faltenwurf um sich geschlungen, und eine hohe Lilie in der Hand. Ich erkannte alsbald in ihm den wahnsinnigen Dichter Holder. Mit wildem Singen kam er durchs Tal her." 130]

Später heißt es: "Es wurde gerade ein Volksfest gefeiert, und der König und die Königin im Städtchen erwartet. Ich hatte viel zu schaffen, bis ich Holder dem Gegaff der Bauern entzogen und in das Wirtshaus gebracht hatte: denn er blieb vor einem Stiefel, der an eines Schuhmachers Haus gemalt war, stehen und wollte mit Gewalt den gemalten Stiefel anziehen. Endlich zog ich ihn mit Hülfe der Studenten ins Zimmer. (...) Ein großes Gewühl von Bauern strömte hinterher, auch kamen zwei Laufer in Uniform, die dem König vorausgeeilt waren, herein. Bauern, Laufer, das Gespräch von KÖnig und Königin, und der mit schwarzen und weißen Platten belegte Boden des Zimmers wirkten gar seltsam auf Holders Phantasie. Er glaubte nämlich plötzlich, er und wir alle seien Figuren auf einem Schachbrette.

'Schach dem König!' schrie er; 'schlagt den Bauern! (die Bauern setzten sich zur Wehre) Laufer weg!' brüllte er, 'ich bin der Springer!' und da sprang er mit einem Seitensprunge über die Bauern und Laufer hinweg, zum offenen Fenster hinaus. Die Bauern und die Laufer setzten ihm nach; es kam die Polizei, und er wurde, weil er Schach dem König rief, in den Turm gesetzt. Da wir zum voraus sahen, dass die Sache sich bald aufklären müsse, schwiegen wir lieber, als dass wir uns ohne Not vielleicht selbst in Unannehmlichkeiten versetzt hätten." 131]

Haben wir es hier eingangs mit einer burlesken Verspottung und ironischen Drapierung Hölderlinschen Verhaltens und seines Dichtertums, mit den verschiedenen Attributen, zu tun, so wird in den verrückten Schachzügen sicherlich auch auf politisch-revolutionäre Aktivitäten 132] aus Hölderlins Studentenzeit angespielt.

Noch eine weitere Passage mag imaginative Kraft auf den interessierten Leser und im Freundeskreis phantasievollen Gesprächspartner Mörike gehabt haben: Holders Pferd; diese Beschreibung zielt deutlich auf den dichterischen Pegasus und taucht als ein durch auslaufende Vitriolsäure in Brand gesetzter "Gaul" wieder auf: "(...) als plötzlich Haselhuhn [ein Poet] und der Chemikus auf Holders altem Judengaul, der noch rings mit Blumenkränzen umhängt war, zum Tor hereingesprengt kamen, unter beständigem Schreien Haselhuhns: 'Haltet den verrückten Gaul!' Dem Gaul waren die ganze Croupe hinab die Haare abgebrannt, und aus dem Schwanze stieg ein stinkender Qualm auf" 133].

Vom Pferd selbst heißt es: "Der Gaul ist verrückt! neupoetisch und toll!" 134] Und die Turbulenz der Szenen ruft die Studenten auf den Plan: " (...) diese schrien, boshaft, genug 'Feuerjoh!', der hölzerne Gaul brennt und bringt Brand und Verderben dieser Stadt, wie der in Troja!'"135]

Kerners nicht böswillliges, aber pikant spottfreudiges Jugendwerk ist eine Satire auf das Literaten- und Bürgertum seiner Tübinger Umgebung mit deren eigenen motivkundlichen und poetischen Mitteln, so dass Wolfgang Baumgart dieses Werk eine "treuherzige Entsprechung zu den makabren 'Nachtwachen von Bonaventura'" nennen kann 136].

Fazit der zitierten Szenen mag folgendes sein: Hölderlin, der seit dem Jahre 1807 im Tübinger Turmhaus des Schreiners Zimmer untergebracht war und den Kerner als Medizinstudent im Auftrag des Professor Autenrieth beobachtet hatte, war Gegenstand lebhaften literarisch-politischen Interesses; auch noch zu Mörikes Studentenzeit.

Während sich jedoch Waiblinger intensiv um den Menschen und Dichter kümmerte und ihm literarisch nacheiferte 137], blieb Mörike letztlich reserviert; sein kenntnisreicher, aber auch distanziertes Hölderlin-Verständnis ist aus späterer Zeit belegt 138]; für die Studentenzeit glaube ich, eben die so ausdrücklich als "wahnsinnig" charakterisierte Gestalt des "Feuerreiters" als ein vom Schicksal Hölderlins inspiriertes, aber über ihn hinaus verallgemeinerndes Bild eines titanisch-dichterischen, tragisch scheiternden Menschen lesen zu können. Diese Interpretation glaube ich, am Kriterium des "Wahnsinns" als eines Attributs des poetischen Daseins noch näher stützen zu können.


8.6.  Vom "Wahnsinn" des Dichters

Heutigem literarischen Verständnis ist es zutiefst zuwider, dem Dichter eine geistige Kategorie des Wahnsinns zuzusprechen, aus der heraus er sein Werk schafft, gar legitimiert. Doch müssen wir vom heute deutlich pejorativen Wortgebrauch absehen, wenn wir hier Zeugnisse aus der Romantik oder dem Biedermeier analysieren, in denen der Begriff des Wahnsinnes vorurteilslos, ja für die Konstituierung des Dichterischen als unerläßlich gemeint scheint.

Noch 1955 konnte Brigitte Müller unbefangen mit diesem Begriff verfahren, als sie einen "Schöpfungsakt" in Mörikes "Spillner-Fragment" analysierte: "Verzweiflung und Wahnsinn sind eins in der künstlerischen Inspiration. Verzweifeln heißt an allem zweifeln; Wahnsinn heißt, aus dem Negierten heraus bereits Neues wähnen, Neues träumen, empfangen" 139].

Doch lohnt es sich, die entsprechende Textpassage bei Mörike genauer zu lesen, um den psychologischen und poetischen Stellenwert des "Wahnsinnigseins" zu ermitteln: Spillner, ein Student im Karzer monologisiert: " (...) ich fühle meinen Zustand klar, aber ich konnte den kleinen Wahnsinn nicht lösen, der sich leise betäubend, mehr und mehr um mein Haupt legte" 140]. Es ist also der "kleine Wahnsinn", der dem Zustand der realen Klarheit entgegenwirkt, ein Zwischenzustand zwischen Emotionalem und Rationalem. "Ich besann mich, ob ich wache oder schlage, einige Augenblicke glaubte ich hellsehend geworden zu sein." 141].

Dieser schrecklich zu "nennen[de]" Zustand endet in einem lyrischen Sprechen: "Meine Einbildung versetzte mich ins Freie, und es formten sich unwillkürlich einige Verse auf meinen Lippen." 142].

Doch ist Vorsicht geboten, aus diesem Fragment gebliebenen Zeugnis poetologisch endgültige, soz. legitime Substanz herauszulesen; Mörike verwarf einen Druck für die Gedichtesammlung und hat das Manuskript in seiner Schublade als Erinnerungsstück aufbewahrt. 143]

Es ist sogar wahrscheinlich, dass das psychologisierende Verfahren des im Karzer einsitzenden Spillner karikierend gemeint ist. Mörike läßt ihn sagen: "Ich bin in einer steten Exaltation, in einem besoffenen Zustand auf diesem Terrain" 144]. Auch wenn das Wortmaterial nicht umfangreich klein ist: "Wahnsinn" als Beförderung des dichterischen Prozesses, wie Müller es naiv behauptete, möchte ich für das künsterlische Selbstverständnis des korrekt und konservativ denkenden Mörike ausschließen.

Eine andere Textstelle zeigt uns denn auch die zwar nicht einseitig ablehnende, aber doch stark einschränkende Wertung, die Mörike mit dem "Wahnsinn" verbinden konnte. In der Gedichtesammlung von 1838 findet sich im Peregrina-Sonett wieder das Wort:

(II, 1-4) Ach, Peregrinen hab ich so gefunden!

Schön war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Glut,

Noch scherzend in der Frühlingsstürme Wut,

Und wilde Kränze in das Haar gewunden. 145]


Der "schöne Wahnsinn" charakterisiert Peregrina sicherlich nicht als eine dichterische Existenz, vielmehr in ihrem beängstigenden psychisch-physischen Zerfall, der wiederum auch für den Leser der "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" assoziierbar gewesen sein kann; nur diese beiden Wortbelege finden sich in der Gedichtesammlung von 1838. 146]

Die Charakterisierung des Hölderlin als wahnsinnigen Bewohner seines Turmzimmers findet sich häufiger in der schwäbischen Lyrik; hier nur noch nachgewiesen bei Wilhelm Zimmermann in seinem Gedicht "Der wahnsinnige Dichter" 147].

Die erste und letzte Strophe lauten:

(I) Es geht im Turm um geisterweis,

Das ist der Sänger, der hohe Greis,

Er geht im Wahnsinn auf und ab,

Er wohnet im Turm, wie ein Toter im Grab;


(IV) Das Lied vom Turme die Nacht durchklang,

Von unten antwortete süßer Gesang,

Die Sonne schien früh durch die Scheiben warm,

Der Sänger ruhte dem Tod im Arm.

Um Lohbauers Zeugnis bezüglich der einleitenden Feuerreiter-Szene der ersten Strophe zu widerlegen, behauptete G. Storz, Lohbauer habe auf Mörikes Gedicht übertragen, was er bei Zimmermann gelesen habe. 148] Demgegenüber ist viel wahrscheinlicher, dass sowohl Kerner als auch Mörike und wiederum Zimmermann auf eigenes Erleben zurückgriffen, als sie die tragische Existenz Hölderlins beschreiben wollten, und die literarischen Zeugnisse deshalb als unabhängige Belege für dasselbe Geschehen, ein interessantes politisches, psychologisches Rätsel bis zu Hölderlins Tod im Jahre 1843; dem widerspricht natürlich nicht, dass Mörike nicht Kerners "Holder-Beschreibung" gekannt hätte, z.B. die immer wiederkehrende Fenster-Szenerie: "Mit dumpfem Nachhall brachen sich die Wellen des Flusses an den felsigen Ufern. Nach und nach erloschen die fernen Stimmen; nur Holders klagender Ruf scholl noch ins Tal hinab. Er hatte sich ans Gitter seines Fensters gestellt und rief die vorüberziehenden Wolken um Hülfe an. Endlich schwieg auch dieser." 149]

Zerfällt nun der hier niedergelegte Gedankengang, von der Figur hinter dem "Fensterlein", ihrem Wahnsinn und Scheitern auf ein für Mörikes "Feuerreiter" aussagekräftiges Urbild Hölderlin zu schließen, nicht in dem Zerrbild, wie es Kerners "wahnsinniger Dichter Holder" ist? Ich meine: nein; und zwar, wenn wir uns ein zeitgenössisches Verständnis davon im Urteil Notters vergegenwärtigen, der 1842 schrieb: "Das Einzige, was in den Reiseschatten beleidigen könnte, ist, dass unter der Person des wahnsinnigen Poeten Holder einer der größten und unglücklichsten deutschen Dichter mit nur leichter Veränderung seines wirklichen Namens angedeutet zu werden scheint. Wenn man jedoch bedenkt, dass dieser Unglückliche zur Zeit, wo das Buch zum Erstenmal herauskam, noch keineswegs in den völligen Wahnsinn verfallen war, der ihn jetzt umnachtet, vielmehr die einzelnen Ausbrüche der Krankheit damals so ziemlich die Farbe einer blos verstiegenen und nach Genialität ringenden Dichterimagination trugen, die, als solche, allerdings mehr lächerlich als bedauernswürdig erscheinen konnte; - wenn man bedenkt, von wie hohem Werth eine solche Figur, sobald man sie von dem blos lächerlichen und phantastischen Gesichtspunkte auffaßt, für die phantastischen Reiseschatten seyn mußte, so dürfte gewiß alles die Pietät Verletzende wegfallen" 150].

Eine abschließende Gleichsetzung des "Feuerreiters" mit dem "verrückten Holder", als Varianten eines Hölderlin-Mißverständisses "Schöner Wahnsinn", ist dadurch jedoch nicht gerechtfertigt. Mörikes eigenes Wort vom "Prädikat wahnsinnig" könnte auf die Charakterisierung eines genialen, sich dichterisch ausagierenden Menschen zielen; seine Hektik könnte im Reiter-Motiv überdauert haben. Die Erörterung des Reiter-Bildes und der möglicherweise auf G. Ch. Lichtenberg zurückgreifenden Kritik des Geniebegriffes wird später aufzunehmen sein. 151]

In der literarischen, nicht in der psychologisch-medizinischen Einschätzung des Wahnsinns 152] gilt es, ein Moment festzuhalten, das Friedrich Sengle als allgemein konstitutiv für die "Biedermeierzeit" beschrieben hat: "Sie ist eine Nachkriegs- und Nachrevolutionsepoche. Sie hat von der menschlichen Freiheit, vom Heldentum, vom Genie, auch vom 'Charakteristischen' und 'Originalen' der Romantik, von Boheme und privater Unordnung nur allzuviel gesehen, sie ist so sehr an den Rand des Chaos und des Wahnsinns geraten, dass sie die Ordnung und die Vernunft normalerweise wieder zu schätzen gelernt hat." 153]


8.7. Zum Bildinhalt des "Feuers" bei Hölderlin

Es gibt noch weitere Belege, die es gestatten, der von Lohbauer beschriebenen "tieferen Bedeutung" nachzugehen, indem wir die Bildlichkeit des Feuers in Hölderlins Werk und speziell in der Hyperion-Rezeption in Mörikes Freundeskreis aufzeigen.

William Gilby weist in seiner Studie "Das Bild des Feuers bei Hölderlin" für den jungen Dichter den topischen Gebrauch des "Feuers der Begeisterung" 154] nach, der abgelöst wird von dem des "Feuers des Schicksals". Diesem weiten Merkmal ordnet Gilby die konkrete, radikal politische Dimension der Feuer-Bildlichkeit unter 155], weil er im "Hyperion" vom Krieg als einem "zerstörerischen Feuer" spricht. Gilby zitiert Alabanda, dessen revolutionäre Ideen Hyperion anspornen, als er sich den bevorstehenden Kampf um die Befreiung Griechenlands ausmalt: " (...) es soll ein ziemlich Feuer werden. Ha! mags doch reichen bis an die Spitze des Turms und seine Fahne schmelzen und in ihm wüten und wogen, bis er berstet und stürzt!" 156] Von den Kämpfen erfahren wir, dass "alles eine verzehrende Flamme war" 157].

Gilby interpretiert den Briefroman so: "Im Hyperion endet der Versuch, ein neues Reich der Liebe durch die Gewalt des Krieges zu gründen, im völligen Scheitern. (...) Hölderlin äußert darin seine Einsicht in die Fragwürdigkeit, die Natur durch revolutionäre Mittel erzwingen zu wollen" 158]. Und weiter: "Nicht also im revolutionären Aufruhr, sondern im stillen Wachstum sah er den wahren Weg des Werdens" 159] und fügt Hyperions Ausruf hinzu: "Daran (...) erkenn ich sie, die Seele der Natur, an diesem stillen Feuer, an diesem Zögern in ihrer mächtigen Eile" 160). Also die genauen Gegensätzen zum eilig und unaufhaltsamen Wesen des Feuerreiters!

8.8.  Die Hyperion-Begeisterung im Freundeskreis um Mörike

Der heutigen, pluralistisch-demokratisch gestimmten Einschätzung der Revolution, die sich durch den Hyperion-Roman sicherlich stützen läßt 161], möchte ich ein wirkungsgeschichtliches Dokument aus dem Jahre 1824 an die Seite stellen: den begeisterten sog. Hyperion-Brief Lohbauers, der den Freund Mörike mitzureißen versucht und erkennen läßt, wie sehr sich Lohbauer von Hölderins Roman angesprochen fühlte, so dass er sich persönlich, in einer Aktualisierung der bei Hölderlin beschriebenen Auseinandersetzung, zu einem aktiven Kampf für die griechische Befreiung von der türkischen Herrschaft aufgerufen sah. 162]

Alfred Kelletat hat die Zusammenhänge dieses Briefes eingehend erörtert; er schreibt: "Es war der unbändig leidende Hyperion nach seiner Flucht aus Smyrna, den Held des "ewigen Irrsals", dessen Geist 'die Gestalt des irrenden Herzens' angenommen hat, der ihm [dem jugendlichen Lohbauer] nun plötzlich aus Hölderlins Roman entgegentrat. Er geriet in die Griechenbewegung jener Tage, deren Wogen besonders in Stuttgart und Tübingen unter der Jugend hochschlugen" 163]. Vom 7. Juni 1824 ist dieser Brief datiert, der in Sprachstil und Pathos eine enthusiastische Nachahmung 164] des Hyperion ist und in ekstatischer Begeisterung den Freund Mörike zum unverzüglichen Aufbruch nach Griechenland überreden will: "Was soll ich thun? was willst du thun, das wir immer beisammen sind - auch Kaufmann muß her - der ist in Alabanda und ich und du Hyperion - Laß uns hinaus miteinander, laß uns nach Griechenland - gewiß ich denke jetzt nicht an Hyperion - und wenn es seyn soll so kannst du so können wir ja Deinen Christum predigen - O Bruder nun erst fühle ich so ganz dass Stoa nichts ist - weil ich Dich liebe, weil ich den Kaufman liebe und ihr mich - Liebst Du ihn nicht auch der mir schreiben konnte: 'Mit dir gehe ich in den Rachen der Hölle warum nicht in die Arme des Todes' - Laß uns mit ihm an den Busen des Lebens stürzen - Komm mit hinein! -" 165].

Gebetsartig, geradezu hymnisch verzückt gedenkt Lohbauer des Hölderlin: "Herr [als Anrede eines in der Natur verkörperte Gottes gemeint] ich weiß nichts von dir! wenn du bist so komm! Wenn du bist so wirst du auch den wahnsinnigen Hölderlin einst in die Klarheit führen!" 166]

Diesem Drängen, in Kampf und möglichen Tod aufzubrechen, widerstand Mörike. Kelletat versucht, so dessen Situation zu beschreiben: "Diese anstürmende Überredung ist ein Zeugnis aus der Umwelt des jungen Mörike, für die leidenschaftlichen Beschwörungen der Herzen, die Gluten, in denen der zum Dichter geglüht wurde; ihnen wohl dankt er bei aller Gegenwehr die Erfahrungen, die ihn zum großen Menschen geweiht haben." 167]

Es ist nun naheliegend, infolge des zeitlichen und erlebnismäßigen Zusammenhangs, Mörike "Romanze vom wahnsinnigen Feuereiter" auch als Absage an die Aufforderung zu politischer Heldentat durch Lohbauer zu verstehen, wie Proelß 168] es vermutet - konkret zu belegen ist es aber nicht; im Kontext mit Hölderlins Schicksal und dem griechischen Freiheitskampf schreibt Proelß: "Der verängstigte Stiftler Eduard Mörike sah damals nur die Kehrseite des glanzvollen Bildes, die verhängnisvolle Macht solchen Beispiels, wie sie Lohbauers Brief ihm vor die Seele stellte. So konnte ein gelegentlicher Anblick des mit einer weißen Kappe in den Fenstern des Neckarturmes sichtbar werdenden Hölderlin in ihm zur Anregung werden für die poetische Vision von dem als Retter aus Flammennot dem Flammentod entgegenrasenden wahnsinnigen Reitersmann" 169]. Diese in politisch ausgedeuteter Feuer-Metaphorik schwelgende Interpretation hat ihre konkreten, historischen Bezüge, sei es im Hauffschen "Feuerreutertum", sei es im Hölderlin-Hyperion-Enthusiasmus des Freundeskreises.

Ist aber auf diesem Hintergrund kein Platz mehr für die volkstümlich tradierte, sagenhafte Figur des "Feuereiters", des "Hexenmeisters", wie G. Storz sie benennt 170] und wie sie die vielen Interpretationen unter dem Aspekt des schaurig Balladesken, des Numinosen gar, in literaturdidaktischer Absicht so stark betonen? 171]

Auf das poethisch-authentische Feurreiter- und ein anderes Feuer-Motiv verwies zuletzt Marie Luise Kaschnitz (in ihrem Essay Eduard Mörike. In: Triffst du nur das Zauberwort. Stimmen von heute zur deutschen Lyrik. Hrsg. v. Jürgen Petersen. Frankfurt/M. und Berlin 1961. 133 – 145; zuletzt in: K. L. K.: Zwischen Immer und Nie. Gestalten und Themen der Dichtung.1977. st 425. S. 279 – 299; 281f.) [Dieser Text wird nirgends in der Mörike-Philologie angezeigt.]

So Kaschnitz: Auch der frühere „Feuerreiter“ ist bildkräftig wie nur je eine Ballade. Die rote Mütze, die im kleinen Fenster auf- und niedertanzt, der wütende Reiter auf dem dürren Roß und dann das Menschengerippe auf dem Pferdegerippe aufrecht an der Kellerwand der vom Feuer zerstörten Mühle, da tritt zu der Macht des Bildes noch die des Klanges aus den Endzeilen, die nach Brennen, Brennen [sic in iteratione!], Rasen und ausklingenden Feuerlärm mit viermaligem dunkelm U-Laut alles zur Ruhe bringen -“ [Und dann der „Feuerreiter“, in der fünfstrophigen Fassung; ohne eine erkennbarere Jahreszahl.]


9.  Der frühe, sagenkundliche Hintergrund des "Feuerreiters"

Zur Erörterung des möglichen Hintergrunds, den ich mit "volksetymologisch-sagenkundlich" vorsichtig umschreiben möchte, greife ich auf die umfassende Darstellung des Volkskundlers Herbert Freudenthal mit seinem Werk "Das Feuer im deutschen Glauben und Brauch" 172], sowie die Arbeit von Ilse Märtens-Lüneburg "Die Mythologie bei Mörike" 173] zurück.

Freudenthal unterscheidet für die "sagenhafte" Figur des Feuerreiters den Feuermelder vom Feuerbanner 174]; in der letzteren Bedeutung nennt er ihn ein Schulbeispiel für das phantasiemäßige Verspinnen wirklicher Volksbräuche in der Sagenüberlieferung. Belege für ein Feuerbannen, ein Feuerbesprechen, sind aus vielen Ländern deutscher Sprache überliefert. Freudenthal referiert z.B. eine volkstümliche Quelle aus dem schwäbischen Raum: "Im schwäbischem Remsthal war (...) ein Baron, der 'fürs Feuer' konnte. Er hielt für seine Löschritte jederzeit ein gesatteltes Pferd im Stall und war auch im Nu zur Stelle, wenn es des Nachts irgendwo brannte. Im fliegenden Mantel sah man ihn dreimal das Feuer umreiten und besprechen. Dann mußte er aber auf schleunige Flucht bedacht sein" 175]. Als Kern der "verhältnismäßig reichen Überlieferung" hält Freudenthal fest: "Ein Mann umreitet den Herd des Feuers, häufig dreimal, bespricht es dabei und wirft ein Heiltum hinein" 176]. Der Volkskundler verfolgt zwar auch die in die nordische Mythologie zurückreichende Grundlage der Vorstellungen vom Feuerreiten, hält jedoch eine andere Blickrichtung für wesentlicher und verweist auf die meist historisch belegte "Person des Feuerreiters" 177]; in den meisten Belegen sei sie als der Landesherr benannt.

Dass gerade eine solche volkstümliche und literarisch gestaltete 178] Überlieferung für den württembergischen Raum auf ein historisches Faktum exakt zurückzuführen ist, belegt Freudenthal für den Herzog Karl Eugen von Württemberg (+1793). Dessen Generaladjutant hat verschiedene Unternehmungen beschrieben, in denen der Herzog persönlich Feuerbekämpfungsmaßnahmen beaufsichtigte. Diese sehr realistischen Maßnahmen wurden dann von der Volksüberlieferung erfaßt, in der der Landesherr als wundertätiger "Feuer-Banner" erscheinen konnte. 179]

Folgendes, vom Tagebuch schreibenden Generaladjutanten mitgeteilte Geschehen mag in Tübingen, sicherlich auch noch zu Mörikes Studentzeit, als Von-Mund-zu-Mund-Erzählung bekannt gewesen sein: "4. Aug. 1771. Solitüde. Morgens um 1/2 8 Uhr kam ein Feuer-Reuter hieher, so die Nachricht brachte, dass es in Tübingen brenne. Der Herzog, General v. Stain und ich setzten und dahero zu Pferd. (...) Da wir in Tübingen ankamen, so lagen die 16 Häusser in der Ammer-Gasse schon geraume Zeit überm Haufen. Das Feuer kam bey einem Gerber aus, welchem auch seine Frau und sein ältester Sohn, von ungefehr 12 Jahren verbrannt ist. (...) Gleich nach unserer Ankunfft daselbst liessen der Herzog so viel möglich, den Urbau von des Gerbers Hauss, durch angestellte Leute, hinwegarbeiten, um nachzusehen, ob man die verbrannte Frau, welcher aber Ärm und Füsse und der gantze Leib so zu Pulver verbrandt waren, dass, - wenn man an den Rippen nicht gesehen hätte, dass es ein Mensch gewesen seyn müste, ich solches nimmermehr würde geglaubt haben. Den Buben fand man aber erst den andern Tag, ebenso verbrannt" 180].

Es läßt sich m. W. nicht dokumentarisch nachweisen, dass Mörike eine solche Überlieferung mündlicher Art kannte; die Anklänge sind nicht eindeutig schlüssig; im Prosabericht zur Fassung GH heißt es: "nach der Volkssage"; im "Maler Nolten" findet sich die Lokalisierung "in der Lohgasse (...), wo zwei Reihen der urältesten Gebäude unserer Stadt stehen" 181]. Durch den Vergleich mit der Beschreibung einer wirklichen Brandkatastrophe gewinnt aber die eher schauerlich, romantisch abstrus wirkende Schilderung des Gerippes "an der Kellerwand" 182] erstaunlich realistische Züge, beinahe so etwas wie realistisches Lokalkolorit. Die sagenhafte Einkleidung einer wirklichen Feuersbrunst bezieht sich aber eindeutig auf den Zusammenhang des "Maler Nolten"; denn der Hinweis in GH ("ist aus einer unvollendeten Novelle") stellt die früheste Bemerkung Mörikes zu seinem 1832 erschienenen Roman dar 183]. Der "Feuerreiter" von 1824 ist deshalb unabhängig vom "Maler Nolten" und der dortigen Einkleidung zu lesen.

Ebenso wie eine sagenkundlich gründliche Interpretation 184] für den Ur-Feuerreiter nicht völlig zu überzeugen vermag, so gelingt es auch der Erörterung der "mythenschöpferischen Phantasie" Mörikes durch Märtens-Lüneburg 185] nicht, die den beiden Fassungen zugrunde liegenden Vorstellungen der Feuerreiter-Figur zur Deckung zu bringen. M.-L. faßt den Ur-Feuerreiter als "Dämon" und beschreibt ihn so: "In die Glut des verderblichen Elements gehüllt, die wie aus ihm selbst hervorzubrechen scheint, so taucht er in gespenstischer Wildheit, uns den Atem versetzend, vor uns empor, so taucht er, wie vom Dunkel eingeschluckt, in die Nacht zurück, aus der ihn die Phantasie erzeugt zu haben scheint" 186].

Die Diskrepanz zwischen diesem "verderblichen Feuerdämon" und dem "Menschen, der, mit dämonisch gefährlichen Fähigkeiten begabt, 'für das Feuer konnte'" 187] (so charakterisiert M.-L. den 'umgesattelten Feuerreiter') kann kaum überbrückt werden. Die Autorin versucht aber, eine einheitliche Vorstellung beider Fassungen zu formulieren, gesteht aber: "Man sieht: die Gestalt des Feuerreiters bleibt dunkel und voll Rätsel, wie die ihn umwachsende Mythe selbst. Wir glauben, den Grund dafür in den zwei Schichtungen gefunden zu haben, in dem unbewußten Zusammenschweißen des Feuerdämons mit der Gestalt des 'Feuerreiters', wie er in Volksmythen erscheint" 188].

Ich fasse die Gründe zusammen, die m.E. gegen eine mythologisch-sagenkundliche, bzw. eine elementar-naturmythische 189] Interpretation der "Feuerreiter"-Figur und seiner Aktivitäten der Urfassung sprechen:

1. Mörike selbst gibt keine mystifizierenden Hinweise dieser Art; er verweist im Gegenteil auf reale Gegebenheiten bzw. das hier erörterte "gewisse Herkommen" 190].

2. Von den frühen Fassungen bis zur späteren Umarbeitung führt kein einheitliches, im weiten Sinne durchgehend "mythisches" Verstehen.

3. Summarisch füge ich eine weiteres Indiz hinzu: In keiner Rezension der Gedichtsammlungen 191] bzw. der Erstfassung des "Maler Nolten" ist ein solches Verständnis belegt. Der Freund und Ästhetik-Professor Vischer nimmt sogar den "Feuerreiter" vom Vorwurf einer "in der Dämmerung volkstümlichen Bewußtseins schweifendend[en] Phantasie" 192] nachdrücklich aus.

Diesen teils negativ abgrenzenden, teils indirekten Folgerungen lassen sich noch weitere, positive Argumente hinzufügen, die ich aus dem im frühen, romantischen Werk Mörikes behandelten Motivkomplex "Feuer" herleiten möchte.


10.  Zur Feuer-Motivik in anderen frühen Werken Mörikes


Schlüssige Interpretationskontexte ergeben sich aus zwei frühen Werken Mörikes, dem "Spillner"-Fragment und den unvollendet gebliebenen zweiten Roman.

10.1.  Das dramatische Fragment "Spillner"

Ein materiell sehr konkretes Verständnis vom "Feuer" ergibt sich aus der schon erwähnten dramatischen Szene "Spillner". Den Zusammenhang dieses und eines zweiten Fragmentes "Die umworbene Musa", beides Teile der "Verlegungsposse" 193], mit den politischen Ereignissen der sog. Kommissärszeit an der Tübinger Universität hat Peter Goeßler herausgearbeitet. In dieser Kommissärszeit von 1825 bis 1829 glaubte der "von der Regierung beauftragte Oberjustizrat Hofacker mit seinem kleinlichen Polizeiregiment das akademische Leben der Studenten, Professoren, Bürger formen und umgestalten zu können", schreibt Goeßler 194]. Anlaß und Gegenstand der Mörikeschen Posse waren die Pläne, die Universität von Tübingen in die Landeshauptstadt Stuttgart zu verlegen. Goeßler charakterisiert die damit zusammenhängenden Zwangsmaßnahmen der gleichzeitigen "Demagogenverfolgungen": "Aber die Flamme der Freiheit und der freien Meinungsäußerung war nicht zu ersticken. So mußte sich die kochende Studentenseele den ihr seit jeher geläufigen Weg des Witzes und des Humors innerhalb ihrer Kreise wählen" 195].

Auch wenn die Niederschrift der "Verlegungsposse" bereits in Mörike Vikariatszeit fällt, ist es eindeutig seine eigene Studentenzeit, die darin festgehalten wird.

Für die im "Spillner" erwähnten Personen macht Goeßler direkte Bezüge auf die Mörike-Freunde Lohbauer - "Lohmann" oder "Rudolf" genannt 196] - und Kauffmann - als "Fritz" bezeichnet 197] - wahrscheinlich. Wichtig sind auch die in die Selbstreflexion des "stets exaltierten" 198] Studenten eingearbeiteten Erlebnisbezüge zur Außenwelt; der im Karzer Einsitzende nimmt folgendes wahr: "Still aber! was ist für ein Rennen in der Gasse?"; und im weiteren Verlauf: "He! He! brennts denn in der Stadt, im Stift? Um Himmels willen und ich bin hier eingeschlossen! Wenn sie mich vergessen, wenn man mich morgen unterm Schutt hervorzieht (...)". In seiner Angst vor eine solchen Katastrophe brüllt er: "Mordjo! Feuer! Feuer!"; ihm antwortet der Pedell: "Halten Sie sich ruhig, mein Herr! Welch ein Unfug, welche Bosheit!" Spillner ist dadurch jedoch nicht beruhigt: "Die Leute reden alle wie im Wahnsinn" 199]. Schließlich vermutet er einen Aufruhr, den er im Bild des Feuers sieht, und zwar als Schiller-Zitat, und er singt resigniert:

Wehe, wenn sie losgelassen,

Wachsend, ohne Widerstand,

Durch die volksbelebten Gassen

Wälzt den ungeheuren Brand! 200].

Nicht also erst bei Bertolt Brecht finden wir die ironische von Schiller entlehnte Metaphorik von der "freien Tochter der Natur", die "der Fessel sich entrafft" 201] hat, dem Feuer nämlich, das den allgemeinen Aufruhr kennzeichnet, der im Falle des als exaltiert karikierten, aber politisch denkenden Spillner nur ein vermuteter ist; "doch es ist alles nur in meiner Phantasie" 202] vermag er dann die Lage richtig einzuschätzen.

Es scheint mir nicht zu hoch gegriffen, wenn wir in der Figur des "Feuer wähnenden" Studenten Spillner eine ideelle, dramatisierte Variante des "Feuerreiters" sehen, ohne darin eine von Mörike stilistisch bewusst geschaffene Parallele vermuten zu müssen.

Spillner ist der Typ des genialisch-poetischen, exaltierten Studenten und Mitverschwörers; von seinen "vorzüglichsten dichterischen Kompositionen" 203] gesteht er: "Da redets und schwatzt und jubilirt und zwitscherts aus zwanzig Ecken in meinem Kopf durcheinander, dass ich am End eben zu tanzen und zu springen anfange".

Auch hier begegnen wir also der Metapher des nicht gleichmäßigen, nicht ruhigen Fortschreitens, des nicht steten Laufes des menschlichen Lebens und ideellen Strebens als Charakteristikum; Mörike nutzt die Variation des Bildes zur distanzierenden, entlarvenden Kennzeichnung eines Lebensgefühls und eines poetischen Verständnisses, das seinem eigenen moralischen Wollen zuwider ist; sicherlich ein weiteres biedermeierliches Charakteristikum - aber nur ein solches? Wir werden es bei einer Gesamt-Einschätzung des "Feuerreiters" berücksichtigen müssen.


10.2.  Mörikes unvollendeter, zweiter Roman


Es findet sich in Mörikes Frühwerk noch eine zweite, völlig andere Gestaltung der Feuer-Motivik; und zwar in seinem sog. zweiten Roman; von dem nur Bruchstücke aus der Rahmenhandlung erhalten sind und aus dessen Gesamtkonzeption Mörike die Novelle "Miß Jenny Harrower", später "Lucie Gelmeroth" betitelt, und das Märchen "Der Schatz" herauslöste und selbständig veröffentlichte 204].

Innerhalb der Fragmente, um deren Einordnung und Beurteilung sich G. Storz bemühte 205], findet sich eine recht geschlossen wirkende Textpassage, in der die Hauptperson Viktor den Schauplatz betritt, und zwar bei einem nächtlichen Brand 206] einer Ziegelei. Am Brandort werden die Löschmaßnahmen teils behindert, teils ganz unterlassen. Der Erzähler berichtet: "Allein statt dass, wie zu erwarten war, alle die hundert versammelten Hände zu dem gemeinschaftlichen Zweck der Hülfe rasch ineinandergegriffen, traf ich vielmehr eine empörte Menge in der Art Krieg aufeinander gehetzt. Es dürfe nicht gelöscht, es solle nicht herausgetragen werden, es sei ein Frevel wider Gottes Finger - schrien die einen mit unbegreiflicher Wut, indem die andere bei weitem größere Partei die Unvernünftigen zu Seite stießen, fluchten, beschworen " 207]. Für eine planvolle Hilfestellung ist es zu spät: "Das Feuer aber, wenn es hier auf kurze Zeit gedämpft war, brach nur mit desto größrer Heftigkeit an einem andern Ende aus. (...) Jetzt aber hat der letzte Mann das Haus verlassen. (...) als man mit Staunen und Entsetzen am obern Giebelfenster einen fremden Jüngling wahrnimmt, der, in das grellste Licht einer hinten hervordringenden Flamme, gleichsam wie in Goldgrund gefaßt, mit vorgestrecktem Leib den derben Ast eines nahestehenden Ahorns zu packen suchte, auch wirklich, es man noch die Leiter bringen konnte, denselben glücklich erreicht hat" 208]. Dieser Jüngling, dem Feuer entkommen, ist die Hauptperson Viktor, der zornig und "voll Unwillen und Schmerz" die Passivität der Umstehenden zurechtweist: "Unsinniger Aberglaube! verrückte Frömmigkeit!" 209]

Dieser Mensch protestiert, nicht einmal spezielle christlich motiviert, sondern lediglich im allgemein vernünftigen Sinne gegen den Aberglauben derer, die "den Zorn des Himmels durch bedachte Gegenwehr zu reizen" fürchteten; er wird später nochmals als menschenfreundlich charakterisiert: "'Er war beim Feuer tätig, verwegen, ich kann wohl sagen, brav und liebenswürdig nach seiner heftigen Art'" 210].

Obwohl es natürlich schwierig ist, eine Erzählepisode angemessen zu verstehen, deren Bezug im Kontext nicht völlig geklärt ist, glaube ich, die Handlung des Jünglings im humanen Sinne positiv werten zu können; spricht er doch in einem allgemeinen, auch wohl christlichen Sinn von der Verpflichtung zu tätiger Hilfe in einem solchen Brandfall und zeiht die, die vom Löschen als einem "Frevel wider Gottes Finger" sprechen, des Aberglaubens und der "verrückten Frömmigkeit". Aus dieser Szene dürfen wir sicherlich des Erzählers, ebenso Mörikes, Absage an jede Art volkstümlichen Aberglaubens in Bezug auf Feuerabwehr oder -bannung herleiten. Eine solche Einschätzung ist auch hinsichtlich der von G. Storz beurteilten Anlage des geplanten Romans gerechtfertigt; er schätzt die literarische Qualität der Bruchstücke hoch ein: "Die Anlage des Ganzen wird also schon sichtbar, und sie läßt keinen Zweifel über das Fortschreiten des Dichters über den 'Maler Nolten' hinaus: Der zweite Roman greift weiter aus und besitzt schon in seinem Ansatz unvergleichlich mehr Welt und Leben als der erste" 211]. Storz vermutet, wie wir aus der Interpretation der Brandszene gesehen haben, zu Recht: "Das Erzählte hätte einen noch höheren Grad distanzierter und neutraler Objektivität erlangt, als im ersten Roman" 212].

Dieser realistisch gezeichnete, menschenfreundlich-sachkundige Feuerhelfer Viktor ist sicherlich eine poetische Umsetzung konkreter, vielleicht priesterlicher Erfahrungen aus seinen Vikariatsjahren, für die die Arbeit an diesen Bruchstücken angesetzt wird 213]. Doch wie nimmt sich gegen diesen "Helden-Jüngling", "gleichsam wie in Goldgrund gefaßt", der "Feuerreiter" des Gedichts aus, der "Dämon" oder der "Hexenmeister", um die stärksten Interpretationsgegensätze zwischen den zwei Konzeptionen knapp zu beschreiben?

Die Diskrepanz zwischen den so konträren Figuren, hier der aufgeklärte, hilfsbereite Jüngling, dort der Frevler der Umarbeitung, der "mit des heilgen Kreuzes Span / Freventlich die Glut besprochen" 214], läßt sich jedoch leichter erklären, als es den Anschein hat, wenn wir die bisherigen Arbeitsergebnisse konsequent einbeziehen.

Der Feuerreiter der Urfassung ist ein Mensch, eine von Mörike als "typisch" attribuierte, ironisch-verständnisvoll karikierte, geniale Person. Unabhängig von diesem Gedicht beschrieb Mörike in der Rahmenhandlung seines Fragments gebliebenen Romans einen jungen Menschen, "brav und liebenswürdig in seiner heftigen Art", der in Wort und Tat den christlich-pastoralen Intentionen und Verpflichtungen eines Landgeistlichen entspricht, der sich mit menschenfeindlichem Volksaberglauben auseinandersetzen muß oder mag.

Für die selbständige Publikation des Gedichts in der Sammlung von 1838 griff Mörike in einer Fußnote auf den Zusammenhang des "Maler Nolten" zurück; darüber hinaus wusste er sich des "gewissen herkömmlichen Ansehens", der literarischen Charakterisierung des genialen, gefährdeten Künstlers, sicher.

Für eine weitere Auflage der Gedichte und sicherlich mit Rücksicht auf einen größeren Publikumskreis machte Mörike sich daran, das bald siebzehn Jahre alte Produkt seiner Studentenzeit in einer "Art von Pietät" und mit großen Bedenken, wie es der Brief vom 3.12.1841 zeigt, neu verstehbar zu machen, es über die Rezeption bei "Freunden und Bekannten" hinaus verständlich und akzeptabel zu motivieren; der Rückgriff auf Motive des Volksaberglaubens lag nahe. Eine positive Absage seiner pädagogisch-pastoralen Absage an jeglichen Aberglauben 215], der sich mit dem Feuer bzw. dem Feuerreiten verbinden ließ, konnte, anders als im Falle des Jünglings aus dem Feuer, dem Text, den es für Mörike in seiner poetischen Qualität weitgehend zu erhalten galt, nicht unterlegt werden; Treiben, Rückhalt in der Bevölkerung und Scheitern des Feuerreiters konnten nur als negativ gewertetes, warnendes Exemplum eines im Aberglauben schuldig werdenden Menschen umgestaltet werden; die christliche Aussage bleibt dieselbe: Absage an pastoral nicht Akzeptables.

Für die Zeit vor 1841 hat denn auch Pohl nachgewiesen, dass sich Mörike mit "literarischen Exempla naiver christlicher Frömmigkeit" beschäftigte 216]; "Feuerbesprechen mit dem Kreuz und leibhaftiges Erscheinen des Teufels sind ebenfalls christliche Volksmotive, denen der auf diesem Gebiet Wißbegierige [E.M.] sich zuwendet", schreibt Pohl weiter. In der Deutung der Neufassung ist sich die Mörike-Philologie auch ziemlich einig. Pohl erkennt zwar "inhaltliche Widersprüche verschiedenster Art", "vor allem dadurch bedingt, dass erst jetzt Volksmotive etwa das Feuerbesprechen aufgestülpt werden"; die "christliche Motivierung" will und kann Pohl 217] jedoch dadurch nicht in Frage gestellt. In der Tat lösen sich solche Widersprüche nur, wenn man beide Konzeptionen voneinander scheidet und die ursprüngliche nicht als "elementar-mythische" begreift und so ein unnötig kompliziertes Interpretationsbild von Mörikes "Feuerreiter" entsteht, so dass Victor G. Doerksen schreiben kann, Pohl habe "vier sich ablösende Konzeptionen des Gedichtes" 218] beschrieben.

Dass der "Feuereiter" auch in seiner ursprünglichen Gestalt ein für Zeitgenossen, nicht nur für "Freunde und Bekannte", unmittelbar-sinnfälliges, allegorisches Verständnis geweckt haben kann, läßt sich aus wortkundlichen Überlegungen folgern, die das Bild "des Feuerreiters" im Umkreis der schwäbischen Literatur festzuhalten versuchen.


11.  Zur Bildlichkeit des "Feuerreitens" im Schwäbischen

Das "Schwäbische Wörterbuch" belegt als primärer Bedeutung für "Feuerreiter": "berittener Bote zum Feuermelden in andere Ortschaften. Kommt völlig ab, wird aber noch allgemein verstanden" 219].

Aus dieser grundlegenden Bedeutung abgeleitet, finden sich Belege bei W. Hauff und J. Kerner, die die Dramatik und Schnelligkeit des Feuerreitens zur bildlichen Aussage nutzen.

W. Hauff beschreibt in seinem "Mann im Mond", seiner 1826 erschienenen Parodie der trivialen Literaturprodukte des erfolgreichen Heinrich Clauren, die Hauptperson Ida, des "Präsidents Wildfang": "Kein Graben war zu breit, (...) sie sprang, sie klimmte, sie schleuderte trotz dem wildesten Jungen; hatte sie doch selbst einmal heimlich ihren Damensattel auf den wilden Renner ihres Bruders, des Lieutenants, gebunden und war durch die Stadt gejagt, als sollte sie Feuereiten!" 220] Hauffs Stil ist hier parodistisch übertreibend; in der Stilebene fast salopp; das Bild vom "Feuerreiten" läßt nur die Eile und Wildheit, eine Unangemessenheit im Verhalten der Frau, keineswegs eine mysteriöse Assoziation, zum Feuerbannen etwa, sinnfällig werden.

Auch aus Kerners "Bilderbuch aus meiner Knabenzeit", 1849 erschienen, ist uns dieser einfach-direkte Bildgebrauch überliefert; er schildert darin ein "durchgegangenes" Pferd: "Der Professor klemmte seine kurzen Füße wie Krebsscheren in den Gaul ein, (...) und schrie mit verzweifelter Stimme: 'Holet den Gaul ein!' Das Pferd rannte mit ihm durch das Tor. (...) Man glaubte, es kommen Feuerreiter angesprengt." 221]

Auch dieser Beleg spricht für einen völlig unbelasteten Wortgebrauch, um die übertriebene Hektik eines Geschehens zu unterstreichen.

Wir sind m.E. somit berechtigt, zumindest für die frühe Fassung des "Feuerreitens" bei Mörike diese recht geläufige Bildlichkeit zugrunde zu legen. Eine weitere, von H. Fischer im "Schwäbischen Wörterbuch" notierte Bedeutung wird unserem Gedicht noch mehr gerecht; er führt "Feuerreiten" als Synonym für "Hitzkopf" auf und fügt zur Erklärung hinzu; "Eine besonders eifrige Abteilung der Tübinger Burschenschaft in den 1820er Jahren hieß die 'Feuerreiter'" 222].

Der Rückschluss mit diesem Beleg ist nun, wie ich meine, kein Zirkelschluss, sondern eine auf der Grundlage allgemeinen schwäbischen Wortgebrauchs, nicht nur des Mörikeschen, nachgewiesene Möglichkeit, die Bildlichkeit des "Feuerreitens", unverstellt von abergläubischen oder mythologischen Konnotationen, als unmittelbare Kennzeichnung eilfertigen, "feurigen", auch leichtsinnigen "hitzköpfigen" Handelns zu verstehen.

In dieser Bedeutung sehe ich den "Feuerreiter" fundiert, den Mörike 1824 verfasste und bis 1838 im wesentlichen unverändert veröffentlichte; das ganze Gedicht in Struktur, Poetik und Intention ist damit aber noch nicht erfasst und kann auch im Rahmen des Themas dieser Arbeit nicht geklärt werden.


12.  Der topische Interpretationshorizont der angezeigten politischen Motive "rote Mütze" und "Reiter"

Um den endgültig aussagekräftigen, weil wahrscheinlichen Interpretationshorizont zu erweitern, möchte ich in diesem Abschnitt noch mehrere Komplexe erörtern, auf die schon verwiesen wurde: zur Topik der "roten Mütze" und zur Figur des "Reiters".


12.1.  Die "rote Mütze" als französische "Freiheitsmütze"?

Im Bereich des Öffentlichen, des Politischen, lassen sich viele einprägsame Symbole ausmachen; ein Symbol ist hier ein Konkretum, das für einen bestimmten kollektiven Sinn steht, für einen Bewußtseinsinhalt, den es gesellschaftlich zu vermitteln, z.B. politisch zu propagieren gilt.

Diese Symbole sind bildliche Verständigungsmittel, ikonische Zeichen, die die Solidarisierung einzelner Betroffener zu einer handlungsfähigen Gruppe, gar einer ganzen Gemeinschaft, erleichtern.

Arnold Rabbow, ein Historiker, schreibt dazu: "Gerade die modernen, übernationalen Symbole und Zeichen fassen politische Leitbilder, Machtansprüche, Forderungen, Kampfansagen, zuweilen sogar ganze Weltanschauungen, Ideologien zusammen und transponieren sie in ein einziges bildähnliches Zeichen" 223]. Ein solches, allerdings heute nicht mehr unmittelbares einsichtiges Symbol ist die "rote Mütze", die Freiheitsmütze der Französischen Revolution, deren materielle und ideelle Vorgeschichte freilich bis in das antike Rom 224] zurückreicht. In der Französischen Revolution wurde sie, wie übrigens alle modernen, nationalen Symbole, durchgeformt und setzte sich in der europäischen Geschichte durch.

Rabbow schreibt über die Verwendung dieser "roten Mütze": Sie war "im Gegensatz zur Trikolore kein nationales Symbol, sondern verfocht den kühnen Gedanken der Menschheitsbefreiung" 225]. Von ihrer Verbreitung berichtet er: "In Europa kam die Freiheitsmütze nach ihrer anfänglichen schnellen Verbreitung verhältnismäßig bald aus der Mode, da sie einerseits stilistisch zu stark mit dem antikisierenden Zeitgeist des späten 18. Jahrhunderts verknüpft und da andererseits ihr Andenken durch das während der Schreckensherrschaft vergossene Blut befleckt war" 226]. Das stimmt sicherlich auch für die öffentliche, politische Verwendung in der nach 1815 rasch einsetzenden Restaurationsphase in Deutschland. Von Dichtern und Publizisten der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde jedoch das Wissen um den berechtigten Anspruch auf eine demokratische Verfassung, häufig in der vor-bildlichen publizistischen und literarischen Verwendung der "roten Mütze", weiterverbreitet, besonders von Georg Büchner, Heinrich Heine, Karl Gutzkow, Georg Herwegh u.a.

Ich will diesen tradierten Zusammenhang hier nur am Beispiel Büchners 227] belegen. Nicht nur im Drama "Dantons Tod" 228], das die entscheidende Phase der Französischen Revolution thematisiert, sondern zum Beweis, dass der Signalwert der politisch radikal attribuierten Jakobiner-Mütze nicht historisch tot und verblasst ist, nutzt er diesen Bildgebrauch in einem Brief aus Straßburg an Karl Gutzkow, März 1935: "Vielleicht bin auch ich dabei, wenn noch einmal das Münster eine Jacobiner-Mütze aufsetzen sollte. Was sagen Sie dazu? Es ist nur mein Spaß. Aber Sie sollen noch erleben, zu was ein Deutscher nicht fähig ist, wenn er Hunger hat. Ich wollte, es ginge der ganzen Nation wie mir." 229]. Dieser Brief des aus Deutschland geflüchteten Büchner - das von Goethe so ideel und epochenmäßig beschriebene Straßburger Münster ist also gemeint - schient mir hinsichtlich der politischen Nutzung ästhetischer Aussage vorbildlich; er zeigt, was exakt realistische Bildlichkeit als Übertragung der Revolution auf eine zentrale Institution der christlichen Religion an- und bedeuten kann. 230]

Doch es wäre eine eigene Arbeit, die Topik der Bildaussage der roten Mütze historisch exakt und vollständig nachzuweisen. Auch ein weiteres Ausbreiten der gesammelten Belege würde, so weit ich sehe, nicht den direkten Anschluß der roten Mütze des Mörikeschen "Feuerreiters" an die historisch radikale Tradition sichern.

Scheint sich Mörike 1824 bei seiner formalästhetischen Verwendung der "roten Mütze" ihres politischen Aussagewertes völlig bewußt gewesen zu sein, als er sie in ihrer Selbstzerstörung intentional gegen die sich burschenschaftlich, politisch modisch gebärdende Äußerlichkeit des nationalen Idealismus literarisch einsetzte, so hat er im krassen Gegensatz dazu in einem zu Lebzeiten unveröffentlichen, kleinen Gedicht, das auf 1826 datiert wird, der Märchenfigur Rotkäppchens ein "rot Mützchen" aufgesetzt, das keinerlei symbolische Verwendung erkennen läßt. 231]

Einen aber wiederum interessanten, gerade in die Tübinger Studentenzeit zurückweisenden Bildbeleg bietet das Gedicht "L. Richters Kinder-Symphonie" 232], ein 1861 entstandenes Hochzeitsgedicht für den Sohn eines ehemaligen Stiftskommilitonen.

Nicht in der Druckfassung, sondern nur in den zusätzlichen neuen Versen, mitgeteilt in einem Brief an Fr. Th. Vischer, ist uns folgender Text überliefert:


Jeder feire den Tag auf seine Weise;

Ich, im Stillen vergangner Jugendzeiten

Eingedenk und der alten Brüderschaften,

Will zu Ehren dem vertrauten Väterpaare

Heut am lautersten einen Becher leeren.

Ja, wenn Jener noch wäre, den wir liebten,

Säß' er jetzo bei mir in goldner Laune,

Und Jerusalems schöne Tage preisend

Trüg ich selber die Egyptische Cocarde. +


+ [Abschließend fügt Mörike eigens einen Zusatz an; A.R.]: "Der Vater des Bräutigams, (...) besaß zur Zeit, als er mit mir, mit Louis Bauer und vier oder fünf andern Kameraden im Tübinger Stift auf Jerusalem hauste, ein außerordentliches Garderobestück, einen großen Patent-Hut, welchen man, als letztes Überbleibsel der ehemaligen strengen Stipendiatentracht, in irgendeinem Winkel des Stifts vorfand. Denselben zierte unsern Freund mit einer mächtigen Kokarde, die jenes mysteriöse Prädikat erhielt. Er präsidierte martialischen Ansehens mit diesem Schmuck, wobei er nie verfehlte, uns eines der kernhaftesten Trinklieder (...) preiszugeben. Die ägyptische Kokarde aber blieb uns noch lange nachher Symbol des klassischen desipere in loco" 233].


Heiter gestimmt erinnert sich Mörike hier des studentischen Treibens, der mutwilligen Schwärmerei 234] auf der Studentenbude im Stift. Die Bedeutung der Kokarde ist aus dem von Mörike erinnerten Zusammenhang nicht voll erschließbar; dass es sich dabei um die gewollt komische, mutwillig parodistische Verwendung eines politischen Abzeichens handelt, ergibt sich, wenn wir den normalen Gebrauchswert einer Kokarde für die Zeit nach der Französischen Revolution vor Augen führen. Nach dem Sturm auf die Bastille, im Juli 1789, wurde die Kokarde, ursprünglich als Schleife, die zum Hochbinden der Hut- oder Mützenkrempe diente, "mit einem Schlage (...) Symbol nationaler, das hieß damals republikanischer Gesinnung" 235], teilt Rabbow mit.


Einen anschaulichen Beleg für den Symbolwert einer solchen Kokarde hat uns J. Kerner überliefert; er berichtet über studentisches Leben im Tübinger Stift und charakterisiert die Anstalt als politischen Unruheherd, nachdem die Ideale der Französischen Freiheitsbewegung nach Deutschland gedrungen waren und gerade im Tübinger Stift eine begeisterungsfähige Jugend fanden. Kerner überliefert aus einem Brief seines zweitältesten Bruders Louis an den in Paris lebenden, ältesten Bruder Georg 236] folgende Klage des Stiftlers: "Hier im Stift (...) wird die ganze Größe der französischen Revolution schon lang begriffen. 'Die Erde rauche von 'Tyrannenblut', das ist aller Losung; in dreifarbigen Kokarden reisen wir in die Vakanz, und 'Vive la liberté' ruft der eine, begegnet er dem Freunde, und dieser antwortet: 'Vive la Nation!'" 237].

Die Freiheitsbegeisterung im Tübinger Stift, auch etwa im förmlich organisierten Geheimbund um Hölderlin, Hegel, Schelling und Hiller, die im Stift von 1789 bis 1793 zusammen wohnten 238], ist recht gut belegt. Sie muß auch den etwa zwanzig Jahren später dort studierenden Stiftlern der burschenschaftlich orientierten Generation bekannt gewesen sein. Wenn nun Mörike und seine Freunde sich im mutwilligen Spiel dieser politischen Attribute bedienten, wie er es in seinem späten Rückblick auf das Treiben in ihrem Zimmer 'Jerusalem' festhält, so lag in dieser Studentengeselligkeit natürlich auch eine charakteristisch selbständige Distanz zu der in ihrer weiteren Umgebung praktizierten burschenschaftlichen Feuereiferei. Und nehmen wir Notters Zeugnis 239] über die Wichtigkeit von Farben, Zeichen und Symbolen als Handlungssignale noch einmal auf, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass man der 'roten Mütze' des Feuerreiters einen politischen Symbolwert zusprechen muss, der allerdings nicht dem öffentlichen, topischen Gebrauch dieses Motivs in der späteren jungdeutsch-politischen Publizistik und Dichtung gleichgesetzt werden kann. Die 'rote Mütze', mit der Mörike den politisch hitzköpfigen Feuerreiter ausstattete und mit der er ihn begraben ließ, ist die individuelle und persönliche, im Verständnis seiner Kunst fundierte Markierung und Absage an die übereifrige, burschikos-unbesonnene, sicherlich auch revolutionär-gewalttätige Aktion, gemeint.

Ob sich die Burschenschafts-Mütze historisch aus der Freiheitsmütze der Jakobiner herleitet, habe ich nicht bewiesen gefunden. Für das Verständnis, das an dieses Symbol geknüpft wurde, gerade in der revolutionär unruhigen Phase des Tübinger Stifts, also zwanzig Jahre, bevor Mörike ans Stift kam, ist Hegels Eintrag in das Stammbuch seines und Hölderlins Freundes Hiller ein originelles Zeugnis. Er trug am 7. Oktober 1793 ein:


Es lebe, wer das Rechte tut

und der den (deutschen) Freiheitshut

recht tief ins Auge drückt.

Ewig Dein Freund Hegel!" 240]

Diese uneingeschränkte, frühe Begeisterung für die politischen Ideen, die von Frankreich aus ganz Europa erfassen sollten, war für den jungen Mörike einer Skepsis gegen übereifrige, radikale Praktiken und Methoden der Verwirklichung dieser Ideale gewichen.

Mörikes Kritik an solchem Übereifer kann ich das Prädikat eines politischen Bewußtseins und einer Verantwortung und Stellungnahme und öffentlichen Lebensbereich nicht absprechen; dass er später diesen "Ur-Feuerreiter" - nach rund siebzehn Jahren Textbestand - unkenntlich machte, ist ein mit der fortschreitend restaurativen und weltflüchtigen Attitüde des Biedermeiertums kongruent verlaufende Charakterentwicklung und Figuren-Typik in Mörikes Leben und Werk.


12.2.  Exkurs zur politischen Bildlichkeit des Schachspiels

Ohne die historischen Bezüge im Detail erörtern und beweiskräftig machen zu können, sondern lediglich, um in der bei Kerner auffälligen Sinngebung des grotesken Schachspiels eine möglicherweise implizite politische Bedeutung anzugeben, stelle ich hier einige weitere Belege zu diesem Motiv zusammen. 241]

Ferdinand Freiligrath weitet das sonst eher Bild vom Schachspiel 1846 zu einer politischen Allegorie der Deutschen Verhältnisse in seinem Gedicht "Springer"; seine letzte Strophe lautet plakativ-kräftig und kritisch:

Von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt,

Von Land zu Land - mich schiert es wenig!

Kein Zug des Schicksals setzt mich matt:

Matt werden kann ja nur der König! 242]

Der vormärzliche, politisch engagierte Publizist Arnold Ruge charakterisierte die absurd-brutale Reaktion des preußischen Königs in den entscheidenden Tagen der Berliner Revolution, am 10., November 1848: "Das Ungeheure ist geschehen, die Nationalversammlung des preußischen Volkes ist von den königlichen Truppen umringt, die Bajonette umstarren den Versammlungssaal der Volksvertreter, die Kanonen rasseln um das Haus! Der König hat der Nation Schach geboten!" 243]


Selbst Mörike fügt sich, allerdings privat, mit einem kräftigen Bildakzent in diesen Kontext ein. Er schrieb, August 1850, an seinen Freund Wilhelm Hartlaub: "Du hast gewiß den Zorn- und Jammerschrei des alten Arndt aus der Deutschen Zeitung auch gelesen: 'Wer mag den Deutschen widerstehn, wenn sie wollen zusammengehn'. Er sagt nur, was ein jeder weiß und fühlt, und doch meint man, es müsste alle Welt aufrütteln und das ganze verruchte Schachbrett der Fürsten vom Tisch herabwerfen." 244]

Das Bild vom weltfremden, politisch unverständigen Mörike in seinem Pfarrhause im schwäbischen Unterland ist also auch nur eine Schablone, die ihm und seiner Zeit nicht gerecht wird; ein politisch-literarischer Publizist ist er deswegen natürlich nicht gewesen. Für die entscheidende Entwicklung seines Werkes hat R. von Heydebrand den Wandel im autonomen Kunstverständnis Mörikes herausgearbeitet; sie weist für einzelne Gedichte, die meist als gelegenheitsgebunden" abqualifiziert worden waren, ihre Legitimation als unmittelbar "aus ihrer sozialen Funktion" 245] gegeben nach. Insgesamt stellt Frau von Heydebrand die Tendenz fest: Die Kunst "darf wieder heiteres Spiel, private Plauderei und reine Unterhaltung sein und ohne Sorge um Autonomie unmittelbar der Freundschaft und Geselligkeit dienen" 246].

M.E.s war auch der "Ur-Feuerreiter" ein solches Produkt, das bei "Freunden und Bekannten" eine bestimmte unterhaltsam-gesellige, auch karikierend-kritische Funktion und daraus resultierend ein "gewisses Ansehen" hatte, das auch eine persönlich getragene, politisch-satirische Dimension besaß.



12.3. Die topische Figur des Reiters


Mörikes "Feuerreiter" war seinen Freunden sicherlich auch verständlich als Entgegnung auf das Hauffsche "Reiters Morgenlied", das von Theodor Körners nationalem Reiter- und Kampf-Pathos getragen war. Die letzte Strophe des weithin tradierten Liedes bringt die ehrende Erwähnung des Sterbens des Reiters:


Drum still

Füg ich mich, wie Gott es will,

Und so will ich wacker streiten,

Und sollt ich den Tod erleiden,

Stirbt ein braver Reitersmann. 247]



Einem solchen kriegerischen Kampf-Pathos setzte Mörike den in eigener Sache und eigener Konsequenz scheiternden "wilden Reitersmann" entgegen, der das "Ruhe wohl, ruhe wohl" (IV,8) nicht verdient zu haben scheint, oder dessen im doppelten Sinne bedarf, wie die Wiederholung der Formel anzudeuten scheint. Doch will ich diesem ironischen Akzent und der Kontrafaktur als dem Widerruf der nationalen, soldatischen Reiterfigur hier nicht weiter nachgehen.


Interessanter erscheint mir die Möglichkeit, die Reiterfigur Mörikes als eine versteckt angelegte Beschreibung eines besonders auffälligen Genies, eines sich genialisch dünkenden Menschen, zu interpretieren; der Verlauf des Gedichts berechtigt uns dann, von einer Kritik der Genie-Auffassung durch den jungen Studenten zu sprechen, der darin auf G. Ch. Lichtenberg zurückgegriffen haben könnte. Es ist nicht unmittelbar zu belegen, dass sich Mörike Lichtenbergscher Metaphorik bedient hat oder der "Feuerreiter" die bewußte Gestaltung eines Lichtenbergschen Aphorismus darstellt, wie etwa das späte Gedicht "Häusliche Szene" 248]; ich weise hier nur auf Mörikes Lektüre und seine Bewunderung der "treffenden Wortwählung" 249] Lichtenbergs hin.

In einem ausführlichen Aphorismus faßt Lichtenberg zwei bildliche Vorstellungen über ein Genie zusammen, in der Metaphorik des rücksichtslos dahersprengenden Reiters und des zerstörerischen Feuerstroms. Er kritisiert den hemmungslosen Geniekult: "Wo ich nicht sehr irre, so kommt es daher, dass man glaubt mit Genie lasse sich unmöglich von dem getretenen Pfade aus etwas Gutes sehen, sondern man müsse notwendig durch die Hecken brechen, Felder zertreten, Staub machen, sprützen und sprengen um etwas zu finden." 250]

Und in der Auseinandersetzung mit dem Herderschen Geniebegriff fährt er fort: "Der Henker halte sich da in Grenzen wenn man das Genie mit einem Feuerstrom vergleicht, dessen Wellen unaufhaltsam dahinbrausen, und durch seinen Glanz und Lärm Blindheit und Taubheit über das Geschlecht der Zaunkönige verbreitet" 251].

Beschränken wir uns hier, ohne das "Feuer" des Genies 252] unterschlagen zu wollen, auf die von Lichtenberg ausgebreitete Metaphorik des über die Begrenzungen des Alltäglichen und Ordentlichen sich hinwegsetzenden Reiters für das Genie. Gerade dieses Bild nutzt Lichtenberg noch in verschiedenen Bemerkungen, um Verletzungen des auf antiker Rhetorik beruhenden "angemessenen Sprechens" 253] ironisch zu charakterisieren.

Nach der Horazischen Formel des einfachen Stiles, der "sermo pedester", werden Lichtenbergs satirische Angriffe gegen Lavater und Zimmermann verständlich 254]; letzterer hätte der "deutschen Prose, die nun ein Paar tausend Jahre zu Fuß gegangen, gleichsam Dero Pferd offerirt" 255]; oder an anderer Stelle ähnlich scharf gegen den englischen Hogarth-Ausleger gewandt: "Sein Pegasus (denn er reitete beständig, wo er hätte gehen sollen" 256]. Ebenso verfährt Lichtenberg in folgendem Aphorismus "Er schrieb eine Art Dragoner-Prose. Denn sie geht nicht immer zu Fuß, oder Dragoner-Poesie, denn sie steigt zuweilen ab und geht in Prose zu Fuß" 257].

Diese Fußgänger- bzw. Reiter-Bildlichkeit, die die unangemessene Behandlung eines Sachverhalts - in rhetorischer Terminologie: die den Dingen (rebus) nicht zugehörigen, ordnungsgemäßen verba - satirisch aufzeigen will, mag denn für "Feuerreiten" bei Mörike, wenn ein nicht vom Dichter selbst angelegtes Zaumzeug 258], so doch ein philologisch sinnvoller, interpretatorischer Steigbügel sein, um den "Feuer"-"Reiter" als eine in satirischer Ansicht angelegte allegorische Figur, sozusagen aus dem analytischen Stegreif, erkennen zu können; als Allegorie eines (ich erfasse die erarbeiteten Merkmale zusammen) wahn-sinnigen, genialisch-poetischen, übereifrig-politisch tätigen Menschen, der an seinem eigenen, vermessenen Anspruch scheitert.

Mit dieser impliziten Genie-Kritik steht Mörike in der allgemeinen Tendenz der Biedermeierzeit, von der F. Sengle schreibt: "Das Genie ist (...) nichts als eine originale Individualität, und dies ist (...) für die Biedermeierzeit mit ihrem Ordnungsdenken noch kein hinreichender Wert" 259]. In der "Kritik der falschen Genialität" 260] steht Mörike in einer Reihe mit Schriftstellern unterschiedlicher Provenienz wie H. Heine oder W. Alexis.




13. Zur Gattungsfrage Ballade oder Romanze



Gattungsmäßige Kriterien für die Interpretation des "Feuerreiters", also die Frage nach der Abgrenzung der Ballade von der Romanze, sollen mich hier nicht über Gebühr beschäftigen. Die Sichtung der dazu vorliegenden Arbeiten soll auch nicht im einzelnen dargelegt werden; sie sind recht unergiebig.

Frau von Heydebrand übt eine auffallende Zurückhaltung gegenüber der gesamten Balladendichtung Mörikes 261], da ihre Arbeit zu Recht mehr darauf angelegt ist, Mörikes Gedichtwerk nach seinen sozialpsychologischen und individuell-künstlerischen Aspekten zu behandeln, statt es nach inzwischen zweifelhaft gewordenen Gattungskriterien zu beurteilen 262]. In der Abgrenzung von den Rollengedichten im Volksliedton stellt Frau von Heydebrand drei Merkmale für die Balladen auf, denen man sicherlich zustimmen kann: Stärkere Akzentuierung der Handlungselemente, Anklänge an Sagen und Bearbeitungen eines pseudohistorischen Stoffes. Mit einem "vielleicht" 263] schränkt sie die Zuordnung des "Feuerreiters" zum zweiten Kriterium ein.

Es scheint mir überflüssig zu sein, auf sogenannte Wesenszüge der Ballade einzugehen, die Wolfgang Kayser 264] herausstellte. Im Gegensatz zu einer solchen Betrachtung halte ich Walter Müller-Seidels Hinweis für fundamental, der sowohl von der Mörike-Philologie, als auch von den Literaturdidaktikern in ihren immer neuen Produktionen zum Thema Balladenkunst gänzlich unbeachtet blieb. Er schrieb 1963 über Mörikes Balladen: Die "'Balladenfrömmigkeit' gilt nicht mehr unbestritten" wie beispielsweise bei den anderen Autoren der "schwäbischen Schule"; "Mörike beschwört das Geisterhafte einer Balladenstimmung, um es als ein nicht mehr ganz Geglaubtes in die Schwebe zu bringen. Seine Balladen suchen Distanz" 265]. Und weiter: "Die Stellung zum balladischen Vorgang wird wichtiger als diese selbst. (...) Eben darin auch beruht die Distanz und in ihr die Glaubwürdigkeit des Ganzen, weil nicht mehr ganz Geglaubten. Mit der Ballade, mit dem Märchen und dem ganzen Zauberreich der Romantik wird ein wenig gespielt. Das ist nicht nur Mörikes Recht. Das bezeichnet zugleich seine Leistung in der Geschichte der deutschen Ballade." 266]

Doch - dürfen wir überhaupt vom "Feuerreiter" als einer Ballade sprechen? Mörike hat, soweit ich sehen kann, vom frühen Fassung immer als "Romanze" gesprochen, ohne sich aber z.B. durch Vischers Frage "Wie unterscheidest Du Romanze von Ballade?" 267] - nach dessen Lektüre einiger Druckfahnen des "Maler Nolten" - zu einer terminologischen Abgrenzung genötigt zu sehen.

Wie auch in anderen ästhetischen Fragen - z.B. ob der "Maler Nolten" eine Novelle oder ein Roman sei - scheint Mörike ein solches begriffliches Problem dem Philosophie-Professor Vischer überlassen zu wollen; eine Antwort auf dessen Frage ist jedenfalls nicht überliefert. Vischers eigener Definitionsbeitrag zu dieser Frage, in seiner zuerst 1846 erschienen Ästhetik 268] stellt nur einen Versuch in einer ganzen Reihe ähnlicher Unternehmungen dar, die immer nur eine am einzelnen normativ gewerteten Beispiel belegbare Unterscheidung schufen, deren Verallgemeinerung problematisch bleiben muss. Ich folge deshalb Sengles Erörterung in diesem Punkt: "Wo - für die Biedermeierzeit etwas problematisch - überhaupt ein Unterschied zwischen Romanzen und Balladen gemacht wird, erscheint die Romanze meist als die musikalische oder liedhaft-lyrische Form" 269], als Gegensatz zur mehr epischen der Ballade.

In diesem Dilemma greift Sengle auf eine rhetorische Tradition zurück, um innerhalb der Balladen- und Romanzendichtung nach "Tönen", nach "Stilhaltungen" 270] zu unterscheiden; er zitiert aus einer zeitgenössischen Quelle, aus Kuffners 1824-25 erschienener "Theorie der Beredsamkeit": "Man unterscheidet mehrere Arten von Balladen und Romanzen: tragische, sentimentale, komische und einfache im schlichten Volkston" 271].

Für Mörike z.B. waren Gattungskriterien kaum ausschlaggebend; für die Anordnung in seinen Gedichtesammlungen waren sie nicht bestimmend. Dort waren ihm "Ungezwungenheit und 'Mannigfaltigkeit' (...) angenehmer als eine künstliche Ordnung", wie Frau von Heydebrand 272] kürzlich nachgewiesen hat.

Dass Mörikes "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" wesentlich vom komischen Ton lebt, haben wir aus der Vorgeschichte, aber auch aus innertextlichen, sowie motivkundlichen Kriterien belegt; er wird sich auch noch aus der Analyse der kompositorischen Stellung der Romanze im Zusammenhang des "Maler Nolten" illustrieren lassen. Wenn wir den Gedichttext als komische Romanze, in der parodistische Ankläng verarbeitet sind, betrachten, ergibt sich für Mörikes Balladendichtung als erster Schwerpunkt das Jahr 1828 und nicht schon die frühere Tübinger Zeit 273].

Freilich hat Mörike das 1829 erstmals gedruckte Gedicht "Der Königssohn und die Windmüllerstochter" auch mit dem Zusatz "Romanze" 274] versehen; die spätere Umarbeitung, von der im Brief an Hartlaub vom 3.12.1841 (dem hier öfter zitierten "Feuerreiter-Brief") berichtet wird, erhält den Titel "Die schlimme Gret und der Königssohn"; und Mörike erläutert: "Alsdann habe ich Eure [der Hartlaubs] Einwendungen gegen die schlimme Greth bedacht und gefunden dass nur das Motiv aus der Vergangenheit (c.V. 3-7 inclusive und die spätere Beziehung darauf: 'Du rissest die Fahn' etc.) weggeworfen und die Einleitung etwas anders gewendet werden muß, so kann die Ballade, für die ich ein gutes Vorurteil habe, gewiß vor Euch bestehen" 275].

Man kann sicherlich nicht behaupten, Mörike habe aus der Romanze eine Ballade gemacht; aber ein mit dem "Feuerreiter" vergleichbarer poetischer Fall ist damit gegeben; das fortgefallene "Motiv aus der Vergangenheit" läßt eine solche Interpretation nämlich nicht zu, außer man könnte den konkreten Gehalt diese Strophen aufdecken; die Strophen IV und V der ersten Druckfassung von 1829 lauten nämlich:

Es riß die rothe Fahn' vom Thurm

Die Windsbraut und ihr Troß,

Es tat sich auf der Erden Grund,

Es fiel mein Königsschloß.

 

 Da schrien die Priester Ach und Weh,

Mein Volk in Waffen stand,

Bei Nacht und Nebel mußt' ich fliehn

Aus meiner Väter Land. 276]

Ich vermag nicht zu entscheiden, ob dieses "Motiv aus der Vergangenheit", das für den Königssohn entscheidend wird, als er die Windmüllertochter als "Windsbraut" erkennen muss, rein märchenhaft-mythisch oder irgendwie historisch-konkret-realistisch verstanden werden kann bzw. muss. Die bisherige Forschung gibt darüber keinen Aufschluss 277].

Für Mörike scheinen terminologische Begründungen wie ein formaler Gattungsbegriff kaum wichtig gewesen zu sein. Erst bei Einwendungen oder Nachfragen seiner Freunde scheint er sich mit ihnen auseinandersetzen; damit will ich aber nicht behaupten, dass der Dichter immer aus reiner Intuition oder freier Inspiration gearbeitet hat. Seine Bearbeitungen zeigen vielmehr, dass er sich intensiv um den Anlass, das Thema, den Stoff bemühte, um in kleinsten Nuancen seine Intentionen verständlich und künstlerisch vollkommen zu machen.

Ein einheitliches Gattungsverständnis aber ist daraus nicht zu gewinnen, obwohl ich im Falle des "Feuerreiters" zu dem etwas vereinfachenden Schluss neige, Mörike habe seine "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" durch die stellenweise Milderung und Abschwächung des ironisch-komischen Tones 278] und hauptsächlich durch die Einfügung der erzählend-motivierenden, neuen Strophe zur Ballade umgestaltet. Zusätzliche Argumente, nicht für ein einheitliches, die Jahre überdauerndes Gattungsverständnis bei Mörike, sondern für den Aussagegestus der frühen Romanze können wir noch aus der Einfassung des Textes in den "Maler Nolten" gewinnen, wenn wir den Ablauf des dort geschilderten Silvesterabends als einheitliches Geschehen betrachten, innerhalb dessen der "Ur-Feuerreiter" vorgetragen wurde.


14.  Zum Kontext des "Ur-Feuerreiters" im "Maler Nolten"

Im "Maler Nolten" werden die Ereignisse der Silvesternacht als von dem Schauspieler Larkens inszenierte Abfolge von Episoden beschrieben, vergleichbar modernen Kabarettnummern.

Larkens ist es, der Theobald Nolten und seine Freunde zur Teilnahme an dem angekündigten Maskenball drängt: "Nun, wirst du die Herren nicht bewegen, sich diesen Abend in Domino's zu stecken und ein paar Stunden mit närrischen Leuten närrisch zu seyn?" Und er verspricht ihnen, "heute im Maskensaale, so zu sagen, die Fata morgana der hiesigen Menschheit zu sehen" 279].

Abends im Saal erzählt Larkens von einer parodistischen Maskerade, die er dem Freund Nolten als wirkliches, aktuelles Geschehen darstellt. Die originelle, allegorische Szene wird aber als "ächt Larkens'sche Lüge" vom Erzähler erklärt, "die eigentlich nur ein versteckter Hieb auf den Übermuth burschikoser Studenten überhaupt war, deren einer vorhin im Saale sich durch Streitsucht prostituiert hatte." 280]

Der sich vor Mitternacht anschließende Vortrag des Liedes vom "Feuerreiter" wird zwar nicht namentlich Larkens zugeschrieben; doch durch die Art, in der er "Regie" führt, läßt sich auch hier auf ihn als den Urheber schließen 281].

Das Lied wird vom Erzähler angekündigt als eines solcher "Geschichtchen", das neben anderen "Erzählungen gleichsam einen abenteuerlichen Widerschein jener bunten Gaukelbildes des Maskensaals" 282] abgibt.

Die zur mitternächtlichen Stunde ablaufende, dritte Inszenierung des Larkens stellt die Nachtwächterepisode dar, in der Larkens dem Freund eine "wohlgemeinte Zurechtweisung" 283] erteilen will wegen seiner Vernächlässigung der Beziehung zu seiner Braut Agnes.

Zwischen der ersten Szene, einer "Farce" 284], der Demaskierung studentischen Politisierens nämlich, und der dritten, dem persönlich nachdrücklich mahnenden Freundschaftsdienst, nimmt die zweite, also der "Feuerreiter"-Vortrag, eine kompositorische und inhaltliche Mittelstellung ein, die deutlich, durch den Eintritt der Nachtwächtergestalt, szenisch verbunden ist. Larkens verhindert eine Unterbrechung, indem er dem Sänger "einen Wink" gibt, "mit der lezten Strophe" 285] fortzufahren, "deren Wirkung durch die Gegenwart dieses fremden Wesens entweder nur um so mehr erhöht wurde oder ganz verloren ging" 286]. Mörike deutet hier einen Interpretationsspielraum hinsichtlich der erklärenden, abschließenden Strophe und der in ihr enthaltenen Wertung des Figur des Feuerreiters an, ohne sie jedoch in explizite Worte zu fassen.

In der späteren, zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlichten Bearbeitung des "Maler Nolten" 287] hat Mörike diese Indifferenz zu beseitigen versucht. Dort tritt der Feuerreiter als reale Maskenfigur auf, "mit so einem obligaten historischen Schritt, wie nur irgend ein Held in Walhalla umhersteigen mag 288]; diese Figur erregt das Mißfallen der Freunde. Erst durch den Vortrag des Liedes, das wiederum als "schaurige Romanze" 289] apostrophiert wird, kommt die "poetische Figur des unglücklichen Reiters wieder zu Ehren" 290] und wird "jenes ungeschickte Bild" 291] der im Saal anwesenden Maske auslöscht.

Die im "Maler Nolten" von 1832 angedeutete Interpretationsspanne wird also in der Bearbeitung als ein doppeltes Verständnis der Figur des Feuerreiters erklärt; die maskenhafte Aktualisierung der nun mehr recht präzise beschriebenen Gestalt - "Er soll in einem kaiserlichen Regiment Hauptmann gewesen sein und seine Heimathrechte durch irgend ein Verbrechen verwirkt haben" 292] - wirkt auf die Anwesenden abstoßend; erst die von diesem Anlass losgelöste "poetische Figur" im vorgetragenen Lied findet die allgemeine Zustimmung, "ein rauschendes Bravo" 293], der Freunde um Theobald Nolten.

Proelß ordnet, für die Urfassung des "Maler Nolten", den "Feuerreiter"-Vortrag eng der kabarettistischen Burschenschaftsszene zu; er behauptet: "Diese Szene und die Romanze zusammen bilden eine Satire auf zwei Ausartungen des ersten burschenschaftlichen Lebens: die im Grunde harmlose Übertreibung des kriegerischen Auftretens und die verhängnisvolle Demagogie der Jugenbündler" 294]. Dieser sicherlich zu sehr auf dem geschichtlichen Hintergrund des von Proelß erarbeiteten Materials gewertete Zusammenhang wird in der Romanhandlung nicht unmittelbar sichtbar. Wenn wir aber die Bandbreite der vom Schauspieler Larkens inszenierten "Fata morgana" einschätzen, die von der politischen Kabarettszene bis zur freundschaftlichen Einmischung in die Liebesbeziehungen des Freundes reicht, so ist m.E. etwa in der Mitte zwischen blanker Ironie und tiefer persönlicher Anteilnahme die Intention (speziell der letzten Strophe) auszumachen, die auch als eine politisch-moralische gelten kann. Diese nicht nur vordergründig-verwegene, burschikos-politische Dimension, wie sie Proelß dem Gedicht zuschreibt, hat Mörike in der Bearbeitung des "Maler Nolten" deutlich machen wollen, als er in dem (ästhetisches Gefallen auslösenden) Vortrag der "schaurigen Romanze" die "poetische Figur des unglücklichen Reiters wieder zu Ehren bringen" wünschte 295] - in deutlicher Abgrenzung zu der "lächerlich[en]" Art, in der "man den Feuerreiter im Maskensaal producirte" 296].

Einer solchen Interpretation läßt sich der Versuch Hildegard Emmels zuordnen, der Feuerreiter-Gestalt innerhalb des Romans symbolische Bedeutung für das Schicksal der handelnden Hauptpersonen zuzuschreiben. Sie hält fest: die Ballade "spricht nicht unmittelbar von Larkens' Schicksal, doch sie behandelt ein Geschehen, in dem Larkens' Los symbolisch enthalten ist. Es besteht eine innere Verwandtschaft zwischen dem Feuerreiter, der in den Flammen umkommt, die er von jeher witterte, und dem sich in den Gefahren seines eigenen Wesens verzehrenden Schauspieler. (...) Ein unheimlich zerstörendes Element in seinem Wesen entfremdet ihn von den Freunden, und er versinkt schließlich in der Finsternis, die er selbst suchte, und die in seiner Natur immer enthalten gewesen sein muß" 297].

Den Hinweis in Lohbauers Brief auf Hölderlin bezieht Frau Emmel mit ein; er beweise, "dass von Anfang an in Mörikes Vorstellung eine Beziehung bestand zwischen dem Bild eines sich in geistiger Krankheit verlierenden Künstlers und dem 'Feuerreiter'" 298]. Und selbst Emmels weiterreichende Behauptung, "die Ballade mutet wie eine große Vision an, in der das Verderben geschaut ist, dem die Menschen der Dichtung" (also des "Maler Nolten") "ausgeliefert sind" 299], hat eine gute Berechtigung. Freilich wird hinter einer so weit gefassten, existenziellen Interpretation der vorher ausgemachte, konkrete historische Anlass nicht mehr sichtbar; diesen Kern aber hat Mörike später selber als "feurigen Liberalismus" gekennzeichnet, und zwar in einem Brief an seinen Bruder Karl, der auf dem Hohen Asperg "wegen revolutionärer Umtriebe" gefangen saß. Er schrieb ihm am 6.12.1831: "Grade zu der Zeit, als Du etwa im November vorigen Jahres die ersten demagogischen Mystifikationen im stillen angelegt haben magst und ich noch keine Ahnung von solchem Spuk hatte, war ich daran, ein Motiv für die Gefangensetzung des in der Novelle vorkommenden Schauspielers Larkens zu erfinden. Ich ließ ihn, wiewohl nur aus humoristischem Interesse, an einer demagogischen Jünglingsverbindung teilnehmen, die er unter der Maske der feurigsten Liberalismus lustig zum besten hat" 300].

Im "Maler Nolten" nahm Mörike diese Bildlichkeit wörtlich wieder auf: "Hinter der Maske des feurigsten Enthusiasten" verbarg er "seine Gleichgültigkeit und Geringschätzung" 301] den politischen Aktivitäten gegenüber - so wird Larkens charakterisiert - "indem er sich das Vergnügen nicht versagen konnte, seine Genossen auf eine jedenfalls unverantwortliche Weise zum besten zu haben. Er schrieb ihnen Briefe voll schwärmerischen Schwungs, machte die absurdesten Vorschläge und wusste den Verdacht einer bloßen Äfferei durch eine kunstvolle ironische Einkleidung, durch abwechselnd vernünftige Gedanken, sowie durch die höchste Konsequenz in der persönlichen und mündlichen Darstellung zu entfernen, so dass ihn die Gesellschaft zwar für ein seltsam überspanntes, doch aber höchst talentvolles Mitglied ansprach" 302].

Als ein Kabinettstück dieses satirischen, effektvollen Politisierens kann die Burschenschaftsszene der Silvesternacht gelten; auch den "Feuerreiter" dazuzurechnen, sind wir gewiß berechtigt. Doch ist festzuhalten, dass Mörike schon im "Maler Nolten" die Bedeutung dieses Gedichtes zu verallgemeinern sucht, auch um es von einer Wertung zu entlasten, der er die satirisch ambitionierte Politkunst des Schauspielers unterwirft, indem er von der "jedenfalls unverantwortlichen Weise" 303] spricht, in der Larkens das burschenschaftliche Engagement seiner Freunde dem raffiniert inszenierten Spott preisgibt.

Es ist sicherlich kein unangemessener Biographismus, aus dieser Charakterisierung Larkens innerhalb des Romans zurückzuschließen auf Mörikes eigene satirische Auseinandersetzung mit den burschenschaftlichen, von ihm selbst als "demagogisch" bezeichneten Aktivitäten der Freunde in seiner Studentenzeit.

Zu vielen, schon erörterten Details kommt hier noch Mörikes Hinweis auf die "kunstvoll ironische Einkleidung" der von Larkens verfassten Späße. Eine solche eigene Gestaltung haben wir für den "Feuerreiter" schon mehrfach behauptet bzw. bewiesen.

Von diesem ironisch-komischen Ton her sind denn auch alle Schwierigkeiten, Brüche und daraus resultierend Mörikes lebenslanges Bemühen um sein Jugendgedicht zu erklären. Alle Änderungen beziehen sich einerseits auf die neue Motivierung des tödlich verlaufenden Feuerreiterschicksals, andererseits auf die Milderung und Beseitigung des nach der christlichen Umdeutung nicht mehr akzeptablen grotesk-komischen Tones. Dies bezeugt die erstmals von Pohl mitgeteilte Äußerung des 63jährigen Dichters: "Im bisherigen Text war mir das toll Gewühle immer störend; besonders aber der Ausdruck: das Glöcklein grillt unpassend, viel zu stark" 304].

In dieser Argumentationskette mag es auf den ersten Blick stören, dass Mörike in der letzten Fassung G4 die Schlussverse aus dem "Grünen Heft" wieder aufnimmt:

(V, 8-10) Ruhe wohl,

Ruhe wohl

Drunten in der Mühle! 305],

nachdem er zwischenzeitlich, in G2 von 1848, die eindeutig beruhigende, menschlich, sowohl pantheistisch als auch pastoral gütig-befriedende Schlußformel gewählt hatte:


Seele, du

Bist zur Ruh!

Droben rauscht die Mühle. 306]

Und wenn wir bedenken, dass gerade der Gedichtschluss die eigentlich beruhigende, poetisch harmonisierende Funktion leistet und die Befriedung des ketzerisch-heidnischen Feuerreiters, also auch die Aufhebung der die Ironie erfordernden Intention, bedeutet, so konnte Mörike diese frühe Schlußgestaltung als die poetisch wirkungsvollste unbedenklich in die letzte Fassung übernehmen. Diese Wiederaufnahme ist durch Mörikes poetologisches Verständnis abgesichert, das hier die frühe und die späte Intention des Dichters in einer Momentaufnahme zusammenfallen läßt. In Anschluss an Mörikes eigene Worte aus dem Jahre 1837 formuliert Frau von Heydebrand dieses Kunstverständnis als die Überzeugung des Dichters, "dass das Absolute der Philosophen, die 'das Reich des Schönen' zwar nicht wirklich machen und begründen, aber doch als seine 'Priester' und Mittler fungieren" 307]. Bezogen auf dieses Gedicht heißt das: Der den "feuerreitenden" Menschen in der ästhetischen Gestaltung der Romanze zur Abdankung, zur Aufgabe zwingende Mörike - in diesem Anspruch, in dieser Aussage fallen Funktion des Dichters und Priesters zusammen. Dies zeigt sich sowohl in der frühesten GH-Fassung als auch in der Eingliederung der Romanze in die Bearbeitung des "Maler Nolten", wo Mörike ausdrücklich die "poetische Figur des unglücklichen Reiters wieder zu Ehren zu bringen" wünscht; als politisches Porträt mag Mörike sie nicht mehr erhalten wissen.


15.  Mörikes "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter"

als allegorisches Gedicht

Ich habe bisher versucht zu zeigen, dass es nicht unzulässige, modern-rationalistische oder primär politisch interessierte Sicht ist, den bislang im "geheimnisvoll Umbestimmten" belassenen "Feuerreiter" als ein prozesshaft symbolisches, allegorisches Gedicht einzustufen.

Die Allegorisierung ist denn auch nicht Zug und Zug zurückinterpretierbar, wie man es von einer musterhaften Allegorie 308] erwarten könnte, in der ein Gegenstand oder eine Handlung metaphorisch beschrieben und die Metapher erzählend weitergeführt wird. 309]

Läßt sich die verbildlichte Handlung, das "Feuerreiten" - nach einem gehörigen philologischen Aufwand) - recht einleuchtend erklären, so stellt der Ort der Handlung, die "Mühle", dem Verstehen eine leichte Schwierigkeit entgegen; ich bin jedoch geneigt, diesen Ort als romantischen Topos zu verstehen, wie er nicht nur bei Mörike selber 310], sondern auch etwa in Kerners Gedicht "Der Wanderer in der Sägemühle" 311] besungen wird:

(I) Dort unten in der Mühle

Saß ich in stiller Ruh'

Und sah dem Räderspiele

Und sah dem Wassermann zu.


Ob bei Mörike eine bewusste Anspielung vorliegt oder gar ein ironisch-subtiler Bezug, bedarf noch der Klärung.

Eine allegorische Konzeption des "Feuerreiters" hat schon Georg Mayer 1921 vermutet; er nannte den scheiternden Reiter beispielhaft die "versinnbildlichte Aufregung" 312]; eine treffende Formel, die jedoch,, wenn man nicht die tiefere Bedeutung der Feuer-Metaphorik erschließt, in vordergründiger Interpretation verbliebt. Mayer paraphrasierte: "Die Ballade stellt den Verlauf eines Brandfalls dar, wobei weniger auf den äußeren Verlauf, als auf den inneren der Nachdruck gelegt ist. Das Gedicht gibt die Aufregung wieder, die eine Feuerbrunst in den Gemütern verursacht." 313] "Die Annahme erzwungener Allegorie, die Mörike ganz ferne lag" 314], will Mayer aber nicht gelten lassen. Nun lassen sich aber gerade aus den frühen Jahren allegorische Gedichte bei Mörike nachweisen, die er später teilweise wieder ihrer allegorischen Züge entkleidete. Dies gilt, wie Frau von Heydebrand erarbeitet hat, für das Gedicht "Erinnerung" aus dem Jahre 1822; Mörikes entfernte daraus einen allegorischen Einschub, wegen der "Überdeutlichkeit", der "rationalen Form" 315]. Weiterhin ist das Gedicht "Die Elemente" vergleichbar, deren Umarbeitung Mörike auch im Brief vom 3.12.1841 an Hartlaub erläutert. 316]

Überhaupt ist allegorische Darstellung auf Mörikes Frühwerk beschränkt; von Heydebrand ordnet diese Gedichte dem "erzählenden Typus" 317] zu.

Auch mit dem Verzicht auf allegorische Darstellung 318] im mittleren und späten Werk steht Mörike im direkten Zusammenhang mit der für die Biedermeier-Zeit allgemeinen Erscheinung der epochentypischen Schwundform der Allegorie. Sengle stellt fest: "Während die Allegorie im Sinne der ernsten oder gar erhabenen Begriffspersonifikation für diese Zeitalter immer ein Stück Problematik enthält, ist die Naturpersonifikation etwas Selbstverständliches und absolut Unentbehrliches" 319].

Weiterhin stellt Sengle eine "weite Übergangszone zwischen Allegorie und Mythologie" für diese Zeit fest 320]. Während er für Heine konstatiert, dass die "Naturszenerie satirisch gesehen und gefoppt" wird, schreibt er für das hier uns interessierende Gedicht: "Mythischer geht es bei Mörikes Feuerreiter zu. (...) Doch auch hier ist gelegentlich Vorsicht am Platze" 321].

Nehmen wir die Unterscheidung von mythischer und allegorischer Darstellung auf, die Frau von Heydebrand erarbeitet hat; für die erste konstatiert sie das Kriterium, "wenn sich ein gedanklicher Inhalt völlig eindeutig aus den Gestalten absondern läßt" 322]; die mythische Darstellung dagegen entspringt nicht der rationalen Konstruktion, sondern dem "denkenden Fühlen", das sich "rationaler Rechenschaft" 323] verweigert.

Dass aber nicht nur die "Mythe" deutungsbedürftig ist, sondern auch die allegorisierende Darstellung, wenn das Schlüsselwort für den Übersetzungsvorgang nicht überliefert ist, bzw. eine neu begründende Handlung eingeschoben wird, ist aus den Problemschritten dieser Arbeit klar geworden.

Die Wiederentdeckung der allegorischen Darstellung und des allegorischen Denkens verdanken wir Walter Benjamin in seiner Analyse des barocken Trauerspiels. Ich zitiere: "Während im Symbol mit der Verklärung des Unterganges das transfigurative Antlitz der Natur im Licht der Erlösung sich offenbart, liegt in der Allegorie die facies hippocratica der Geschichte als erstarrte Urlandschaft dem Betrachter vor Augen. Die Geschichte in allem was sie Unzeitiges, Leidvolles, Verfehltes von Beginn an hat, prägt sich in einem Antlitz - nein, in einem Totenkopfe aus. Und so wahr alle 'symbolische' Freiheit des Ausdrucks, alle klassische Harmonie der Gestalt, alles Menschliche einem solchen fehlt - es spricht nicht nur die Natur des Menschendaseins schlechthin, sondern die biographische Geschichtlichkeit des Einzelnen in dieser seiner naturverfallendsten Figur bedeutungsvoll als Rätselfrage sich aus. Das ist der Kern der allegorischen Betrachtung, des barocken, weltlichen Exposition der Geschichte als Leidensgeschichte der Welt; bedeutend ist sie nur in den Stationen ihres Verfalls" 324].

Zur Erläuterung ziehe ich Ulrike Backofens sprachwissenschaftliche Darstellung heran: "Die Allegorie - gebrochen und unvollendet, jedoch ihre eigene Vorstellung aus sich heraustreibend, in diesem Sinne jeweils Zweifaches bedeutend - hat dialektische Struktur. Dialektik kennzeichnet das 'Trümmerhafte' des allegorischen Trauerspiels, sofern es hinweist auf seine eigene Vollendungsbedürftigkeit und damit in der ständigen dialektischen Spannung von Todesverfallenheit und Ewigkeit, von Vergänglichkeit und Auferstehung, von Bruchstück und Totalität steht". Und sie zitiert Benjamin selbst: "'Ist doch die Einsicht in die Vergänglichkeit der Dinge und jene Sorge, sie ins Ewige zu retten, im Allegorischen eines der stärksten Motive.' Solche aufbrechende Dialektik der Allegorie problematisiert zugleich den 'falschen Schein von Totalität', der dem klassizistischen Symbolverständnis zugrunde liegt" 325].

Eine solche, moderne Vergleichshöhe sprachphilosophischer Problematik mag erstaunen, besonders hinsichtlich der hier verschiedentlich bewiesenen Einordnungsmöglichkeiten des "Feuerreiters" in Mörikes Epoche, die "Biedermeierzeit" 326], für die "allegorische Darstellung" im Benjaminschen Verständnis sonst nicht häufig oder als typisch belegt werden kann. Ich versuche deshalb an zwei Textdetails, die allegorische Konzeption als unmittelbar bildliche Darstellung (nicht als allegorische Großform) aufzuzeigen, indem ich die "ausdrücklich" mitteilbare, expressive Funktion der Sprache zugrunde lege 327].

Wie ich hier gezeigt habe, ist die "Romanze von dem wahnsinnigen Feuerreiter" in der Symbolik des Lebens (bzw. in seinen Normverstoß) als eines fortschreitenden Prozesses, eines ruhigen, harmonischen Fortganges des Strebens fundiert 328]. Ich halte diese Vorstellung für eine ähnlich ursprüngliche Versinnbildlichung, wie sie das Lebenssymbol des Tanzes in der Zeit um und nach 1900 ausmachte 329]. Von der Natürlichkeit und Harmonie eines solchen Gehens, "unseres Laufes, den jeder für sich nehmen muß" 330], aus urteilend, die ich als anthropologische und gleichzeitig kulturelle Kategorie behaupten möchte 331], hat Mörike den feuereifernden Enthusiasmus burschenschaftlicher Studenten (darunter waren auch Freunde!) als "Feuerreiten", als selbstzerstörerischen Ver-Lauf einer Lebensführung, kritisiert.

In der Durchgängigkeit und Einheitlichkeit dieser Symbolik des Ver-Laufes sehe ich einen allegorischen Prozess, der in seiner eher intuitiven als rationalen, sprachlichen Konsequenz an der Fassung GH abzulesen ist; exemplarisch sei es an der Veränderung in der folgenden, ursprünglichen Zeile verdeutlicht 332]:

GH (IV,7) Husch! da fällts wie Asche ab.

In diesem Geschehen vollzieht sich die Zuendeschreibung des nur vergleichsweise Wirklichen, bevor die dichterisch-priesterliche Gesamtbeurteilung in dem Abschluß erfolgt:

(IV,8  Ruhe wohl, ruhe wohl

drunten in der Mühle!

Diese suggestive, als eine rein bildliche, imaginative gekennzeichnete Aussage ("wie Asche"), die das gesamte Geschehen des Gedichtes in das Ungegenständlich-Zeichenhaften aufhebt und sozusagen für immer im Kunstwerk beläßt 333], wir in der Maler-Nolten-Fassung zur Beschreibung des Gegenständlich-Wirklichen:

Husch! da fällt's in Asche ab - 334].

Hier wird also das Zerfallen des lebendigen Feuerreiters realiter festgehalten; hier ist es nicht mehr die Bildebene eines allegorischen Prozesses, sondern der durch die Einleitung des Gedichtes ermöglichte gegenständliche, wirkliche Handlungsablauf des Einmaligen, das in seinem Endprodukt, der Asche, aufgezeigt wird.

Dieses wird auch deutlich aus der Textfassung, die in der Musikbeilage zum "Maler Nolten" abgedruckt ist; dort lesen wir die ursprüngliche Fassung "... wie Asche..." 335]. Dies ist gewiss nicht zufällig, sondern entspricht der Konzeption der ursprünglichen Romanze, die als Liedtext dem Mörike-Freund Louis Hetsch zur Vertonung übergeben wurde, ohne dass der Text sich auf die erläuternden Worte der Rahmenhandlung im "Maler Nolten" stützen konnte.

In der Neufassung von 1841 zeigt sich der Verlust der allegorischen Grundstruktur nicht nur in der expliziten Begründung der zur konkreten Handlung zurückgestuften Bildlichkeit (dem freventlichen Feuerbesprechen), sondern auch in der Benennung des Feuers als "rothen Hahn" 336]. Hier wird also das Feuer selber symbolisierbar, da es als ein gegenständlich-konkretes, ein allgemein erfahrenes und erfahrbares nachvollziehbar wird.

In der Urfassung war die nie benannte Symbolebene "Feuer" Hintergrund des gesamten allegorischen Prozesses. Diese ursprünglich geschlossene Bildebene wurde von Mörike aufgegeben zugunsten einer konkreten Handlung, innerhalb der das reale Feuer in der allgemein verständlichen Metapher vom "rothen Hahn" abbildbar wird 337].

Aber die allegorische Darstellung wird nicht einmal durch die Schlusszeilen in der Fassung GH von 1828 beendet, wenn sie zum Läuten der Glocke in den Strophe 1 - 4 korrespondieren: Der Leser bleibt aufgerufen zur Deutung dieses Prozesses, weil sie nicht handlungsgemäß und gegenständlich vorgegeben und aufgezeigt ist, sondern erst das Gedicht den Deutungsvollzug durch den Leser initiieren kann. Dass gerade diese allegorische Romanze nichts rationalistisch Konstruiertes hat, bewirkt ihr komisch-ironischer Darstellungsstil, der in der Fassung GH am stärksten ist; er widerlegt eine Erwartung, die, allgemein an die Form der Allegorie geknüpft, dem allegorischen Prozess in seiner unmittelbaren Bildlichkeit aber fremd ist.

Solchem gängigen Vorurteil tritt auch Walther Killy in seinem Buch "Elemente der Lyrik" entgegen, ohne Bezug auf Mörike: "Man wird also der Allegorie erst gerecht, wenn man ihre durchaus antirealistischen, lakonischen Züge, ihre Neigung, Begriffliches oder Unübersichtliches bildlich zu organisieren, würdigt. Dabei zieht sie allen anderen Gestaltungen die von der Natur vorgegebenen, unter ihnen aber die Gestalt des Menschen vor" 338].

Jedoch greift eine solche Einschätzung der Romanze weit über der von Mörike in der Gedichtausgabe letzter Hand veröffentlichten Gestalt auf eine Frühfassung zurück, deren Verständnis nur in einem relativ großen philologischen Aufwand gesichert werden konnte.

Aber nur so wird die "poetische Figur des unglücklichen Reiters" einigermaßen sichtbar, die wir als Mörikes letzte Interpretation seiner so eigenwilligen, dramatischen Jugend-Gestalt auffassen und deren Attribut "poetisch" in seinem allegorischen Charakter sehen.

Einen entscheidenden Beleg für ein solches Verständnis und eine Berechtigung meines eigenen interpretatorischen Verfahrens sehe ich in einem Brief, den Mörike nach dem Erscheinen seines "Maler Nolten" von dem Freund Ernst Friedrich Kauffmann 339] erhielt.

Kauffmann hatte im November 1832 den gemeinsamen Freund Rudolf Lohbauer im Flüchtlingslager zu Straßburg besucht, wohin der sich vor einer Strafverfolgung wegen "Pressevergehen" und "landesverräterischer Umtriebe"340] gerettet hatte, innerhalb einer intellektuellen, häufig theologischen Emigrationswelle, an der viele Mörike-Freunde unfreiwillig beteiligt waren.

Wir erinnern uns: Kauffmann und Lohbauer sind hier schon mehrfach als Zeugen benannt worden: als vertraute Freunde Mörikes, als burschenschaftlich engagierte Enthusiasten, als "Personen" in der Mörikeschen "Verlegungsposse", als Mitwisser des Entstehungszusammenhanges des "Feuerreiters" (besonders im Brief Lohbauers aus dem Jahre 1840 - dieses Wissen teilte er sicher mit Kauffmann)!

Von diesem Besuch in Straßburg berichtete Kauffmann in einem Brief vom 19.11.1832 an Mörike 341]: Lohbauer "führte (...) mich in eine Bierkneipe, wo noch viele andere deutsche Flüchtlinge sich zusammen fanden, und wo mir's äußerst heimlich zu Muthe wurde. Die Stube war zum Erdrücken voll, und hier hörtest du französisch dort deutsch sprechen, was gar lustig unter einander klang. Ich erzählte Rudolf vieles von deinem Maler Nolten und mußte ihm versprechen, ihm denselben zu schicken, auch sangen wir den Feuerreiter. Unsere poetische Stimmung teilte sich nach und nach dem ganzen Tische an dem wir saßen und an dem viele wackere Studenten und Officiere und andere ordentliche Leute sich einfanden mit, und statt des ewigen politischen Einerley's ergab sich eine freundliche und oft sehr geistreiche Unterhaltung" 342].

Beim Zitieren des Feuerreiters also, der erinnerungsstarken Romanze aus ihren Studententagen, für die ihr eigenes Handeln Anlaß und Gegenstand der "tiefen Bedeutung" und des "tragischen Spotts" 343] war, kommen sie zu einer "poetischen Stimmung", die die eigene (besonders für den politischen Flüchtling Lohbauer) mißliche Lage sich natürlich nicht materiell verändert und die Flüchtlinge ihren politischen Zielen auch nicht näher bringt, die ihnen aber eine Chance der "freundlichen" und "geistreichen", die oberhalb des "ewigen politischen Einerley's" eine ästhetische Erfahrung vermittelt, die die Einbringung der wirklichen Bedrängnisse der Anwesenden in die allgemeine, weil kommunikativ wirkende poetische Stimmung erlaubt. Eine solche Unterhaltung befriedigt m. E. die nicht immer von den gesellschaftlich-politischen Erfordernissen abgedeckten persönlich-subjektiven Bedürfnisse in der objektiv (jeweils akzeptierten) Form der ästhetischen Handlung.

Für Mörike mag dieser Bericht Kauffmanns das "gewisse herkömmliche Ansehen" bei "Freunden und Bekannten" ausgemacht haben; er verstand es als lebenslange Verpflichtung, diesen so situationsgebunden verständlichen "Feuerreiter" als "poetische Figur" allgemein verstehbar zu machen - auch um den Preis einer schwerwiegenden Umgestaltung, d.h. Veränderung der frühen Intention.

 

16.  Rezeptionsbelege:

Auffallende Mörike-Reminiszenzen bei Lyrikern oder in anderer, diskursiver Literatur sind selten. Nicht die Urfassung, die Romane, sondern die endgültige, entpolitisierte Fassung ist durch die Anthologien tradiert.

Georg Trakl nimmt hier eine Sonderstellung ein:

16. 1. Georg Trakls Gedicht "Der Gewitterabend"

Georg Trakl schrieb 1913 das Gedicht "Der Gewitterabend"; ich sehe es als einen besonderen Beitrag zur sozialen Topik der "Gewittermetaphorik" in der deutschen Literatur, die schon immer - im „Sturm und Drang“ als Protest der Gattung Mensch gegen Götterabhängigkeit geboren, seit der Romantik restituiert - eine allgemein-weltliche und eine individuell-existenzielle Deutung des Selbstverständnisses und der Beauftragung des Genies in seiner früher göttlichen, später transzendentalen Ableitung und sozialen Sonderstellung vermittelte.

Georg Trakl: Der Gewitterabend


O die roten Abendstunden!

Flimmernd schwankt am offenen Fenster

Weinlaub wirr ins Blau gewunden,

Drinnen nisten Angstgespenster.


Staub tanzt im Gestank der Gossen.

Klirrend stößt der Wind in Scheiben.

Einen Zug von wilden Rossen

Blitze grelle Wolken treiben.


Laut zerspringt der Weiherspiegel.

Möwen schrein am Fensterrahmen.

Feuerreiter sprengt vom Hügel

Und zerschellt im Tann zu Flammen.


Kranke kreischen im Spitale.

Bläulich schwirrt der Nacht Gefieder.

Glitzernd braust mit einem Male

Regen auf die Dächer nieder. 344


Hier verkürze ich die nötige und mögliche Interpretation auf eine einzige Bemerkung: "Feuerreiter" (ohne Genusartikel oder -attribut) "sprengt vom Hügel / Und zerschellt im Tann zu Flammen".

Hier ist der Blitz oder eine Abfolge von Blitzen die unmittelbare Vorlage der Metapher; eine literarische Tradition ist nicht angedeutet. (Ein Zusammenhang ist noch zu sehen mit der Trakleschen Farben- und Feuer-Metaphorik in

"Föhn": "Silbern zerschellt an kahler Mauer ein kindlich Gerippe" (Trakl-Ausgabe v. W.K. S. 67f.)



16.2. Ein Beleg in der Essayistik Amérys: überraschendes Beispiel einer überzeitlichen Wirkung:


Während der (ersten) Niederschrift dieser (Examens-)Arbeit erschien Jean Amérys "Roman-Essay" "Lefeu oder Der Abbruch". In ihm ist die "rote Mütze" des Mörikeschen "Feuerreiter" (in der fünfstrophigen Fassung) auslösendes Signal einer assoziativen Motivkette. Die Hauptfigur Lefeu, recte Feuermann, verursacht, gestaltet und erlebt als Künstler sein eigenes, seiner Eltern und seiner kapitalistischen Gesellschaft Ende im ver- und zerstörenden "Glanz-Verfall" des vernichtenden Feuers.

Ohne hier schon eine Analyse leisten zu können, zitiere ich und verwiese auf den Zusammenhang des Kapitels "Die rote Mütze": "Da schwankt im Wind die seitlich abgebogene Rote Mütze, da recken die langen Hälse von Roß und Reiter sich vor, da klappern die Hufe und wiehern in die Nacht die Gelächter des Zornes, denn jetzt soll die Untat ausgelöscht werden durch die Untat. Der Rausch ist der Gebieter. Ohé cavalier de feu, bei den Schwaben warst du nichts nütze - es waren Hölderlin und Hegel keine Jakobiner -, aber hier, querfeldein durch Qualm und Schwüle kletterst du über die Feuerleiter bis in die Gipfel der Turmhäuser von Paris." 345]

Améry erläutert in seinem abschließenden Kapitel "Warum und wie": Nachdem Lefeu den Feuerreiter gesehen hatte, "mündete die Verfallsucht in den Tod ein. Den Tod, sage ich ausdrücklich und nicht: ein zufälliges Sterben während revolutionär-violenter Brandstiftung" 346].

Im Gegensatz zum intendierten Willen Jean Amérys scheint mir "Lefeu" eine modern-pessimistische Gegenfigur zu Mörikes "Feuerreiter" zu sein, der Zentralfigur der Urfassung freilich, von der Jean Améry philologisch und historisch offenbar nichts wußte, weil die literarische Tradition abgerissen ist.


    1. Was vergessen wurde – was nicht beschrieben wurde in der Mörike-Forschung – ich stelle einen Text, eien Fragment von Theodor Fontante (1880/82):

      Fontane über moderne Dichtung, einschließlich Mörikes:


Hier spricht Fontane in einer Textgesralt aus der Novelle Oceane von Perceval:

Eine entzückende Seite in unserer modernen Kunst ist das Hervorkehren des Elementaren. Das Geltendmachen seiner ewig sieggewissen Macht über das Individuelle, das Menschliche, das Christliche. In unserer klassischen Dichtung finden Sie's nicht. Die einzige Ausnahme, die mir vorschwebt, ist Goethes »Fischer«. »Oder die Leonore.«

»Nein, das ist etwas anderes. Das Spukhafte, das Gespensterwesen steht dem Menschlichen und Religiösen viel näher. Es ist die Nachtseite jener Lichtseite, die wir Glauben nennen. Aber mit a11dem hat das Elementare nichts zu tun. In Wagner haben wir's überall. Aber wir haben einen Vorlaufer.«

»Und der war?«

»Mörike. Die Schwaben haben also auch das.«

»]a, man muß es ihnen lassen und dem Mörike. Es zieht sich durch seine ganze Dichtung. Der Feuerreiter. Die Sturmgret. Ist denn das alles etwas Apartes und Neues? Es ist ein neues, apartes Wort, aber nicht ein apartes Ding; die Sache war längst da. Und wie bei so vielem läuft alles nur auf einen Streit um Worte hinaus. Elementar. Elementar ist alles. Alles an und in uns ist Teil vom Ganzen, und dieser Teil will ins Ganze zurück. Ich will nicht Pantheismus damit predigen, keinen Augenblick, ich predige nur einen christlichen Satz damit, und wenn wir Gottes Kinder sind, Ausströmungen seiner Herrlichkeit, so drängt alles nach Wiedervereinigung mit ihm. Die Sünde hinderte daran, die Versöhnungslehre, der Versöhnungstod hat die Barriere wieder weggeräumt und wir kehren in Gott zurück, von dem wir ein Teil sind. ~asser, Feuer, Luft sind auch Elemente, sind auch Ganzheiten und schicken Teilchen in die Welt und nach dem alt~n Gravitationsgesetz wollen diese Teilchen, auch diese Teilchen, in ihre Ganzheit zurück. Und das ist es, was unserer neuen Kunst und Dichtung einen Charakter gibt, und so haben wir eine Melusine, einen Salamander, eine strmgret. Und ich glaube, solche Gestalten leben nicht bloß in Dichtungen.“


(Aus: Oceane von Perceval. (Entwurf eines Novelle). Aus dem Nachlass herausgegeben von Ernst Heilborn. Im Fontane-Buch. 1919. S. Fischer Verlag. Berlin. - Wiedergegeben nach Karl Christoffel: Lerne denken mit dem Herzen. Th. F.s Selbstbildnis.Lebensweihesit. Weltbetrachtung. Heidelberg: Verlag Lambert Schneider: 1986. S. 219f. - Ein anderer Foae-Fragment zu Oceanw von Perceval haben in Fragmenteu nd frühe Erz#hlungeen. Nachträge . (München 1975. S. 284ff.) vorgestellt, in dem der erzählrische Zusammenhang und der Argumentation zu dem Schwaben Mörike nicht so eindeutig bestimmbar ist.


Ich erkenne hier den Text und den Kontext zweifelsfrei in seiner erzählerischen Gestaltung und elementen Lobpreis des Element gegeben, den Feuerereiter und die Magie und die Dramatik der Feuers im Mittelpüunkt der Poetik Fontanes besteht Ichc erkenne Darin Fontanes Temperament in Gestus und Gestaltung, In seiner Existenz und seinen Produdktion (auch wenn sie hier als Fragment vorliegt.




Quellen- und Literaturverzeichnis (Stand 1974; ergänzt 1996):



I. Werke Mörikes


Mörikes Gedichte in seiner Dorchen Mörike gewidmeten Handschrift, 1828 datiert. Faksimile-Druck [Grünes Heft = GH]. Stuttgart 1954.


E. M.: Gedichte. Stuttgart und Tübingen 1838. [G1]


Mörikes Werke. Hrsg. v. Harry Maync. Leipzig und Berlin. 2. Aufl. 1914.


E.M.: Sämtliche Werke. Hrsg. von Herbert G. Göpfert. München: 3. erweiterte Aufl. 1964 [Göpfert-Ausgabe]


E. M.: Werke und Briefe. Bd. 3. Maler Nolten. Hrsg. v. Herbert Meyer. Stuttgart 1967. [Hist. krit. Ausg. Bd. 3]


E. M.: Werke und Briefe. Bd. 4. Maler Nolten. Bearbeitung. Hrsg. v. Herbert Meyer. Stuttgart 1971. [Hist. krit. Ausg. Bd. 4]


E. M.: Werke und Briefe. Bd. 5. Maler Nolten. Lesarten und Erläuterungen. Hrsg. v. Herbert Meyer. Stuttgart 1971. [Hist. krit. Ausg. Bd. 5]


E. M.: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 3. Briefe. Hrsg. v. Gerhart Baumann. Stuttgart 1959. [Baumann-Briefausgabe]

E. M.: Briefe. Ausgewählt und herausgegeben von Karl Fischer und Rudolf Krauss. 2 Bände. Berlin 1903/04.

Briefwechsel zwischen Eduard Mörike und Friedrich Theodor Vischer. Hrsg. v. Robert Vischer. München 1926.

E. M.: Briefe an seine Braut Luise Rau. Hrsg. v. Friedhelm Kemp. München 1965.


II. Mörike-Bibliographien:


Unger, Helga: Mörike-Kommentar zu sämtlichen Werken. München 1970.

Doerksen, Victor G.: Die Mörike-Literatur seit 1950. Literaturbericht und Bibliographie. In: DVjs. 47/1973. Sonderheft Forschungsreferate. S. 343 - 397.

(Abkürzungen der Mörike-Literatur nach Doerksen)


III. Werkausgaben anderer Dichter:

Améry, Jean: Lefeu oder Der Abbruch. Roman-Essay. Stuttgart 1974.

Brecht, Bertolt: Gesammelte Werke in zwanzig Bänden. Bd. 9. Gedichte Teil 2; Band 10. Gedichte Teil 3. Frankfurt/M. 1968.

Bobrowski, Johannes: "Hölderlin in Tübingen". In: J.B.: Das Land Sarmatien. Gedichte. München 1966 (dtv sr 55). S. 87.

Büchner, Georg: Werke und Briefe. Hamburger Ausgabe. Hrsg. v. W. R. Lehmann.

Bd. 1. Darmstadt. 2. Aufl. 1974.

Bd. 2. Darmstadt. 1972.

Celan, Paul: Tübingen, Jänner. In: P. C.: Die Niemandrose. Frankfurt/M. 1963. S. 24.

Freiligrath, Ferdinand: Neue Gedichte. Stuttgart 1877.

Hauff, Wilhelm: Sämtliche Werke. Band 1 -3. Textredaktion: Sibylle von Steinsdorff. München 1970.

Heine, Heinrich: Sämtliche Schriften. Bd. 1 - 6. Hrsg. v. Klaus Briegleb. München 1968ff.

Herwegh, Georg: Werke. Hrsg. v. Hans-Georg Werner. Berlin und Weimar 1967.

Kerner, Justinus: Die lyrischen Gedichte. Stuttgart und Tübingen. 4. Aufl. 1847.

Kerner, Justinus: Die Reiseschatten. Eingeleitet, mit Anmerkungen versehen und hrsg. v. Walter P. H. Scheffler. Stuttgart 1964.

[Kerner] Das Leben des Justinus Kerner. Erzählt von ihm selbst und seiner Tochter. Hrsg. v. Karl Pörnbacher. München 1967.

Kerner, Justinus: Nachricht von einer Feuerseherin. In: Magikon. Bd. V, Heft 1. 1851. S. 301.

Kraus, Karl: Beim Wort genommen. Hrsg. von Heinrich Fischer. München. 2. Aufl. 1965.

Lehmann, Wilhelm: Sämtliche Werke. 3 Bände. Gütersloh 1962.

Lichtenberg, Georg Christoph: Schriften und Briefe. Hrsg. v. Wolfgang Promies. Band 1. Sudelbücher. München 1968.

Tieck, Ludwig: Schriften. Berlin 1829. Nachdruck Berlin 1966.

Weiss, Peter: Hölderlin. In: Spectaculum Bd. 16. Frankfurt/M. 1972. S. 213 - 320.

Zimmermann, Wilhelm: Gedichte. Stuttgart. (1. Aufl.) 1832; (2. Aufl.) 1839.


IV. Sekundärliteratur zu Mörikes "Feuerreiter"-Ballade:

(Alle aufgeführten Titel wurden eingesehen, auch wenn, wie z.B. wegen Unergiebigkeit die Titel von G. Schwarz, F. E. Snow und W. Zemp, innerhalb der Arbeit nicht eigens diskutiert werden.)

Brechemacher, J.K.: Der Feuerreiter in Dichtung und Sage. In: Der Schwabenspiegel 4/1910-1911. S. 340 - 342.

Mayer, Georg: Mörikes "Feuerreiter" - eine expressionistische Ballade. In: Der Schwäbische Bund. 4/1921. S. 472 - 478.

Mundhenk, Alfred: "Der umgesattelte Feuerreiter". Eine Studie zu Mörikes Ballade und ihren beiden Fassungen. In: Wirkendes Wort. 5/1955. S. 143 - 149.

Pohl, Rainer: Zur Textgeschichte von Mörikes 'Feuerreiter'. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 85/1966. S. 223- 240.

Schwarz, Georg: Die Magie des Feuers. Eine vergleichende Studie. In: Baden-Württemberg 16/1967. S. 25.

Snow, Frank E.: Moerikes "Firerider". An Interpretative Tale. In: Modern Language Journal 28/1944. S. 590 - 596.

Wasmer, Udo: Eduard Mörike: Der "Feuerreiter". In: Die deutsche Ballade. Hrsg. v. Kurt Bräutigam. Frankfurt/M. u.a. 4. Aufl. 1969. S. 777 - 90.

Zemp, Werner: Elemente und Anfänge. Frauenfeld u. Zürich 1939. (Darin Kapital V: Der Feuerreiter. S. 82 - 114).


V.  Forschungsliteratur zu Eduard Mörike:


Adorno, Theodor W.: Rede über Lyrik und Gesellschaft. In: Noten zur Literatur I. Frankfurt/M. 1958.

Cingolani, Charles L.: Eduard Mörike. Wirklichkeit und Dichtung. Zürich 1973.

Emmel, Hildegard: Mörikes Peregrinadichtung und ihre Beziehung zum Noltenroman. Weimar 1952.

Goeßler, Pater: Allerlei Pläne der Verlegung der Universität Tübingen, insbesondere der vom jahre 1826 im Lichte Eduard Mörikes. In: Tübinger Blätter 34/1943. S. 29 - 47.

Heydebrand, Renate von: Zur Anordnung der Gedichtsammlung Mörikes. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft Bd. XVII/ 1973. S. 384 - 394.

Heydebrand, Renate von: Eduard Mörikes Gedichtwerk. Beschreibung und Deutung der Formenvielfalt und ihrer Entwicklung. Stuttgart 1972.

Holthusen, Hans-Georg: Eduard Mörike in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek/Hamburg 1971: romono 175.

Marie Luise Kaschnitz: Eduard Mörike. In: Triffst du nur das Zauberwort. Stimmen von heute zur deutschen Lyrik. Hrsg. v. Jürgen Petersen. Frankfurt/M. und Berlin 1961. 133 – 145; zuletzt in: K. L. K.: Zwischen Immer und Nie. Gestalten und Themen der Dichtung.1977. st 425. S. 279 – 299; 281f.) [Dieser Text wird nirgends in der Mörike-Philologie angezeigt.]

[Kauffmann] Eduard Mörike und sein Kreis. Eine Ausstellung aus der Mörike-Sammlung von Dr. Fritz Kauffmann. Ausstellungskatalog. Hrsg. v. Stadtarchiv Stuttgart. Stuttgart 1965.

Krummacher, Hans-Henrik: Mitteilungen zur Chronologie und Textgeschichte von Mörikes Gedichten. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft Bd. VI/1962. S. 253 - 310.

Märtens Lüneburg: Ilse: Die Mythologie bei Mörike. Marburg 1921.

Maync, Harry: Eduard Mörike. Sein Leben und Dichten. Stuttgart 5. Aufl. 1944.

Miyashita, Kenzo: Mörikes Verhältnis zu seinen Zeitgenossen. Bern u. Frankfurt/M. 1971.

Müller, Brigitte: Eduard Mörike. Grundriß seines Dichtertums. Winterthur 1955.

Nordheim, Werner von: Mörikes dramatische Jugendwerke "Spillner" und "Die umworbene Muse" - eine Einheit. In: Euphorion 48/1954, S. 90 - 94.

Notter, Friedrich: Die schwäbische Dichterschule. In: Schwaben, wie es war und ist. Hrsg. v. Ludwig Bauer. Karlsruhe 1942. S. 61 - 106.

Notter, Friedrich: Eduard Mörike und andere Essays. Hrsg. v. W. Hagen. Marbach am Neckar. 1966.

Storz, Gerhard: Eduard Mörike. Stuttgart 1967.

Storz, Gerhard: Schwäbische Romantik. Stuttgart 1967.

Vischer, Friedrich Theodor: Eduard Mörike. In: Kritische Gänge. Bd. II. Leipzig 2. Aufl. 1914, S. 20 - 49.

Wiese, Benno von: Eduard Mörike. Tübingen u. Stuttgart 1950.


VI. Weitere germanistische Literatur:


Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie. Frankfurt/M. 1970.

Backofen, Ulrike: [Artikel zu:] "Ursprung des deutschen Trauerspiels" von Walter Benjamin. In: KLL. Bd. XI. Darmstadt 1973. S. 9780f.

Baumgärtner, Alfred Cl.: Ballade und Erzählgedichte im Unterricht. München u.a. 2. Aufl. 1972.

Baumgart, Wolfgang: Die Zeit des alten Goethe. In: Annalen der deutschen Literaturgeschichte. Hrsg. v. H.O. Burger. Stuttgart 2. Aufl. 1971.

Benjamin, Walter: Ursprung des deutschen Trauerspiels. Frankfurt/M. 1972: st 69.

Benjamin, Walter: Gesammelte Schriften. Bd. III. Frankfurt/M. 1972.

Burke, Kenneth: Dichtung als symbolische Handlung. Frankfut/M. 1966.

Freudenthal, Herbert: Das Feuer im deutschen Glauben und Brauch. Berlin u. Leipzig 1931.

Gilby, William: Das Bild des Feuers bei Hölderlin. Eine genetische Betrachtung. Bonn 1973.

Gockel, Heinz: Individualisiertes Sprechen. Lichtenbergs Bemerkungen im Zusammenhang von Erkenntnistheorie und Sprachkritik. Berlin u.a. 1973.

Habermas, Jürgen: Bewußtmachende oder rettende Kritik - Die Aktualität Walter Benjamins. Hrsg. v. Siegfried Unseld. Frankfurt/M. 1972.

Jäger, Hans-Wolf: Politische Metaphorik im Jakobinismus und Vormärz. Stuttgart 1971.

Jauß, Hans Robert: Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft. In: Literaturgeschichte als Provokation. Stuttgart 1971.

Killy, Walther: Elemente der Lyrik. München 1972.

Lang, Wilhelm: Rudolf Lohbauer. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte. N. F. 5. Jg. 1897. S. 1149 - 188.

Martini, Fritz: Wilhelm Hauff. In: Deutsche Dichter der Romantik. Hrsg. v. Benno von Wiese. Berlin 1971. S. 442 - 472.

Kelletat, Alfred: Rudolf Lohbauers Hyperion-Brief und Hyperion-Bild aus dem Jahre 1824. In: Hölderlin-Jahrbuch. 10/1957. S. 182 - 190.

Luxemburg, Rosa: Schriften über Kunst und Literatur. Dresden 1972.

Müller-Seidel, Walter: Die deutschen Ballade. Umrisse ihrer Geschichte. In: Wege zur Ballade. Bd. II. Interpretationen von Balladen. Hrsg. v. Rupert Hirschenauer und Albrecht Weber. München u. Zürich 1963. S. 17 - 83.

Oehlmann, Werner: Reclams Liedführer. Stuttgart 1973.

Ryan, Lawrence: [Artikel zu:] Hyperion oder Der Eremit in Griechenland" von J. Chr. F. Hölderlin. In: Kindlers Literatur-Lexikon. Bd. V. Darmstadt 1970. S. 4701f.

Schmidgall, Georg: Die Französische Revolution im Stift und die Tübinger Burschenschaft. Das Stammbuch des C.F. Hiller. In: Tübinger Blätter 35/1946-47. S. 37 - 48.

Sengle, Friedrich: Biedermeierzeit. Deutsche Literatur im Spannungsfeld zwischen Restauration und Revolution. 1815- 1848. Bd. I. Stuttgart 1971. Band II. Stuttgart 1972.

Töming, Jürgen C.: Bildlichkeit. In: Grundzüge der Literatur- und Sprachwissenschaft. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold und Volker Sinemus. München 1973. S. 187 - 207.

Vischer, Friedrich Theodor: Über das Erhabene und das Komische. Einleitung von Willi Oelmüller. Frankfurt/M. 1967.

Walter, Karl: Rudolf Lohbauer. In: Lebensbilder aus Schwaben und Franken. Bd. IX. Stuttgart 1963. S. 188 - 217.

Weber, Albrecht: Ballade. In: Lexikon der Deutschdidaktik. Düsseldorf 1973 [O.S.; Loseblattkartei].

Wildbolz, Rudolf: [Artikel zu:] Kunstballade. In: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bd. I, 2. Aufl. S. 902 - 908.

Ziegesar, Ernst von (Hrsg.): Tagebuch des Herzoglich-Württembergischen Generaladjutanten Freiherrn von Buwinghausen und Wallmerode über die "Land-Reisen" des Herzogs Karl Eugen von Württemberg in der Zeit von 1767-1773. Stuttgart 1911.



VII.  Allgemeine Nachschlagewerke:


Bächtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Berlin/Leipzig 1927. 1942.

Fischer, Hermann: Schwäbisches Wörterbuch. Tübingen/Stuttgart 1904 - 1924.

Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. III. Hrsg. v. H. Grundmann. Stuttgart 9. Aufl. 1970.

Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin 20. Aufl. 1967.

Rabbow, Arnold: dtv-Lexikon politischer Symbolik. München 1970.

Der kleine Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch. München 1961.

*


VIII Nachtrag:

Neuere Arbeiten zu „Der Feuerreiter“:

1. Eva Reiprich: Eduard Mörike: Der Feuerreiter. Eine kurze Interpretation. (Original in:http://mediaculture-online.de/fileadmin/bibliothek/moerike_feuerreiter/moerike_feuerreiter.html

2. Christoph Brede: Ein Interpretationsansatz zu Eduard Mörikes ‚Feuerreiter‘

http://www.reiprich.com/Feuerreiter_brede.pdf

http://de.wikisource.org/wiki/M%C3%B6rikes_%E2%80%9EFeuerreiter%E2%80%9C


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Bilder: http://www.peregrina.de/a_S11_1.gif


Anmerkungen_

1] So lautet der Titel der frühesten überlieferten Fassung aus dem Jahre 1828 im "Grünen Heft", einer Sammelhandschrift Mörikes für seine Schwägerin Dorchen.

2] Ich zitiere nach dem Faksimile-Druck "Mörikes Gedicht in seiner Dorchen Mörike gewidmeten Handschrift". Stuttgart 1954. S. 22-24.

3] Im "Grünen Heft". Faksimile-Druck. [GH] S. 24.

4] Ein solcher Sprachgebrauch ist hier auszu-schließen. Einzig in Mörikes zu Lebzeiten nicht gedruckten "Wispeliaden" ist groteske Bildersprache in satirisch zugespitzter Funktion als Parodie nachweisbar. Vgl. von Heydebrand. S. 275 - 280.

5] So Mörike selbst im Prosabericht (in GH, S. 22): "in einer scharlachrothen Kaputze"; vgl. auch Pohls Textgeschichte. S. 226.

6] R. Pohl: Textgeschichte. In: ZfdtPh. 85/1966. S. 223-240.

7] A. Mundhenk: Der "umgesattelte Feuerreiter". In: WW 1955. S. 143 - 149.

8] Pohl: Textgeschichte. S. 224 - 229.

9] In: G1 von 1838. S.85.

10] Vgl. Pohl. S. 227; die wichtigste Änderung, die Rücknahme des Vergleichs (IV, 7) "wie Asche" in die faktisch-reale Behauptung "in Asche", wird uns hier, S. 99, noch beschäftigen.

11] In der Transkription sind nur die Kürzungen in der Mörikeschen Orthographie aufgelöst.

12] Aus dem "Grünen Heft", S. 22ff.

13] E.M.: Maler Nolten. S.

14] Pohl: Textgeschichte. S. 226, gibt einen sehr genauen Überblick über die verschiedenen Fassungen.

15] E. M.: Hist.- krit. Ausgabe. Bd. 3. S. 36f.

16] Mörike. G1 S. 85f.

17] Mörike. Briefausgabe Baumanns. S. 535.

18] Pohl. S. 227.

19] Pohl. S. 228.

20] Pohl. S. 228.

21] Pohl. S. 228.

22] B. Brecht. Werke Bd. 9. S. 610 (s. dazu die Anmerkung im Band 10. S. 16 *)

23] B.B. Bd. 9. S. 610f.

24] Vgl. das Stichwort "Freiheitsmütze" in: Rabbow: Symbole. S. 95f.

25] Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder. Gesammelt von L.Achim von Arnim und Clemens Brentano. (1806/1808) München:Winkler-Verlag 1972. S. 16f.; Zusammenhänge oder Zuordnungen zu diesem volksliterarischen Textbeleg mit der weiterhin diskutierten, poeten-literarischen Tradition sind mir bisher nicht gelungen.

26] Aus der Fülle bekannt-motivkundlicher Belege werde ich hier, S. 72ff., einige prägnante Beispiele diskutieren.

27] Vgl. das noch zu klärende Attribut "wahnsinnig" im Titel!

28] „Element“ hier als Bezeichnung für seinen gleichförmigen Charakter; zur Auseinandersetzung mit dem gerade für dieses Gedicht häufig beschworenen "Elementaren" (Mythischen oder natürlich Geheimnisvollen) vergleiche hier S. 22ff.

29] In der Gedichtsammlung A1 von 1838 finden sich diese Zeilen als wörtliche Rede des Müllers; ibid S. 86.

30] Die hier thesenartig verkürzte, bewußt kontrovers Darstellung stellt keine Polemik gegen 'Ungenannt' dar, sondern soll den schwierig-widersprüchlichen Meinungsbildungsprozess des Verfs. zu Beginn seiner Beschäftigung mit Mörikes Dichtung widerspiegeln.

31 ] Die methodische Vielfalt solchen Interpretierens kann hier nicht ausgeschöpft werden.

32] Adorno. Theorie. S. 9.

33] G. Herwegh 1839 in seiner: "Eröffnung" zur liberalen Zeitschrift "Deutsche Volkshalle. In G.H.: Werke. Hrsg. v. H.-G. Werner. Berlin u. Weimar 1967. s. 292f.[Hervorhebungen von G.H.]

34] Adorno: Rede. S. 97. - Wilhelm Lehmann, als lyrische Existenz und als Schulmeister ein doppelt erfahrener Fachmann par excellence, merkte hierzu in seinem Essay "Die gefährliche Kunst" an: "Auf Schulen und Universitäten ... verdirbt solche Betrachtweise zu Verzerrung". In: W.L.: Sämtliche Werke. Bd. 3. 1962. S. 358.

35] Aus Karl Marx' Fragmenten zitiert nach Goette, S. 130.

36] H.R. Jauß: Literaturgeschichte. S. 171.

37] Zu entgehen hoffe ich den emotional-affirmativen Gefahren einer "Einfühlungsästhetik", wie sie Walter Benjamin 1931 eindringlich als "sieben Köpfe" folgender "Hydra" beschrieben hat: "Schöpfertum, Einfühlung, Zeitentbundenheit, Nachschöpfung, Miterleben, Illusion und Kunstgenuß". W.B.: Literaturgeschichte. S. 283 - 290; Zitat S. 286.

38] Eine Sprach- und Kunstheorie, wie sie dem Verf. vorschwebt, müsste monokausaler Erklärungen ästhetischer Phänomene, z.B. der Fähigkeit, analoge und digitale Symbole zu produzieren, entraten.

39] K. Kraus: Beim Wort genommen. Hrsg. von Heinrich Fischer. S. 335.

40] Pohl. S. 224.

41] Oehlmann: Reclams Liedführer. S. 517f. Sein und, wie auch im folgenden, Rosa Luxemburgs Urteil ist wesentlich vom Verständnis der Hugo Wolfschen Feuerreiter-Vertonung geprägt.


42] E.M.: Gedichte. Vierte, vermehrte Auflage. [A 4] 1867. S. ; diese Fassung allein druckt H.G. Göpfert in seiner Mörike-Ausgabe ab: E.M: Werke. München. Dritte Aufl. 1964. S. 55f. Alle eingesehen Anthologien bieten diesen einen Text; selbst wenn wie meist das Entstehungsdatum 1824 angegeben wird.


43] R. Luxemburg: Schriften. S. 175. - Dieser Brief ist in einer von der Zensur verstümmelten Form überliefert worden; vgl. ibid S. 177, Anm. 5; meine [gekennzeichnete Rekonstruktion] soll nur dem Verständnis dienen und keinen textkritischen Wert haben.


44] Luxemburg. S. 174f.


45] Ibid; dieser Satz wirkt, gerade durch den Zusammenhang, programmatisch; R.L. verstand in einem synkretistischen Sinne die Einheit der vielfältigen Schönheiten der Welt und Schmerzen der Menschen.

46] Zitiert nach der hist.-krit. Ausgabe Bd. 5: "Maler Nolten", S. 59.


47] F. Notter: Dichterschule. In: Schwaben. S. 98.


48] So die Charakterisierung durch Mörike selbst als auktorialen Erzähler in der Rahmenhandlung des "Maler Nolten"; hist.-krit. Ausg. Bd. 3, S. 36.


49] Zum Verständnis der Ironie der "Romanze", hauptsächlich in der vierten Strophe realisiert, vgl. o., werde ich hier, S. .., weitere Belege erörtern.


50] F.Th. Vischer: Mörike. Zitiert nach F.Th.V.: Kritische Gänge. S. 36.


51] Pohl: Textgeschichte. S. 227.


52] Ibid S. 227.


53] Ibid S. 229.


54] Rudolf Wildbolz: Artikel "Kunstballade". S. 906.

55] Wildbolz: ibid.


56] von Wiese: Eduard Mörike. S. 120.


57] von Wiese. S. 121.


58] Ich kürze fortan ab: GH ("Grünes Heft"), MN ("Maler Nolten") 1832, G1 für die Gedichte von 1838.


59] Pohl. S. 224 - 229.


60] Pohl. S. 227.


61] Die Daten der Erstdrucke: GH S. 22ff.; MN, S. 45f; G1, S. 85f.


62] So formuliert Pohl (im Rückgriff auf E. Trümpler) S. 228, Anm. 23.


63] Mögliche oder plausibel tradierte Hinweise auf Entstehungszusammenhänge fertigt Pohl leichthin an, ibid S. 225, und reduziert den ganzen historischen Kontext auf die Bemerkung: "ist nicht mit Sicherheit auszumachen".


64] E.M. Briefe (Baumann). S. 535. - Auch Pohl zitiert, S. 224, nach dieser Briefausgabe, wobei ihm eine Auslassung und der Druckfehler: 3.1.1841 unterläuft.


65] Hier wird uns noch der Zusammenhang mit den "Elementen" auf S.

interessieren.

66] Vgl. hier S. .

67] E. M. Briefe (Baumann). S. 535.

68] Vgl. das Stichwort "Herkommen", im Schwäbischen Wörterbuch. Hrsg. v. H. Fischer. Bd. 3. Tübingen 1911, Sp. 1474; die wörtliche Bedeutung "herkommend", das Entstehen betreffend, wird dort bestätigt; es fällt zusammen mit der Bedeutung: das Herkömmliche.

69] J. Proelß: Hauff's 'Feuerreuterlied' und Mörike's 'Feuerreiter'. Ein Beitrag zur Geschichte der Tübinger Burschenschaft. In: Burschenschaftliche Blätter. 24. Jg. I, 1909, Nr. 9, S. 197-199; Nr. 10, S. 225-230; Nr. 11, S. 249-252; Nr. 12, S. 285-287; 24. Jg. II, 1910, Nr. 1, S. 15-17; Nr. 2, S. 37-39; Nr. 3, S. 63-65; Nr. 4, S. 94-96; Nr. 5, S. 119-121. - Der abgelegene Ort der Publikation kann nicht alleiniger Grund der völligen Mißachtung sein; Proelß' jugendbewegter Stil mag auch ein Anlaß dazu gewesen sein. - Die Zeitschrift ist in der UB MÜnster unter der Signatur Z QU 3018 einsehbar.

70] E.M. Werke. Hrsg. v. Harry Maync. Leipzig und Wien. 2. Aufl. 1914, S. 419; in seiner Mörike-Biographie (Tübingen, 5. Aufl. 1944, S. 560) hat H. Maync Einzelheiten zu Mörikes Studentenzeit aus Proelß' Aufsatz eingearbeitet.

71] Er wirke "doppelt distanziert", schreibt Pohl, S. 226.

72] Dem "jedesmal"(GH, MN; in G1, S. 85: "regelmäßig vor dem Ausbruch...") folgt ein aus dem Normalvollzug der Handlung nicht begründetes "letztes Mal".

73] Vgl. hier S. 89 - 97.

74

] Vgl. das Stichwort "Herkommen", im Schwäbischen Wörterbuch. Hrsg. v. H. Fischer. Bd. 3. Tübingen 1911. Sp. 1474; die wörtliche Bedeutung "herkommend", das Entstehen betreffend, wird dort bestätigt.

75

] J. Proelß: Hauff's 'Feuerreuterlied' und Mörike's 'Feuerreiter'. Ein Beitrag zur Geschichte der Tübinger Burschenschaft. In: Burschenschaftliche Blätter. 24. Jg. I, 1909, Nr. 9, S. 197-199; Nr. 10, S. 225-230; Nr. 11, S. 249-252; Nr. 12, S. 285-287; 24. Jg. II, 1910, Nr. 1, S. 15-17; Nr. 2, S. 37-39; Nr. 3, S. 63-65; Nr. 4, S. 94-96; Nr. 5, S. 119-121. - Der abgelegene Ort der Publikation kann nicht alleiniger Grund der völligen Mißachtung sein; Proelß' enthusiastisch jugendbewegter Stil mag auch ein Anlaß dazu gewesen sein. - Die Zeitschrift ist in der UB MÜnster unter der Signatur Z QU 3018 einsehbar.

76

] E. M.: Werke. Hrsg. v. Harry Maync. Leipzig und Wien. 2. Aufl. 1914, S. 419; in seiner Mörike-Biographie (Tübingen, fünfte Aufl. 1944, S. 560) hat H. Maync Einzelheiten zu Mörikes Studentenzeit aus Proelß' Aufsatz eingearbeitet.

77

] Den Terminus übernehme ich von Hans-Wolf Jäger: Politische Metaphorik. S. 7. - In der materialistischen Be-Wertung der Feuersymbolik schließe ich mich ihm an, nicht aber in seinem Desinteresse an künstlerischer Formgebung, mit dem Jäger der "Neutralisierung" von politisch-kritischen Inhalten zu begegnen versucht, wie er sie fortlaufend beklagt.

78

] Vgl. Mörikes Brief vom 26.12.1841 an W. Hartlaub; Briefe (Baumann), S. 541.

79

] Mundhenk. S. 146.

80

] Ibid. S. 147.

81

] Ich wähle den Terminus, weil die Begriffe Parodie oder Kontrafaktur nicht den gesamten, eigenständigen Bedeutungsspielraum erfassen können.

82

] Hauff: Werke. Bd. III, S. 370f., sowie Anm. S. 481.

83

] Ich referiere nach Gebhardt. Handbuch. Bd. III, S. 108 - 114.

84

] Gebhardt: Handbuch. S. 114.

85

] Manyc: Mörike. S. 64. - Wie selbstverständlich gebraucht hier Maync die Bildlichkeit des Feuers, um politisch-engagierte Aktivität zu kennzeichnen.

86

] Maync. S. 65.

87

] E.M.: Briefe (Baumann), S. 19f. Das Briefzitat wurde nach der hist.-krit. Ausgabe korrigiert; E.M.Bd. 10, Briefe 1811 - 1828. Stuttgart 1982, S. 33.

88

] Ich verweise auf die Zeittafel im Mörike-Kommentar von H. Unger. S. 29-35: hier S. 29.

89

] Vgl. Maync. Mörike. S. 62.

90

] E. M.: Briefe (Baumann), S. 125f.

91

] Ibid, S. 125f.

92

] Fr. Notter: Mörike. S. 58.

93

] Ibid.

94

] E.M.: Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 3, S. 32f; der Erzähler kommentiert dort entschärfend-behutsam, sozusagen gegen seine eigene bessere Phantasie, die die Szene ja schuf: Die burleske Silvester-Szene sei "eigentlich nur ein versteckter Hieb auf den Übermuth burschikoser Studenten überhaupt".

95

] Notter, ibid, S. 58.

96

] Vgl. H. Maync: Mörike, S. 65; Mörike entfernte

97

] Proelß. 24. Jg. II, Nr. 2, S. 39.

98

] Proelß gibt ibid aus seiner genauen Kenntnis der Burschenschaftsgeschichte präzise Nachweise.

99

] Reproduziert bei: Holthusen: Mörike. S. 31; die bei Proelß, Nr. 4, S. 94, gelieferte Beschreibung ist mißverständlich: "Die vier um M. [....] tragen Burschenmützen".

100

] Proelß. Nr. 2, S. 39 und Nr. 3, S. 63f.

101

] W. Hauff: Werke. Bd. 1. S. 366f. und Anm. S. 480f.

102

] Hauff. Bd. 1. S. 365.

103

] F. Martini: W. Hauff. In: Deutsche Dichter der Romantik. S. 448.

104

] Vgl. Hauffs Novelle "Das Bild des Kaisers", 1828 entstanden, in der die Sympathie des Erzählers dem Burschenschaftler und "Demagogen" gehört. In: Hauff. Bd. 2. S. 640 - 722.

105

] Proelß. II, Nr. 4, S. 94.

106

] Vgl. von Heydebrand. S. 165.

107

] Ibid. S. 284. Mörike hat den Abschiedsbrief, der auf Drängen seiner Familie zustandekam, zurückgehalten; er hat auch nach dieser versuchten Trennung Waiblinger immer ein wohlwollendes Andenken bewiesen.

108

] E.M.: Briefe (Baumann). S. 56.

109

] Von Heydebrand: Mörike. S. 284.

110

] Ibid. - Diese therapeutische Funktion von Kunst ist nicht so problematisch, wie man modern-art-erfahren vermuten könnte; sie beruht m.E. auf der immer möglichen Funktion von Sprache als einer "symbolischen Handlung", wie sie z.B. K. Burke beschrieben hat.

111

] Ich zitiere hier ohne die metrisch-rhythmische Sinnaktzentuierungen, die sinnfällig die Bewegung steigern, bzw. die spätere, abschließende Ruhe markieren.

112

] Cingolani: E. M. S. 18. - Allerdings vermißt man eine Einordnung des "Feuerreiters" in die von ihm ansonsten thematisierte Tübinger Zeit; ibid S. 27f. Cingolanis Vokabular in dem zitierten Satz ist geprägt von dem Feuer- und Bannungs-Bewußtsein im Kernbereich des Umgangs mit Poesie.

113

] Vgl. Kauffmann-Katalog. S. 90.

114

] In Mayncs Mörike-Biographie, S. 76, ohne Datenangaben.

115

] Ebd., ohne genaue Chronologie der beiden Briefe, S. 78.

116] So die Charakterisierung Lohbauers durch Maync, ibid.

117] vgl. Proelß' Untersuchung: II. Nr. 5, S. 120f.

118] Mörike: Briefe (Baumann). S- 38 - 42; hier S. 38f. - Der zitierte Ausschnitt in einem besonders dichten Zusammenhnag entnommen, so dass ich für die Imgination auf den Gedankengang des ganzen Briefes verweise.

119] Proelß. II, Nr. 5. S. 120: er sieht im Kind die "Verkörperung des Jugendtraums" und erläutert den biographischen Hintergrund des Briefes als Entwicklung des jungen Mannes Mörike.

120] Vgl. die vielleicht einfachste Beschreibung dieses ästhetischen verfahrens in einem Brief Mörikes an seine Braut Luise Rau vom 23.2.1831; gerade auf dem Hintergruind politischer Komplikationen, die auch seine Existenz als Vikar gefährden konnten, "entschlug" sich Mörike "dieser und ähnlicher Gedanken am kräftigsten dadurch, dass ich einen poetischen Lieblingsgegenstand mir recht anschaulich vor die Seele führte, und ihn nach allen Seiten recht zu durchdenken bemüht war". Dieses "innerliche Geschäft" (ibid) vermag ihn gegen den "Druck so mancher Außendinge" zu stärken. (Briefe an seine Braut. S. 134f.) - Vgl. dazu von Heydebrand. S. ..

121] W. Lang: Lohbauer. S. 157. Der Originalbrief war mir nicht zugänglich. Nach Auskunft des Mörike-Archivs im SNM Marbach ruht er in einem Stuttgarter Familienarchiv.

122] Lohbauer kam zwar erste 1825 an die Tübinger Universität; "huldigte" jedoch von 1825 bis 1827 "weniger dem Studium als dem Freundschaftskult des Kreises um Eduard Mörike, (...) sowie burschenschaftlichen Bestrebungen um die 'deutsche Einheit'" - so K. Walters Charakterisierung; in: Lohbauer. S. 194. - Von Lohbauers genauer Kenntnis der Verhältnisse zeugt ein unveröffentlichter Brief Kauffmanns an Mörike vom 19.11.1832, der hier S. 106, auszugsweise wiedergegeben wird.

123] Lohbauers Kunstverständnis geht über Vischers, des Ästhetik-Professors, Urteil weit hinaus; der verfuhr im Jahre 1844 sehr kritisch in der Beurteilung Mörikescher Poesie: "Mörikes Bruch und Stocken ist auf dem Punkte zu suchen, wo er aus der Romantik sich in die gesunde Kunstform des immanenten Ideals zu erheben sucht und doch mit dem einem Fuße im Traume, im Märchen und in der Schrulle stehen bleibt"; er kritisiert also insgesamt Mörikes Nicht-Eintritt in die sich entwickelnde Realismus-Epoche; zitiert nach: Vischer: Kritische Gänge. S. V.

124] G. Storz: Mörike. S. 275. - Storz' Argumentation, getragen von dem Urteil, Lohbauer sei kein zuverlässiger Informant und der von den Tübinger Studeten verehrte Hölderlin könne nicht gemeint sein, ist weder plausibel, noch historisch exakt; er datiert die "sensationelle Auskunft" Lohbauers in Mörikes Vikariatszeit, ibid; Mörike war seit 1834 schon Pfarrer.

125] Vgl. K. Miyashita: Mörike und Hölderlin. In: K.M.: E. M.s Verhältnis. S. 23 - 30.

126] J. Kerner: Reiseschatten. S. 31.

127] H. Maync: Mörike. S. 19, beschreibt Mörike als "damals besonders für Kerners 'Reiseschatten' begeistert.

128] Ibid. S. 116.

129] Bief vom 8.12.1810; vgl. Kerner: Reiseschatten. S. 21 und 31.

130] J. Kerner: Reiseschatten. S. 55.

131] J. Kerner: Reiseschatten. S. 56f.

132] Kernes Roman ist m. W. in der Diskussion um den jakobinisch-republikanisch engangierten Hölderlin nicht herangezogen worden. - Zum politischen Motiv des Schachspiels, bei Mörike, bei Freiligrath und Ruge, vgl. meinen Exkurs hier, S. 80f.

133] J. Kerner: Reiseschatten. S. 57f.

134] Ibid.

135] Ibid.

136] W. Baumgart: Die Zeit des alten Goethe. S. 578.

137] Vgl. Waiblingers psychologische Fallstudie über Hölderin, die erste überhaupt. Ebenso bei Miyashita, der auf S. 24 aus Waiblingers Tagebüchern zitiert: "Hölderlin ist ein wahrer, echter vom Himmel berufener Dichter".

138] Vgl. Mörikes Brief an Johannes Mährlen vom 21. Mai 1832. - Vgl. Miyashita, a.a.O. S. 27, der ihn biographisch und poetologisch als Stellungnahme gegen Hölderlin auswertet.

139] B. Müller: E. M. S. 58.

140] E. M.: Werke. Hrsg. v. Göpfert. S. 1173.

141] Ibid.

142] Ibid.

143] Vgl. W. von Nordheim: Jugendwerke. S. 91; ebenso H. Unger in ihrem Mörike-Kommentar. S. 134f.

144] Mörike (Göpfert). S. 1174.

145] In der Druckfassung nach G4 von 1867; Mörike (Göpfert). S. 100.

146] Die Beschreibung der Peregrina ("ein Irrsal", im dritten Peregrina-Gedicht) erinnert an Kerners Holder, neben dem Wahnsinn besonders die "wilden Kränze"; für "Peregrina II" ist eine Anlehnung an die "Reiseschatten" nachweisbar; vgl. R. v. Heydebrand. S. 77.

147] W. Zimmermann war seit 1825 Student im Stift und mit E. M. befreundet; W. Z.: Gedichte. S. 139-141. - In der zweiten Auflage, 1839 ebenda, S. 308-313, lautet der Titel nur noch "Hölderlin".

148] G. Storz. S. 275.

149] Kerner: Reiseschatten. S. 88. - Der Dichter im Turm ist bis in unserer Tage hinein literarisch-yrisch, als Topos des Unsagbaren oder der Suche nach dem Sinn des Lebens und oder der Poesie, tradiert; die letzten Beispiele: Johannes Bobrowskis "Hölderlin in Tübingen" oder Paul Celans "Tübingen, Jänner".

150] Notter: Dichterschule. S. 78f. - Storz rügt Kerner scharf, ohne die Zeitgenossenschaft des jungen Dichters zu sehen: "Holder ist natürlich eine Karikatur, leider eine völlig sinn- und taktlose, auf Hölderlin" (Storz. S. 50).

151] Hier S. 82.

152] Zu der Frage eines fortwirkenden, topischen Bewußtseins des "dichterischen Wahnsinns" verweise ich auf Wilhelm Lehmanns einleitenden Satz seines Essays "Dichtung und Denken": "Es gibt den Wahnsinn des reinen Denkens, und es gibt denjenigen, von welchem es in Shakespeares Sommernachtstraum heißt: 'Des Dichters Aug' in schönem Wahnsinn rollend'. Zwischen solchen Extremen liegt das Mittelreich menschlichen Trachtens." In: W.L.: Sämtliche Werke. Bd. 3. S. 393. - Auch die etymologische Forschung legt eine kritische Wertung des Begriffes nahe: "Wahnsinn (...) ist eine erst nhd. Nachbildung des älteren Wahnwitz"; vgl. F. Kluge. Etymologisches Wörterbuch. S. 832. - Das kaschierende, leichthin mißbräuchliche Element in der üblichen Wertung des Hölderlinschen Wahnsinns hat Peter Weiss aufzudecken vermocht: "Lang vernahm er wie sie Wahnsinn nannten / die Worte ihm weil sie nicht deren Wahrheit kannten". Zitat aus dem Prolog des Dramas. In: P. W.: Hölderlin. In: Spectaculum 16. S. 216.

153] Fr. Sengle: Biedermeierzeit. Bd. 1. S. 31.

154] Gilby: Bild. S. 9 - 26.

155] Eine Auseinandersetzung mit H.-W. Jägers Arbeiten zur politischen Metaphorik vermisse ich bei Gilby.

156] Gilby: Bild. S. 31.

157] Gilby: Bild. S. 32.

158] Gilby: Bild. S. 32.

159] Gilby: Bild. S. 33.

160] Gilby: Bild. S. 33.

161] Vgl. Lawrence Ryan: [Artikel zu] Hyperion. In: Kindlers Literatur-Lexikon. Bd. V. 1971. S. 4701f.

162] Der griechische Freiheitskampf, der die europäischen Philhellenen, sei es z.B. den Deutschen Wilhelm Müller, sei den Lord Byron aus England, auf den Plan der Geschichte rief, währte von 1821 bis 1829.

163] Kelletat: Lohbauers Hyperion-Brief. S.185.

164] Vgl. R. Pohl. S. 225; wegen dieses Briefes scheint er Lohbauers Zeugnis vom 27.4.1840 zum Feuerreiter abzuwerten.

165] In der Original-Diktion wiedergegeben bei Kelletat. S. 187.

166] Ebenda S. 186.

167] Ibid.

168] Proelß. II, Nr. 2. S. 39.

169] Ibid.

170] G. Storz. S. 276. Er faßt dort sein Verständnis zusammen: "So bleibt denn wohl nichts anderes übrig, als sich mit der Annahme zu begnügen, der jugendliche Dichter habe von dem Volksglauben an die Kunst des Feuerbeschwörens gewußt." Oder, auf S. 273: "Auch ohne die interpolierte Strophe erscheint der Feuerreiter als Zauberer, als dämonisch verruchte Gestalt." - Für solche Schlüsse sehe ich keinen Grund im Text.

171] Vgl. Storz. S. 275: "Unser Ballade trägt nicht anders als fast alle Jugendgedichte Mörikes die Stigmata der transrationalen Konzeption". - Zur Klassifikation des Balladenhaften vgl. hier. S.

172] Freudenthal: Feuer. 1931. - Verglichen wurde auch Freudenthals Artikels "Feuerreiter" im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. II. Sp. 1411-1415.

173] I. Märtens-Lüneburg: Mythologie. 1921.

174] Freudenthal: Feuer. S. 430ff; bes. S. 435.

175] Ebenda S. 430.

176] Ebenda S. 433.

177] Ebenda S. 436.

178] Vgl. auch J. K .Brechemacher: Der Feuerreiter in Dichtung und Sage. S. 340 - 342.

179] Freudenthal. S. 437.

180] Das Tagebuch wurde 1911 nach der Handschrift von Ernst von Ziegesar veröffentlicht: Tagebuch des Herzoglich Württembergischen Generaladjutanten Freiherrn von Buwinghausen-Wallmerode über die "Land-Reise" des Herzogs Carl Eugen von Württemberg in der Zeit von 1767 bis 1773. Stuttgart 1911; Zitat S 253ff.

181] E.M.: Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 3. S. 36.

182] Pohl, S. 230, spricht distanzierend im Zusammenhang mit dem Gerippe vom "dämonischen, besessenen (...) romantischen Sonderling".

183] Vgl. Unger: Mörike-Kommentar. S. 40.

184] Freudenthal bezieht auch Proelß' Aufsatz mit ein; gibt jedoch in der Gesamtwertung der "sagenhaften Gestalt des Feuerreiters, wie sie Mörike durch die Volksüberlieferung gekannt haben wird", den Vorzug, S. 440.

185] Märtens-Lüneburg. S. 85.

186] Märtens-Lüneburg. S. 82.

187] Ebenda S. 83.

188] Ebenda S. 84; die abschließende Bemerkung, "dennoch" sei "der Eindruck seiner Persons [des Feuerreiters] der einer gewaltigen einheitlichen Wesenheit", ibid, scheint dem dargestellten Sachverhalt aufgesetzt.

189] Die Abgrenzung mythisch von mythologisch soll hier nicht weiter belegt werden.

190] Dass gewiß hier kein Füllwort ist, sondern für Mörike und seinen Briefpartner Hartlaub, dem Freund seit 1818, bedeutungstragend ist, schließe ich aus meinem allgemeinen Mörike-Verständnis.

191] Vgl. die bibliographisch unvollständige Zusammenstellung bei H. Unger (Mörike-Kommentar), S. 175f.; ich verweise hier auf das Quellenverzeichnis.

192] Vgl. hier S. 22.

193] Vgl. Unger in ihrem Mörike-Kommentar, S. 134ff.

194] P. Goeßler. Allerlei Pläne. S. 37.

195] Ibid.

196] Ibid. S. 45, Anm. 8.

197] Ibid S. 46.

198] Spillner: "Ich bin in einer steten Exaltation "; vgl. E.M.: Werke (Goepfert). S. 1176.

199 ] Ibid S. 1176f.

200] Ibid S. 1176f.

201 ] Schillers "Lied von der Glocke"; Verse 162 und 160.

202

] E.M.: Mörike (Göpfert). S. 1177.

203

] Ibid S. 1176.

204

] Vgl. Ungers Mörike-Kommentar, S. 75; die Fragmente blieben zu Lebzeiten Mörikes unveröffentlicht. Als Entstehungszeit gilt 1833-36 (s. Göpfert-Ausgabe S. 1461).

205

] Storz. Mörike. S. 216 - 232.

206

] Nach der Göpfert-Ausgabe. S. 1083 - 1113.


207] Ibid S. 1093.


208] Ibid.


209] Ibid S. 1094.


210] Ibid S. 1095.


211] Storz: Mörike. S. 229; Freilich ist es immer leicht, Fragmente dem eigenen literarhistorischn Interesse gemäß einzuordnen; was auch für meine vorliegende Arbeit hier gilt.


212] Storz. S. 230.


213] Mörike wurde 1834, nach einem achtjährigen Vikariat, Pfarrer in Cleversulzbach. - Zu den Gründen für den Abbruch an dieser Roman-Konzeption vgl. Storz, S. 231f. Die einzige selbständige Arbeit über den zweiten Mörike-Roman, die von Maync in seiner Biographie des Dichters (5. Aufl. 1944, S. 570, erwähnten (maschinenschriftlichen) Untersuchungen der Bruchstücke eines zweiten Romans aus Eduard Mörikes handschriftlichem Nachlaß", Bern 1917, von Margarete Wiemer verfaßt, waren mir (auch unter Einschaltung des Mörike-Archivs) nicht zugänglich.

214] E.M.: Göpfert-Ausgabe. S. 55.


215] Dass die Art und Weise des dargestellten Aberglaubens unterschiedlich ist, werte ich nicht hoch; seine Verurteilung als Frevel ist in beiden Fällen entscheidend.


216] Pohl. S. 233.


217] Pohl. S. 239; Storz aber argumentiert entgegengesetzt: Zur "dämonisch verruchten Gestalt" passe der Religionsfrevel; dadurch diese Beifügung sollte die Figur nicht etwa in christlicher Sicht abgewehrt werden" (Storz. S. 273).

218] V.G. Doerksen. In: DVjs. 47/1973. S. 345.


219] H. Fischer. Bd. II. Sp. 1460.


220] Hauff. Bd. I. S. 609. - Im Gegensatz zu Sengle (Biedermeierzeit. Bd. II. S. 873f.) halte ich Hauffs Roman für ein stilistisch bewußt satirisches Produkt.


221] J. Kerner. Bilderbuch. S. 108. - Für den Geisterseher Kerner, den Herausgeber des "Magikon" von 1840 - 1851, ist dieser Wortgebrauch erstaunlich; vgl. seine "Nachricht von einer Feuerseherin, die mehrmals später eingetroffene Feuersbrünste voraussagte; die namentlich die Feuerglocke läuten hörte, wenn noch kein Mensch von einem Brande wußte (...)" (Magikon, Bd. 5. 1851. Heft 1, S. 301)


222] Schwäbisches Wörterbuch. Sp. 1460.


223] Rabbow. dtv-lexikon politischer Symbole. S. 5.


224] Vgl. ebenda das Stichwort "Freiheitsmütze", S. 95f.!


225] Rabbow. dtv-Lexikon. S. 95; er zitiert auch aus dem "siegesgewissen Lied 'Les voyages du bonnet rouge'" (S. 96).


226] Rabbow. S. 96.


227] Die gesammelten Belege zur "roten Mütze" gäben einen eigenen kleinen motivkundlichen Aufsatz ab. Für Heine will ich hinweisen auf Belege in: "Die romantische Schule", erstes Buch. In: H.H.: sämtliche Schriften. Bd. III. S. 390. Und: "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland". Zweites Buch. In: Ebenda. S. 567.

228] Belege in Büchners "Dantons Tod". In: G.B.: Sämtliche Werke. Bd. I. S. 10 Z. 16; S. 19 Z. 14; S. 25 Z. 17.

229] G.B.: Bd. II. S. 436.

230] Der Bildzusammenhang als Zeugnis der projektierten Ideen eines deutschen Revolutionärs angesichts der abendländisch-christlichen Geschichte ist so dicht, dass ich auf den gesamten Brief verweise.

231] E.M.: "Rotkäppchen und der Wolf". In: Göpfert-Ausgabe. S. 287ff. - Dem Hinweis Mayncs, Mörikes Werke. Bd. I. S. 445f., folgend, suchte ich in Ludwigs Tiecks "Leben und Tod des kleinen Rothkäppchens. Eine Tragödie", 1800 entstanden, einen anderen als den sinnfällig konkreten, naiv märchenhaften Sinn - vergebnes. Vgl. L.T.: Schriften. Bd. II. S. 332. - Dass E. M. in seinem aufgebenen Gedicht doch eine Allegorie gestalten wollte, ist möglich, aber nicht mehr eindeutig erschließbar.

232] Text in der Göpfert-Ausgabe der Mörike-Werke, S. 180 - 183.

233] Als Beilage zum Brief an Vischer vom 22. Dezember 1861; Text nach Briefwechsel zwischen E. Mörike und Fr.Th. Vischer. S. 340.

234] Jerusalem hieß die von E.M. und den Freunden bewohnte Stube im Stift; desipere in loco = schwärmen, unsinnig sein. Vgl. Der kleine Stowassser. S. 164.

235] Stichwort Kokarde bei A. Rabbow. S. 144.

236] Zur Charakterisierung des Jakobiners Georg Kerner vgl. P. Bertaux. Hölderlin. S. 36f.

237] Kerner. Bilderbuch. S. 75. [Der Brief ist etwa 1791 geschrieben.)

238] Vgl. Bertraux. S. 50f.

239] Aus Notters hier schon zitiertem Essay (S. 58): "Mörike war so ziemlich das Gegenteil von dem was man sich hier und da noch jetzt, jedenfalls aber damals unter einem deutschen Studenten vorzustellen pflegte. Der mit der Jugend in der Regel so innig verwobene Drang, die innere Gesinnung möglichst auch durch das Äußere zur Anschauung zu bringen, und durch allerhand Symbole, wir Farben, Bänder, ja den Schnitt der Kleidung selbst, darzustellen, mit diesem Symbolen in Fahnen usw. bei festlichen Aufzügen zu spielen, fehlte bei ihm durchaus."

240] Das Attribut "deutschen" ist als handschriftlicher Zusatz in einen vorgegebenen punktierten Leerraum eingeschrieben. Zitiert nach Schmidgall. Revolution. In: Tübinger Blätter. 35/1946-47; S. 37 - 48.

241] Ich kann also nicht die Topik dieses Motivs beweisen, etwa die der politischen Wirklichkeit der Fürsten- und Königsherrschaft in den deutschen Ländern nachgeprägte Bildstruktur; es muß meine Vermutung bleiben.

242] F. Freiligrath. Neue Gedichte. S. 134. [Hervorhebung von Freiligrath selbst]

243] Zitiert nach "Achtzehnhundertachtundvierzig". Augenzeugen der Revolution. S. 320. [Hervorhebung von Ruge]

244] E.M.: Briefe. Ausgewählt von Karl Fischer. Bd. II. S. 190.

245] Von Heydebrand. S. 314.

246] Ebenda. S. 318.

247] Hauff. Werke. Bd. III. S. 345 und Anm. S. 478. - Hauff hatte das Lied zuerst in seine 1824 anonym erschienene Sammlung "Kriegs- und Volkslieder" aufgenommen; vgl. ebenda S. 476f.

248] Erstdruck 1852; vgl. E.M.: Werke (Göpfert-Ausgabe). S. 217-220; Vgl. H. Gockel. Sprechen. 1973. S. S. 174f.

249] So im Brief an W. Hartlaub vom 20. - 25.3.1826; Briefe (Baumann-Ausgabe) S. 76. - Über Mörikes Lichtenberg-Verständnis schreibt F. Kemp: "Lichtenbergs Schriften bleiben zeitlebens Mörikes Lieblingslektüre. Schon als Stiftler in Tübingen besaß er eine fünfbändige Ausgabe (...), die zahlreiche Randbemerkungen von seiner Hand aufweist". (E.M.: Briefe an Luise Rau. S. 287).

250] Aphorismus E 497, nach Leitzmann.

251] E 501, nach Leitzmanns Zählung E 497. In: Lichtenberg. Schriften. Bd. I. S. 448. [Es ist natürlich eine philologische Sünde, einen so kompositorisch durchgefeilten Lichtenbergschen Aphorismus nicht vollständig zu zitieren; zur Verdeutlichung der zwei verschiedenen Bildteile sei es hier geschehen.]

252] Zur Erörterung der Lichtenbergschen Genie-Kritik vgl. Gockel. Sprechen. S. 86ff.

253] Vgl. Gockel. S. 147 - 156.

254] Vgl. Gockel. S. 152.

255] Ibid.

256] Gockel. S. 153, Anm. 17.

257] Lichtenberg. Bd. I, S. 498. (F 260); (nach Leitzmann F 259).

258] Vgl. Gockel, S. 143, der es als "Aufgabe der Rhetorik" bezeichnet, den rebus einen rechten Platz anzuweisen. Dieser rechte Platz aber wird mit Hilfe des rechten Ausdrucks gefunden. Nicht zufällig ist ja die Lehre vom Angemessenen eines der wichtigsten Kapitel der Rhetorik. Damit steht sie im Dienste der Wahrheitssuche". [Hervorhebung von mir] - Einen von Mörike bewußt vollzogenen Rückgriff auf klassische Rhetorik behaupte ich natürlich nicht.

259] Sengle. Biedermeierzeit. Bd. I. S. 107.

260] Vgl. Sengle. Bd. I. S. 106 - 109.

261] Von Heydebrand. S. 198.

262] Erstaunlich und in seiner unhistorisch Position selbst entlarvend für den Autor ist es, wenn V.G. Doerksen über die wohl wichtigste Einsicht der von Heydebrandschen Arbeit - Mörikes "Zurücknahme idealistisch-spekulativer Positionen", den "Verlust an metaphysischer Sicherheit" und die daraus folgende Neuorientierung im Gesellschaftlich-Geselligen - fragt, "was denn diese Phrasen eigentlich bezeichnen sollen"! In: Doerksen. S. 367.

263] Von Heydebrand. S. 198.

264] Vgl. A. Weber. Ballade. S. 1.

265] W. Müller-Seidel. S. 53.

266] W. Müller-Seidel. S. 54f.

267] Brief an Mörike vom 1. Juni 1832. Zitiert nach dem Briefwechsel zwischen E.M. und Fr. Th. Vischer. S. 85. - Mörike selbst hat noch für die 2 Aufl. der Gedichtesammlung 1848 den schon umgearbeiteten "Feuerreiter" als Romanze betitelt. Vgl. Pohl. S. 239. Anm. 71.

268] Vgl. A. Baumgärtner. Ballade. S. 11. - Vischers formal metrisches Kriterium, assonierende, trochäische Tetrameter, hätte Mörike (sogar durch das die Höhe- und Endpunkte jeder Strophe verbindende Reimband über-)erfüllt. Vischers inhaltliches Merkmal (er spricht von "helleren, durchsichtigeren, ruhigeren, mehr episch entwickelnden, mehr plastischen" Darstellung) läßt sich größtenteils stützen; zum Vischer-Zitat vgl. ebd.

269] Sengle. Bd. II. S. 587.

270] Ebenda. S. 591.

271] Zitiert nach Sengle. S. 591.

272] R. von Heydebrand. Anordnung. S. 392.

273] Vgl. die verteilung der Balladendichtung bei Storz. S. 270.

274] Vgl. Unger. Mörike-Kommentar. S. 81f.

275] E.M.: Briefe (Baumann-Ausgabe). S. 535. - Vgl. die nicht eindeutig gleichartigen zu interpretierenden Lesarten und Ergänzungen zu diesem Gedicht; in: E.M.: Maync-Ausgabe. S. 458.

276] E.M. Maync-Ausgabe. Bd. I. S. 458.

277] Vgl. Krummacher. Mitteilungen. S. 281 - 285; seine Ausführungen zur Textgestaltung und Textgeschichte bieten ein etwas verwirrendes Bild.

278] Die Änderungen - z.B. (I,5) "toll Gewühle" in "welche Gewühle"; (I;7) "das Jammerglöcklein grillt" in "das Jammerglöcklein gellt"; die Weglassung der "Windsbraut" (II,6); "keck" statt "wild" (III,3) als Attribut des Reitersmannes" - sind in verschiedenen Stufen Abschwächungen des grotesken Stiles; vgl. die chronologisch präzisen Erörterungen bei Pohl, S. 235f.; er nennt Mörikes Textveränderungen "humorig distanzierendes Bessern" (S. 257).

279] E.M.: Werke, hist.-krit. Ausgabe. Bd. 3, S. 31.

280] Ebenda S. 33. - Die kabarettistische Szene, in der ein "Riese in altdeutscher Tracht" sich als durch eine Gestaltentrümpelung "ganz vergnügtes, bescheidenes, rundes Pfäfflein" entpuppt, ist so originell, dass ich auf die vergnügliche Lektüre im Zusammenhang verweise; ebd. S. 32f.

281] In der späteren Bearbeitung durch Mörike wird das Lied von Larkens selber vorgetragen; vgl. hist.-krit. Ausgabe, Bd. 4, S. 42.

282] Ebenda, Bd. 3, S. 35.

283] Ebd. S. 40.

284] Ebd. S. 33.

285] Ebd. S. 37.

286] Ebd. S. 37.

287] Die Bearbeitung des Romans, die sich mit großen Unterbrechungen auf die letzten zwanzig Lebensjahre Mörikes erstreckte, blieb unvollendet. Vgl. Ungers Mörike-Kommentar, S. 48 - 53. - In der Silvester-Passage hier erscheint der "Feuerreiter" in der fünfstrophigen Fassung der Gedichtesammlung von 1867; gerade aber durch die Neugestaltung der Rahmenhandlung greift Mörike nicht auf die "christlich motivierte" Umgestaltung zurück, sondern auf die "poetische Substanz" der frühen Fassung; dies hat Pohl, S. 237ff., sehr deutlich aufgezeigt; erklären aber konnte er diesen "Rückgriff" nicht, da er nur von der "romantischen Substanz" (S. 239) des Gedichtes ausgeht.

288] Ebd. Bd. 4, S. 41.

289] Ebd. S. 42.

290] Ebd. S. 44.

291] Ibid.

292] Ebd. Bd. 4, S. 41.

293] Ebd. Bd. 4, S. 44.

294] J. Proelß. II, Nr. 5, S. 120. - Er verteidigt letztlich die feuereifernden Burschenschaftler, wenn er sagt, dass sie "als reife besonnene Männer im ersten Glied" standen, als der "nationale Gedanke (...) zum Gemeingut eines neuen Geschlechts von freigesinnten Bürgern aller deutschen Stämme geworden war" - in Anspielung auf die Entwicklung zur 48er Revolution hin (ebd. S. 121).

295] Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 4, S. 44; der "unglückliche" Reiter geht über die Charakterisierung "freventlich" (in der neuen, dritten Strophe) hinweg; vgl. ebd. S. 43.

296] Ebd. S. 41.

297] H. Emmel. Mörikes Peregrinadichtung. S. 21.

298] H. Emmel. Mörikes Peregrinadichtung. S. 21f.

299] Ibid.

300] Mörike-Briefe (Baumann), S. 283. - Mörike drohte es, in den Prozess hineingezogen zu werden; seine Abwertung der politischen Gesinnung seines Bruders ist dadurch motiviert.

301] Hist.-krit. Ausgabe, Bd. 3, S. 173.

302] Ibid; vgl. die ähnlich lautende Begründung in der Bearbeitung des Romans; Bd. 4, S. 141.

303] Vgl. hist.-krit. Ausgabe, Bd. 3, S. 173.

304] Pohl. S. 236.

305] Werke (Göpfert-Ausgabe), S. 56; vgl. auch histor.-krit. Ausgabe, Bd. 4, S. 44. - In der Fassung GH nur in anderer Zeilenverteilung; vgl. hier S. 7.

306] Vgl. Pohl. S. 233. - Pohl selbst erklärt den Rückgriff formal als "Kontrast"; S. 237.

307] Von Heydebrand. S. 307.

308] J.C. Thöming schlägt vor, den Terminus "Allegorie" der dramatischen "literarischen Großform" vorzubehalten, "die ein streng stilisiertes Weltmodell mit einem dichten Innensystem von Sinnbezügen entwirft". Siehe Thöming. Bildlichkeit. S. 193. - Eine solche Festlegung ist literaturwissenschaftlich normativ abgeleitet, nicht in der Literatur, am poetischen Produkt orientiert.

309] Vgl. von Heydebrand. S. 61.

310] Vgl. Mörikes "Auf einer Wanderung"; E.M.: Werke. Göpfert-Ausgabe. S. 102.; das Gedidcht ist aus dem Jahre 1845.

311] Kerner. Gedichte. S. 456; weitere Anklänge an Kernersche Gedichte, z.B. "Die vier wahnsinnnigen Brüder", "Das Verbrechen der alten Zeit", "Der todte Müller", bedürfen weiterer Analyse.

312] Mayer. Ballade. S. 476.

313] Ebd. S. 476.

314] Ebd. S. 475.

315] Von Heydebrand. S. 57.

316] Brief-Ausgabe (Baumann): s. 535. Die "Elemente" zeigen jedoch, anders als der "Feuerreiter", phantastischen-mythischen Charakter; vgl. von Heydebrand. S. 59.

317] Von Heydebrand. S. 306f.

318] Ein Grund für diese Tendenz mag Vischers Einschätzung der Allegorie in seiner Habilitationsschrift abgeben: "Die Allegorie ist prosaisch." Vischer. Erhabene. S. 58. - Mörikes Auseinandersetzung mit dieser Schrift ist im Briefwechsel Mörike-Vischer belegt; vgl. auch von Heydebrand. S. 306f.

319] Sengle. Bd. I. S. 338 [Hervorhebung von Sengle].

320] Sengle. Bd. I, S. 350.

321] Sengle. Bd. I, S. 341. - Sengle erläutert sein Gebot der Vorsicht in diesem Sinne aber nur am Droste-Gedicht "Kinder am Ufer".

322] Von Heydebrand. S. 30.

323] Ibid. - Jedoch ist gerade für Mörike diese Unterscheidung eher theoretisch. Von Heydebrand erläutert: "Das anschauende Gefühl" formt die Realität "in der Mythe zur eigenartigen, plastischen Wesenheit um. Daher rührt die Verwechselbarkeit mit der Allegorie" (ibid).

324] Benjamin. S. 182f.

325] Backofen. KLL. Bd. XI. S. 9780f.

326] Vgl. zum Problem der Einordnung siehe bei R. von Heydebrand, S. 315f.

327] Formuliert in Anlehnung an den Satz Benjamins, der Sprache als ursprünglich "mimetisches" Vermögen beschrieb: "Das Wort soll etwas mitteilen. Das ist wirklich der Sündenfall des Sprachgeistes. Das Wort als äußerlich mitteilendes, gleichsam eine Parodie des ausdrücklich mitteilbaren Wortes". Zitiert nach Habermas. S. 203.


328] Die harmonisch-schöpferische Kunstauffassung Mörikes ist schon in seinem Gedicht aus dem Jahre 1823 "Der junge Dichter" nachweisbar. Von Heydebrand sieht schon in ihm das "charakteristischen Motiv der Selbsttherapie durch das geglückte harmonische Werk stark hervorgehoben" (S. 306). - Ich lege jedoch diesen Gedichttext nicht als poetologisches Zeugnis für den "Feuerreiter" von 1824 zugrunde, sondern den sog. Abschiedsbrief an Waiblinger, weil dort Mörike sich als Mensch und Künstler betroffen fühlt und imaginativ-schöpferisch ausspricht.


329] Vgl. Rasch. Tanz.


330] So Mörike im Waiblinger-Brief; vgl. hier S. .


331] Eine solche anthropologische Kategorie des individuell zu leistenden Gleich-Ganges des Menschen mit den rhythmisch natürlichen Dingen seiner Umgebung ist in dem Aspekt der Entnahme aus einem "Potential, mit dem die Gattung [Mensch] haushalten muß" (Habermas. S. 204); bedrängtermaßen als Störung wie als Gleichmaß geschichtlich und existenziell formend.


332] Diese Einzelanalyse, wie die hier wiederholte angemerkten Einzelaspekte, kann natürlich nicht eine gründliche Textanalyse hinsichtlich der Metaphorik, Rhythmik, Komposition, klanglicher Farbigkeit etc. ersetzen. Gute Ansatzpunkte in dieser Hinsicht bietet Wasmers Arbeit. Ballade. S. 77 - 90.


333] Pohl, S. 227, diskutiert diesen auffälligen Vergleich ("wie Asche") und vermutet in ihm ein Relikt "einer früheren Konzeption".

334

] Hist.-krit. Ausgabe. Bd. 3. S. 37, Z. 21.


335] Vgl. die Reproduktion der Musikbeilage in der hist.-krit. Ausgabe. Bd. 5. S. 265.


336] Nach dem "Musterkärtlein", das Mörike dem Brief vom 26.12.1841 an Hartlaub beilegte; zit. nach Pohl. S. 232.


337] Der "rothe Hahn", sowie das Motiv des Feuerbesprechens (einschließlich vereinzelter Wortanklänge) läßt mich vermuten, dass erst für diese Fassung von 1841 eine vage, vielleicht nur unbewußte Anlehnung an die Ballade "Das Feuerbesprechen" vorliegt; nicht so nachdrücklich argumentiert Pohl, S. 232.


338] Killy. S. 101.


339] Vgl. über Kauffmanns Leben und sein politisches Schicksal die Kurzbiographie in "Eduard Mörike und sein Freundeskreis". S. 108.

340] Walter. Lohbauer. S. 202.

341] Ich zitiere aus diesem Brief, der die politischen Umstände sprachlich großartig schildert, nur dIie Ppassage, die Mörikes "Feuerreiter" betrifft.

342] Bereits Proelß zitierte 1910 (S.120) aus diesem Brief, bis einschließlich auch "sangen wir den Feuerreiter"; er fügt hinzu: "'Feuerreiter, wie so kühle'- wie mag den Sängern die Tragik dieser Klage damals durch Mark und Bein gegangen sein!" - Ich danke dem Mörike-Archiv im Schiller-Nationalmuseum Marbach für die freundliche Unterstützung, insbesondere die Überlassung einer Kopie dieses Briefes und die Genehmigung des Zitates.

343] Lohbauers eigene Worte aus seinem Brief an die Braut; vgl. hier S. 45. - Lohbauer ist m. E. ein unbestechlicher, langjähriger Zeuge für Mörikes Leben und Werk.

344] Georg Trakl: Das dichterische Werk. Hrsg. v. W. Killy und H. Szklenar. München 1974. Dtv 6001. S. 17f.)

345] Améry. S. 133.

346] Ebd. S. 192.




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Montage des Wetterhahns von Mörike: Rey.


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