Dienstag, 31. Januar 2023

BeiLäufiges: .. eine Abiturarbeit von 1965: Von der T o d e s s t r a f e

Nach-Ge Reich Tes -

Äh, - m e i n  Abituraufsatz von 1965

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A... R..:  Reifeprüfung 1965 (14. Dezember 1984)

Deutsche Arbeit

Soll in der Bundesrepublik die Todesstrafe wieder eingeführt werden?

  • Besinnungsaufsatz –

Jährlich geht ein- oder zweimal der Ruf nach der Todesstrafe durch Deutschland. Die Anlässe sind beinahe immer dieselben: Ein Taxifahrer wird ermordet; ein Kind fällt einem Sexualverbrecher zum Opfer.

>Wandelbar in Jahren <:

Dann werden von Groschenblättern und Interessenverbänden Aktionen gestartet: „Nur der Tod kann Morde sühnen“; und schon rumort es im Volk. Und treten dann noch gar (sonst) kluge Politiker auf, die die Wiedereinführung der „vollen Gerechtigkeit“ fordern, so ist die Verwirrung vollständig.

Ich finde da bedauerlich; denn: Untersuchen wir doch einmal die Motive, die den Schrei nach der Todesstrafe verursachen! Meistens sind es doch Empörung über das gewiß bestialische Verbrechen, Zorn, also leicht irrende Emotionen, die dann die „Volksseele“ bestimmten. Am liebsten wird dann in Redereien die Abschreckung herbeizitiert: „Jawohl, die Todesstrafe wird abschrecken!“ Diesem Argument scheint am ehesten ein vernünftiger Denkvorgang zugrundezuliegen: Niemand wird mehr morden, wenn er selber dafür sterben muß. Wie steht es nun um die Wirksamkeit der Abschreckung?

Stellen wir uns zuvor eine andere Frage: Warum mordet überhaupt ein Mensch? Ein Mensch wird kaum als Mörder geboren! Ich will damit sagen: Fast jeder Menschen hat von vornherein Achtung vor dem Lebens einer Mitmenschen. Niemand braucht einen anderen zu töten; er will es auch nicht, um nicht selber von anderen getötet zu werden. „Ich will leben, also darf ich nicht töten.“

Aber trotzdem gibt es Mörder! Sicherlich gibt es auch Mörder, die streng logisch jeden Schritt ihrer Tat planen. Am häufigsten dürfte aber der Mord aus einem Affekt sein; eine Kurzschlusshandlung aus Haß, Leidenschaft usw. so ein Mensch denkt bestimmt nicht im Augenblick, da er den Mord begeht, an die später drohende Todesstrafe. In ihm fehlt dann, glaube ich, jeder Platz für rein logische Gedanken. (Sonst beginge er ja auch nicht den Mord!) Ihn wird die Todesstrafe nicht abschrecken, weil er im Augenblick der Tat keine andere Möglichkeit sieht.

Und der Mörder aus Überlegung? Sein Plan, mit dem er ja die Polizei zu überlisten gedenkt, beweist, daß er sich so gut absichern will, dass seine Tat nicht entdeckt wird. Glücklicherweise kommt es meistens anders. Aber festzuhalten ist, er lässt sich nicht abschrecken; er will ja gar nicht „erwischt“ werden.

Man kann diesen Katalog erweitern: Auch de triebhafte Mörder wird nicht abgeschreckt werden; er ist ja krankhaft gezwungen, seinem Treib zu folgen.

Diese Überlegungen stützen Zahlen aus einer Statistik des Bundesjustizministeriums. Danach steht fest: In der Bundesrepublik sind die Morde, die in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts und in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Tode bestraft wurden, erheblich zurückgegangen. Und diese ohne dass dem Mörder die Todesstrafe droht. So glaube ich: Die abschreckende Wirkung der Todesstrafe kann zumindest nicht bewiesen, wahrscheinlich besteht eine solche Wirkung überhaupt nicht.

Andere Gesichtspunkte, die für die Todesstrafe sprechen, lassen sich nicht rein rational widerlegen. So wird häufig geäußert: Eine Gemeinschaft muß ihre Mitglieder vor gemeingefährlichen Verbrechern schützen. Tritt also ein Mörder auf, so muß er „entfernt“ werden.

Ich will versuchen, durch eine zweiteilige Antwort diese These zu erschüttern.

Erstens: Sollte man nicht mehr Wert als bisher auf die Erforschung der Ursachen legen, aus denen heraus gemordet wird? Der „Nutzen“ der Todesstrafe ist doch wahrhaftig nicht groß. Zum Abschluß sind (mindestens) zwei Menschen getötet worden, der Gemordete und der Mörder. Besser wäre es gewesen, man hätte den potenziellen Mörder vorher erkannt. Ich gebe zu, es ist schwierig!

Zweitens: ich würde niemandem zumuten, über Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden, auch wenn der sein Leben durch ein Verbrechen verwirkt haben könnte. Zumindest in der Volksseele mag dann das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ unbewusst mitschwingen. Unter dem Namen „Gerechtigkeit“ mag dann etwas verborgen sein, was Eltern ihren spielenden Kindern verbieten. Wer verbietet es manchen Erwachsenen: „Wie du mir, so ich Dir“? Sicher: Gerechtigkeit muss sein! Aber eine vollkommene Gerechtigkeit ist uns nun einmal nicht möglich; das sollten wir anerkennen.

So vermag auch nicht de beste Richte, einen Angeklagten zu „analysieren“. Es wird in den meisten Beweisverfahren, um solche handelt es sich ja in den meisten Mordprozessen, ein Rest bleiben, der die Gefahr eines Justizirrtums nicht ausschließt. Um diesem einen Unschuldigen, unter vielleicht hundert Verurteilten willen: Er darf nicht sterben; er hat ein Recht auf Leben wie du und ich!

Ich weiß: Die Kirche z. B. denkt anders, sie hält die Todesstrafe für gerechtfertigt. Aber ich halte es für die gerechtere, meinetwegen: bequemere Lösung: Die neunundneunzig Mörder sollten lebenslänglich hinter Gitter, anstatt dass auch nur ein Mensch unschuldig auf den elektrischen Stuhl oder unters Fallbeil muß. Und hat nicht Goethe eine junge Mutter, Kindsmörderin genannt, auf Schafott geschickt? Im Übrigen glaube ich nicht, dass es eine humane Art gibt, die Exekution durchzuführen: Human bedeutet menschlich, und menschlich, das bedeutet in erster Linie: Leben!

So soll man auch weiterhin die Mörder in Zuchthäuser sperren, auch wenn de Strafvollzug in der Bundesrepublik jährlich Millionen kostet. Dort haben die verurteilten Jahre Zeit zu überlegen, was sie getan haben. So wäre ihnen vielleicht eher geholfen, als wenn sie vor der Hinrichtung in Schnellverfahren auf den Tod vorbereitet werden.

Einem solchen Menschen zu helfen, würde ich sogar als Pflicht betrachten: ihm, wenn er die Tat bereut, den Wege zurück in die Gesellschaft offenzuhalten. Ich glaube, ein Menscher, dem bei seiner Resozialisierung ein Mensche seine Liebe schenkt, wird keinen Menschen mehr töten.

Man sieht: In vielen Punkten lassen sich Gefühl und belegbare Tatsachen nicht voneinander trenn. Aber ich halte es für richtiger, daß Emotionen, wenn sie schon einmal auftreten in einer Sache, die grundsätzliches Menschliches, daß sie dann nicht etwa für das „kleinere Übel“ eintreten, sondern für die großzügigere, für die menschlichere Lösung: Es soll niemand sterben, solange wir es verhindern können.

Es dürfte natürlich, wie schon gesagt, schwer sein, Mord zu verhindern; aber Justizmorde können wir auf jeden Fall verhüten.

Die Väter unseres Grundgesetzes haben recht getan, die Todesstrafe nach den bitteren Erfahrungen eines Terror-„Justiz“ abzuschaffen.



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Bemerkung des Deutschlehrers Flaß StR.i.K.:

Gaesdonck 11.1.1965: Die Hauptgedanken sind gut ausgeführt und begründet. Von geringfügigen Unklarheiten abgesehen, ergibt der Aufsatz ein überzeugendes und geschlossenes Ganze.

                                                                                 Durchaus: Befriedigend

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Nachträgiche ErlLäuTerngen:

Meine Kenntisse zur Todestrafe beruhen wohl auf einem Aufsatz in der ZETT ( ~ von 1963/64?) von Albert Camus. -

Die Passage „Die Kirche z. B. denkt anders …“ – ist vom korrigierenden Lehrer mit Fragezeichen und Randkrakelei -, ab er ohne sachlichen Hinweis (Gr. S.) - bedacht.

Meine Bemerkung über Goethes Todesurteil gegenüber einer Kindsmörderin in Weimar, entstammt wohl Informationen einer Buchhändlerin in Goch, Frau Anna Thissen.(Ihr verdanke ich mehr Kenntnisse und Urteile als meinen Gaesdoncker Lehrern. Sie hat mich mit Literatur, persönlichen Hilfen und Freundlichkeit bedacht; später ich dort in der Buchhandlung Fingerhut ja zur Lehre; keine verlorene, aber eine zu lange Zeit. - Hier las ich im Internet von Frau Thissen: http://www.rp-online.de/nrw/staedte/goch/goch-25-jahre-buchhandlung-am-markt-aid-1.4300982)

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Zeichen- und Rechtschreibfehler habe ich (zumeist) stillschweigend korrigiert.

*  ~ * 


Der geforderte Besinungsaufsatz war immer ein GeSinnungsaufatz: Ich wollte es vemeiden so zu tun, als ob ich eine, also meine Gaesdonckische LebensBeWeis führen müsse/sollte/könnte – ich wollge ehrlich bleibsn – zu meinem Lebsn, men ErLeben, zu menem GeLesenen – ich kam aus der proletatirschen Klasse, war erzkatholisch infiziertes GeWürm, bedürftig nach Liebe&AufKlärung&Wissenschaft:

So, wie etwa Hanrmut von Hentig es beschrieb (abseits der Sauereien, die in der Odenwald-Schule passierten):

Mein Leben, Kindheit und Jugend 2007, S. 319. Speziell gefielen ihm die turnusmäßig stattfindenden UN-Simulationsspiele, bei denen die Interessenvertretung eines beliebig zugewiesenen Landes zu übernehmen, komplexes Informationsmaterial zu sichten, auszuwerten und in einem auch rhetorisch überzeugenden Redebeitrag umzusetzen war. Gewinnbringend erschien ihm auch die im zweiwöchentlichen Rhythmus wiederkehrende Aufgabe, über einen Roman oder ein Drama einen book report zu erstellen: „Indem ich 300 gelesene Seiten auf drei geschriebenen wiederzugeben versuchte, musste ich aus der Fülle das Kennzeichnende herausfiltern. Das fordert Aufmerksamkeit, Genauigkeit und Maß – eine Ökonomie der Worte und Gedanken. Der Besinnungsaufsatz verführt zu Schaumschlägerei – expertus dico.“ (Ebenda, S. 320 f.) - Wiki-Abrug 31.01.2023: https://de.wikipedia.org/wiki/Hartmut_von_Hentig#P%C3%A4dagogische_Leitvorstellungen



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