Montag, 16. Januar 2023

Als Präsent: ein besonders wert-volller Text: B e r g e n g r u e n; "Der grüne Kasten"


 Ver/gebliche  B r i e f c h e n  # 4

Das Gegenteil von einem Fehler ist auch ein Fehler


Ein Klassen-Buch – Lesen für eine versammelte Mannschaft -


Unschaunbares Örtchen, an meinem Lieblingsfilm-, pardon:-fluß Niers/bei Goch:

Es warten noch ihrer Andere. Ich habe sie nicht vergessen. Aber insbesondere will ich diessn 13 Abiturienten – im REIFE -Verfahren von anno 1965 be/über/übel-denken:

Wir alle müssen das Leben meistern. Aber dieeinzige Art, das Leben zu meistern, besteht darin, es zu lieben.“ Georges Bernanos - schon vergessener, französischer Schriftsteller (1888 -1948).

Wen und für wen oder was wurde das diskutiert? Wurde es verordnet ... aus den Tagen, als Priester oder Präfekten oder Präfakten-Nachahmer den Georges Bernanos verehren mussten wg. seines Katholizisimus: Tagebuch eines Landpfarrers?('Ich gesteh, ich hab's zu lesen versucht; es war erbärmlich in seiner Weltflucht; stilitisch langweilig; in den Fakten unerheblich.')


Ein Klassenbuch, erstellt nachträglich von A. Reyntjes - Lesen für eine versammelte Mannschaft – einen fünfig-jährigen Treff (ca. 2015) nachdem hat es eine Zusasmamenkunft nicht gegeben; Komischc, wie die Bande sich zersprengt hat:

Es warten noch ihrer andere, aber ich habe sie nicht vergessen. Aber insbesondere will ich diesen 13 Abiturienten – im Post-REIFE-Verfahren von anno 1965 bedenken:

 

Da sind für alle von uns Geschichten, die ich irgendwie den Trägern zuordne:

Werner Bergengruen: Der grüne Kasten - eine literarische Kostbarkeit (wie ich es empfinde):

Lieber E. M.:

Ein Klassenbuch – Lesen für eine versammelte Mannschaft -

Es warten noch ihrer andere. Ich habe sie nicht vergessen. Aber insbesondere will ich diessn 13 Abiturienten – im REIFE-Verfahren von anno 1965 bedenken:

Ein typischer Vor/Schlag, der Wirklichkeit wurde, ohne dass darüber*in abgestimmt wurde

:„Wir alle müssen das Leben meistern. Aber die einzige Art, das Leben zu meistern, besteht darin, es zu lieben.“ Georges Bernanos - französischer Schriftsteller (1888 -1948).


ergo. ein AnTeil.. für Dich:

Du warst immer interessiert an deutscher Literatur; auf Dein Zimmer war ich nie; keine Ahnung, warum; ein bisschen eigen warst Du schon, aber verlässlich gegenüber den ewig plappernden, schräg-sportlichen Teil der Klassenkameradschaft: … Bist auch Deutschlehrer geworden; und mit Dir konnte Jahre später, einmal auf der G., dann einmal am Telefon, als Du Deine Frau verloren hatrest, ausführlich sprechen ...

Dann zum Bergengruen

Werner Bergengruen: Der grüne Kasten

>> Dazu einige Texte, die ich in einem Forum als Vorschlag anregte Und andere mir geholfen haben):

https://www.seniorenportal.de/seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a441.html


Werner Bergengrün: Der grüne Kasten (verfasst 1916)

Nalewski heißt eine lang gestreckte, einige Male stumpfwinklig gewundene Straße in Warschau. Hier wohnt das Volk Israel Haus an Haus, Laden an Laden, in Enge, Gerüchen und Geschrei. Buntfar­bige Namen prahlen auf grellen, mit primitiver Ein­dringlichkeit gemalten Firmenschildern. Viel Armut und Elend ist hier, viel Herzenshärtigkeit und Geld­gier, viel ängstlich versteckter Wohlstand, aber auch viel verborgenes Sehnen und Ausschauen nach dem heiligen Sterne Zions.

Eins der niedrigen hölzernen Hinterhäuser in dieser Straße gehörte dem Händler Aaron Zitron. Es sah aus, als sei noch kein Strahl einer höheren und reicheren Freude in seine Fenster gefallen. Zwischen zwei mehrstöckige Nachbargebäude eingezwängt, blickte es scheu und geduckt wie ein verprügelter Hund auf den engen, schmutzigen, übel riechenden Hof.

Im Keller dieses Hauses wohnte in einem feuch­ten, halb finsteren Gelass Chaim Pruzanski, der taube Narr. Außer Aaron Zitron, dem Bruder seiner Mut­ter, gab es keinen Menschen, der sich um ihn küm­merte. Da er zurückgeblieben am Geiste und ver­krüppelt am Körper war, galt er den Leuten als der von Gott Gezeichnete, der gestraft ist um der Sünden seiner Väter willen. Denn die Juden von Nalewski sind ein frommes Volk.

Chaims kleine verwachsene Gestalt mit dem großen, tief zwischen den Schultern ruhenden Kopf, dem leicht gekrümmten Rücken und dem seltsam schlei­fenden Gang war allen Bewohnern der umliegenden Straßen vertraut. Täglich um dieselbe Stunde ging er denselben Weg und immer lag derselbe Zug von gelassener und gegenstandsloser Heiterkeit um seine großen, etwas vorstehenden Augen, um den stets geöffneten, länglichen Mund mit den fahlen Lippen. Chaims Dasein drehte sich um zwei Pole. Der eine war Aaron Zitron. Er kleidete, nährte, beherbergte ihn und flößte ihm Furcht ein. Chaim empfand je­doch diese Furcht als notwendig, verwachsen mit sei­nem Leben. jeden Morgen empfing er von Aaron einige Pack Streichhölzer und jeden Abend lieferte er den Erlös und den Rest seiner Ware ab. Der Oheim war ein misstrauischer Rechner und zählte beides genau durch.

Verkörperten sich so für Chaim alle trüben Notwen­digkeiten in Aaron Zitron, so sprang auf der anderen Seite eine unversiegliche Qelle, die ihn immer wie­der mit Trost und Heiterkeit tränkte. Das war der an­dere Pol im Leben des tauben Narren und er bestand in nichts mehr als dem hölzernen Warenkasten eines alten Juden, der mit Schuhwichse, Schnürsenkeln, Zigaretten und Apfelsinen hausierte. Chaim hatte seinen Standplatz am Wiener Bahnhof und auf dem Wege dahin begegnete er täglich dem Alten. Nie hatte er ihm einen Blick geschenkt, nie seine Züge sich einzuprägen gesucht. Er war ihm nur der zufäl­lige Träger, der gleichgültige Diener eines Gegenstan­des von unerhörter Kostbarkeit. Aber der Kasten, der Kasten! Breit und massig war er gebaut, pracht­voll grün gestrichen, innen und außen. Und die In­nenseite des stets geöffneten Deckels zeigte auf gift­grünem Grunde ein himmelblaues Stück Meer neben einem schneeweißen Hause, dessen vorspringendes Dach von zwei Säulen gestützt wurde. Und zwischen Haus und Meer stand in fröhlicher Unbekümmert­heit um alle Gesetze der Perspektive eine violett ge­kleidete Dame mit rabenschwarzem Haar und hielt in der hoch erhobenen Hand eine Dose mit Schuh­wichse zum Himmel empor. Diese sandte ihrerseits zwei grelle, breite Strahlen in Gestalt eines schwefel­gelben und eines knallroten Balkens aus, die an der grünen Umrahmung wie abgebrochen aufhörten.

Dieses Bild war für Chaim der Inbegriff des Schönen und Erhabenen. Die violette Dame, das blaue Meer, das säulengeschmückte Haus und nicht zuletzt der gelbe und der rote Strahl erschienen seinem armen Geiste als Bürgschaft einer höheren Welt, Verhei­ßung einer unfassbaren, leuchtenden Herrlichkeit, die irgendwo bereitliegen musste. Einmal, das fühlte er, musste sie offenbar werden und ihren Glanz auch über ihn ausgießen. Nie hätte er gewagt, sich diesen Kasten in Gedanken an Stelle des armseligen, ge­flochtenen Weidenkorbes zu wünschen, in welchem er seine Streichhölzer trug. Ihm genügte es, ihn täg­lich im Vorbeigehen anzusehen und alles an ihn zu verschwenden, was an Fähigkeit zu Liebe und Vereh­rung im aschenhaften Düster seiner Natur flackerte. So betet der primitive Mensch ein selbst geschnitz­tes Stück Holz an, in welchem er doch in höheren Augenblicken Ausdruck und Träger seiner eigenen, noch unerschlossenen Empfindungswelt ahnt.

Chaim Pruzanski spürte es nicht, dass die Zeit ein anderes Angesicht gewann. Wie immer stärkte er seine arme Seele im Anschaun des grünen Kastens, wie immer rief er klagend: »Spitschki! Zapalki!«Wie immer tauschte er seine Waren gegen die großen kupfernen Geldstücke und nahm es ohne Neugier hin, dass die Soldaten in den grünlich grauen Hem­den immer mehr in der Zahl seiner Kunden über­wogen. Er achtete kaum darauf, dass das Leben in der Stadt hastiger und nervöser wurde; bis ein Tag kam, der ihm das ganze Bild der Welt zerriss.

Riesige graue Menschenmassen hasteten durch die Straßen, Wagenzüge, Reiter, Geschütze. Mit Offizie­ren überfüllte Autos suchten sich einen Weg zu bahnen, oft vergebens trotz aller Rücksichtslosigkeit. Betrunkene Soldaten schleppten Waren aus den Läden. Die Häuser schlossen sich. Das Volk ver­schwand von den Straßen, die sich immer mehr mit den Scharen der Soldaten füllten.

Und der Taube, dem sich das Geschehen um ihn nicht so deutlich mitzuteilen vermochte wie den anderen, fühlte sich plötzlich vom Strudel erfasst, verschlagen, abgeschnitten von allem Vertrauten. Eine jähe Bestürzung sprang ihn an, eine ratlose Furcht vor dem Unbekannten und Unbegreiflichen, das um ihn geschah.

In dieser Not fiel ihm der grüne Kasten ein. Er war Trost, Ebenmaß und Harmonie in dieser toll gewor­denen Welt. So schnell ihn die schwächlichen Beine schleppten, eilte Chaim der Straßenkreuzung zu, an welcher der Alte zu stehen pflegte. Dort herrschte der gleiche Wirrwarr. Soldaten, Soldaten, Soldaten. Einige stießen und drängten sich auf dem Bürger­steig, kniend, suchend, aufhebend. Und als Chaim näher kam, sah er im Rinnstein zertrümmert den grünen Kasten liegen, in dessen verstreuten Inhalt sich gierige Fäuste teilten.

Einen Augenblick stand der Narr wie versteinert. Dann bückte er sich, um die Bruchstücke zu retten. Heißer, nach Schnaps riechender Atem quoll ihm entgegen. Ein vollbärtiger, weißblonder Soldat mit rotem Gesicht, der seine Mütze im Gedränge verlo­ren hatte, brüllte ihn an.

Der Taube spürte die Feindseligkeit in Gesichts­ausdruck und Gebärde.

»Belieben Sie doch, Herr, mich in Ruhe zu lassen«, flehte er, und als sei damit alles erklärt, fügte er hinzu: »Das ... das ist doch der grüne Kasten!«

Man stieß ihn zurück, schlug ihm den Streichholz­korb aus der Hand und die Mütze vom Kopfe. Grin­send warf ihn einer dem andern wie ein Bündel zu. Schläge, Stöße, Fußtritte trafen ihn, bis er endlich blutend einen Ausweg aus dem Gedränge gewann und nach Hause flüchtete.

Chaim Pruzanski kauerte, noch an allen Gliedern zitternd, in seines Oheims Stube und starrte durch das zerschlagene Fenster in den Hof, der sich all­mählich mit Dämmerung füllte. Im Hause sah es böse aus. Die Möbel waren zertrümmert, Schränke und Kästen umgestürzt, alles Brauchbare wegge­schleppt. Wäschestücke, Lumpen, zerbrochene Tel­ler und Schüsseln lagen in wirrem Durcheinander auf dem Fußboden. Von einem der trunkenen Plünderer vergessen, stand in einer Ecke ein Gewehr.

Aaron Zitron war nirgends zu finden. Die Nachbarn zuckten die Achseln.

Die ganze Nacht hockte der Narr zwischen den Trümmern. Die Welt war zerfetzt, es gab nichts mehr, das sein Leben stützen und schmücken konnte. Zi­tron ließ sich nicht blicken, der grüne Kasten war zer­schlagen.

Endlich kam ihm der Gedanke, dass er etwas tun müsse, dass er nicht ewig hier in der wüsten Stube kauern könne. Zum ersten Male sah er Entscheidung und Entschluß von sich gefordert.

Er fand die einzige Zuflucht. Gegen Mittag verließ er langsam das Haus, um in die Weichsel zu gehen.

Die Straßen wimmelten noch immer von Menschen­massen in grauen Uniformen. Aber statt der flachen Tellermützen oder der hohen Lammfellkappen tru­gen sie graue Helme mit Spitzen. Chaim achtete nicht auf sie, sondern setzte unbeirrt seinen Weg fort.

Fast war es das alte Lächeln voll Ruhe und Heiter­keit, das auf seinem blassen Gesicht lag.

An einer Straßenkreuzung staute sich Bettelvolk um einen Wagen mit Schornstein und großem, hoch­geklapptem Deckel. Ein Soldat schüttete gering­schätzig den Leuten übrig gebliebenes Essen aus einer großen Kelle in die bereitgehaltenen Näpfe und Eimer. Chaim blieb stehen, wie ein Tier überfiel ihn der Hunger. Im Schmutz der Straße sah er eine leere Konservenbüchse, hob sie auf und drängte sich an den Küchenwagen. Der Soldat blickte ihn an, grinste und füllte ihm die Dose. Chaim schlang das dampfende Gemenge hinunter. Dann kehrte er ent­schlossen um und ging wieder dem Hause seines Oheims zu.

Allein der erste eigene Entschluss, der sich seiner Dumpfheit entrungen hatte, der Gedanke des Ster­bens, geboren aus Hilflosigkeit und Verzweiflung, war gedacht und hatte Leben gewonnen. War aus ihm hinausgetreten und wirkte.

Die Granaten, welche die Geschütze der weichenden Russen über die Weichsel warfen, haben in Warschau wenig Schaden angerichtet. Eine von ihnen aber er­füllte das Schicksal des Chaim Pruzanski.

(Aus: W.B.: Baltische Erzählungen. München 2000: nymphenburger verlag. S. 124 - 130)

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Die Herausgeberin N. Luise Hackelsberger, Bergengrüns Tochter, gibt als Entstehungszeit dieser bis 2000 nicht veröffentlichten Geschichte im Nachwort "um 1918" an. Sie schreibt dort näherhin: "Die früheste der Erzählungen 'Der grüne Kasten' in der Zeit des Ersten Weltkriegs geschrieben, wird hier erstmals veröffentlicht. In prägnanter und zupackender Sprache erscheint uns Heutigen das Geschehen so aktüll wie zur Zeit der Entstehung." - Ich sehe in der Erzählung eine exemplarische Auseinandersetzung mit dem Schicksal des jüdischen Volkes als der fremden, unerwünschten Ethnie, die "nur" die Gemeinschaft einer "anderen", unbekannten Religion im Grenzbereich zwischen Deutschland, Polen und Russland war. Die tödliche Auseinandersetzung ist hier durch die Soldaten gekennzeichnet, von denen im mörderischen Schluß die russischen Uniformen und Waffen explizit benannt sind.

Die Symbolik des "grünen Kastens" erscheint mir als eine kleine, magisch ersehnte Allegorie eines auf das Sehen und ungestalten Sprechen eingeschränkten, tauben Armen, der in der wundervollen Gestaltung des "Bauchladens" eines Hausierers eine kleine Sehnsucht aufblitzen sieht, die ihm in der gemalten, ungewöhnlich farbigen "violetten Dame" und ihrer strahlenden Herrlichkeit ein Stückchen Paradies, ein wenig Heimat, im entsetzlichen Alltag im Warschau des Ersten Weltkriegs. Die offensichtlich erschütternden Worte "Spitschki! Zapalski!" wurden von Bergengrün nicht übersetzt. Dem Leser, wenigstens mir, ist die Geschichte ein Psychohistorie, ein Organon, das mir, wie dem Chaim in der Geschichte, in dieser Imagination und Intention meine "Seele" "stärken", meine Achtung vor anderen Religionen und ihren Betern fordern kann. )

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Anmerkungen:

Das Jüdische Ghetto in Warschau heisst Nalewski. Der Historiker Emanül Ringelblum beschreibt in seinen Tagebüchern aus dem Ghetto in begeisternder Sprache das kulturelle Leben dort, die Atmosphäre zwischen Schulen, Universität und den vielen Geschäften entlang der Leschnostasse und Nalewski Strasse (Nalewski ist auch eine Strasse, die es immer noch gibt). Weiter schreibt er über die Atmosphäre nach Feierabend, von Konzerten und Dichterlesungen wie z.B. von Sholem Alejchem. Ringelblum wörtlich: "An jedem Tag in dieser Zeit wurde mit voller Kraft gelebt".
Die schwersten Angriffe und grössten Vernichtungen durch die Nazis fanden zwischen Nalewsi und Muranowski Square statt - Wer einen Stadtplan hat - die Nalewski Strasse geht vom Muranowski Square ab.

Herzenshärtligkeit... ist ein absolut seltenes im Deutschen; es kommt vor im den 20./30. Jahren, bei Ernst von Wildenbruch oder Oskar Loerke. Vgl.: https://www.projekt-gutenberg.org/info/search/search.php

# Zapalki heisst Streichholz auf Polnisch. Spicka ("Spitschka" gesprochen) heisst Streichholz auf Tschechisch. So wird die Erzählung ein Exempel, nicht als Märchen von den Schwefelhölzern, sondern eine einmalige Geschichte zur Geschichte der Menschen.

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Die Nalewki ist eine einen großen Teil des jüdischen Hitler-Ghettos durchziehende Straße. Mit ihren Seiten- und Nebenstraßen wurde das ganze Gebiet (Nowolipki-Swietojerski, Gesia - Franziskanska, Mila, Muranowska, Niska ) zum letzten Widerstandsnest in den grauenvollen Tagen des Aufstandes im Warschauer Ghetto.
Hier stand nach der Befreiung Polens durch die Rote Armee kein Stein mehr auf dem anderen. Ganz wenige Häuser in der Panska ( Nähe Hauptbahnhof ) und eine Markthalle erinnern an die "echten" zeitgenössischen Häuser. Übrigens Jugendstil-Vorderhäuser mit vielen, vielen Hinterhöfen. Vor der Ghettoisierung lebten in dieser Gegend, die sich im Westen bis zur Mlynarska erstreckte sehr viele Juden, aber auch Menschen anderen Glaubens. Viele v.a. reichere assimilierte Juden wohnten aber auch in allen anderen Stadtteilen Warschaus, bis sie eben unter unmenschlichen Hygiene- Wohn- und Grundnahrungssicherungen in dem mit Mauer umgebenen Ghetto zu leben, zu vegetieren gezwungen wurden.
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Vgl. Zborowski, Mark und Herzog, Elisabeth "Das Städtl". Die untergegangene Welt der osteuropäischen Juden. Beck, 1992.
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Was ich in dieser Geschichte, die ja im ersten Weltkrieg spielt, nur ahnte, kann ich jetzt belegen - auch mit der genannten Literatur, z. B. Basil Singer und Emil Francos. Diese Geschichte "Der grüne Kasten" ist vom Thema und dem realistisch knappen Stil her untypisch für Bergengrün und von ihm selber gar nicht veröffentlicht worden, sondern erst von seiner Tochter im Jahre 2000. Wahrscheinlich vermochte Bergengruen die Wirkung einer solchen Geschichte - insbesondere nach der Judenverfolgung, ja, des europäischen Holocausts - nicht einzuschätzen. (Andere Texte mit jüdischen oder christlich-antijudaistischen Themen sind mir von Bergengruen nicht bekannt.)

Tatsächlich muss der Krüppel Chaim täglich mit einigen Päckchen Streichhölzern in einem Weidenkörbchen los und muss sie in der Bahnhofsgegend tschechisch und polnisch anpreisen.

Den Bezirk Nalewski hat W. B. als Zentrum des jüdischen Lebens in Warschau beschrieben, der auch schon beim damaligen Einmarsch der Russen sehr gelitten hat. Und der Chaim wird von den Granaten "der weichenden Russen" noch getroffen und getötet.

Eine Erzählung, die lange v o r dem Holocaust spielt und uns trotzdem von den Leiden der einfachen und armen Juden in ihrem Viertel mitteilt; lange bevor 1943 der SS-General Stroop das Ghetto liquidierte und nach dem Massaker abschließend mitteilte: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr."

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Vgl. neuerdings: den Film von Roland Polanski: "Der Pianist":

http://szpilman.net/welt.html

Wladyslaw Szpilman , Wolf Biermann (Mitarbeiter): Der Pianist.
Berlin: Ullstein Taschenbuchverlag 2002.
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http://www.taz.de/pt/2002/05/28/a0159.nf/textdruck

http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/tips/38265/index.html

"Der Pianist" ist Polanskis persönlichster Film...Der Film spielt im Warschauer Ghetto und zeigt die Judenvernichtung dramatischer, realitischer und humanistisch-versöhnlicher Absicht.


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