Donnerstag, 15. Februar 2024

Wsr von K a f k a; was vom F r ä h l i n g. - Oder dem "O d r a d e k" vom Franzl'!

 

> Mein Tausendschönchen >


V e r / g e b l i c h e    i  e  f  e   # 8


Hej, lieber N.:

wir trafen uns mal in Kleve; und konnten ein bisschen den Parkplatzwärter narren (man hätte darauf eine kafkeske Parabel schreiben können; vielleicht tust es nochmals); die Hauptblickrichtung(en) waren aber auf Gaesdonck gerichtet... - die richtige Bedrohung (wer ist wieder geschasst, wer wurde geext, wer hätte consilium abeundi verpasst, wer gerügt ...), die ich allezeit, in veriate: Pro Deo et Domino Baumeiteri mori; es war eine tägliche Bedrohng pro tempore, die man für seine eigene, kleine Zukunft aushalten und in Vor-Vor-Sicht behaupten musste.

Deine brutalen Erlebnisse zu Nikolaus im Juvenat waren dafür ein leuchtendes Beispiel von heilig-leuchender Nonnenhaftigkeit. -

Erinnerst Du Dich noch ein Kafka-Erlebnis, in einer Klassenarbeit, als wir die Story von F.K. interpretieren sollten, von einem Exempel, mit glühender Kohle (die natürlich dem Zeitgenossen fehlte, weil der eilige Kohlenhändler [äh: Pardon: die*in; Händlerin!]sie nicht verkaufen wollte: „Der Kübelreiter“ (1921); vielleicht hast Du ein anderes Thema genommen. Ich fand meine Arbeit ganz gelungen (Ich spürte der gleichnishaftigen Wärme-Metaphorik nach: heiß und kalt; aber die Note war nur befriegend; sollte mich kalt lassen, aber ärgerlich zurück lassen. Ich schob es Kafka zu!

aber vielleicht bist Du in Deinem Leben (… Psychologie) gar nicht mehr mit Kafka in Berührung gekommen. Für mich sind einige Kafka-Texte proto-typisch berauschend (für das 20. Jh. und meine personale Bildung) geworden.

Und wenn Du ewas Spass hättest mit dem komischen Odradek hättest; würde ich mich freuen.

 
Mein Auha-Autismus, der mich auf das bischöflichen Gymnasium zwecks Kaplan-Werdung brachte.

Kafka:

Odradek (zuerst 1917)


Die einen sagen, das Wort Odradek stamme aus dem Slawischen und sie suchen auf Grund dessen die Bildung des Wortes nachzuweisen. Andere wieder meinen, es stamme aus dem Deutschen, vom Slawischen sei es nur beeinflußt. Die Unsicherheit beider Deutungen aber läßt wohl mit Recht darauf schließen, daß keine zutrifft, zumal man auch mit keiner von ihnen einen Sinn des Wortes finden kann.

Natürlich würde sich niemand mit solchen Studien beschäftigen, wenn es nicht wirklich ein Wesen gäbe, das Odradek heißt. Es sieht zunächst aus wie eine flache sternartige Zwirnspule, und tatsächlich scheint es auch mit Zwirn bezogen; allerdings dürften es nur abgerissene, alte aneinander geknotete, aber auch ineinander verfitzte Zwirnstücke von verschiedenster Art und Farbe sein. Es ist aber nicht nur eine Spule, sondern aus der Mitte des Sternes kommt ein kleines Querstäbchen hervor und an dieses Stäbchen fügt sich dann im rechten Winkel noch eines. Mit Hilfe dieses letzteren Stäbchens auf der einen Seite, und einer der Ausstrahlungen des Sternes auf der anderen Seite, kann das Ganze wie auf zwei Beinen aufrecht stehen.

Man wäre versucht zu glauben, dieses Gebilde hätte früher irgendeine zweckmäßige Form gehabt und jetzt sei es nur zerbrochen. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein; wenigstens findet sich kein Anzeichen dafür; nirgends sind Ansätze oder Bruchstellen zu sehen, die auf etwas derartiges hinweisen würden; das Ganze erscheint zwar sinnlos, aber in seiner Art abgeschlossen. Näheres lässt sich übrigens nicht darüber sagen, daß Odradek außerordentlich beweglich und nicht zu fangen sei: windflüchtig. {Komisch: meine Interpretation; sie ist vers-(äh: ver-geblich!}

Er hält sich abwechselnd auf dem Dachboden, in Treppenhaus, auf den Gängen, im Flur auf. Manchmal ist er monatelang nicht zu sehen; da ist er wohl in andere Häuser übersiedelt; doch kehrt er dann unweigerlich wieder in unser Haus zurück. Manchmal, wenn man aus der Tür tritt und er lehnt gerade unten am Treppengeländer, hat man Lust, ihn anzusprechen. Natürlich stellt man an ihn keine schwierigen Fragen, sondern behandelt ihn - schon seine Winzigkeit verführt dazu - wie ein Kind. „Wie heißt du denn?“ fragt man ihn. „Odradek“, sagt er. „Und wo wohnst du?“ „Unbestimmter Wohnsitz“, sagt er und lacht; es ist aber nur ein Lachen, wie man es ohne Lungen hervorbringen kann. Es klingt etwa so, wie das Rascheln in gefallenen Blättern. Damit ist die Unterhaltung meist zu Ende. Uebrigens sind selbst diese Antworten nicht immer zu erhalten; oft ist er lange stumm, wie das Holz, das er zu sein scheint.

Vergeblich frage ich mich, was mit ihm geschehen wird. Kann er denn sterben? Alles, was stirbt, hat vorher eine Art Ziel, eine Art Tätigkeit gehabt und daran hat es sich zerrieben; das trifft bei Odradek nicht zu. Sollte er also einstmals etwa noch vor den Füßen meiner Kinder und Kindeskinder mit nachschleifendem Zwirnsfaden die Treppe hinunterkollern? Er schadet ja offenbar niemandem; aber die Vorstellung, dass er mich auch noch überleben sollte, ist mir eine fast schmerzliche.

* * 

Zum Odradek, dem Rätselwort, gibt es Notizen in der Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Odradek

Glüch zu: Äh: Glück zu: Wiki!


>>> Entstanden: Mai/Jun. 1917; erschienen:1920 im Band „Ein Landarzt“ (14 Prosastücke) In: F. K.: Sämtliche Erzählungen. 1970. S. 139ff.

Ja, „Odradek“, dem Spielzeug, das mir mein Bruder Köb bastelte zu meinem 7. Geburtstag; als wir alle nichts von Kafka wussten und doch ein schönes Spiel mit der niedlich dahin-ruckenden Garnrolle spielten, als wir noch sorgen-frei auf „Pannofen“ lebten, unserer grünen „Lehmgrube“, der verkommenen Ziegelbrennerei auf Goch: Voßheide 90.

                  < Greis, mickrig-nackig; mit seinem Odrakek'chen >

Ich zitiere aber nochmals M. v. E. E., um ein bisschen die angedeutete Freiheit zu be-leucht-en, die bei mir „Odradek“ bedeutet: „Manche Leute wären frei, wenn sie zu dem BewußStein; äh: Bewußtsein, ihre Freiheit kommen könnten.“

Oder zurück in die Literaturgeschichte zu Jean Paul: „Die Priester bringen uns Briefe vom Himmel; aber sind nicht frankiert.“

Auch Kafka Texte bleiben „kafkaesk“; man kann sie nur psychoanalytisch interpretieren, wenn man denn weiß, was die Freihei(ten)&Zwänge in Es/Ich/Über-Ich, also im Kopp – oder im Traum leisten können.

Aber, mein kleines, stilles Odradek'schen war mein FrählingFrähling;

Frähling] Eigentlich: „Schmetterling“ [jedenfalls in meiner Kindersprache): ein tolles G'schenk von meinem Patenonkel: selsbstgesägt/gezimmert/verdrahtet: ein Schmetterling aus Holz/Flügel/Rollen, dessen Flügel sich bewegten – so wie ich ihn fortbewegte in seinem Schwarz-Goldenen Glanz: hin und her; auch in der Luft (da konnte er die Flügel aber nicht mehr bewegen).- 

niemand soll es deuten/klären/verfälschen können: Nur meine Geschwister – aus unserem Spielen heraus - könnten es wissen: S p i e l t  zu, ihr Blagen!

Oder wie: Walter Benjamin ihn beschrieb: den "Odradek":

"Zweifel beschlichen mich, ob dieser Kasten von Haus aus überhaupt zum Nähen sei – sie waren denen ähnlich, die mich jetzt manchmal auf offener Straße überfallen, wenn ich von weitem nicht entscheiden kann, ob ich vor Augen eine Konfiserie oder eine Friseurauslage habe. Und schwerlich hätte ich mich sehr gewundert, wenn bei den Spulen eine redende, die Spule Odradek, gelegen hätte, die ich fast vierzig Jahre später kennen lernte. Zwar nennt der Dichter diese redende und rätselhafte, welche auf den Treppen und in den Zimmerecken sich herumtreibt, »die Sorge des Hausvaters«. Das wird aber der Vorstand einer jener zweideutigen Familien sein, bei denen sich die Geschlechtsverhältnisse verkehren. Soviel zumindest spürte ich schon damals, daß die Zwirn- und Garnrollen mich mit verrufener Lockung peinigten. Und zwar war deren Sitz in ihrem Hohlraum, in dem früher die Achse kreiste, deren schnelle Drehung den Faden auf die Rolle wickelte. Nachher verschwand dies Loch auf beiden Seiten unter der Oblate, die meistens schwarz war und mit goldenem Aufdruck den Firmennamen und die Nummer trug. Zu groß war die Versuchung, meine Fingerspitzen gegen die Mitte der Oblate anzustemmen, zu innig die Befriedigung, wenn sie riß und ich das Loch darunter tastete." [In: W.B.: "Berliner Kindheit um Neunzehnhundert". Ausgabe 1991. Bd. SS.W. IV.1

 Und immmmmmmmmer wieder:

Wie immmmmmer, wer vom Kafkaesken spricht, immer vom Odradek sprechen will; will Franzl kann nicht kennen; er tut so nur: irrrrr-genwie kafkaesk:

https://www.dwds.de/r/?corpus=kern&q=Odradek

Oder, in der ZEIT, von 1946-2019; immer mal so weiter, ihr Schwätzer*innen:

https://www.dwds.de/r/?corpus=zeit&q=kafkaesk


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