Freitag, 21. April 2023

Mascha K a l é k o: Ansprache eines Bücherwurms

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G o e t h e -Memorabilien elfeinhallb:: # 02

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Goethe (und Goethes Werke) in einem Gedicht von Mascha Kaléko

Mascha Kaléko: 

Ansprache eines Bücherwurms


Der Kakerlak nährt sich vom Mist,

Die Motte frisst gern Tücher,

Ja selbst der Wurm ist, was er isst.

Und ich, ich fresse Bücher…


Ob Prosa oder Poesie,

Ob Mord – ob Heldentaten -

Ich schmause und genieße sie

Wie einen Gänsebraten.


Ich bin ein sehr belesener Herr,

Nicht wie die andern Viecher!

Dass Bücher bilden, wisst auch ihr,

Und ich – ich fresse Bücher.


Die Nahrung, sie behagt mir wohl,

Verleiht mir Grips und Stärke.

Was andern Wurst mit Sauerkohl,

Das sind mir Goethes Werke.


Ich fraß mich durch die Literatur

So mancher Bibliotheken;

Doch warn das meiste, glaubt es nur,

Bloß elende Scharteken.


Das Bücherfressen macht gescheit.

So denken sich ́s die Schlauen.

Doch wer zu viel frisst, hat nicht Zeit,

Es richtig zu verdauen.


Drum lest mit Maß, doch lest genug,

Dann wird’s euch wohl ergehen.

Bloß Bücher fressen macht nicht klug!

Man muss sie auch verstehen.

*

*]Eine Folge von etwa hundert Texten zu Leben und Werk und Philologie zu Johann Wolfgang Goethe

Aus dem von der Autorin zuletzt geplanten Kinderbuch „Die Tante aus Amerika“ (entstanden 1966).

Macha Kaleko war neben Else Lasker-Schüler die bedeutendste jüdische Poetin im Deutschland der 20- und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ihr gelang zunächst die Flucht in die Schweiz; später in die USA. Um ihre Funken sprühende Poesie zu kennzeichnen, wird sie als die „weibliche Erich Kästner“ geehrt.

Aus: Mascha Kaléko: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. I. Werke. München 2012. S. 563f.

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