Freitag, 21. Juni 2024

Ein Detail zu Theodor F o n t a n e s "S t i n e"

 

Fontane, in Bronze; in seinem tollen Denkmal in Neuruppin

ANTON STEPHAN REY ...

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  • Samstag, 

Herrn 

Christian Grawe

in Melbourne

c/o Verlag Reclam, Stuttgart


F o n  t a n e s   „S t i n e “

Ihr „Führer durch Fontanes Romane“


Sehr geehrter Herr Grawe,

Sie, Herr Grawe, wissen es. Sie haben es dokumentiert: „Der Zauber steckt immer im Detail.“(Th. F.) Darf ich Sie in einem D e t a i l  korrigieren:

Lauschen wir dem Sarastro im vierten Kapitel:

Darf ich die Herrschaften miteinander bekannt machen?“...“Fräulein Ernestine Rehbein,...“ (Stine. Kapitel 4; Ull-TB 4520. S. 22)

Diese präzise Angabe des Erzählers Fontane habe ich mal verglichen mit Ihrer Mitteilung in Führer durch Fontanes Romane (RUB 9439. S. 253):„Der Vorname ist Abkürzung von Justine“ (F. an J. Kürschner am 6. Juni 1883) Fontane hat also seine sehr frühe Festlegung später korrigiert; oder sie bis zum Erstabdruck 1889/90 einfach vergessen.

Meine Interpretation: „Ernestine“ ist - so kein nachweisbares Sprichwort - ehrlicher, als der hohe Anspruch der „Justine“; es ist deutlich deutscher als das Fremdwort „Justine“?Justine

Justine]

Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus, Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 53 „Das am weitesten verbreitete Werk von de Sade, die allegorische Geschichte der Justine (Justine oder Vom Mißgeschick der Tugend), ist sowohl dem Inhalt wie der Entstehung nach eng mit der »Bienenfabel« verwandt.“ - Was das auc himmer sein tun sosllen.

mit seiner literarischen Belastung.

Na, schöne Grüße aus dem alten Deutschland...

[Eine Bestätigung [irgendwie propmt] kam aus Australien....]



D a n n :

Th. Fontane: "S t i n e"

Entstehung: 1881-1888.
Vorabdruck: "Deutschland. Wochenschrift für Kunst, Literatur, Wissenschaft u. soziales Lebens". Jg 1. [der einzige], 1889/90, Nr. 17-24, vom 25. Jan.-15. März 1890.
Erste Buchausgabe: Apr. 1890 bei Friedrich Fontane & Co., Berlin.

*

...von der leisen, zukunftslosen Liebe zwischen dem kleinbürgerlichen Mädchen Stine und dem jungen Waldemar, Neffe des Grafen Haldern, der mit Stines Schwester Pauline Pittelkow ein lockeres Verhältnis hat. Deren kokette Tochter Wanda wiederum ist Schauspielerin. Ein "Ekel", ein "Dummbart" und ein "armes, krankes Huhn" - derart abfällig äußert sich Stines Schwester über den Grafen, dessen Freund Baron Papageno und Waldemar von Haldern, nachdem jene drei Herren mit jenen drei Damen einen ausgelassenen, beinahe derben Abend verbracht haben, bei dem sich Stine und Waldemar auffallend im Hintergrund hielten. Beiden ist die frivole Art der vier anderen unangenehm. Am darauffolgenden Tag kommt Waldemar Stine besuchen, und aus der anfänglichen zarten Zuneigung entsteht eine sehr leise, aber innige Liebe, die Waldemar schließlich dazu bringt, seiner Angebeteten , trotz Widerstand bei Onkel und Eltern, einen Heiratsantrag zu machen. Er schert sich nicht um seine Verwandtschaft, sondern möchte mit Stine in der Neuen Welt ein neues Leben beginnen, jenseits aller Ständedünkel. Doch - überraschende Wende, ungeahntes Hindernis - Stine weist ihn, obwohl sie seine Liebe erwidert, zurück; sie glaubt nicht, daß er dem harten, entbehrungsreichen Leben mit ihr gewachsen wäre; sie meint zu wissen, daß er sich und das, was ihn glücklich macht, verkennt. "Dadurch, daß man anspruchslos sein will, ist man's noch nicht, und es ist ein ander Ding, sich ein armes und einfaches Leben ausmalen oder es wirklich führen." Doch gleichzeitig verkennt sie auch die Tiefe seiner Liebe zu ihr: Seines Lebensmutes beraubt, sieht Waldemar im Selbstmord die einzige Erlösung. Sein Tod indes nimmt auch Stine viel von ihrer Kraft, sie bleibt am Leben, jedoch geschwächt und voraussichtlich ohne glückliche Zukunft.


Wieder einmal zerbrechen zwei Menschen an den starren Konventionen, wieder einmal wird ihnen aufgrund von Standesunterschieden die Liebe unmöglich gemacht. Das "wieder einmal" könnte insofern gerechtfertig sein, da wir beinahe dieselbe Story schon in dem zwei Jahre zuvor erschienen Roman Irrungen, Wirrungen finden, und somit muß einem Stine auf den ersten Blick als billiger Abklatsch, als einfallsloser Aufguß von etwas längst dagewesenem erscheinen. Doch der Schein trügt, der "erste Blick" hat unrecht, wenn man einen zweiten zuläßt! Denn zum einen hat Fontane an seiner Stine bereits zu arbeiten begonnen, als von Irrungen, Wirrungen wohl noch nicht einmal die Idee existierte; schon 1881 findet der kleine Roman Erwähnung in seinem Tagebuch, erst drei Jahre später liest man von Irrungen, Wirrungen. Zum anderen: Stine hat, trotz der Ähnlichkeit was die Geschichte betrifft, ein herrliches Eigenleben - und wer möchte ernsthaft die tatsächlich gelebte und ausgelebte Beziehung zwischen Lene und Botho mit der leisen, schüchternen und dennoch konventionsbrechenden Liebe zwischen Stine und Waldemar gleichsetzen?!

Die Pittelkow nennt Waldemar ein „ausgepustetes Ei“ - Stine berzeichnet ihn als „armes, krankes Huhn“.

Spielen sie beide auf eine Genitalvelretzung des vormaligen heldenhaften Dragonerfähnrichs an??

Sowohl Stine als auch Waldemar von Haldern fühlen sich unwohl in ihrer jeweiligen Gesellschaft: Stine kommt an die laut-lustige Art ihrer Schwester Pauline, die zwei Kinder von mindesten ebensovielen Männern hat, und die unbekümmerte Frivolität ihrer Nichte Wanda nicht heran; Waldemar gesteht sie bei dessen ersten Besuch:

...und solch ein Leben, wie's meine Schwester führt, verführt mich nicht; es schreckt mich bloß ab, und ich will mich lieber mein Leben lang quälen und im Spital sterben, als jeden Tag alte Herren um mich haben, bloß um Unanständigkeiten mit anhören zu müssen oder Anzüglichkeiten und Scherze, die vielleicht noch schlimmer sind. Das kann ich nicht, das will ich nicht.

Waldemar wiederum kann weder mit den genannten Anzüglichkeiten noch mit der vom Onkel vorgelebten Lebensweise mithalten; er gibt im selben Gespräch mit Stine zu:

Ich bin krank und ohne Sinn für das, was die Glücklichen und Gesunden ihre Zerstreuung nennen.

Beide fühlen sich verstanden, wenn sie beisammen sind, ein leises Einverständnis.

Und auch in dieser Geschichte spielt die Frage nach dem Glück eine tragende Rolle. Wie erlangt man es? Wann ist man glücklich? Wer darf es sein? - Über Stine sagt der alte Graf von Haldern bei jenem gemeinsamen Abend zu sechst scherzhaft:

Ich glaube, sie hat überhaupt den Schlüssel und schließt uns jedes Glück auf, vorausgesetzt, daß sie will...

Für Waldemar will sie es scheinbar nicht - sie lehnt seinen Antrag ab -, oder kann sie es nur nicht? - Für die beiden war das Glück nicht bestimmt, sie scheitern letztlich an den Außenwelt.

Stine hat an der Außenseite des Fensters in ihrem Zimmerchen einen Spiegel, der so postiert ist, daß sich in ihm das Treiben auf der Straße spiegelt; das fasziniert alle Besucher, die sich ihr gegenüber ans Fenster setzen. Auch Waldemar ist hingerissen von jenem gespiegelten Bild, dem Spiegelbild der Wirklichkeit. So sitzen sie, für ein paar Momente glücklich, solange nur das Spiegelbild der Realität sie umgibt, an der Realität selbst zerbrechen sie.

- Stefanie Agerer, 24. August 1998

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Aust, Hugo: Theodor Fontane: "Verklärung". Eine Untersuchung zum Ideengehalt seiner Werke. 1974, S. 161-188.



Frierich, Gerhard: Die Witwe Pittlekow. In: Fontane-Blätter 3, 1974, H. 2, S. 109-124.



Garland, Henry: The Berlin novels of Theodor Fontane. Oxford 1980, S. 128-139.



Hayern, Kenneth: Theodor Fontane. A critical study. London 1920, S. 221-234.



Hertling, G. H.: Theodor Fontanes Stine: eine entzauberte Zauberflöte? Zum

Hunanitätsgedanken am ausgang zweier Jahrhunderte. Bern, Frankfurt 1982.


Kahrmann, Cordula: Idyll im Roman: Theodor Fontane. 1973, S. 116-123.


Mittenzwei, Ingrid: Die Sprache als Thema. Untersuchungen zu Fontane Gesellschaftsromanen. 1970, S. 110-116.


Müller-Seidel, Walter: Theodor Fontane. Soziale Romankunst in Deutschland. 1975, S. 270-284.


Reuter, Hans-Heinrich: "Freifrau" oder "Froufrou". Zu einem verschleppten Lesefehler in Fs Erzählung Stine. In: Weimarer Beiträge 9, 1963, S. 156-158.


Reuter, Hans-Heinrich: Fontane. 2 Bd. 1968, S. 671-676.


Schillemeit, Jost: Theodor Fontane. Geist und Kunst seines Alterswerks. 1961, S. 47-57.


Thunecke, J.: Lebensphilosophiesche Anklänge in Fontanes "Stine". In: Formen realistischer Erzählkunst, 1979, S. 505-525.


Voss, Lieselotte: Literarische Präfiguration dargestellter Wirklichkeit bei Fontane. 1985, S. 164-177.


Wandres, Conrad: Theodor Fontane. 1919, S. 235-245.


Wessels, P.: Schein und Anstand. Zu Fontanes Roman "Stine". In: Formen realist. Erzählkunst, 1979, S. 490-504.


* * Besonders zu empfehlen sind die Ausgaben innerhalb der Gesamtausgaben (Hanser Fontane; Große Brandenburger Ausgabe), die allerdings gebunden und damit verhältnismäßig teuer sind. Die kartonierte Ausgabe mit der höchsten Qualtiät ist diejenige des Deutschen Taschenbuchverlags (dtv), aber auch die (noch billigere) Reclam-Ausgabe ist zu empfehlen. Diese Ausgaben sind unten an oberster Stelle aufgeführt.

Und, bitte anbei, die NN.s vom ersten Kurs, in dem ich Fontanes "Stine" zur Dikussion stellte (schöne Erinnerunhen beigeschlossen!):



* *

Wenn ich nochmals in die Schule  k ö  n n te - ich würde wieder Fontanes Roman "Stine" wieer Zur Lektüre emphehlen.
Anbei mein Dank für die Schülerinnen (im Abiturjahrgang Deutsch. 1990: 
Bettina.  Barbara.  Stephanie.  Astrid.  Jette.  Anne.  Darija.  Claudia.  Niklas.  Andreas. Lars.  Monika.  Claudia G.  Eva.  Nicole.  Simone.  Heike..

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