Donnerstag, 21. März 2019

S c h u l e vor den Ferien

Oh, du meine Tasche!


- Eine deplazierte Er - I -nnerung -



                  > Gedenkplatte in der Außenmauer des Quadrums einer Schule >



Daheim angekommen. Bemerke ich ich den Verlust der Tasche, meiner Aktentasche. Mit dem Heften, die ich korrigieren will (oder muss), obwohl es heute Morgen Ferien gab. - Aber es ist noch Zeit. Wieder zurück zur Schule.

Durch den Hintereingang, vorbei an Eingang der Turnhalle vorbei. Und ab in den ersten Stock. Dort hatte meine 9a für die zweistündige Klassenarbeit geführt: "De bello Gallico"IV, 2-6! -  Aber, ich suchte, und fand meine Tasche mit allem Geplörre nicht; sie musste – ja wo denn nur? Und wenn sie jemand ins Lehrerzimmer getragen hat. Runter in den ersten Stock.


Aber an meinem Platz stand das vehiculum transportalis nicht. Oder direkt an der Tür, sieh nach!. Auch nicht. Und das Sekretariat? Schon geschlossen.

Wo war ich noch , in der 5c, im Literaturkurz der 13. ich hetzte duch die Räume, nichts. Ich gehe nochmals, reihum. Für einen Freitag.


Ich gehe bis in den Keller runter, da gab oft Verstecke für Schulersachen. Aber die eisern Tür zum Heizungskeller waren verschlossen. Gib gab es hier zu entdecken.

Und ich suche noch zwischen allen Stockwerke – und schließe die Räume auf. O ich am freitag Morgen gewesen war. Manchmal glaub ich schon meine Tasche in der Hand zu haben, der Griff liegt leicht und richtig in der Hand; aber ein misstrauischer Blick gibt mir ein Erwachen.

Und ich – und das. Da steht Marcus. Mein Lieblingsmarcus, dessen Mutter mich immer an Elternsprechtagen besuchte. - Was machst du hier. Er gibt mir die Hand, Tach auch, Herr Lehrer. Und – was ist das? ''Er steeckt mir seine fast zerfleischte Rechte, aber gut genäht, hand-chirurgisch. „Ach, ich aber jetzt als Tierpfleger. Das ist ein Pranke von einer Leidwolf! Ich hab si eihm hingesteckt! Blöd – wa?“ - Gut vernäht! Das sag ich. Aber die drei - wie kommen die in die Klassenraum? - wissen von von Tasche und Ossel!


Trotzdem, schleunigst – nach Hause. Ohne Tasche. Die Arbeiten – ob sie verloren sind? Und ich geh wieder nach Hause.

Da gehe ich im Schlafanzug in der Küche: ich begegne meine Frau, sie hat sich gerade zum Kaffe hingesetzt. 


                                                        Es locken die Feriene! Tusch!


Ich steh schlafmütig und misstrauisch vor ihr. Und erinnere mich an viele blödsinnige Alpträume.

Du, oh, meine Tasche - ich gehe wieder ins Bett. 
Habet Faenum in cornu, longe fuge. „Hat er hat Heu auf dem Horn, fliehe weit weg!“ (Horaz, Satiren 1,4,34) - So zischt es in der Tasche; doch - wo kann ich sie finden? Sie versteckt sich...

Ich muss meine Tasche suchen!

Querito in librum
et in multam, noctem punavi.
...:



Ich muss meine Tasche suchen (ohne eine Parabel zu schreiben)!

Oh,  du meine Tasche,

... oh du mein Leben!

Sonntag, 17. März 2019

Von Schirach: - Stefan Zweig - Jean Améry

 

M e i n e   G e - Z w e i g e -  № 8 -

 
Ferdinand von Schirach: Kaffee und Zigaretten. (Über Stefan Zweig) - im Schlusskapitel Achtundvierzig
                                                      
                                            > Thomas Mann & Stefan Zweig: Briefe. 2017 <
Oder 

Über Siuizid - als Freitod (nicht als Selbstmord, wie er despektierlich genannt wird)


Und dann im „Kapitel Achtundvierzig“. Auch hier wird das eigentliche Thema und eine Intention nicht verraten: Es gibt keine Überschriften in diesem Buch, keine angedeuteten Intentionen, die die Handlungssteile verbinden.



Also das Schlusskapitel – über einen Mann, der in einem alten Mercedes, der renoviert wurde, herumfährt - und – rätselhaft erweise - über Stefan Zweigs Freitod in Petropolis (1942):



Da wird Thomas Mann zitiert, mit seiner Tagebuch-Notiz: über Zweig Selbstmord „ albern, schwächlich und schimpflich“.


Es wird so zitiert im Zusammenhang: „(…) Mann, in sein Tagebuch ein, er fände diesen Selbstmord „albern, schwächlich und schimpflich“.



Die Einschaltung in dieser Story wird von der Autofahrer-Figur und ReiseFan vorgenommen, ohne dass der Zhg. als Kontext erläutert wird: „Thomas Mann hat sich getäuscht, denkt er.“



So können Story nicht funktionieren; sie bleiben blinde Flecke.

Es bleiben Rätsel, die nicht erläutert werden, die unnötig sind – ein Autor hat die VerAntWortUng, die er leisten muss. Sonst werden sie mit komischen Mitteln vom Leser er-ledigt!



Der Zusammenhang wird nicht thematisiert. Ich schreibe ihn zu Ende mit einem kleinen Text:



Im Auto, wird er zum lebendigen Autor, als er die Frau beachtet, die ihrem Freund den Schuhriemen flicht, zieht es wieder in Buch:



Klänge es nicht so vermessen, dann müßte man freilich sagen, daß das größte Meisterwerk Zweigs, des Erfolgreichen, Umworbenen, des Götterlieblings, sein Freitod im Jahre 1942 war. Hier war, zur letzten Höhe hinaufgesteigert, das „ungewöhnliche Ereignis", dem keine Psychologie, keine kausale Erklärung überhaupt gerecht werden kann. Franz Werfel, der Freund und Landsmann, sprach über diesen Tod aus heiterem Himmel Brasiliens dies: »(Das Argument der Feigheit vor dem Leben) ist billig und abgeleiert. (... ) Ein Mann, vom Leben verwöhnt, der Schönheit hingegeben, noch immer jung genug, um sich nach allen Genüssen des Körpers und Geistes zu sehnen, hält ein Glas mit tödlichem Gift in der Hand, Er weiß, wenn er dieses Glas geleert hat, wird sein Blut sich zersetzen, der Atem röcheln, das liebe, gierige Herz gelähmt sein. Vor dem Manne stehen nicht mehr die Gründe, die ihn dazu gerieben haben, das Todesurteil über sich zu verhängen, vor dem Mann steht nun das nackte Todeserlebnis selbst und die und die Gehorsamspflicht, es zu vollstrecken.“


Zweigs Freitod, [so verliebte er sich final ergriffen in seinem geschenkten Narrativ] ein Tod aus Gram über den Zerfall seiner „Westen von gestern“, hebt ihn hinaus über sein Werk und gibt auf geheimnisvolle Weise diesem oft unzulänglichen opus einen neue Dimension. Man hat den Lebenden oft, wie es so heißt, nicht ganz ernst genommen genommen.

Seine Antwort, auf die nun keinerlei Widerrede mehr statthaft ist, war der fürchterliche Ernst seines letzten Aktes.
                                         


(Jean Améry: Bücher aus der Jugend unseres Jahrhunderts. Glanz und Elend der Schriftsteller Stars. Über Jakob Wassermann und Stefan Zweig. 1981, S. 174f.)


                                  Für St. Z., meinen literarischen Heiligen meiner letzten Tage:

                      

                 

... und - (Stefan Zweig bedarf meiner Blumengabe nicht): 

Meine  finalen   T  u  l   e  n   letzter Hand:


Freitag, 15. März 2019

Stefan Zweig im Copacabana Palace

M e i n e   G e - Z w e i g e -  № 7 -

                                             Rio de Janeiro: Grandhotel: Copacabana_Palac


Ich lese:

Ferdinand von Schirach im Kapitel Vierzehn in seinen autobiografischen Stories Kaffee und Zigaretten (2019, S. 58):

Auf Besuch in Brasilien, anlässlich einer Verteidigung eines Kokain-Verbrechers: „Ich wohnte im Cobapanba Palace, einem angenehmen Hotel, direkt am Strand gelegen. Marlene Dietrich, Orson Welle, Igor Strawinsky und Stefan Zweig -“ (S. 58) Huj, diesen Text kenne ich. Denn habe ich gelesen. Irgendwie im SPIEGEL? - Nein, ich schlag nach (S. 189), stimmt in der BILD-Sonderausgabe vom 07.06.2018.
- Dann lese ich weiter, in einer Nacht v. 14.03.2019: Nun so gibt es einen ZWEIG - mehr für ZWEIGe-Girlanden.

Nur noch die Begegnung mit einem Harold, den von Schirach wiedererkennt, einem schottischen Hochadeligen: ein alter Genosse von Deutschland, mit den er auch schon etliche Semesterferien verbrachte in Harold House in Schottland.

Aber, dass Ferdinand von Schirach das Wochenende noch im Copacabana Palace in Rio de Janeiro verbrachte, wie viel Grande!Und in diesr Abschnitt seiner bigografischen Notizen nimmt e aus einem Brief vom Freund Harold zwei Zeilen Eichendorff aus:

Wir sehnen uns nach Hause
Und wissen nicht, wohin? (Aus Der Pilger)

Ich schlafe noch wacker und schlage nach am Morgen: 

Auch Stefan Zweig legte vor genau achtzig Jahren mit der Alcantara im Hafen von Rio de Janeiro an, ihn hat der Anblick der Stadt, die sich mit ihren Inseln, Hügeln und Buchten nach und nach vor einem ausbreitet, überwältigt. In seinem soeben erstmals in portugiesischer Übersetzung bei Versal Editores erschienen Buch "Kleine Reise nach Brasilien" ("Pequena viagem ao Brasil") schreibt er von einem einzigartigen Erlebnis. Leben und Tod, Licht und Schatten liegen bei dem weltbekannten Wiener Schriftsteller, dessen Geburtstag sich heute, am 28. November, zum 135. Mal jährt, in Bezug auf Brasilien eng beieinander. Ehe er anschließend weiter zum Internationalen Kongress des Pen-Clubs in Buenos Aires weiterreiste, verbrachte er 1936 in Rio "zehn frenetische Tage", wie die Journalistin und Übersetzerin Kristina Michahelles in Rio sagt, die zahlreiche Werke Zweigs übersetzt hat. Der Schriftsteller lebte auf der Suche nach dem Schönen - vorübergehend sollte er dieses auch finden, wiewohl sein Exil später längst nicht so glücklich war wie der erste Aufenthalt. Sechs Jahre später, in der Nacht auf den 23. Februar 1942, nahm er sich im brasilianischen Petrópolis, der letzten Station seines Exils, gemeinsam mit seiner zweiten Frau Lotte das Leben. -

Und bei Wiki lese ich weiter:

Zahlreiche Prominente aus Kultur und Politik waren Gäste im Hotel: Ella Fitzgerald, Marlene Dietrich, Orson Welles sowie Igor Stravinsky, Stefan Zweig, Henry Fonda, Errol Flynn, John Wayne, Ava Gardner uvam.


Und noch weiter, auf einer Suche nach einem Brief von Zweig:

Cobapabanca Palace: Stefan Zweig 1936 in Rio "zehn frenetische Tage".

Wen der Film Vor der Morgenröte der Regisseurin Maria Schrader wie uns begeistert hat, ist herzlich eingeladen, den Originalschauplatz zu besuchen und sich die CasaStefanZweig anzusehen. 2016 bieten wir Ausstellungen zum 80-jährigen Jubiläum von Zweigs erster Brasilien-Reise an (in Petrópolis) und zu Zweig als Briefschreiber (in Rio de Janeiro),sowie ein Konzert für den Friedenam 17. Dezember in Rio de Janeiro, rund um Zweigs berühmten Appell an Die geistige Einheit der Welt, einen Vortrag, den er im August 1936 in Rio auf seiner ersten Brasilien-Reise gehalten hat.

*

Zweigs Rede: Die geistige Einheit der Welt - die will mich interessieren.


Diesen Aufsatz, diese Rede will ich heute gelesen:

- im Stefan-Zweig-Handbuch (2108. S. 751-753)




Mittwoch, 13. März 2019

Sigmund F r e u d

                
  
Meine  G e - Z w e i g e -  № 6 

 
                                                  <DerTafikant> - mit Bruno Ganz als Sigmund Freud
Im dem schönen und stimmigen Roman von Robert Seethaler Der Trafikant interessiert mich besonders die Gestalt von Sigmund Freud, im Film von Bruno Ganz authentisch verkörpert.

https://www.youtube.com/watch?v=kKv1pgz5q2Y


Der Trafikant vom Robert Seethaler...

Zum Roman:

Goethe - Zweig - Auburtin - Walter Benjamin

 Meine  G e - Z w e i g e -  № 5 -

                                             Stefan Zweig mit Büchern im Garten. Salzburg.

Stefan Zweig  zu  Goethe ...

hat mehrfach über Goethe geschrieben in einer Reclam-Ausgabe hat er Goethes Gedichte gesammelt und ein Vorwort geschrieben:

Stefan Zweig: Goethes Gedichte. 1927
Herausgeber und Einleitung zu "Goethes Gedichte". Eine Auswahl. Verlag: Reclam in Leipzig. Reihe: Reclam's Universal Bibliothek 6782/84.

Schauen wir in der Kleine Verlagschronik von Reclam jun. nach:
1936
Einführung einer neuen Umschlaggestaltung (Entwurf: Friedrich Häder) und eines neuen Signets (Entwurf: Carl Bruns).
Eine von Stefan Zweig 1927 herausgegebene Auswahl von Goethes Gedichten kann nur noch ohne Nennung Zweigs erscheinen, der am 9. Mai aus dem Londoner Exil an Ernst Reclam schreibt: »Ich danke Ihnen sehr für Ihren freundlichen Brief und erkläre mich gern einverstanden, dass Sie die Auswahl der Goethe-Gedichte ohne Nennung meines Namens und des Vorworts weiterhin verwerten. Ich weiss ja, dass Sie nicht persönliche Intentionen zu diesem Entschluss geführt haben, wie ich ja auch meinerseits nur sehr bedauere, dass die für mich immer so ehrenvolle Verbindung mit Ihrem Verlage durch äussere Umstände unterbrochen worden ist.« Auch dieses Manöver trägt indes nicht weit, der Band muß zugunsten einer von Heinz Kindermann (Professor für deutsche Sprache und Literatur) gemachten Auswahl aus Goethes Lyrik aus dem Programm genommen werden. Stefan Zweigs Anthologie erscheint erst wieder 1948 in der Stuttgarter Produktion.

*
Stefan Zweig: in Rezensionen 1902 - 1939

Zu Goethes Gedichten

Goethes Leben im Gedicht:
Vorrede zu meiner Auswahl von Goethes Gedichten im Verlag von Philipp Reclam jun.
Das erste Gedicht Goethes malt die ungelenke Kinderhand des Achtjährigen auf ein Geburtstagsblatt für die Großeltern. Das letzte Gedicht Goethes schreibt die zweiundachtzigjährige Greisenhand, einige hundert Stunden vor seinem Tode. Innerhalb so patriarchalischer Weite des Lebens schwebt unwandelbar die Aura der Dichtung über diesem unermüdlichen Haupt. Es gibt kein Jahr, in manchem Jahr keinen Monat, in manchem Monat keinen Tag, wo dieser einzige Mensch sich das Wunder seines Wesens nicht selbst in gebundener Rede erläutert und bekräftigt hätte.
Mit dem ersten Federzug beginnt also bei Goethe die lyrische Produktion, um erst mit dem letzten Atemzug zu enden: Dichtung ist ihm ebenso unentbehrlich und selbstverständlich für die ständige Interpretation seines Lebens wie Strahlung dem Licht und Wachstum dem Baum. Sie wird durchaus organischer Vorgang, eine Funktion des Elements Goethes, eine nicht wegdenkbare, und fast wagt man nicht, sie Tätigkeit zu benennen, weil Tun schon etwas an den Willen Gebundenes ausdrückt, indes sich bei dieser notwendig schaffenden Natur die dichterische Reaktion gegen den Andrang des Gefühles gleichsam chemisch und bluthaft vollzieht. Der Übergang von der prosaischen Sprache ins gereimte und dichterische Wort geschieht bei ihm völlig zwanglos: mitten im Brief, im Drama, in der Novelle rauscht die Prosa plötzlich beflügelt in die ungebundene Form dieser höheren Gebundenheit. Jede Leidenschaft schwebt in ihr hoch, jedes Gefühl löst sich auf in ihren Sphären. Kaum wird man darum in der ganzen fülligen Breite seiner Existenz irgendeinem wesentlichen Geschehnis des Menschen ohne poetische Verdichtung begegnen. Denn wie selten das Gedicht bei Goethe ohne Erlebnis, so auch selten ein Erlebnis ohne den goldenen Schatten des Gedichtes.(...)
In: ST. Z.: Begegnungen mit Büchern. Hrsg. Kurt Beck. Ffm. 1984: # 2292.  S. 23-33.

Und in seinem Porträt zu Anton Kippenberg schrieb Zweig:

Das Erste, das Wesentlichste, das Kippenberg damals tat, war, dem vorgebauten Kreise einen Mittelpunkt zu finden, eine Urzelle voll lebendiger, zeugender Keimkraft. Und das gelang ihm, indem er Goethe in den Mittelpunkt des Verlages stellte, ihn, den ausstrahlendsten, unerschöpfbarsten, keimträchtigsten Genius unserer deutschen Welt. Damit schien scheinbar der Zeiger der Zeit zurückgerückt, der Verlag entmodernisiert. In Wahrheit aber ist dieser Goethe, den die Insel offenbarte, das neueste und gegenwärtigste Element der deutschen Bildung geworden, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, er sei erst durch sie zu seiner wahren Wirksamkeit in unsere deutsche Zeit gelangt. (1924)

Zweigs schönste Goethe-Widmung Die Marienbader Elegie (Zuerst: Denkwürdiger Tag. Zum hundertsten Geburtstag der Marienbader Elegie. In: Neue Freie Presse (Wien) 2.9.1923. Morgenblatt):

St. Z.: Sternstunden der Menschheit: München 2017. Salzburger Ausgabe. Bd. 1. S. 32ff.

>> Dazu später in diesem Berichten ... <
* *

Victor Auburtin:
An Weimar vorbei

Im Speisewagen Berlin-Frankfurt, ein Uhr, gegen Ende des ersten Mittagessens. An meinem Tisch drei große, umfangreiche Herren, die offenbar zur Frankfurter Messe fahren.
Französischer Rotwein, viele Schnapsgläser, Zigarren so groß wie die Zeppeline.
Seit einer Weile hält der Zug auf einer mittelgroßen, leeren Station.
»Wo sind wir denn hier?« – »Weimar.« – »Na, warum halten wir denn so lange in dem Drecknest?«
Unter den eisernen Trägern des Bahnhofs hinweg kann man ein Stück der Landschaft sehen. Graues oder schwärzliches Hügelgebilde, über das gerade jetzt ein geistreiches Aprilschneewehen hinwegwandert.
Der blendendweiße Strich dort ist eine Straße. Diese Straße ist er oft gefahren mit seinem Eckermann, auch bei schlechtem Wetter. Und Hügel und Schnee haben damals ebenso ausgesehen wie jetzt, haben ihm nicht mehr geboten, als sie uns bieten.
Die Rohstoffe seines Werkes sind unvermindert heute noch vorhanden und allgemein zugänglich.
Inzwischen wird am Tische der Wert Weimars erwogen und besprochen. »In Weimar ist gar nichts los.« – »Ein ganz totes Nest.« – »So schlimm ist es nun doch nicht, hier ist doch die große Pianofortefabrik von ... na ... Dingsda ... von Römhilt.«
Gott sei Dank, daß es wenigstens Pianofortes sind, denn es hätten ja auch Gummikragen sein können. Dann hieße es heute im deutschen Volksmund: Weimar, richtig, das ist ja die Stadt mit den Gummikragen.
Nun setzt sich der Zug doch so allmählich in Bewegung und rückt über Neudietendorf auf Frankfurt a.M. zu. Dort steht das Haus, an dem immer so viele schöne Reden gehalten werden. Über unseren Dichter, der in diesem Sinne als wahrhaft volkstümlich bezeichnet werden muß.
Victor Auburtin: An Weimar vorbei. In: Sündenfälle. Feuilletons. Berlin. (Ursprünglich aus: Ein Glas mit Goldfischen. 1922). S. 194f.
*

Von Walter  B e n j a m in  sind keine kritischen Berichte über Zweig überliefert.

Als Ersatz:
Rezension zu Emil Ludwigs: Goethe, Geschichte eines Menschen. Volksausgabe in einem Band. Stuttgart und Berlin, 1924.
Das Werk befriedigte bekanntlich die Bedürfnisse des breitesten Publikums. Es ermöglichte dem Leser, wenn nicht sich in Goethe zurecht, so gewiß einen kleinen Goethe in sich selbst vorzufinden.
In: Walter Benjamin: Kritiken und Rezensionen 1932 – 1940.


*   *   *

Anders ausgerichtete Essays über Zweig und Weimar aus unseren Tagen:

 

Zur zeit- und ideengeschichtlichen Einordnung:

„Darüber hinaus erlaubt Zweigs Bestimmung der Besiegten als den „zu früh Gekommenen“ (Zweig GWE, Castello gegen Calvin, S. 21) Assoziationen mit dem utopischen Denken von Ernst Bloch; in seinen Biografien von Erasmus oder Castello – um nur zwei prominente Beispiele zu nennen – lebt in der Tat ein besonderer „Geist der Utopie“, der, wie jeder Ernst Blochs, dem Humanismus verpflichtet ist. (...)“ So Arturo Larcati: Das Motiv des Besiegten. In: Stefan-Zweig-Handbuch. 2018, S. 722 – 732; S. 730)

Zu dem Goethe-Studium, auch mit den vorgelegten, scheinbar abseitigen Texten, wie Walter Benjamin es empfahl – tritt hier noch einmal Zweig (im Brief an Joseph Roth v. 25.09.1937 (Roth/Zweig 2011. S. 357f., Herv. i. O.): 

“Nein, Roth, nicht hat werden, nicht unerbittlich, weil die Unerbittlichen durch ihre Brutalität triumphieren – Sie lieber widerlegen durch das Anderssein, sich höhnen lassen für seine Schwäche statt seine Natur zu verleugnen.“

Diese Kultur der Humanität  ist Zweigs eigentliches Vermächtnis.

  

P.S.: Stefan Zweig ... Goethe ... in Weimar: 


" ... gerade gerne in Weimar - Stefan Zweig und die Klassikerstadt:verborgene Verbindungen – werkgeschichtliche Wirkungen. Von Burkhard Stenzel:
Burkhard Stenzel / 25.08.13 -

Und ein anderer Essay:

Der Schriftsteller Stefan Zweig und die Welt von Weimar

Und im  Goethes Haus in Weimar:
Das Motiv des Aufwärtsstrebens im Treppenhaus von Goethes Wohnhaus am Frauenplan. Von Hannah Schell :


Sonntag, 10. März 2019

Mein G e - Z w e i g & Die Welt von Gestern

 Meine  G e - Z w e i g e -  № 4 -

                            

                                        >    Stefan Zweig inmitten seiner Literatur >


Erlesen, verlesen - rausgesucht:
Franz Schuh;
Welt von heute
Krieg zwischen Regierung und Wiener Künstlern
Eine Rezension von Franz Schuh
6. März 2019 DIE ZEIT Nr. 11/2019, 7. März 2019

Text:

In Stefan Zweigs Die Welt von gestern steht der Grundtypus dieser Argumentation, und man muss sagen, nicht nur die Herrscher, auch die Massen bestehen aus Schlafwandlern. Die einen danken Köhlmeier für seine Munterkeit, von anderen höre ich: "Die Damen und Herren Schriftstellerinnen und Schriftsteller können nur gut auf die Regierung hinhauen, hinpecken, schimpfen, aber was man tun soll, wissen sie nicht, daher ist es stinklangweilig, was sie so dahersagen. Und immer dasselbe!" 
 

Nu gut: Ist das so dahergeredet? Gesagt? Ist da etwas ausgefallen: Ein Gedanke, ein Satz – ein AbSatz?  
Das Wesentliche der Argumentation?

Auch der Titel ist nicht richtig getroffen!
Die Welt von GesternWas ist da so dahergeredet?
Reminiscere:
Aus der ZEIT von 1946:

Diesen Text habe ich kopiert:

"Die Welt von gestern" Stefan Zweigs Lebensbeschreibung
Von Jürgen Schüddekopf
21. März 1946, 8:00 Uhr


"Sie haben den neuen Stefan Zweig?" – "Nur, leider, muß ich ihn mittags schon zurückgeben, ich bekam ihn nur für 24 Stunden. Wollten Sie ihn anschauen?"
So trifft man auch auf dieses Buch, wie es längst Gewohnheit wurde, in einer flüchtigen Begegnung. Sie scheinen derzeit das Leben auszumachen. Ein handfester Leinenband. Wir kennen den Buchtyp bereits, so sahen die ersten Boten aus, die von Jenseits der chinesischen Mauer Botschaft brachten.

Diesen Text habe ich kopiert:

"Die Welt von gestern"
Stefan Zweigs Lebensbeschreibung
Von Jürgen Schüddekopf
21. März 1946, 8:00 Uhr - Aus der ZEIT Nr. 05/1946


"Sie haben den neuen Stefan Zweig?" – "Nur, leider, muß ich ihn mittags schon zurückgeben, ich bekam ihn nur für 24 Stunden. Wollten Sie ihn anschauen?"
So trifft man auch auf dieses Buch, wie es längst Gewohnheit wurde, in einer flüchtigen Begegnung. Sie scheinen derzeit das Leben auszumachen. Ein handfester Leinenband. Wir kennen den Buchtyp bereits, so sahen die ersten Boten aus, die von Jenseits der chinesischen Mauer Botschaft brachten. Der Verlag Hamish Hamilton in London bringt in diesen Banden eine Reihe deutscher Emigrantenliteratur heraus.
Stefan Zweig berichtet von seinem Leben, von der Welt von gestern: Welt der Jahrhundertwende, in Wien erlebt. Wir haben davon wie von einer fernen Legende vernommen. "Das goldene Zeitalter der Sicherheit", die Welt scheint harmlos, oft rührend und naiv, noch sind nicht Dämonen, noch scheinen Genien am Werke. Zweig schildert den Aufstieg einer jüdischen Familie, still und vorsichtig werkeln Großvater und Vater, aber über den Enkel bricht eine jähe Brandung des Enthusiasmus herein. Die Gestalt des jungen Hofmannsthal erscheint, faszinierend und beglückend. Als sei durch ihn die Luft mit elektrischen Spannungen geladen, die die Herzen vorwärtstreiben, beeinflußt er die Gymnasialklasse, zu der Zweig gehört: sie lesen Nächte hindurch, sie schreiben, sie diskutieren. Eine schöne Beschreibung von Hofmannsthal, wenn er im Gespräch ist. Die Welt des geistigen Erbes schließt sich, von seiner zauberkräftigen Intuition angerührt, diesen jungen auf: von hier stammen Stefan Zweigs vielgelesene Biographien und die schönen Übersetzungen, in denen noch das ahnungsvolle Wissen jener Jahre enthalten ist. Zweig findet den Weg zur Zeitung, Herzl, der klassische Berichterstatter der Dreyfußaffäre taucht auf, nobel und patriarchalisch sein Feuilleton verwaltend, Zweigs Name wird bekannt, über Wien hinaus, man konnte noch mit nichts als einem Federhalter sich die Welt erobern. Fäden knüpfen sich ins Ausland, und aus ihnen entsteht das Bild einer greifen europäischen Freundschaft.
Eine hastige Lektüre, die Uhr der Leihzeit läuft schnell, Aber eine bewegende Lektüre. Die Welt hat, merkwürdige Phantasmagorie, einen Schwerpunkt. Nicht ein Leben wird erzählt, das ist das Beglückende, sondern – und es klingt wie eine Sage – das Bild einer geistigen Provinz, in der Europas Elite wohnt, Immer wieder schimmert in sachlichen Exkursen über soziale, sexuelle und Jüdische Probleme die Wirklichkeit durch, aber wirklicher scheint die Welt des Geistes. Und daß er keiner der Solitären ist, der Unvergleichlichen, sondern einer unter anderen, ein Schriftsteller seiner Jahrzehnte, der begabt ist mit dem Sinne für Wirkung, mit Intuition, Einsicht, Wortgewalt und Formulierfreude – das gerade gibt dem Buch den dokumentarischen Rang.
"Sie sind noch beim Lesen? Nun eine halbe Stunde kann ich noch warten." Wie Vorboten der Unruhe sind die langen Reisen, auf die ihn Romain Rolland ausschickt, weil Europa zu eng sei. In Indien trifft er einen deutschen Generalstäbler auf Forschungsreise, befreundet sich mit ihm und seinen Gedankengängen. Das ist Karl Haushofer – und in ein paar Sätzen gelingt diesem großen Kenner der Wirkungen eine Szene, die in absichtslosen Nebenbeisätzen besteht und aufs Herz schlägt. Heß wird erwähnt, der Schatten Hitlers steht über dem Buche auf. Das ist der zweite Teil des Buches, nahe Geschichte, aufgezeichnet von dem feinsten Seismographen, den es gibt, vom geistigen Menschen. Die neue Welt frißt die alte auf. Frühzeitig treibt die Witterung des Kommenden Stefan Zweig aus seinem Salzburger Hause. Das legendäre Inselreich des Geistes, das über dem zuckenden Europa webte, ist vorbei. Als einer seiner besten Bürger erlebt Zweig in schonungsloser Klarheit das Geschehen, immer ahnungsvoll den Ereignissen voraus. Was er wieder nur in lapidaren Sätzen, aus den Septembertagen des Jahres 1939 in Londoner Aufzeichnungen beschreibt, das ist die ohnmächtige Verzweiflung des geistigen Menschen, ausgedrückt in einer gültigen und schrecklichen Formel.
Es ist ein gerader Weg, der von diesen Sätzen zu dem Abschiedsbrief führt, den Stefan Zweig in Petropolis im Februar 1942 schrieb, als er mit seiner Frau aus dem Leben schied. Von Heimweh verzehrt... Vom Gastlande Brasilien, das er in einem Buch beschrieb, verehrungsvoll aufgenommen, von verständigen Freunden umgeben, im sorglosen Wohlstand lebend – war er verzehrt vom Heimweh nach der Heimat und einer für immer versunkenen Welt. Jürgen Schüddekopf

Um wer wa/h/r - Jürgen Schüddekopf

Von feiner Art ein Text von Siegfried Lenz gibt Auskunft:
9. März 1962, 8:00 Uhr
Die ZEIT veröffentlichte von Siegfried Lenz einen schönen Gedenkartikel!

Ein schöner Nachruf:

Lenz: Seine erklärten Favoriten waren Melville und Thomas Wolfe, Hofmannsthal, Schickele und Joseph Roth, und wo Maßstäbe fehlten, da bezog er sie von ihnen.

Posthum – Dank sei gesagt Siegfried Lenz!

Die ZEIT veröffentlichte von Siegfried  L e n z  einen schönen Gedenkartikel für den Mitarbeiter Juergen Schueddekopfs!


                                                >Geschrieben auf einer Farme la Grange in France >

Donnerstag, 7. März 2019

Ein Zweig für Roth und Zweig:


Zweige für 

Meine Ge - Z w e i g e    3 - für Stefan Zweig:



Im 27. Kapitel schreibt Brigitte G. Fischer, die Tochter von Samuel Fischer, dem großen Verleger der 20/30er Jahre, Ehepartnerin von Gottfried Bermann Fischer, einen kleinen Essay über den französischen Germanisten Pierre Bertaux (1907 - 1986), der auch als Briefpartner auftritt.

Brigitte B. Fischer: Pierre Bertaux, der Kämpfer, der Forscher, der Deuter:




Bertaux erinnerte sich in seinen Memoiren an einen Sonntag bei uns im Grunewald im Februar 1928, an dem er viele unserer Freunde bei uns traf: Jakob Wassermann, Alfred Döblin, Ernst Toller, Alfred Kerr, George Grosz und Joseph Roth, der sagte: 

'In zehn Jahren wird 

a) Deutschland gegen Frankreich Krieg führen, 

b) werden wir, wenn wir Glück haben, in der Schweiz als Emigranten leben, 

c) werden die Juden auf dem Kurfürstendamm geprügelt werden.'


Keiner schenkte dem verzweifelt lächelnden Roth Glauben. Aber sehr bald sollten diese prophetischen Worte sich bewahrheiten.

Mit Pierre zusammen erlebten wir den Einbruch des Unheils. Wir wurden gemeinsam Zeugen des makabren Schauspiels der Bücherverbrennung. Auf den riesigen Platz vor Berlins ehrwürdiger Universität war ein Scheiterhaufen errichtet und eine Tribüne, von der der teuflische Hinkfuß Goebbels die Bücher von 24 „unerwünschten und zersetzenden“ Autoren den Flammen übergab. Für jeden der hier Verbrannten, unter ihnen Freud, Marx, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Alfred Kerr, Alfred Döblin, hatte Goebbels eine Anklage vorbereitet, die er über den Lautsprecher für alle deutschen Sender verkündete: «Ihr tut gut daran ... den Ungeist der Vergangenheit den Flammen anzuvertrauen ... von nun an wird der Staat entscheiden, was gesunde und was verderbliche Literatur ist, jetzt muß die Feder dem Volk so dienen, wie Schwert und Pflug.» Es war ein gespenstisches Bild: oben auf der Tribüne der kreischende Zwerg, von den Flammen geisterhaft beleuchtet, unten eine stumme Menge, die den brennenden Bücherberg umkreiste und was noch unversehrt war, zu ergattern suchte. Ein Hexensabbat.

>> Brigitte B. Fischer: Sie schreiben mir. Oder: Was aus meinem Poesiealbum wurde. München 1987. S. 283f. - Brigitte (genannt „Tutti“; 1905–1991)

Frau Fischer hat noch öfters in ihrem „Poesie-Album“ von Stefan Zweig berichtet ...

> Später, mit dem großartigen und best-verkäuflichsten Hölderlin wechselte Pierre Bertauxr zum Suhrkamp Verlag:

* Hölderlin und die Französische Revolution. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1969 (Neuauflage: Aufbau, Berlin 1990  - Eine Schrift, mit der ich 1969 mein Studium der Germanistik in Münster/Westf. anfing.



>Familiengrab (Ehrengrab) in Berlin-Weißensee


Noch ein Auszug von Pierre Bertaux, den Frau Fischer zitiert - und der mir vertraut vorkommt:

"Ich hörte einen Vortrag über den Begriff der 'Umkehr' bei Hölderlin, was mich auf eine neue Spur brachte - eine 'Psychoanalyse' von Hölderlin, ist sie je versucht wworden? Ein unerhört reiches Thema. Sein Verhältnis zur Mutter. Die 'Umkehr' ist die Sehnsucht nach dem Zustand vor der Geburt... -" (Wiedergegeben im "Poesiealbum" der Frau Fischer. 1987 S. 286)




                         In-cognito & retro-pschyoanalytisch ... im Pomp des "Peterhof" gebannt.