Donnerstag, 22. Dezember 2022

C o r - Rectur: < F r e u d – F o n t a n e – Z w e i g

 

Opusculum # 1   < <  F r e u d  –  F o n t a n e  –  Z w e i g

 

                                           Sigmund  Freud (Titelsignet in "365 x Freud" (2022) - Anonym)


 "D a s  h a r t e   L e b e n"   -  eine  C o r - Rectur eines Lexikonartikels -


Ein  A r t i k e l: (»Es geht nicht ohne Hilfskonstruktionen«, hat uns Theodor Fontane gesagt.) [Freud. 1930a, S. 432) – In: 365 x Freud. Nolte / Rugenstein. Klett Cotta. Stgt. 2022. - O.P.; zugeordnet zum 4. Januar.

 Was Sigmund Freud von Fontanes “Hilfskonstruktionen“ weiss und uns raten will (- und es uns nicht sagt):

Freud (In: Das Unbehagen in der Kultur. 1930a. Wien 1930. [In: 354 x Freud. S. 388.]

»Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
der habe Religion!«Goethe in den Zahmen Xenien IX (Gedichte aus dem Nachlaß).

Dieser Spruch bringt einerseits die Religion in einen Gegensatz zu den beiden Höchstleistungen des Menschen, anderseits behauptet er, daß sie einander in ihrem Lebenswert vertreten oder ersetzen können. Wenn wir auch dem gemeinen Mann die Religion bestreiten wollen, haben wir offenbar die Autorität des Dichters nicht auf unserer Seite. Wir versuchen einen besonderen Weg, um uns der Würdigung seines Satzes zu nähern. Das Leben, wie es uns auferlegt ist, ist zu schwer für uns, es bringt uns zuviel Schmerzen, Enttäuschungen, unlösbare Aufgaben. Um es zu ertragen, können wir Linderungsmittel nicht entbehren. (»Es geht nicht ohne Hilfskonstruktionen«, hat uns Theodor Fontane gesagt.) Solcher Mittel gibt es vielleicht dreierlei: mächtige Ablenkungen, die uns unser Elend geringschätzen lassen, Ersatzbefriedigungen, die es verringern, Rauschstoffe, die uns für dasselbe unempfindlich machen. Irgend etwas dieser Art ist unerläßlichAuf erniedrigtem Niveau sagt Wilhelm Busch in der Frommen Helene dasselbe: »Wer Sorgen hat, hat auch Likör.«. Auf die Ablenkungen zielt Voltaire, wenn er seinen Candide in den Rat ausklingen läßt, seinen Garten zu bearbeiten; solch eine Ablenkung ist auch die wissenschaftliche Tätigkeit. Die Ersatzbefriedigungen, wie die Kunst sie bietet, sind gegen die Realität Illusionen, darum nicht minder psychisch wirksam dank der Rolle, die die Phantasie im Seelenleben behauptet hat. Die Rauschmittel beeinflussen unser Körperliches, ändern seinen Chemismus. Es ist nicht einfach, die Stellung der Religion innerhalb dieser Reihe anzugeben. Wir werden weiter ausholen müssen.“

Freuds Diktion: »Es geht nicht ohne Hilfskonstruktionen«, hat uns Theodor Fontane gesagt. [Sic! - Ohne Zitatnachweis.] - Ebenfalls ohne Zitat nachwiesen fügt Hrsg*in) Eva I l l o u z abschließend hinzu; ohne den syaktisch-logischen Zusammenhang klarzustellen: „Aber wie Stefan Zweig in seiner Rezension [zu Freuds Schrift 'Das Unbehangen in der Kultur“ [1930] schrieb: „Wir sind der professionellen Tröster längst müde.“ (Ohne dass er seiner Rezension Freud agegifen häte; S.F.: „Das Unbehagen in der Kultur (1930); zeitgleich Zweigs Rezension: Freuds neues Werk „Das Unbehagen in der Kultur“Wien; Internationaler Psychoanalytischer Verlag, 1930.

Aber Zweig schrieb anderes; ohne den Tröster Freud anzugreifen:

Welche edle Bescheidenheit, und welche seltene vor allem, wenn er schreibt, daß er »wenig über diese Dinge wisse« oder daß er fürchte, »hier schon allgemein Bekanntes zu sagen«, wie ehrlich das Bekenntnis am Ende, er wisse, daß er eigentlich wenig Trost bringen könne! Aber wir sind der professionellen Tröster längst müde, die sich die Aufgabe und den anderen das Leben immer nur billig und bequem machen wollen, und eine kühne Diagnose wie diese wiegt hundert butterweiche Beschönigungen auf. Hier ist das psychologische Lot tief hinabgelassen in den Abgrund eines zeitgenössisch wichtigen Problems, eines unlösbaren, gewiß, aber welche Probleme darf man wirklich Probleme nennen, die glatt lösbare sind; hier handelt es sich nicht um optimistische oder pessimistische Ausdeutung, die Zeiten sind vorbei, wo eine Akademie die billige Preisfrage stellte, ob der Fortschritt den Menschen besser mache oder nicht, und Jean Jacques Rousseau durch sein glattes Nein die Begeisterung der Welt errang. Gerade die harte, sachliche, von keiner Gläubigkeit und Tendenz verzuckerte Art, wie Freud seine Thesen stellt, geben jedem, der sie ernstlich mitdenken will, etwas von seiner hohen Strenge und Entschlossenheit.“ (Zweigs Rezension der Freudschen Urschrift taucht im Literaturverzeichnis (S. 391ff.) nicht auf; da sollte man nicht als Leser bei Zweig nachschauen können – Der Artikel von Eva Illoua taugt nach philologischen Massstäben  n i x - nullkommanix; noch nicht einmal *genderisch!

Aber gut: Der Artikel heisst „Das harte Leben“, auch ohne Stellen-oder ErLebenisNachweis. [Es ist eben das „hatte Leben“, auch für Artikel-Schreiber*innen in einem 'sauberen' Buch.)

Aber, bitte ... zu Stichwort „Fontane“, wie von Freud versprochen: Aber diesen Hinweis geht man-äh: frau..nicht nach. [Sie ist eben keine Literaturwissenschaftlerin oder eine Soziologin.]

Also, bitte, h i e r der Nachweis  #F o n t a n e: 


Theodor Fontanes wg. einer Frau,, namens Effi . Glanzschrift (ja, vom ganzen 19. Jh.!]:

Effi Briest. Berlin, 1896.
Dialog von Instestten und Wüllersdorf:, „Glauben Sie mir, Wüllersdorf, es geht überhaupt nicht ohne ,Hülfskonstruktionen'.' Der das sagte, war ein Baumeister und mußt' es also wissen.“  -   Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896., Faksimile 517 -  

Und noch: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.
"Es vergeht kein Tag, der mich nicht an die ,Hülfskonstruktionen' gemahnte."

*

Und noch ganz konkret für sein liebstes Sorgenkind und Tocher Mete (Martha).

Vielleichi gibt Th. F.onane seine Kenntnisse von Lichtenberg preis, ohne sie zu benennen.

Es sind wenig Menschen, die nicht manche Dinge glauben sollten, die sie bei gnauer Überlegung nicht verstehen würden. Sie tun es bloß auf das Wort mancher Leute, oder denken, daß ihnen die Hülfs-Kenntnisse fehlen, mit deren Erwerbung alle Zweifel würden gehoben werden. So ist es möglich, daß ein Satz allgemein geglaubt werden kann, dessen Wahrheit noch kein Mensch geprüft hat.“ Lichtenberg. In: Sudelbuch; hier nach Projekt-Gutenberg. org zitiert: https://www.projekt-gutenberg.org/zweig/rezensio/chap017.html

Aber noch den gamzen Fontane in seinem Engangement für die Tochter:

Theodor Fontane: Brief an Mete (Berlin 28. Aug. 89)

Und da wären wir denn bei der Hauptsache: bei Deiner Krankheit, Deinen Zuständen. Denn es ist dieselbe Couleur in Grün. Was sich nun herausstellt, habe ich es Dir nicht immer gesagt? Du dachtest dann, der Alte will es von sich abschütteln, will es sich bequem machen. Es war aber nicht so. Natürlich konnte ich gegen die Kur in Bonn nichts haben, preise es auch, daß sie stattgefunden hat, denn sie hat nun Dich und andre belehrt, daß die Hauptsache ganz woanders liegt. Du bist hochgradig nervös (was etwas ganz andres und viel weniger Schlimmes ist als »nervenkrank«) und mußt neben einzelnen Vorzügen, die daraus erwachsen und die vielleicht auch nicht ganz gering sind, die Nachteile tragen lernen. Zuzeiten mag dies riesig schwer sein und fast unmöglich erscheinen, es ist aber doch schon eine Hilfe, wenn man sich, auf so einfache Erfahrung gestützt, sagen kann: das sind Anfälle, schwere, schreckliche, aber sie gehen vorüber wie »Zahnweh«, wie Zahnweh, das einen auch rasend ma- chen kann. Du mußt Dich damit setzen und ohne zuviel darüber nachzudenken, was umgekehrt eine große Gefahr ist, einfach ausprobieren, was zu tun ist, um den Sturm, wenn er kommt, nach Möglichkeit zu brechen. Mama, bei der nicht bildlich von Sturm zu sprechen ist, sondern von einem wirklichen Blasius, hat sich in beinah virtuoser Weise damit eingerichtet: sie setzt sich ans Fenster, sieht dem Unwetter ins Gesicht, strickt, ißt nichts und trinkt eine Flasche Moselwein. Solche Hausmittel mußt Du auch ausfindig machen, worin wir Dir, wie Du weißt, gern an die Hand gehn. Du kannst Einsamkeit suchen und Menschen suchen, Du kannst zu Mama ins Bett kriechen und kannst zu Tante Witte reisen, Du kannst Äthertropfen nehmen oder einen halben Schinken aufessen, Du kannst stumm sein oder perorieren, drei Stunden spazierengehn oder mit Frau Sternheim frühstücken - das eine oder andre dieser Mittel pflegt immer zu helfen, nicht viel, aber ein bißchen, und dies bißchen ist oft schon genug, einen unleidlichen Zustand in einen ertragbaren umzuwandeln. Ergebung und sich ausstudieren, philosophische Betrachtung und Pflichtgefühl und Bildung und Liebe, die, während man an andre denkt, vom eignen Ich abzieht, das sind keine Radikalmittel, aber - Hilfsmittel. »Und das Leben besteht aus Hilfskonstruktionen«, sagte Richard Lucae.“ [Danach macht Th. F ein schönen, ernst-gemeinten Strich - und beschäftigt sich mit anderen Prblemen, alles gegenüber seiner Mete. Ja, ein sorgenvoller Vater; kundig in verbalen und kulturen, sprich medizinischen, fraulichen Fragen.]

* ~ *

Sigmund Freud hat öfter von den Hilfskonstruktinen [äh, für das 'harte Leben'; obwohl er dieses Stichwort nicht benutzt] gesprochen; hier in „Dostojewski und die Vatertötung“ (1928):

Der Held begeht die Tat unabsichtlich und scheinbar ohne Einfluß des Weibes, doch wird diesem Zusammenhang Rechnung getragen, indem er die Mutter Königin erst nach einer Wiederholung der Tat an dem Ungeheuer, das den Vater symbolisiert, erringen kann. Nachdem seine Schuld aufgedeckt, bewußtgemacht ist, erfolgt kein Versuch, sie mit Berufung auf die Hilfskonstruktion des Schicksalszwanges von sich abzuwälzen, sondern sie wird* anerkannt und wie eine bewußte Vollschuld bestraft, was der Überlegung ungerecht erscheinen muß, aber psychologisch vollkommen korrekt ist.

* ~ *

Sigmund Freud (1915):

Ich habe vorgeschlagen, von solchen Urtrieben zwei Gruppen zu unterscheiden, die der Ich- oder Selbsterhaltungstriebe und die der Sexualtriebe. Dieser Aufstellung kommt aber nicht die Bedeutung einer notwendigen Voraussetzung zu, wie z. B. der Annahme über die biologische Tendenz des seelischen Apparates (s. oben); sie ist eine bloße Hilfskonstruktion, die nicht länger festgehalten werden soll, als sie sich nützlich erweist, und deren Ersetzung durch eine andere an den Ergebnissen unserer beschreibenden und ordnenden Arbeit wenig ändern wird. Der Anlaß zu dieser Aufstellung hat sich aus der Entwicklungsgeschichte der Psychoanalyse ergeben, welche die Psychoneurosen, und zwar die als »Übertragungsneurosen« zu bezeichnende Gruppe derselben (Hysterie und Zwangsneurose), zum ersten Objekt nahm und an ihnen zur Einsicht gelangte, daß ein Konflikt zwischen den Ansprüchen der Sexualität und denen des Ichs an der Wurzel jeder solchen Affektion zu finden sei. Es ist immerhin möglich, daß ein eindringendes Studium der anderen neurotischen Affektionen (vor allem der narzißtischen Psychoneurosen: der Schizophrenien) zu einer Abänderung dieser Formel und somit zu einer anderen Gruppierung der Urtriebe nötigen wird. Aber gegenwärtig kennen wir diese neue Formel nicht und haben auch noch kein Argument gefunden, welches der Gegenüberstellung von Ich- und Sexualtrieben ungünstig wäre. (…) - Aus. Triebe und Triebschicksale (1915)

*

Heinrich Spiero: Theodor Fontane in seinem 32. Lebensjahr (1928) 

https://www.projekt-gutenberg.org/spiero/fontane/chap015.html

Nur Scherenbergs Kunst gegenüber kam Fontane nicht mehr zu unbefangenem Standpunkt; im Grunde hielt da die einstige Neigung dessen, der doch für das eigene Wachstum nicht wenig von Scherenberg empfangen hatte, nur dem »Verlorenen Sohn« gegenüber stand. Im übrigen verwendet Fontane hier vorsichtig Hilfskonstruktionen, indem er Urteile Widmanns, Friedbergs, Orellis und Ungenannter wiedergibt. Das in dem Gedicht an Klaus Groth zurückgewiesene Lärmvolle der Ballade machte ihm wohl vieles einst Bewunderte schwer erträglich. Der »Wohllaut« fehlte ihm. Und in einem letzten Brief über Scherenberg-Cook an Lazarus-Leibniz gesteht er, er habe nach Vollendung des aus Liebe und Verehrung geborenen Buches nur »nochmal scheu« in Scherenbergs Dichtungen hineingekuckt. »Liest du das alles noch mal durch, so bist du verloren und er erst recht.«

* ~ *

Ad> Fontane: Effi Briest: Th. F.: „Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht mehr zurück.“

Auch wenn man/frau/mensch Fontane- oder Freud-Bücher benutzt – sie haben ein Ehrgefühl, das mensch*in nicht artikel-mäßig besudeln sollte.

Äh, zu „Sudel“? Ein bisserl Etymologie

Sudel · Sutte · Sutter · sudeln · Sudelei

Sudel m. ‘Morast, Pfütze, Schmutz, Unflat, Jauche’, mhd. sudel ‘Pfütze’, gebildet mit l-Suffix neben Sutte f. ‘Pfütze, Pfuhl’, mhd. sut(t)e, mnd. südde ‘Morast, sumpfige Wiese’, aengl. (ge)syd ‘Pfuhl, in dem sich die Schweine wälzen’, auch (in den Mundarten verbreitet)



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