Dienstag, 13. Dezember 2022

B R I E F - c h e n an einen I n t e r n a t l e r

                                 F e s t l i c h ...                


A ST REY -RE-Hillerheide 

Dienstag, 13. Dezember 2022

An

H. Aenge -

Lieber Franz-Hein Aegene

diesen Brief habe ich Dir mal in früher zugeschickt; möchte ich Dir Weihnnachten und Nachdenken gönnen: Ich habe Deinen Aufsatz 1964 mir abgedruckt. Und ich möchte Sie bitten, einen neuen Frühlings-Aufsatz (Rom im Frühling) zu schreiben, vielleicht mit dem Titel Frühjahr 2022/23 … - vulgo zum Spätstart der Kirche.

Von van der Linde hörte ich von den gelungenen Mühen, Deinen Festschrift-Beitrag abzusetzen: Zensur ad its best!

VdL war selbst befangen, so schreibt er, weil er „in diesem Beitrag gut wegkomme“... - und er habe sich deshalb „nicht sehr nachdrücklich für den Abdruck“ eingesetzt.

Frage: Denkst Du daran, Deinen Beitrag selbst - als kopierte, eheftete Fassung - an die Mannen zu bringen? Mich würde er sehr interessieren - und unserem Schlag, äh, unserer Generation, doch ganz bestimmt. Dein Text ist ja der einzige gewesen, der sich auf den Kasten bezieht. - Wenn ich noch an Theo Claus’ (Gastwirtssohn aus Walsum! Oder war es der Bruder von Theo; dessen Name mir entfallen ist; Theo war wohl bei Dir im Fähnlein, oder?) Film denke, der so schön auf der Paukerbrücke den Stacheldraht rausgezoomt hatte, daß ich erschrak... Aber solche Kandidaten - samt deren Erinnerungen - gehören wohl zu dem Ausschuß, den die Gaesdonck dutzendweise produzierte, um sich dann in Wohlgefallen und Sonnenschein zu brüsten...

Hast Du vielleicht Schürens (Abi 74) Niederrhein-Krimi „Tod eines Sofamelkers“ gelesen? Da kommt der olle Kasten in einer nicht sehr gut eingefügten Passage vor; es fehlt aber die innere Bindung der Episode mit der Mord- und Aufdeckungsgeschichte. Jedenfalls hätte der Autor von dorther ein Motiv aufarbeiten oder anbieten müssen/können.

Ich habe selber eine Traumgeschichte, die die Gaesdonck betrifft, vorgelegt - die fiel aber, weil - so das Urteil - nur von persönlicher Relevanz - weg. Ich druck den Text mit aus..

Liebe Grüße - und - pardon -: Dank für Deinen schönen Brief!!

Anton -


ANTON STEPHAN REYNTJES

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Aenge Hein und H.

Früher: Rh....

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T r a u m   von einem neuen Haus

Ein großer Chor stellt sich auf.

Weltberühmte Stimmen, perlende Choräle fließen von sanften Lippen. Frauen in langen, schwarzen Röcken und weißen, bis zur Hüfte fallenden Chorhemden mit weiten, pludrigen Rochett-Ärmeln. Werden von einem strenggesichtigen, weißhaarigen Mann dirigiert.

Zwischen den sich rhythmisch wiegenden Sängerinnen kriecht hin und her ein Junge, ein flinker Knirps. Er wird nicht bemerkt. Jedenfalls nimmt keine Sängerin Notiz von ihm.

Hier tut sich ihm eine kleine Gasse auf, dort schließt sich die Reihe hinter ihm. Das Kerlchen ist immer gerade hindurchgehuscht. In den schwingenden Wellen des Gesanges findet das Kind Platz, sich frei zu bewegen. Es rudert mit den Armen, spielt Brummbrumm. Umkreist seelenruhig die Frauen, die hehr singen und ihre Oberkörper wiegen und ihre Köpfe.

Ein Laib Brot liegt auf einer Stufe, Milch im Becher daneben steht.


Einmal setzt es sich hin, holt Zündhölzer aus seinem Jäckchen, entzündet hastig und ungelenk ein Feuerchen, das rasch, weil unbemerkt von dem Kantor und seinen Frauen, hochschlägt, die Kleider und die Menschen leibhaftig erfaßt, alles verbrennen will.

Die Flammen ziehen hoch, als wollten sie in den Himmel aufsteigen. Fensterscheiben platzen, Altar, Gestühl, Kanzel knacken, knarren, stöhnen ob ihrer tollkühnen Trockenheit Feuer.

Die Kirche wird im vorderen Teil von glühend heilig brünstig steigenden Flammen, einem Heer von stichelnden Zungen, niedergemacht.

Das Chor, der Altarraum, die Kanzel, als feste Burg gebaut, brennen nieder, bevor noch die Feuerwehrhauptleute Feuer rufen können. Das vordere Langhaus des einschiffigen, himmelhohen Kirchenraumes glüht platzend und berstend aus, versinkt in brodelnd-stiebender Asche, Stunde für Stunde.

Die Nachbrunst vollzieht sich in würdevoll-ruhigem Geprassel von pfingstflammenkleinem Züngeln. Stille erst, dann Entsetzen in aller Augen.

Der rückwärtige, nach Westen gelegene Schiffstrakt der Kirche ist durch ein Wunder unversehrt geblieben, die Mauern stehen klaffend, ungeschützt vor Wind und Wetter und den Objektiven der Kameras dieses unseres Landes, der verstörte Kirchenraum liegt offen und bloß.

Wohlgetane Jahre gehen ins Ländchen, bis willig-fleißige Menschen, Freunde, Herbeigerufene aus den umliegenden Dörfern, den näheren Städten und freien Bauernhöfen kommen und sich begeben an die Arbeit und die mißtrauisch beobachteten Mühen. Sie planen, zeichnen, sägen, mauern, hämmern, schütten Beton, setzen rote, niederrheinische Klinker, sanft-rote; ziehen geborstene Stützpfeiler hoch, verputzen und rüsten das Dach ein, setzen Blitzableiter. Die erhalten gebliebene Kirche mit Portal und Orgelwerk auf der Empore wird rekonstruiert und gereinigt; Etagen, Treppenhäuser, kleingroße Papierkörbe aus nichtentflammbarem Polytheol werden eingezogen. Viele Menschen beziehen jubelnd-schweigend die neue Wohnburg, die Kirchen-Feste: Alte und Unverheiratete, Kinderreiche und Alleinerziehende, Arbeitslose und Psychotiker, Querulanten und Aphasiker, ein wunderlich gemischtes Völkchen besiedelt die restaurierte Kirche.

Doch die Menschen verstummen noch am ersten Tag. Sie sehen von den Decken herabhängende Ohren, sensibel kleine Ohrmuscheln. Die fingerdicken Nervenkabel verlaufen durch die Decken ins jeweils nächste Stockwerk.

Die Menschlein machen scheu ihre Kreuzzeichen und sagen ihren Kindern: Wir müssen froh sein! Hier wohnen zu dürfen!

Ein waches Mädchen mit rot-stoppeligem Haar begibt sich in der sonnig-stillen Mittagsstunde eines Sommertages auf die Suche nach einem Spielfreund.

Es gelangt über Treppen, Vorbauten, unverschlossene Türchen und verschnörkelte Wendelgitter, durch einen staubig verspinnten Kriechgang in einen hoch unter dem Dach eingerichteten Rundum-Raum.

Als sie am Abend, nach ruhigem Schlaf, schreiend hier oben erwacht und sich im Dunkel nicht mehr hinuntertraut, wird sie spät in den letzten Dämmerminuten gesucht.

Geduckt, aus Äuglein lauernd betritt, mutig suchend, die Mutter des Mädchens den Raum. Sie richtet sich auf, ruft ihr Kind, stürzt ihm entgegen, es drängen die Nachfolgenden hinzu. Sie treten ein, staunend schauen sie sich um und finden den Raum leer und öd.

In diesem Augenblick, so erzählen die Väter sich später bei Bier, Butterbrot und braseligem Quaseln, fallen von den Decken die an langen Sehnen hängenden Lauscherohren herab.

Am Wochenende darauf feieren sie das Fest der Erinnerung an die Erlösung.

Und sie essen und trinken heiter. Wie Gott in France or Germany.


 

Diese Kirche wurde nicht durch "Feuer" destruiert ...

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