Montag, 5. Dezember 2022

F r e i -T o d: Briefe der Charlotte S t i e g l i t z und der Virginia W o o l f


Woran mich der Frei-Tod-Brief der Virginia W o o le r-Innert:

https://images.booklooker.de/s/02VMz4/Charlotte-Stieglitz+Gedichte-und-Tageb%C3%BCcher.jpg

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Charlotte Stieglitz: 1834 schreibt eine unglückliche F r a u &Dichterin an ihren Geliebten&Ehegatten; und vollzieht ihren angeküntigten Freitod (vollzogen von eigener Hand, mit dem Dolch, einem Geschenk von ihrer Hochzeitreise:

An Heinrich Stieglitz

29. Dezember 1834.

Unglücklicher konntest Du nicht werden, Vielgeliebter! Wohl aber glücklicher im wahrhaften Unglück! In dem unglücklich sein liegt oft ein wunderbarer Segen, er wird sicher über Dich kommen!!! Wir litten beide ein Leiden, Du weißt es, wie ich in mir selber litt; nie komme ein Vorwurf über Dich, Du hast mich viel geliebt! Es wird besser mit Dir werden, viel besser jetzt, warum? ich fühle es, ohne Worte dafür zu haben. Wir werden uns einst wieder begegnen, freier, gelöster! Du aber wirst noch hier Dich herausleben und mußt Dich noch tüchtig in der Welt herumtummeln.

Grüße alle, die ich liebte und die mich wieder liebten! Bis in alle Ewigkeit!

Deine Charlotte.

Zeige Dich nicht schwach, sei ruhig und stark und groß!

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Wikipedia gibt sich ganz unbeteiligt-dokumentarisch und unterschlägt den elend-traurigen Abschiedsbrief:

Die anfangs glückliche Ehe von Heinrich und Charlotte wurde zunehmend von einer chronischen Krankheit getrübt, die mit einer akuten Erkrankung beider im Herbst 1826 ihren Anfang genommen hatte. Wiederholte Kuren von Charlotte Stieglitz, ein längerer Urlaub in St. Petersburg und eine Kur im Bad Kissingen konnten nichts daran ändern, dass die Krankheit Charlotte Stieglitz’ fortschritt, während das Leiden von Heinrich Stieglitz bald eine physisch und psychisch lebensbedrohliche Form annahm. In der Hoffnung, ihn „durch einen furchtbaren Schmerz, einen ungeheuren Schreck“ aus seiner zunehmenden „Verdumpfung des Geistes“ befreien zu können, nahm Charlotte Stieglitz sich am 29. Dezember 1834 das Leben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Charlotte_Stieglitz – Abruf am 5.12.2022.

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Das Beispiel der ungenügenden, kompromisslosen Kommunikation der Fr Stieglitz in ihrer Selbsttötung bringt auch Roger Willemsen;

 In den elaborierten Ausdrucksgebärden der Literatur erkennt man die verzweifelten Sprechformen der wirklichen Selbstmörder nicht wieder, und in deren Abschiedsbriefen findet das Unglück zu keiner kommunikativen Sprache. Also starren wir auf eine unleserliche, scheinbar destruktive Erregung, die häufig in der Sprache der Pantomime, in Brüchen und Lücken am deutlichsten an die Oberfläche tritt. Diese Sprache, die sich durch die Geschichte hindurch in den authentischen Dokumenten so deutlich gleichbleibt, sie bewahrt den verborgensten Teil der Kultur des Unglücks, jenen, der sich selber und in der Schrift zerstört. Bleibt man hier stehen, so wie Maupassants Diener vor dem Körper seines Herrn, so wird man zurückhaltend gegenüber Kultur- und Entfremdungstheorien, gegenüber psychologischen, theologischen, meteorologischen Erklärungen des Selbstmords; sie' alle werden sekundär vor der sprachlosen Energie der Hand, die das Messer führt, vor der Erregung, in der der Selbstmord Gegenwart wird. (S. 15)

In: R.W.s großer Anthologie: „Der Selbstmord“. München 1989. S. 15/354; zuvor: Der Selbstmord. Briefe, Manifeste, literarische Texte. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1986. - Ja, auch von diesem Buch her, auch mit ungeheueren authenischen Abschiedsbriefen, kann man R. W.s. Lebenziel ableiten: .„Ich möchte Menschen glücklicher zurücklassen als ich sie vorgefunden habe.“ (So Roger Willemsen selbst; in dem Eintrag auf seinem Grab in Hamburg-Ohlsdorf.)

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Frau St.s Brief: Sicherlich ein romatisches, quasi deliberatives Zeugnis einer ur&unglücklichen Liebe, von einer Frau, die in ihrer psychischen Ohnmacht in der Melancholie für ihren Geliebten – vor allem auf den Mann bezogenen, grenzenlosen Letalität – eine Frau, am Mann verzweifelt, auf den Mann latent hysterisch bezogenen – an den Mann gekoppelten, ob echt oder vorgesprochen (weil religiös erzogenen) Liebe: rettungslos in ihrer dienenden HinGabe; auch in ihren Liedern, z. B.: „An meinen Heinrich Stieglitz (Gruß zum 22. Februar“.

HinGabe in Gott und dnm vielgeliebten Partner (in traditioneller cognitiv-emotionaler VerKleidung und ZuGeHörigkeit): So will Frau ihr Leben&Gedeihen ihren Tod einÜben und opfern (1834). - Die ausgewiesene Hoffnung, mit dem Geliebten&Mann im Himmel vereint zu sein, ist auch in Goethes Werthers Leiden eine kurz vor der Selbsttötung, der Erschießung, ausgesprochene Erwartung.

Dazu: Goethe-Memorabilia # 32: Vom  H i m m el (in der klassischen oder romantischen Epoche der deutschen Literatur):http://stephanus-bullin.blogspot.com

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Sigmund Freud (1915): Erst dieser Sadismus löst uns das Räsel der Selbstmordneigung

Die Person, welche die Gefühlsstörung des Kranken hervorgerufen, nach welcher sein Kranksein orientiert ist, ist doch gewöhnlich in der nächsten Umgebung des Kranken zu finden. So hat die Liebesbesetzung des Melancholischen für sein Objekt ein zweifaches Schicksal erfahren; sie ist zum Teil auf die Identifizierung regrediert, zum anderen Teil aber unter dem Einfluß des Ambivalenzkonflikts auf die ihm nähere Stufe des Sadismus zurückversetzt worden.

Erst dieser Sadismus löst uns das Rätsel der Selbstmordneigung, durch welche die Melancholie so interessant und so – gefährlich wird. Wir haben als den Urzustand, von dem das Triebleben ausgeht, eine so großartige Selbstliebe des Ichs erkannt, wir sehen in der Angst, die bei Lebensbe­drohung auftritt, einen so riesigen Betrag der narzißtischen Libido frei werden, daß wir es nicht erfassen, wie dies Ich seiner Selbstzerstörung zustimmen könne. Wir wußten zwar längst, daß kein Neurotiker Selbst­mordabsichten verspürt, der solche nicht von einem Mordimpuls gegen andere auf sich zurückwendet, aber es blieb unverständlich, durch welches Kräftespiel eine solche Absicht sich zur Tat durchsetzen kann. Nun lehrt uns die Analyse der Melancholie, daß das Ich sich nur dann töten kann, wenn es durch die Rückkehr der Objektbesetzung sich selbst wie ein Objekt behandeln kann, wenn es die Feindseligkeit gegen sich richten darf, die einem Objekt gilt und die die ursprüngliche Reaktion des Ichs gegen Objekte der Außenwelt vertritt.

(Freud, 1916-17g [1915]: 'Trauer und Melancholie'. S. 438. – GW Bd. 10. S. 428-446.)

Diese 'Sadismus'-Theorie vertritt auch Donald Campbell (in: Stichwort Suizidalität. - Blatt 20. November. In: Tobias Nolte und Kai Rugenstein. 365 x Freud. Stgt. 2022; o. N.)

Die Neigung, dann gar Vollzug der Selbsttötung als sinnlosen Akt des Sadismus' in den von Stieglitzt und (ein Jahrhundert später) Woolf im prätendierten Sinne der Liebe als AufOpferung mit angekündigter Aufklärung esrklärt sich für mich nicht * + * und lässt mich ratlos.

Stefan Zweigs Freitod 1942 (mit seiner Frau vollzogen, in seinem Haus in Petropolis/B.) ist mir verständlicher und besser zu erklären, weil realer, reeller und empathischer in seinen Bedingungen und seiner Zielsetzung mit dem Ausblick und dem Vertrauen in die Morgenröte ... der Geschichte  (aus einer femininen GeschichsBeTrachtung ... einer utopischen ... - Im Falle des Ehepaars Zweig ist nicht ein Sadrsmus der UrGrund des Selbsttötung gegeben, sondern eine besondere <wohl seltenen> Form des masoschistischen  U t o p i s m u s ...   * + *

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Meine Argumentation als Intentin der Analse geht nicht dahin, einen  offenkndigen B i l a n z - Freitod abzustreiten ...; aber er - vom AnSatz, von der DurchFührung her - müsste selbstBewusst, kongnitiv selbstStändig < trotz der unterschiedlichen Belastung(en) in Emotionen> und einDeutig nur für sich selbst sprechen - in EiGenverAntwortung, nicht bezogen sein auf einen Partner, einen Geliebten (als Opferung, GeSchenk, als Gegenleistung, alsErSatzHandlung -  - Wer die hier erwähnten S u i z i  d e  einschätzen kann - bitte sehr; das  s o l l t e  jede/jeder für sich selbsten <auch im Hinblick auf ihren/seinen eigenen Suizid (wann auch immer nötig/ob-final-zu-treffen/oder nicht ...) bedenken, benennen, bekennen ... Recte faciendo neminem timeas. - Recte facti fecisse merces.

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