Donnerstag, 24. August 2023

Kinder - unter Präfekten, Spiritualen, Präsides - In g e i s t l i c h e r Betreuung

 Gut eingedeckt; unter diesem Dach lag der Schlafsaal (noch heute zu besichtigen)  .



 

Quetschungen:  

Teil B:

- Unter kirchlichen Dächern behütet -

Aus meinen Aufzeichnungen (1954/55/56)


 

Abgang ist überall, bei Geistlichen am stärksten!


Hat sich bei keinem Lehrer verabschiedet. Und weg mit Vollgas!

Sie konnten ihn nicht mehr bewundern wegen seiner nächtlichen Fernfahrt. Keiner wagte, ihm zu schreiben. Seine Antwortbriefe wären gefilzt worden. Ist doch sicher! Wußten wir! So Angst hatten wir.



Ein Präfekt (anders als andere)


Der Herr Martin de Weijer, immer freundlich-nobel, immer intelligenter als andere, immer witziger, aber nie arroganter als die anderen Pflaumen, Präfekt und Aushilfslehrer, lud mich mal wieder auf seinen Roller, eine silbern brausende Vespa. Sie flog weg von G. Mußte mich bei ihm festhalten. Ab in die Kleinstadt, ins Café Martens. Tee trinken. Und ein Paar Plätzchen. Unsicher kucke er alles ab, wie hält er den Kaffeelöffel, wie oft rührt er, wie friemelt er das leere Zuckerpapierchen, wo legt er es ab. Geraucht wird nicht. Ah, in den unbenutzten Aschenbecher. Haben wir über etwas geredet? Was interessierte ihn - an ihm?

In die Buchhandlung fuhr er nie.



Carl-Jürgen - requiescat in Papapace!


Er war in den großen Ferien in England gewesen, warum und wo - wir erfuhren es von ihm nicht mehr. Nach dreitägiger Krankheit auf der Krankenstation - er kann mich nicht mehr erinnern, ob wir ihn besuchen durften - wurde er in das Krankenhaus der nächsten Kleinstation verlegt. Wieviel Tage er doch im Koma lag, er weiß es nicht mehr.

Er kam zur Gaesdonck zurück im schaukelnden Leichenwagen, nach einer Totenmesse, die abends angesetzt wurde, versahen wir, jeweils zu zweit, aus unserer Klasse die Totenwache.

Er war, glaubt er von 11 bis 13 Uhr dran. Sie lasen in Gebetbüchern, phantasierten ein wenig in die Vergangenheit zurück: Carl-J. war häufig veräppelt worden; er war nur wenig anders gewesen, aber er ließ sich furchtbar und gut ärgern; er hatte einen schmalen Teppich von etwa 1 m Länge quer an der Wand aufgehängt; wenn der Übermut mal wieder zuschlug, holte ihn irgendeiner herunter, legte ihn auf den Fußboden und er wurde zu einem Gebetsteppich umfunktioniert; Carl-Jürgens Aufstand bei solchem Happening war ein Erlebnis. Seine kreischenden Proteste, seine Verkloppversuche führten zu weiteren Aktionen. Der soll aufhören zu schreien!

Ob wir, zu zweit allein gelassen, auch ein Lied sangen? Und wie wechselten wir ab bei unserem Knien und Sitzen und Stehen? Versuche seinerseits, irgend etwas Banales oder Nicht-Totenwürdiges auszudrücken mit Zeichen oder einem Gesichtszug wurden von N. nicht beantwortet. Nein, ich bin so traurig und so stolz, ich halte die Ehrfurcht und die Trauer ein wie ein priesterliches Versprechen, Amen! Himmel, wie wurdest du mit Andacht und Gebeten bestürmt! So antwortet der mit Nichtbeachtung, der seine Ruhe herstellt in seinem Seelchen, Jessesmaryorapronobis!



Schülermutter


Seine Mutter - eine Kriegerwitwe! Welche Hoffnungen setzte sie auf ihren Sohn? Bei der Beerdigung in Neuß sahen wir, einer aus der Klasse lernte sie kennen und besuchte sie später regelmäßig. Die Witwe von Naim - dieses biblische Stichwort ist ihm erhalten geblieben in der Erinnerung, sonst: schlechtes, ja mieses Wetter, langweilige Fahrt im VW-Bus. Und Carl-Jürgens lachendes Gesicht, fotografiert aus einer interessanten Perspektive.

Er sah die Porträt-Aufnahme noch oft im Zimmer des Präses, neben zwei anderen Totenbildern: einem jungen Franzosen, Pierre, und einem Kamp-Lintforter Obersekundaner, der in der Schweiz, während einer Wanderung in die Vispa gestürzt war und nur tot in einem Wehr weit unterhalb wiedergefunden wurde.


Nachtwache


Was ihm nie mehr aus der Nase gehen wird, ist der süßlich-morbide Geruch, den sie in den Nachwache in der Seitenkapelle vor dem offenen Sarg einatmeten; nur einmal noch in seinem späteren Leben hat er ähnliches gerochen. Ganz unvermittelt war die Totenerinnerung wieder da!

Carl-Jürgen war in den großen Ferien gewesen in England gewesen, mit einer schweren Infektion wiedergekommen, in den ersten Schultagen erkrankt, zu spät ins nächste Hospital geliefert - nach drei Tagen wurde sein Leichnam, die Haut gelbversetzt zur Lederartigkeit, zur Gaesdonck zurückgefahren.

Die Nachtwache als einsame Ehrung, allein vor dem Körper im offenen Sarg, eine Zu-Mutung, die er nicht missen möchte.

 In nachmitternächtlicher Stunde: Die Betroffenheit wurde hinweggebetet, ratzeputz, weg ist der Schmerz, weil das Gehirn so schön routiniert abspult und dankbar signalisiert: ist in Ordnung, ist immer in Ordnung, war zu allen Zeiten in der Ordnung der Wiederholung und Gewöhnung. Riesennelken. Weiße. Atmende. Die den Tod still verkrümmeln.

Dann Abgang zu einem anderen Ineranat, an den Niedrrrhein:



Chorfester in der Klosterkiche in Gaesdonck -



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