Montag, 21. August 2023

Eduard M ö r i k e im Kirchen-Funk (im swr)

Ein bisschen fällt mein  M ö r i k e  immer aus dem Rahmen -

 



  K c  h  e k  -  Analysen  # 05

 

>>> E d u a r d Mööööööööörike i m Kirchenfunk im swr:

Ja, ein naturnahe SternStunden: Ihr Prediger: Sorgen

von Harry Waßmann, Rottenburg-Kiebingen, Evangelische Kirche

(...)

? Alles Einbildung – wenn sich meine Stimmung so verändert? Ja, buchstäblich „Ein-Bildung“. Ich präge mir dieses Bild ein und sage mir: „Du bist ein Ebenbild Gottes, sein Geschöpf. Von ihm und auf ihn hin lebst Du. Dein Leben geht nicht auf in den runter ziehenden Verstrickungen.“ So entsteht so etwas wie ein Zwischenraum zwischen meinen Sorgen und mir. Sie rücken mir ein Stück weit vom Leib – sie werden kleiner und ein anderer Horizont bekommt Gewicht.
Heute – am kalendarischen Herbstanfang – mag ich diesen Seelen-Umschwung in mir mit einem Herbstmorgen vergleichen – so wie ihn Verse aus einem Gedicht von Eduard Mörike fassen:

Bald siehst du, wenn der Schleier fällt
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmen Golde fließen.“


aus: Septembermorgen, von Eduard Mörike im der Kirche im SWR:

https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=6784

>> Ein schöner Beitrag:


* *


Aber, Frau Dr. Rinn: Aber Sie verallgmeinern den, also Ihren Mörike, so dass er keine Sternstunden gehabt oder gewollt hätte: Sternstunden

von Angela Rinn, Mainz, Evangelische Kirche

https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=38226


Ach, kuken Sie seine Stern-Stunden an: „Frühling lässt sein blaues Band“ [„Er ist's“]; „Sepemterbermorgen“; „Der Feuerreiter“; und das ersaunatlicheste Gedicht aus einem Mund eines Mannes, eines (nicht un-)kundigen Poeten, nach der Erfahrung mit „Peregrina“ (1824):

Sie können sie dort eine – auch psychoanalytsiche - Interprezation leisten, dasd er, der Poet, sich, alltagskundig, sich rein-veretzten kann in einen Frauen-Leib; bitte sehr: auch Ihnen zu Ehren:


Na ich habe nie den Schüler*innen in Gemeinschaft zur Interpretation abverlangen; jedes Mädchen muss sich da nicht mitteilen, darf sich den ANDEREN mitteilen (nur wenn nie es will):

Also, nur zur Abschreckung:

https://www.abipur.de/gedichte/analyse/7289-erstes-liebeslied-eines-maedchens-moerike.html

Hier einen bessere Präsentation:

http://www.deutsche-liebeslyrik.de/manuskript/manuskript2/manuskript2_22.htm

* * * *

Sternstunden

von Angela Rinn, Mainz, Evangelische Kirche: https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=38226

Manchmal erlebt man mitten am Tag eine kleine Sternstunde. Es ist wie die Ahnung einer fremden, wunderbaren Wirklichkeit. Sternstundenmomente brauchen besondere Räume. Einen stillen Wald, Licht, das sich durch die Baumwipfel bricht, eine alte Kirche. Und plötzlich geschieht es.

Sternstundenmomente sind Augenblicke vollkommener, fragloser Klarheit. Das Gefühl, eins zu sein mit sich und dem Universum. Christen sagen: Es sind Augenblicke von Gottesnähe, in denen sich spüren lässt, was das Heilige ist.

Sternstundenmomente sind reine Geschenke. Niemand kann solche Augenblicke zwingen. Dennoch kann man etwas dafür tun. Die Stille suchen. Ein Schweigen aushalten. Natur auf sich wirken lassen oder heilige Räume.

Es gibt aber auch Menschen, die solchen Sternstunden lieber ausweichen mögen. Der große Dichter Mörike gehörte wohl zu dieser Sorte. „Wollest mit Freuden mich nicht überschütten...“ bittet er in einem Gedicht. Mörike hat gewusst, dass man Sternstunden nicht auf Dauer besitzt, sie sind Geschenke des Augenblicks. Um von tiefem Leid verschont zu bleiben, verzichtet er lieber auch auf die höchsten Freuden. Das Mittelmaß scheint ihm das Angenehmste: „In der Mitte liegt holdes Bescheiden“ war sein Fazit.

Sicher, der Abschied von der Sternstunde kann schmerzhaft sein. Auf der anderen Seite verpasst man auch viel, wenn man ihr bewusst ausweicht. Wollest mit Freuden mich nicht überschütten... Das wäre nicht mein Gebet. So bescheiden will ich gar nicht sein.

Ich möchte lieber, wenn auch nur für wenige, kostbare Augenblicke, den Himmel offen sehen. Denn oft genug muss ich doch auch einen Blick in schlimme Abgründe werfen, manche Menschen erleben gar die Hölle. Im Krieg. Auf der Flucht. In den Sternstunden-Augenblicken merke ich, dass die Hölle nicht das letzte Wort hat. Dass wir Menschen, auch wenn wir das nicht ständig merken, doch umgeben sind von einer größeren, berauschend schönen Wirklichkeit.

In Sternstunden-Augenblicken spüre ich das. Und diese Augenblicke hinterlassen Sternenstaub in meinem Leben. Da ist ein neuer Glanz. Darum:

Jeder Mensch darf ruhig darum bitten, mit Freude überschüttet zu werden, in kostbaren, besonderen Momenten. Warum nicht schon heute?

* *

Und meine Interpretation (auch als Lehrer, auch als Vater zweier Kinder; eines Mädchens (bald schon 50 J. alt); ich bin bald 80 J.: >>> in der Anlage:

* Über dieses „Erste Liebeslied ...“ gibt es grausliche germanistische (Fehl-) Urteile (meist, weil sie es nicht verStanden haben...

>>> 

Ob Aal. ob Schlange ...

Mörikes Aaligkeit, seine Eingeweide und sein Liebesbegehren

- auch ein Weniges über Schlange-Attribute

Ernst Friedrich Kauffmann (10.11.1827) an Mörike

„Warum kommst du nicht du Unstäter?“

Potthast, Barbara: „aber wie ein Aal entwandest du dich wieder meinen Händen“. In: Mörike und sein Freundeskreis. 2015. S. 159)

Ernst Friedrich Kauffmann und Eduard Mörike

Am 10. November 1827 schreibt Ernst Friedrich Kauffmann an seinen Freund Eduard Mörike folgende Zeilen:

„Warum kommst du nicht, du Unstäter? Ist mir's doch nun einmal zum Bedürfniß geworden - ich gesteh dir's nur - dich hier einmal zu sehen, mit Marie, R. u. dir zusammen zu seyn! Das lezte mal glaubt dich endlich erwischt zu haben, aber wie ein Aal entwandest du dich wieder meinen Händen. Nun in allem Ernst! Komm!! d. h. schreib mir nicht, »nächstens bin ich frey u. ledig, und dann« - weiß Gott was; - sondern komm zu mir, wie ich zu dir. Du hast es - daß ich dir' s nur sage - gar nicht hoch angeschlagen und kannst mich blos versöhnen wenn du zu mir kommst.1

Zum Text, zum Kontext – ad res amatorias2

Mörikes Brief an E. F. Kauffmann:

Im Schloss Weissenau bey Ravensburg

D. 7. Julius 1828

Mein bester K.! Dieses fremde Datum könnte Dich zu allerlei falschen Ahnungen verleiten. - entweder, daß ich desertiert oder katholisch geworden, oder Waisenhaus-Inspektor in der Gegend oder sonst was Neues sey – Gott bewahre! Ich bin im Grund noch was ich von jeher gewesen, nemlich ein guter hoffnungsvoller Jüngling, ein Kerl, der seine Pfeif Tabak eben überall lieber raucht, als auf dem Vicariat - Kurzum, ich bin derzeit auf allen Flanken von Oberschwaben herum und zwar seit einiger Zeit alleweil auf d. Reise mit meinem Onkel Prokurator, als dessen Gesellschafter u. SEKRETÄR. Da komm' ich gestern zum ersten mal in die schöne Gegend von Weingarten; Wie mir nun die Kirchenkuppel und das goldene Kreuz im schönsten Sonnenschein entgegenglänzte, so übernahm mich die Erinnerung an Dich dergestalt, daß mir die Eingeweide brannten und [sc. ich] mich ungeduldig auf meinem Sitz herumdrehte. Darfsts glauben, dies war, ohne Übertreibung, der Effekt. Ich las auch neulich in der Zeitung einen definitiven Reallehrer angezeigt; und das gab auch den Effekt. - Lieber, guter K!!! Sieh, das sind nur so drey Ausrufungszeichen, PUNCTAEXCLAMATIONIS, - aber es liegt erstaunlich viel darinn; Reflexionen wie z. B. Was doch die Zeit hingeht! Wie doch die Freunde auseinanderkommen! Und wie man zum Heirathen kommt u. dergl. Das leztere ist das lustigste und traurigste von Allem. Ich freue mich nur darüber, in sofern es für Dich lustig ist und weil MARIE LOHBAUER „die Parthie“ ist. Gelt? das ist schön gesagt? Ein langes und breites Hochzeitlied schick ich Dir nicht, aber ein Liebesliedchen, das ich gestern auf der Steige von Weingarten vor mich hinbrummte und zwar, vom 3ten Vers an nach der MELODIE »Was zieht mir das Herz so«. Sez es in Musik, gib Ihr am BrautMorgen einen Kuß und frag Sie, wenns sie's nun absingt, ob das Lied nicht, auf ein Haar, alle die Seeligkeit ausdruckt, die Sie in den ersten Tagen Eurer Liebe empfunden. Wenn das seine Richtigkeit hat, so thu ich mir was drauf zu gut.

__________________

Ich werde in etwa 14 Tagen auf einige Monate nach STUTTGARDT kommen, vielleicht auch auf länger - SUB TITULO eines Hofmeisters bei meinem Onkel. Schreibe mir aber bald nach BUCHAU am Federsee. Lebwohl! Grüße MARlEN [sic] Grüße Alle und - wenn Du kannst küsse den RUDOLF tausendmal in meinem Namen.

Dein EDUARD.


[Beigelegt]

Lied

eines Mädchens


Was im Netze! schau einmal!

Aber ich bin bange, -

Greif ich einen süßen Aal?

Greif ich eine Schlange?


Lieb’ ist blinde

Fischerin;

Sagt dem Kinde,

Wo greifts hin?


Schon schnellt mirs in Händen,

Ach Jammer! o Lust!

Mit Schmiegen und Wenden

Mir schlüpfts an die Brust!


Es beißt sich, o Wunder!

Mir keck durch die Haut,

Schießt's Herze hinunter -

O Liebe, mir graut!


Was thun? Was beginnen?

Das schaurige Ding -

Es schnalzet da drinnen

Und legt sich im Ring.


Gift muß ich haben!

Hier schleicht es herum, -

Thut wonnelich graben,

Und bringt mich noch um!


>> HKG. Bd. 10, 222fff. (Nach der Fassung im Brief an Ernst Friedrich Kauffmann. 7. Juli 1828; an die Adresse „Seiner Wohlgeboren / Herrn Realschullehrer Kauffmann / zu / Ludwigsburg.“; mit späteren Änderungen, hauptsächlich in der Interpunktion, unter dem Titel „Erstes Liebeslied eines Mädchens“, in G 1, 1838)

Meine Puncta interpretationis:

In Rebus amatoribus“: von Liebesdingen

Heirathen“:

Eingeweide“

Aal“

Goethes „Was zieht mir das Herz so“

Aus jener glücklichen Sommerzeit ein Postscriptum. E.M. fügt es seinem Brief an Johannes Mährlen vom 20. Juli 1828 hinzu: In Rebus amatoriis hic multum, at nequaquam periclitando, profeci“. Deutsch: In Liebesdingen hier bin ich, freilich auf keine Weise etwas riskierend, gut vorangekommen.

- Im nächsten Jahr wird er Luise Rau kennen lernen. Konkrete, reale Erfahrungen in Liebesversuchen - wer mag sich vermessen, darüber zu urteilen, nur zu mutmaßen! In diesem glänzenden Auftakt seiner neuerlichen Liebeszeit - nach dem Verzicht, dem Verlust der erotischen Handlungsfähigkeit in der Meyer-Affäre und der schöpferischen Gestaltung in den fünf verhalten depressiven Peregrina-Texten - greift E.M. zurück auf seine Lieblingsmetaphorik, der synästhetischen Ambivalenz von Lieb und Wehmut Leid und der Inkronguenz von Lust und Leid, oder wie es die frühe Strophe des später „Gebet“ getitelten „Liebes und Leides“-Bekenntnisses weiß.


Ich setze ein Merkzeichen bei „Eingeweide“: seltenes Plurale tantum, mit eigenartigem etymologischen Grund.3

Mörike: Erstes: Liebes

Das Gedicht beachtet Potthast nicht; außer für eine Disqualifizierung als „frivol“ (S. 163: „Mörike schenkte den beiden zur Hochzeit sein frivoles 'Erstes Liebeslied eines Mädchens'“),, hat es - das Poem – nicht erfasst. Was so wg. irgendwie sex-mäßig; man könnte sagen genderös - verachtet wird, bleibt unbeachtet. Mörikes Text ist vielmehr das schönste, genialste Eroticon in deutscher Zunge. Mörike, generös wie ein Schlossherr auf Weissenau und in wahrlich schönster körperlicher Verfasstheit, wusste, was er schrieb, in emphatisch selbsterlebter καλοκἀγαθία (kalokagathía). Ich vermute auch, dass Kauffmann den Text wahrnahm als formvollendete Gestaltung einer psychosexuellen Zweiergemeinsamkeit: Wer wem hier, in diesem Akt, die männliche Rolle zusprach, ist nicht so bestimmt, wie es scheint. Mit der Metapher des Aales hatte Kauffmann Mörike eine Rolle zugesprochen, die er im Gedicht dem Mädchen – nicht einer Frau - eingedenk sein lässt. Wie solche traumhaften Surrogate, ob im Wort, ob im Bild, eingepflanzt werden in den Realien, wir wissen es nicht; sie werden wahrhaft weitergegeben, im Traum, im Traumgesicht, in Metaphern.

Es ist in diesem intensivsten Moment der männlich-weiblichen Begegnung, die einer psycho-sexuellen Reifung, die sich erprobt, wie Sigismund Freud des prototypisch dem Menschen zuspricht und abverlangt: Werde, wer du bist; bejahe, was du nicht seien kannst.

Goethe: „Man hält einen Aal am Schwanze fester, als einen Lacher mit Gründen.“ (37,160,17 BriefPastors



Vertonung im 2o. Jh.: Hugo Wolf schreibt am 20. März 1888 in einem Brief:

"Heute habe ich mein Meisterstück geliefert. 'Erstes Liebeslied eines Mädchens' (Ed. Mörike) ist das weitaus Beste, was ich bis jetzt zustande gebracht. Gegen dieses Lied ist alles Vorhergegangene Kinderspiel [...]. Das Gedicht ist wahnsinnig, die Musik nicht minder [...]." (Andreas Dorschel, Hugo Wolf, rowohlts monographien/rm 344, Reinbek 1985, 2. Aufl. 1992, S. 71 f.)

Nur einen Tag später, am Tag des Frühlingsanfangs, also am 21. März 1888, korrigiert sich der Komponist, in einem Brief an den gleichen Adressaten: "Ich revoziere, dass das 'Erste Liebeslied eines Mädchens' mein bestes sei, denn was ich heute vormittag geschrieben: 'Fußreise' (Ed. Mörike) ist noch millionenmal besser. Wenn Sie dieses Lied gehört haben, kann Sie nur noch ein Wunsch beseelen: zu sterben." (Dorschel S. 72)

*


Polymorph als Fachbegriff in der Psychoanalyse meint:

„Wir wachsen heran als sexuell polyvalente, »polymorph perverse« Subjekte, und in unseren Kinderstuben ist der Kynismus universell verbreitet, der in allen Dingen zunächst ganz aus dem eigenen Körper heraus lebt, denkt, wünscht und handelt.“ (Sloterdijk, Peter: Kritik der zynischen Vernunft Bd. 2, Frankfurt: Suhrkamp 1983, S. 542)

Das Kind "ist" in seinem Trieb polymorph (vielgestaltig), das heißt, es richtet seine Kontaktbedürfnisse und -angebote grundsätzlich auf alle Menschen, und es begehrt bisexuell, Angehörige beider Geschlechter. (Pilgrim, Volker Elis: Manifest für den freien Mann - Teil 1, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt 1983 [1977], S. 131)

Allgemein formuliert: Nach Freud ist das Kleinkind, dessen Sexualität er wiederentdeckte und begrifflich fixierte, "polymorph pervers", autistisch der Lust an Partialtrieben wie der Analerotik hingegeben, die es/er/sie in der NormalEntwicklung zugunsten der Genitallibido aufzugeben bereit ist, das Kind lernt sich zu normalisieren in GenderFragen.

Pychoanalytisch gesehen .. sind Dichter, Poeten .. reine Toren … sind Infantes in ihren Intentionen, ihren Taten & Werken. Diese PartialTriebe sind

*

Nun, zu sterben, war Mörikes Beseelung ganz und gar nicht. Er möchte sich in ein Mädchen, eine Geliebte einfühlen.

Ja, natürlich ist Mörikes Gedicht "Fußreise" („Am frisch geschnitzten Wanderstab“) eine solche Glückseligkeitstour: „Gottbeherzt“; bei Goethe gibt es „gottbegeistert“, gemeint: vom Geist des Göttlichen erfüllt, inspiriert, genial, in Gespür(He2,956) KPh Kayser 1.10.14; „gottbeherzt“ ist eine absolute singuläre Wortbildung im Deutschen) - Das Erste Liebeslsied“ aber ist ein perturbatio.

Kauffmann:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Friedrich_Kauffmann


Mörikes psycho-sexuelle Entwicklung lässt auch in der analen Phase rekonstruieren.

Hier ist zu analysieren das Sonett , das er Hermann Kurz schickte, ohne Veranlassung:

Als poeta Mörike einmal „musste“ und nicht retinieren mochte:

Ein Sonett, eine 'gebrunzte' Kakophonie vom jungen Dichter Eduard Mörike; er veröffentlichte es zu seiner Lebenszeit nicht!

Es war in liablichen Septembers-Tagen

Es war in liablichen Septembers-Tagen,

Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine

Und saß gekauert an der höchsten Eine,

Da hielt ich meine Hosen aufgeschlagen.


Sogleich sah ich den schönsten Kegel ragen,

Schwärzlich gesprenkt, von kerngesunder Bräune,

Schlank stand er da, gleichsam auf Einem Beine:

Ich sah ihn an mit herzlichem Behagen.


O Monumend verklungner Gastmahlsfreuden!

Hier liegt -, in der Erinnerung noch wie labend -

Was jüngst bei Burk und Gaertnern ich gespeißt!


Warm trug ich Dich in meinen Eingeweiden

Noch am Lumpacivagabundus-Abend: -

Drum stinkst du auch als wie der böse Geist!


Kleine Fußnote: Vom „Uchrucker“, der Mörikeschen grotesken Satire-Figur aus den „Wispeliaden“, mitgeteilt im Brief an seinen Freund Hermann Kurz, – und der ließ die Kakophonie, eine Kontrafaktur, nicht verschwinden, eine Parodie auf Ludwig Uhland Titel „An Kerner“ (hier mit der ersten Strophe annotiert; jeder wird’s finden im Internet oder hier: L.U.: Werke. Bd. 1. Sämtliche Gedichte. 1980. S. 90f.):


Es war in traurigen Novembertagen,
Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine
Und stand gelehnet an der höchsten eine,
Da hielt ich deine Lieder aufgeschlagen. (…)


Mörikes Sonett (November/ Dezember 1837 geschr.), wiedergegeben nach E. M. Werke u. Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 12. Briefe 1833 – 1838. 1986. S. 141f.; dort die diversen Erläuterungen S. 487f.

EM an HERMANN KURZ. CLEVERSULZBACH, NACH DEM 27. NOVEMBER UND VOR DEM 13. DEZEMBER 1837

Sr Wohlgebornen und

Ehlich Erzeugten,

Herrn Docter Kurz in Buoch

Es ischt mir aigedlich schmaichelhaft und eine grose Ehr Vor mich, daß Sie sich so in mein aigedliches Nadur-Wesen verdenken können, daß Sie ganz in meiner Art und Weiß dichten können. Dann esfehlt auch nicht ein Haar von meinem Stiel. Dann mein aigedliches Dichten und Drachten gaeht nicht auf das Ädle sondern auf das Unädle; ungesetzliche Schwängerung derer Weibs bilden, &c. und ich habe es an mir, Stank und Unflath allenthalben zu verbreiten, und wann ich singe und spiele, so spiele ich nicht in der Weiße Assaphs noch auf der Githith. Deßentwegen will ich Ihnen aus Freundschaft auch eine Prob schicken. Nemlich: Mein Bruder der Balbirer hat mich einmal in das Thiater perschwadirt, wie man das Stuck gespielt hat: Lumpacifagabundus, der böse Geist, oder das liederliche Feigenblatt. Seibigen Tag fraßen wir bey Trätör Gärtner und bei dem Traetör Burk. Am andern Tag giengen wir weiters und im Bopserwald setzete ich mich eine Weile unter einen Tannenbom und wurde transchbirirt und tichtete einen Versehen, nach der Weiß von dem Sonettigen (von dem Doctor Uhland) wo mein Bruder immer im Maul hat und sich einbildt, es ischt an ihn und ischt doch an den Wunderdockter Kenner in Weinschberg.

[Unterzeichnet mit:] Jezt adio, mein Bester! Ich bin mit Leib und Seel der

Ihrige

Uchrucker 
[Mörike als satirischer Spezialist]


>> HKG. Bd. 12, 141f.

Ein sprachspielerisches Monstrum, ein DeMonstrandum: ... ein lebensgeschichtlich Momentum der poetischen Manufaktur des Herr Wispel:

zuvor (am 7.11.1837) an Brief an „Wilhelm I. König von Württemberg“; hernach weiterer Brief an Hermann Kurz (v. 13.11.1837).

… kann man das Spiel dem SchriftSteller einem Poeten/Pfarrer/Liebenden glauben?

„Eingeweide“:

„Kegel“ - vgl. das unschuldige, lust-lärmende Holzstück zum kurzweiligen Spiel:

http://gutenberg.spiegel.de/buch/eduard-m-5525/175

Briefe. Bd. 19: .. Sommermonaten wöchentlich einmal Stuttgarter Honoratioren zum Kegeln in sein Gartenhaus.“

Mein Leib ist mein Gedicht – deine Leib ist mein Gedicht...

Ob er sich lebenslänglich mit diesem „Bubenstück“ zufrieden gab? Dass er es nicht geschrieben haben wollte, glaube ich nicht: es ist ein Kunststück; dass er es nicht verschickt (an Hermann Kurz) haben wollte, schon eher.

1 DLA A: Mörike 2 / # HS002368960 (mit dem Datum der Poststempels) [Bei Potthast S. 159]

    2 Mörike an Mährlen: „In Rebus amatoriis hic multum, at nequaquam periclitando, profeci“. Albius Tibullus - “Potiorem esse, in rebus amatoriis, e. potiori loco haberi, praeferri alicui(...)“? Oder angelehnt an „sapiens in rebus amatoriis“ - contradictio ad: in rebus adversis.. Vielleicht auch „bonae res“: Leckerbissen.

3Eingeweide (neutr.. meist Plur.) ‘alle inneren Organe der Bauch- und Brusthöhle’. Das Wort kommt nur im Dt. vor, mhd. frühnhd. ingeweide, verdeutlichend neben mhd. geweide; nhd. Geweide vereinzelt noch bis in die neuere Zeit, bei Luther stets Eingeweide. Allgemein wird Herkunft aus der Jägersprache angenommen, da die Innereien des erlegten Wildes den Hunden zum Fraß vorgeworfen werden. Verwandtschaft mit ↗Weide ‘Futter, Weideplatz’ (s. d.) ist daher möglich. Doch begegnet bereits mhd. ingeweide auch für die inneren Organe des Menschen. Vielleicht ist Eingeweide besser als ‘das Gewundene, das Geschlinge’ aufzufassen, mit ↗Weide ‘Weidenbaum’ (s. d.) zu verbinden und mit lat. vīscera Plur. ‘Eingeweide’ an die Wurzel ie. *u̯ei- ‘drehen, biegen, winden’ anzuschließen. Vgl. Fowkes in: JEGP 52 (1953) 96 ff. und Pokorny 1, 1122. ausweiden Vb. ‘die Eingeweide eines erlegten Tieres herausnehmen’, spätmhd. ūʒweiden bzw. gleichbed. mhd. weiden. weidwund Adj. ‘krankgeschossen, im Eingeweide verletzt’ (15. bis 18. Jh. vom Menschen, seit Anfa

ng 18. Jh. vom Wild)

 
                                       < Mörike im Freundeskeis in Tübungen >

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