Donnerstag, 3. August 2023

Brief-Chen an Herrn Martin W a l s e r

 

E-Brief:

Mittwoch, 17. Juli 2002


Ausdruck für

Herrn Martin Walser

N u s s b a c h 


wg. mdr Leipzig:


Zum Weimarer Salon (am Montag, den 15.07.02 ):


Bravo: Herr Hieber und Herr Walser...,


endlich eine befreiende, begrifflich wichtige, literaturanalytische, erfreuliche, mich erfreuende Sendung, natürlich besonders, weil Herr Martin  W a l s e r  sich kundig und humorvoll darstellen und sich kritisch angenommen und auch "verstanden" fühlen konnte...

Ich - als Lehrer - habe schon mehrfach Walser-Texte im Abitur den Schülern - zu Nutz, Erleuchtung und Erkenntnis, nicht so sehr: Frommen - vorgesetzt und schülerfreunndlich beurteilt ...

Und endlich hat mal ein Redakteur - oder Herr Hieber, als Interview-Partner - Möglichkeiten des Fernsehens wahrgenommen - und die dummen, niedermachenden, sich steigernden Tiraden des Herrn R.-R. vorgeführt (im Film), die ich auch schon nicht mehr zur Kenntnis genommen habe.



Herr Walser ist ein vergnüglicher und friedliebender Humanist - und Herr R.-R. ist - im voll-mündlichen Galopp - ein schwadronierender Kleinbürger, der keine analytischen Begriffe verwendet, sondern seinen gekitzelten oder verltzten Geschmack rauslassen will (Komisch, dass er sich dann meistens wieder, ohne sich zu entschuldigen, mit einem Schlenker davon machen will ...)

Dass R.-R. sich als Jude beleidigt fühlt, ist ja ein Witz; er ist so gott- und lieb- und herzlos wie sonst kein mir (literarisch) bekannter Jude...

(Gut aber, okay: seine Memoiren, die ich als Kurs-Lektüre - mit anderen Dichter-Texten: Kästner usw. - gut "anbringen" kann... (Aber da hat R.-R.s Frau -- der er, der junge Marcel, ganz ungeniert-herr-schaftlich - in einer absoluten, hilflosen Verlegenheit, Tod des Vaters - an den Busen griff, um von ihr Besitz zu nehmen, ein langes Leben lang...-- wohl stark weisheitsvoll eingegriffen...)

Dank und Gruß - für weiterhin....


Anton St. Reyntjes

Herzogswall 42

45657 Recklinghausen


*

Darf ich Ihnen - ohne Nutzgedanken - sozusagen uneigennützig, eine Kurznovelle beilegen.....?


Wenn es Ihnen Spaß und Erkenntnis bringt, dann darf ich Ihnen sagen: Der Text ist von dem masurischen, widerständischen (im KZ Dachau umgekommenen) Seltenheits-Original Friedrich von Reck-Malleczewen...; und der Text ist seit 1922 nicht mehr gedruckt worden...

Peter Härtling hat mal auf Recks "Tagebuch eines Verzweifelten" hingewiesen; und in der "Anderen Bibliothek" sind sie nochmals gedruckt worden....

Der Text hat mich an Ihre frühen Geschichten, die ich als Schüler und dann als Buchhändler (seit 1965) - frech, parabelhaft, gesellschaftskritisch... - erinnert... - Nur die beschriebene Realität, die lettische Revolution von 1905 - im damaligen baronesken Livland, ist ungeheuer bestialischer und provokanter gewesen als das Adenauer Zeit-chen für Sie und mich....

*

Text aus: F.v.R.-M.: Phrygische Mützen. [Erzählungen]. Drei Masken Verlag. München 1922. Der Umschlag ist mit Jakobiner-Mützen illustriert...; die Kurz-Novelle ist nie mehr gedruckt worden, meines Wissens; der von Reck-Malleczewen wird als "Östlicher" - als Masure - abgetan, wie auch der völlig unterschätzte Ernst Wiechert...

Mit Rechtschreibung hinsichtlich dieser beiden – ostdeutshen - Dichter ist es nicht getan;

Von Blaues Sofa from Berlin, Deutschland - BSB 2007: Gruppe 47. Sechzig Jahre danachUploaded by Magiers, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21047392Von Blaues Sofa from Berlin, Deutschland - BSB 2007: Gruppe 47. Sechzig Jahre danachUploaded by Magiers, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21047392


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