Dienstag, 17. September 2013

Ein R e l i - Stündchen

Story 3:
A-ST-R

Donnerstag 10 b. 4. Stunde: Religion


„Okay! Alles klar? Wie denn? Noch Fragen? Ich fasse zusammen: Diese Erfahrung kostete also? Bärbel, gehst du mal an die Tafel? Schreib' bitte untereinander:
1. Einsatz des Notarztwagens: 487 DM
2. Krankenhausrechnung: 656 DM
3. Arztrechnung (privat!): 368 DM."
Aus der Klasse: "Boah, boahey, ist das aber alles teuer!" - "Was die Ärzte da dran verdienen!"
Die Lehrerin bittet: "Zieh mal einen Strich darunter, bitte. Das macht zusammen?"
Bärbel rechnet laut: "1511 DM."

*

Frau Steinberg hatte von einer Studentin erzählt, die eingeladen war bei neuen Freunden, die einen netten Nachmittag, na, seien wir ehrlich: eine kleine Haschparty, organisiert hatten, an der Uni GÖ, wo sie fürs erste Semester Musik und katholische Theologie eingestiegen war.
Es gab dreimal was zu probieren, Hasch als Joint, als Plätzchen und im Tee.
Da war es um die Studentin geschehen. Ob sie zu viel geknabbert hatte, oder ob es ihr aus irgendeinem anderen Grund schlecht erging - ihr wurde schrecklich übel, sie fiel sogar in Ohnmacht; ihr Pulsschlag war ganz schwach, der Kreislauf ging in die Knie, und Krämpfe schüttelten ihren Körper. Sie war nicht mehr ansprechbar, und auch die erfahrenen Hasch-Hasen wußten nicht mehr weiter, als dumm kucken und abwarten.
Eine Freundin verließ sich nicht auf die Ratschläge "Abwarten! Tee trinken! Wird schon!", sondern rief den Notarztwagen an. Und die junge Frau wurde sofort ins Krankenhaus eingeliefert. Nach dem Auspumpen des Magens war sie außer Gefahr, und dann stabilisierte sich ihr Kreislauf, und am übernächsten Tag wurde sie entlassen.
Vor ihren Eltern hielt sie dieses Abenteuer geheim; sie wohnte ja auch in einer anderen Stadt - bis die Rechnungen per Post zu Hause bei den Alten eintrafen, und die Mutter sich ans Telefon hängte und die Tochter darüber befragte...

*

Gedacht war die Stunde so: Die Diskussion war eröffnet: Stichworte genug: Alltagsdrogen, neue Drogen, Drogenmonopol der arrivierten Bürger: Saufen und Rauchen und wieder Saufen, egal auf der Kirchweih, bei der Erstkommunion, am Kolpingsabend oder bei der Ausländerhatz! Kriminalisierung. Und psychische und materielle Verelendung der Drogennutzer. Beschaffungskriminalität. Todesraten bei harten Drogen... Da steht vieles auf der Kippe.

*

Einer formuliert was, da staunen alle: „Frau Steinberg, haben Sie schon je davon gehört, dass einige Haschbrüderlein während oder nach ihrem Drogenkonsum auf die Straßen gezogen sind und dort Ausländer oder Berber aufgeklatscht haben?“
„Was willst du damit sagen, Jens?“
„Ja, schauen Sie doch mal in die Nachrichten: Das sind Idioten, die sich voll saufen und dann durch die Straßen ziehen und vom Pöbelvolk noch Beifall kriegen oder zumindest heimliche Bewunderung.“
Da, ein Finger noch.
"Ja, Anke?" - "Ich würde nichts dafür bezahlen!"
"Wofür?" - "Für alles, den ganzen Aufwand mit den Kosten da im Krankenhaus." - "Ja, weil deine Eltern es ja bezahlen müssen. Übrigens wohl nicht die Krankenkasse! Ich weiß nicht, ob die dafür aufkommt.
"Nein, ich mein es anders: Ich würde einen falschen Namen angeben im Krankenhaus."
(23 mal): “Boah ey!“
"Aber du wärst ja besinnungslos gewesen."
"Die anderen hätten mich eben mit einem falschen Namen ins Krankenhaus einliefern lassen müssen. So viel Solidarität muss sein, beim Haschvölkchen."
Kichern in der Klasse.
"Und du wärst am nächsten Tag von dort aus verschwunden, so mir nichts, dir nichts? Und hättest dich gefreut: Sollen die Mediziner doch selbst für ihre Kosten aufkommen?"
"Na ja, weiß nicht mehr so recht!"
"Und denk mal weiter: Von wo ist der Notarztwagen denn abgefahren, mit dir Schlaumeier auf der Trage?"
"Mhm. Stimmt: Die würden natürlich dort nachfragen, wo der Einsatz erfolgte."
"Und so weiter, Mädchen! So klappt es also nicht."
*
Noch fünf Minuten? Was nun? Na - Ergebnissicherung! "Wer formuliert nun mal, was wir heute in einem besonderen Aufklärungs- und Mathestündchen gelernt haben? Tabea, ja, du, bitte? – Oder? Du hast grade keine Zeit? – Na, dann Selma, und du?"
Selma: "Vier Haschplätzchen kosten 1511 DM."
Markus: "Können kosten!"
"Könner -" (Leise:) "Halt Klappe, Tommy!"
"Und Peter? Was meinst du?"
"Nicht jeder verträgt Hasch."
Pietro: "Man musset es eben probieren!"
Lachen! Querdurch!
"Plus was noch? Ja, Heike? Was kommt noch hinzu?"
"Der Ärger mit den Eltern. Unangenehme Gespräche über Rechnungen!"
"Und in der Religionsstunde: Rechenaufgaben!"
"Ja, du musst mit allem rechnen bei mir, Wolfgang! Aber du kannst mir helfen. - Was soll ich ins Klassenbuch schreiben?"
"Äh, weiß nicht! Das kann der Hans so gut: äh: schleimen!"
„Na, na!“
"Ja, du, Hanni?"
"Geht das: ritueller Konsum von Drogen?"
„Ja doch! Frau Bergstein! Is dattan noch Reli?? Äh. Sach ma mia - woher dat Zeuch kriegen, ohne mit Bullen auffer Matte!“
„Dattat wä doch nomma spannend. Wa! Jungs!“
*
Diskussion in der Mädchentoilette. Zelle dreizehn: Selma und Tabea:
Is doch wie überall: Selbstberuhigung mit einfachen Mitteln: Lebensverlangsamung. Selbststillung. Gebet, Zeremonien, Ausschluß von Wirklichkeit. Ergebenheitssendung. Pharisäer. Pharisäer-in, mein ich! Komm, lass dich knutschen!
Und andere, die ein anderes Tempo drauf haben? - Sei nicht so melancholisch! - Die können gleich vorbeibrettern. Haben doch eh‘ zu viel Tempo drauf. Werd’n schon in die Grube sausen.
Deren Alte selber, von der war das Haschkindchen!
Wieso? Was? Das Mädchen da, mit dem Notarzt? - Das sich da vollstopfen ließ.
Ja, der Reli-Oberstudienrätin die eigene Tochter!
Woher weißt’n dat? - Dann hätte die uns dat nich erzählt! – Glaub ich nich. – Soll ich anrufen! – Quatsch!
Aber weiß ja auch kaum ein Schwein. Was da passiert ist. Die sind da wohl alle auf Suche: Mamamia. Mutter und Tochter!
Und was suchst du? – Dich Selma! Dass du mich tröstet! Kannste so gut. Komm, leih mir deinen Pulli.
Und wir schwänzen den Mathe-Erich!
Und wohin? – Nur raus, hier aus dem Pinkel!
Aber wär doch ma attraktiv für die Besucherzahlen?
Was?
Weihrauch und Wein – dat kannet doch nich sein!
Was noch?
Na, Doping beim Pastor Klinger.
Seine Haushälterin, die würd‘ mitmachen.
Und erst ihr Söhnchen!
Wie geht’s dir eigentlich mittem Thomy?
Betriebsgeheimnis, liebes Mädchen. – Kuck nich so dumm. Auf Hellas Fete, nächsten Dienstag, da musste aufpassn.
Treffen?
Jö. Äh: Bei Sanktenarnold.
Und dein Vatta? Wann wählt der denn?
Watt? Näh!, sacht der, er würd doch genullt.
*
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2 Kommentare:

  1. haschkekse? weia, das erinnert mich an ein konzert und daß eine nicht richtig zu dosierende substanz schon mal halluzinationen auslösen kann ;-)

    für den religionsunterricht oder religiöse erfahrungen würde ich allerdings eher zu mexikanischen pilzen raten ... wenn schon.

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    1. Danke für die finale Überlegung.
      - Ich kenne mich nur aus mit dem Simpel-Import von Haschzutaten aus den NL...

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