> Reste der Beton-Fundament-Konstruktion der 'Windmühle', die SvV als Alternative zur Energiegewinnung auf dem Höhenrücken von Weissenstein bauen will und Jahre lang betreiben konnte. <
... zum N o v e m b e r - P o g r o m -
... "als 'Reichskristallnacht' im Umgangston verniedlicht, bedeutete
den Rückfall in die Barbarei." (So
'Der Spiegel'. 12.09.1989)
„Äh-du“,
so begegnet mir ein Freu(n)d, „du schreibst so viel - schreib doch
mal über den Pogrom! Da stosse ich wieder mal auf denn klugen und
schreib-freudigen Vegesack: ja, den Siegfried von Vegesack; ja, den Vergessenen; außer in Regen, beim "Freundeskreis" und die literarischen "Miniaturen"! https://lichtung-verlag.de/index.php/shop/wei%C3%9Fensteiner-miniaturen
und: https://www.regen.de/index.php/startseite/unserestadt/faszination-weissenstein/museum-im-fressenden-haus
>>> Also, aktuell zum 09.11.2025: Bibliografisch
zur Ergänzung zum Werk von
Siegfried
von Vegesack:
*
Text
1:
„Schlag
sie tot, Patriot!" - so
formulierte Siegfried von Vegesack einen frühen Beitrag zur Kritik
des Antisemitismus (in
Deutschland, natürlich: im „Deutschen Reich“, 1920):
Ich
bin kein Jude. Auch kein besonderer Judenfreund. Aber wenn das so
weitergeht wie jetzt, dann könnte man wohl bald das vogelfreie
Dasein eines Ostjuden der Schmach, Deutscher zu sein, vorziehen.
Gewiß,
man mußte sich auch früher zuweilen als Deutscher schämen. Als
alle Welt uns anspie und wir Vertrauen und Achtung wiederzuerringen
hofften, indem wir uns selbst bespuckten. Aber damals, als man
sich nackt und wehrlos am öffentlichen Pranger der ganzen Welt
verhöhnt fühlte - grade damals rief etwas in unserm Innersten:
jetzt kannst du dich, jetzt mußt du dich als Deutscher bekennen,
denn deutsch sein heißt: verworfen sein - und ist es nicht immer
rühmlicher gewesen, statt mit Allen über Einen zu triumphieren,
allein von aller Welt verworfen zu werden? Und grade damals, als
Millionen von uns ans Auswandern dachten, konnte es für einen
Auslandsdeutschen eine schmerzliche Lockung sein, sich im verfolgten
und gepeinigten Deutschland dauernd niederzulassen, um an der
innersten Gemeinschaft teilzuhaben: an der Gemeinschaft des Unglücks.
Aber
heute? Kann man heute noch Deutscher sein, ohne vor Scham sich in den
Wäldern verkriechen zu wollen? Heute, wo wir nichts Besseres zu tun
haben, als alles Unrecht, das man uns zugefügt hat, am wehrlosen
Dritten - am Juden auszulassen! Gibt es denn für uns Deutsche nur
dies eine Mittel, unser seelisches Gleichgewicht zu bewahren: zu
treten, wenn man getreten wird? Gibt es überhaupt etwas
Erbärmlicheres, als Prügel eines Stärkern mit dem Fußtritt gegen
einen Schwächeren zu quittieren?
Wenn
unsre Alldeutschen ahnten, wie undeutsch sie sind! Denn wenn es einen
wirklich deutschen Wesenszug gibt (oder richtiger: gab!), der weder
bei den Franzosen noch bei den Russen (von den Engländern ganz zu
schweigen) so stark entwickelt ist wie bei uns, so ist es der: daß
wir Deutsche für fremde Eigenart ein ganz besonderes Verständnis
haben, von Shakespeare bis Strindberg, von Dante bis Dostojewski den
fremden Herzschlag wie unsern eignen spüren. Und nun sollen wir
unser „Deutschtum" durch Pogrome betätigen!
Aber
ganz abgesehen von allen Gründen der Moral, des Anstandes und unsrer
nationalen Würde (wenn es die noch gibt), ist die Judenhetze wohl
das Dümmste, was alldeutscher Eifer zur Erreichung seines Zieles
anstellen konnte. Denn wenn es so weiter geht, wird voraussichtlich
der anständige Jude mit Selbstgefühl Deutschland verlassen. Und
grade die Minderwertigen, die sich unter allen Umständen
anpassen, werden bleiben, werden, wenn’s nötig ist, ihr Judentum
verleugnen und umso schneller in den deutschen Volkskörper
eindringen. Es ist so wie mit einer Vergiftung: je heftiger man sich
sperkelt, desto rascher und sicherer schreitet sie vor. Gewiß: das
deutsche Volk in seiner Mehrheit steht noch nicht hinter den
Pogromhelden. Aber so, wie unsre Feinde von gestern durch
unablässiges Hetzen schließlich die ganze Welt von unsrer
Minderwertigkeit überzeugten - genau so wird es auch der
alldeutschen Agitation zuletzt gelingen, alle Verbrechen (und erst
recht ihre eignen!) auf die Juden abzuwälzen, wenn nicht eine
Gegenaktion erfolgt. Nicht von jüdischer, sondern von deutscher
Seite müßte diese erfolgen. Nur dann könnte sie vielleicht etwas
von dem ungeheuern Schaden wiedergut machen, den alldeutsche
Berserkerwut wieder angerichtet hat. Die besten Köpfe, die
besten Namen aller Derer, denen deutsch sein mehr bedeutet als
gesinnungstüchtiges Gebrüll in Jägerhemd und Lodenmantel, sollten
sich zu einer eindrucksvollen Kundgebung schnell zusammentun:
„Schlag
sie tot, Patriot!" - nicht die Juden, sondern die für jeden
Deutschen schmachvolle Judenhetze!
>>
Der AufSatz erschien am 15. April 1920 in der „Weltbühne";
hier aus: Siegfried von Vegesack: Briefe 1914 -
1971. Grafenau 1988. S.66f.
- Der Aufsatz wurde gekürzt nachgedruckt in: Weimarer Republik.
Lesebuch. Hrsg. v. Stephan Reinhardt. Berlin 1982: Wagenbach Verlag.
S. 81)
Nachweis:
E.D.: „Schlag sie tot, Patriot!“.
WB (von 1905- 1993): 16/I, Nr.16, 15.04.1920, S. 442.
Anm: Nachweise
des Verb 'spergeln' stammt etymologisch:
Von:
Spergel,
Spörgel m. eine Futterpflanze (in mundartlichen Varianten auch
Spark, Spork, Spürg), entlehnt (18. Jh.) aus mlat. spargula (13.
Jh.). Weitere Herkunft ungewiß. Gamillscheg 685 sieht in mlat.
spargula eine Latinisierung von mfrz. (e)spergoule ‘Weih-,
Sprengwedel, Weihwassersprenger’, seinerseits aus vlat. aspergulum
n., aspergula f., spätlat. aspergillum n. ‘Wedel und Gefäß zum
Sprengen’ (nach der sprengwedelähnlichen Anordnung der Blätter);
zu lat. aspergere ‘bespritzen, besprengen’. Vgl. Marzell 4, 439
ff. - dwds.de:
https://www.dwds.de/r/?corpus=kern&q=%7BSp%C3%B6rgel%2CSpergel%7D
– -Abruf 07.09.2025.
Das
Verb spergeln“ könnte lauten; “...(wie samenhaft sprühen/sich
versprühen/jmdn/irgendw. bespritzen(?).
Oder
diesen Eintrag gibt, für ein ur-deutsches Wort:
Spörgel [Brockhaus-1911]
1775.
Gemeiner Spergel. Spörgel ,
Futterpflanze, s. Spergula [Abb. 1775]. -
http://www.zeno.org/Zeno/0/Suche?q=Sp%C3%B6rgel&k=Bibliothek
Vgl.
das Bild
https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Juden#/media/Datei:The_Reich_Association_of_Jewish_Veterans.jpg
*
*
Text 2 (als Ergänzung):
´Von
SvV sind viele, meist lyrische Beispiele nachgewiesen in „Die
Weltbühne“ (von 1920 –
1932):
Vegesack, Siegfried
von *1888 †1974 Schriftsteller, 1929–38 Mitarbeit „Hohe
Warte“ Prag [von mir nicht geklärt!] -
https://de.wikisource.org/wiki/Die_Schaub%C3%BChne_%E2%80%93_Die_Welt%C3%BChne/Autoren#V
Schopenhauer. WB 16/I, Nr.02, 08.01.1920, S. 55
Dostojewski. WB
16/I, Nr.05, 29.01.1920, S. 148
Anständigkeit
bis zu einem Prozent. WB 16/I, Nr.08, 19.02.1920, S. 251
Georg Büchner.
WB 16/I, Nr.09, 26.02.1920, S. 272
Hölderlin. WB
16/I, Nr.12-14, 25.03.1920, S. 377
„Schlag sie
tot, Patriot!“. WB 16/I, Nr.16, 15.04.1920, S. 442
Nietzsche. WB
16/I, Nr.25, 17.06.1920, S. 717
Flaubert. WB
16/I, Nr.26, 24.06.1920, S. 742
Heinrich Mann. WB
16/II, Nr.28, 08.07.1920, S. 49
Tolstoi. WB
16/II, Nr.45, 04.11.1920, S. 529
August
Strindberg. WB 17/I, Nr.04, 27.01.1921, S. 97
Knut Hamsun. WB
17/II, Nr.30, 28.07.1921, S.100
Jean Paul. WB
17/II, Nr.44, 03.11.1921, S. 459
Deutschlands
Privatisierung. WB 17/II, Nr.48, 01.12.1921, S. 543
Strindberg in
Kopenhagen. WB 18/I, Nr.13, 30.03.1922, S. 321
Richard Wagner.
WB 18/I, Nr.26, 29.06.1922, S. 663
Dies oder das
andre Bayern? WB 19/I, Nr.07, 15.02.1923, S. 197
Christus in
München. WB 19/I, Nr.13, 29.03.1923, S. 354
Wenn nicht Zwei
einst … WB 19/I, Nr.19, 10.05.1923, S. 548
Legende von der
Vorstadtdirne. WB 19/II, Nr.38, 20.09.1923, S. 292
Tomtelilla. WB
19/II, Nr.48, 29.11.1923, S. 547 [Es dürfte sich um eine Bepre-
chung des
Romans von Clara Nordström mit dem
Titel „Tomtelilla“ handeln.}
Deutscher
Okkultismus. WB 21/I, Nr.15, 14.04.1925, S. 559
Balzac, der
Unerschöpfliche. WB 21/I, Nr.26, 30.06.1925, S. 978
Einzelhaft. WB
22/I, Nr.14, 06.04.1926, S. 546
Paneuropäischer
Kongreß. WB 22/II, Nr.42, 19.10.1926, S. 630
Stiller Wunsch.
WB 23/II, Nr.30, 26.07.1927, S. 139
Die Toten halten still. WB 28/II, Nr.44,
01.11.1932, S. 652
* Zum Begriff 'Antisemitismus' -
vgl.: Suttner, Bertha von: Martha's Kinder. In: Deutsche
Literatur von Frauen, Berlin: [1902]:
Der Antisemi- semitismus (mir ist das bloße Wort schon verhaßt, man sollte ihm
gar nicht die Ehre erweisen, es auszusprechen) das ist ja eine schon abster-bende Verrrung, die aus Deutschland hereinkam, eine Erfindung des Pastor Stöcker, die aber aber keine Wurzel fassen wird ... dazu ist der Wiener zu gemüt-lich und zu - fidel, dem passen solche düstere Verfolgungslehren nicht auch zu passiv, zu bequem.
(Aus: Suttner, Bertha von: Martha's Kinder. (Die Waffen nieder. Teil II). In: Deutsche Literatur von
Frauen, Berlin: [1902]: Die Waffen nieder. Teil II). 1902. (Digitalisat, Neuauflage 2015.
Vgl. bei Wiki: "In diesem Sinn betrachtete [Adolf] Stoecker
sich als „Begründer“ und „Vater der antisemitischen
Bewegung“.[*] Er erhob „als erster den Antisemitismus zum
zentralen Credo einer modernen politischen Partei“.[*] Der
Antisemitismus war und blieb sein „fundamental-zentrales“
Leitthema. Er war „ein integraler Bestandteil seines gesamten
Denkens und seines öffentlichen Redens … Der Antisemitismus
strukturierte und vitalisierte alles, was er sagte, schrieb und
tat.“[*]" Vgl.
auch die entsprechenden Anmerkungen (gekennzeichnet mit [*]):
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Stoecker
– Abruf 11.11.2025
Für
mich ist es wahrscheinlich, das SvV die Erlebnisse und die Inhalte
des modernen Antisemitsmus in Berlin kennen lernte; Genaueres ist mir
bisher nicvorbehalten.
* * *
Als Nnachtrag:
Georg Büchner
von Siegfried von Vegesack
Komet, des Flammenspeer
Wild in den Himmel stieß,
Ein Feuermeer
Von Meteoren, Sternen, Sonnen uns
verhieß,
Und jäh erlosch in Nacht.
Und doch: die Funken, die sein Hirn
entfacht,
Als es gen Himmel schlug,
Sie sind genug,
Um, - mögen auch Jahrhunderte
vermodern,
In fernste Nacht als Götterstrahl zu
lodern.
(Dazu ergänzend, im Heft 9 (vom 26.
Feburar 1920, im XVI. Jahrgang): Der Herausgeber Siegfried Jabobsohn,
(S. 273) leitet seinen Artikel ergänzenden "Danton" so ein:
„Den Büchner lassen wir aus dem Spiel. 'Komet, des Flamenspeer …'
nein, das ist Rolland nie gewesen. (…)„ Er, als Herausgeber,
meint in seinem Verweis: Romain
Rolland.
Postscritptum:
Erschien auf diese Weise schon im »Vormärz« ein gelegentlicher
klammheimlicher deutscher Konsens von Absolutismus, Liberalismus und
Pseudo-Sozialrevolte in der perversen Form antisemitischer Pogrome als
»Blitzableiter«-Funktion, so verweisen diese Ereignisse auf die doppelte
Schwäche der Märzrevolution von 1848 (...) {Kurz, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus, Frankfurt a. M.: Eichborn 1999, S. 167}
Weissenstein (mtlm: rechts außen der 'Kasten':