Montag, 22. Februar 2021

Gegen-Gesänge: Wie wir uns be-weisen können gegen absolute Religiosa:

Wie wir uns beweisen können (wenn wir wollten): Gegen Denkverbote: 

Das Denkverbot, das die Religion im Dienste ihrer Selbsterhaltung ausgehen läßt, ist auch keineswegs ungefährlich, weder für den Einzelnen noch für die menschliche Gemeinschaft. Die analytische Erfahrung hat uns gelehrt, daß ein solches Verbot, wenn auch ursprünglich auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt, die Neigung hat sich auszubreiten und dann eine Ursache schwerer Hemmungen in der Lebenshaltung der Person wird. Diese Wirkung kann man auch am weiblichen Geschlecht beobachten als Folge des Verbots, sich auch nur im Denken mit seiner Sexualität zu beschäftigen. Die Schädlichkeit der religiösen Denkhemmung vermag die Biographik in der Lebensgeschichte fast aller hervorragenden Individuen vergangener Zeiten nachzuweisen. Anderseits gehört der Intellekt – oder nennen wir ihn bei seinem uns vertrauten Namen: die Vernunft – zu den Mächten, von denen man am ehesten einen einigenden Einfluß auf die Menschen erwarten darf, die Menschen, die so schwer zusammenzuhalten und darum kaum zu regieren sind. Man stelle sich vor, wie unmöglich die menschliche Gesellschaft würde, wenn jedermann auch nur sein eigenes Einmaleins und seine besondere Längen- und Gewichtseinheit hätte. Es ist unsere beste Zukunftshoffnung, daß der Intellekt – der wissenschaftliche Geist, die Vernunft – mit der Zeit die Diktatur im menschlichen Seelenleben erringen wird. Das Wesen der Vernunft bürgt dafür, daß sie dann nicht unterlassen wird, den menschlichen Gefühlsregungen und was von ihnen bestimmt wird die ihnen gebührende Stellung einzuräumen. Aber der gemeinsame Zwang einer solchen Herrschaft der Vernunft wird sich als das stärkste einigende Band unter den Menschen erweisen und weitere Einigungen anbahnen. Was sich, wie das Denkverbot der Religion, einer solchen Entwicklung widersetzt, ist eine Gefahr für die Zukunft der Menschheit .- (Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1933) - 35. Vorlesun. Über eine Weltanschauung)

(Sigmunnd Freud: Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. 35. Vorlesung. Über eine Weltanschauung. - Auch in Freuds Brief an Wilhelm Fliess (1887-1904). 1986, v. 9.6.1901)

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