Montag, 26. Mai 2014

Frau Kalékos Ameisigkeit

„Unameisig“ – von Ameisen und einer Dichterin

Von einem ulkigen Wort berichtet mir mein Freund – und ich finde mich angesprochen:
„unameisig“. Nu, denk ich: das ist ja ein Neuwort. Und selbst „ameisig“ ist Neusprech, aber poetisch und gelungen!
Wie und wo und woher stammt „unameisig“. Nu, bitte!

Er liest mir vor. Und gibt mir diesen Text:

Mascha Kaléko
Die Ameisen
(oder. Lob der Natur)

Die Ameisen sind fleißig.
Faulsein ist unameisig!
Das liest man schon bei Salomo
- Und kuschelt sich in das Plumeau.

(Etymologisches Nachwort)

Ameisig kommt von emsig.
Werd ich dass mal, dann brems ich.
Dem einen gibt’s der Herr ganz leis,
Dem andern nützet auch kein Schweiß.
Wunschlos beglückt die Faulheit preis ich
Und Gott, - der mich schuf „ameisig“…

*
(Aus: M.K.: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. I. Werke. München 2012. S. 272)

Also: vom angesprochenen „Salomo“:

Ja, ich wundere mir (oder mich?): ein hochpoetisches, gelungenes Plädoyer für ameisische Denk- und Sprachweise, hier: der Poetin Kaléko:

Ja, die Dichtern Mascha Kaléko hat mich schon oft be-, ver- und entzaubert, poetisiert und zum Nachdenken über Konvention und Innovation ver-, pardon: bezaubert.
Vom Stichwort zum (fast unbekannten) Sprichwort lässt sich leicht, zu Internetzeiten, verifizieren: Das Gedicht handelt von einer besonderen „ Ameise“, einer zitierten Ameise In Salomos Sprüchen (6, 6-8) finde sich:
„Geh zur Ameise, du Faulpelz,
sieh, was sie tut, und lerne von ihr!
Sie hat keinen König und keinen Chef,
und doch holt sie ihr Futter im Sommer,
und sammelt sich Vorräte für den Winter.“

Nachgelesen, in der Sprache Luthers:
6, 6-8: „Gehe hin zur Ameise, du Fauler; siehe ihre Weise an und lerne! Ob sie wohl keinen Fürsten noch Hauptmann noch Herrn hat, bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihre Speise in der Ernte.“

Weiter in der Bedeutung des Kaléko-Gedichts:
Vom „… Herrn…“ – hier spielt Frau Kaléko an auf den Psalm 127 an; “… denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf“.

Und die letzte Allusion in diesem raffinierten Gedicht:
„Dem andern nützet auch kein Schweiß“ – zitiert aus 1. Buch Mose (3,19): „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“

Über und von Salomo, Mose und die Psalmisten – inclusive Luther – zu lesen, nachzudenken und zu danken – ein herrlich, poetischer und religiöser Text der großen Dichterin Kaléko, die 1907 in im galizischen Chrzanów, Österreich-Ungarn geborene Golda Malka Aufen (so ihr Mädchenname)!

*

Weitere Lesetipps:


Zur Poetin, iobgrafisch und historisch:


Zur Etymologie der „Ameise“ (hier nach Pfeifers Etymologie im hervorragen dwds.de):
http://www.dwds.de/?qu=Ameise

UnNötige Ergänzungen, synonymisch:

Ameisig ... ameisenhaft ... ameisisch?

Der Ameisenfließ, äh, mhm: der Ameisenfleiß, er sei ameisenfleißig

Unameisig
Und
Unameisisch. Da bedarf es einer großen Künstlerin, ein solches Wort zu erfinden…
Und, wie treiben es die üblichen Synonyme?

Duden.de schlägt vor:
„Fleiß; Arbeitseifer, Arbeitsfreude, Beflissenheit, Bienenfleiß, Eifer, Eifrigkeit, Emsigkeit, Strebsamkeit; (süddeutsch, schweizerisch umgangssprachlich) Schaffigkeit; (veraltend) Arbeitsamkeit; (veraltet) Applikation, Diligenz“

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