Freitag, 28. Februar 2020

ErInnerungen an Stefan Z w e i g

Briefe nach dem Tode von Stefan Zweig (nach 22..2.1942)

                                        Erinnerung in Salzburg:Aufgang zum Kapuzinerberg


Thomas Mann
Sein Weltruhm war wohlverdient und es ist tragisch, daß die seelische Widerstandskraft dieses hochbegabten Menschen unter dem schweren Druck dieser Zeit zusammengebrochen ist. Was ich am meisten an ihm bewunderte, war die Gabe, historische Epochen und Gestalten psychologisch und künstlerisch lebendig zu machen.“
Nachruf im „Aufbau“, New York, 27. Februar 1942

Klaus Mann
Die Nachricht von Stefan Zweigs Selbstmord in Brasilien kam so völlig unerwartet, dass ich sie zunächst kaum glauben konnte. Bei Toller war man auf dergleichen vorbereitet; aber doch nicht bei ihm, der so lebensfroh, ja genießerisch, so verwöhnt vom Glück, so ausgeglichen, so vernünftig schien! Er hatte Ruhm, Geld, sehr viele Freunde, eine junge Frau – und warf alles fort ...Warum? In seinem Abschiedsbrief ist vom Krieg die Rede. Der Krieg, Triumph der Barbarei, Durchbruch zerstörerische Urinstinkte! Dem Humanisten graut. Ist dies noch seine Welt? Er erkennt sie nicht mehr. „Ich passe nicht in diese Zeit. Diese Zeit missfällt mir...“ und greift zum Gift. Ruhm, Geld und Freunde lässt er hier zurück; die junge Frau aber wird mitgenommen.
Ist es so einfach? Ach was wissen wir...“
In „Der Wendepunkt“ 1942
 
Franz Werfel
Rede zur Trauerfeier Stefan Zweigs
in Los Angeles 1942
Ja, Stefan Zweig war ein Mann ohne Zorn. Darum war er auch einer der ganz wenigen echten Pazifisten, die es gibt. Für ihn bedeutete der Krieg die irdische Hölle, an die man nur mit Heulen und Zähneklappern denkt. [...]
Es ist nicht zu leugnen, Stefan Zweig floh vor dem Krieg. Er floh vor dem Kriege in das ferne Brasilien, um dort eines seiner Opfer zu werden. – In einem seiner letzten Briefe habe ich folgende Zeilen gefunden: „ Die Leute reden so leicht von Bombardements, wenn ich aber lese, daß die Häuser zusammenstürzen, stürze ich selbst mit den Häusern zusammen –“ Sein Tod beweist, daß diese Worte wahrhaftig nicht übertrieben sind. [...]
Nein, er ahnte, er wusste, es werde und müsse schlimmer werden von Tag zu Tag. Sein vom humanistischen Optimismus verwöhntes Herz erkannte urplötzlich die ganze eisige, unlösbare Tragik des Menschen auf der Erde, die eine metaphysische Tragik ist und daher jedes ausgeklügelten Heilmittels spottet. Es war in ihm zuletzt nur mehr schwarze Hoffnungslosigkeit, das Gefühl der Schwäche und ein bißchen ohnmächtige Liebe. Da nahm er die Welt ernst und sich selbst ernst und die Erkenntnisstufe, auf der er sich befand.“
 
Hermann Kesten: Stefan Zweig, der Freund
Das war nun ein glücklicher Mensch. Nach sechzig Jahren bringt er sich um.
In einem Abschiedsbrief hat er sich auf ein Leben berufen, das nur geistiger Arbeit gewidmet war. Mit dem Wort „Freiheit“ auf den Lippen verließ er eine Welt, die erst anfängt, barbarisch zu werden. In einem seiner letzten Briefe an mich aus Brasilien, vom 15. Januar 1942, schrieb er von dem „schönen Mut“, der „sich in geduld verwandeln müsse bis auf jenes mysteriöse ,Nachher´, das zu erleben ich eigentlich neugierig wäre.“ (Mit dem „Nachher“ meinte er den Nachkrieg.)
Er schrieb mir anläßlich seines „Montaigne“, an dem er zuletzt arbeitete: „Mich interessiert vor allem von seinen Problemen nur das eine, das sich uns allen heute mit gleicher Eindringlichkeit und Gefährlichkeit wie damals stellt: Wie bleibe ich frei, wie erhalte ich die Klarheit des Hirns in einer herzlosen und fanatisierten Zeit?“
In vielen Ländern und Literaturen zu Hause, nannte sich Stefan Zweig am Ende seines Lebens einen „Mann ohne Land“. Ein deutscher Schriftsteller aus der besten Schule, ein Europäer aus europäischem Heimatgefühl und Überzeugung, fand er es schwer, ein Weltbürger zu sein, nachdem er schon in England für eine Weile ein genierter „feindlicher Ausländer“ war. Als ihn England mitten im Krieg naturalisierte und ihm einen Reisepaß gab, fuhr er nach Amerika. Der wie keiner in der Welt sich zu Hause fühlte, starb als ein Ausländer des Lebens, ein Ausländer auf unserer täglich kleinern und engern Erde.
Er hatte ein sanftes Herz. Er war ein Freund des Friedens und der Dichter. Er hatte Millionen Leser und Hunderte Freunde. Er hat ein umfangreiches Werk hinterlassen und fand immer Zeit, der Entdecker, Ratgeber, Helfer, Mäzen der jungen Dichter vieler europäischer Länder zu sein.
Er war ein ängstlicher Mensch mit großem Mut, ein urbaner Millionär mit Bürgerstolz, er war ehrgeizig und liebte das Noble, und strebte danach, nobel zu sein, und tat vieles Noble in der Stille, und bewahrte eine altrepublikanische Abwehr aller offiziellen und Staatsehrungen. Statt mit einer republikanischen Haltung in aller Öffentlichkeit zu prahlen, bewies er insgeheim seine stete Hilfsbereitschaft. Der später in Brasilien ein Staatsbegräbnis erhalten, auf die Anweisung eines Diktators, hat von Mussolini, der ihm in vorhitlerischen Tagen Ehrungen oder Orden anbieten ließ, statt dessen die Freiheit zweier antifaschistischer Italiener erbeten und erhalten. Und als er im Oktober 1940 in Argentinien gefeiert und vom Außenminister Roca empfangen wurde, erbat sich Zweig, statt der Ehrungen, die man ihm anbot, nur drei argentinische Visen für drei deutsche Emigranten, und erhielt sie.
Er war der Sohn des Glücks. Er starb wie ein Philosoph. In seinem Abschiedsbrief von der Welt hat er noch einmal aufgeschrieben, was ihm erstrebenswert schien am Leben. Er wollte ein Mann von „Haltung“ sein. Er wollte sich „ein Leben aufbaun“. Seine „lauterste Freude“ war „die geistige Arbeit“. Das „höchste Gut“ nannte er „die persönliche Freiheit“. Er charakterisierte sich: „Ich, allzu Ungeduldiger...“ [...]
Hermann Kesten: „Meine Freunde, die Poeten“. Frankfurt/M., Berlin, Wien 1980, S. 93f.

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