(Cartoon: )
Die Vorstellung
- Eine Schul-Story -
Erregt wandte er sich ab und eilte in sein Rektorenzimmer zurück.
Hatte Susanne sich falsch verhalten? Peter, aufmunternd und leise zu ihr: "Nein, das ist was anderes. Warten wir mal ab."
Und die Sekretärin eilte ihrem Chef schon nach in das Dienstzimmer und schloss die Tür schnell.
Nach wenigen Minuten schaute sie wieder den Besuchern entgegen: "Frau H. Ich muss den Herrn Rektor entschuldigen. Er ist unpässlich, er hat einen Asthmaanfall. Wenn Sie mit Ihrem Mann - äh, Ihr Freund, ja? - wenn Sie ein Stündchen spazieren gehen wollen?“ Pause. Sie blickt hilfesuchend zu den Gästen. „Dann kann das Gespräch sicher stattfinden. Herr B. ist sehr an dem Thema Computer in der Schule interessiert. Er freut sich auch darüber, wie Sie sich mit ihrem Fach Religion dargestellt haben. Das wird er Ihnen noch selber sagen, dass er Wert darauf legt, dass wir hier einen kleine, aber feine katholische Bekenntnisschule bleiben. Wir müssen unser Fähnchen hochhalten. Aber eben auch aufgeschlossen für die modernen Informations- und Kommunikationswelt! Immer was gerade nötig ist! Ja, nun, dann: Wenn Sie den Wanderweg nehmen, hinter der Schule, dann kommen sie am Museum vorbei und sind in einem Stündchen wieder hier. Dann ist dem Rektor schon wieder geholfen. Und Ihnen auch bald. Ach, darf ich Ihnen noch einen Regenschirm mitgeben?"
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Peter bricht sein nachdenkliches Schweigen: "Jetzt weiss ich's: Der Mann hyperventilierte ja! Das kenne ich von einem Nachbarjungen, mit dem die Mutter nicht mehr klar kam. Den musste man erst einsperren in die Jugendklinik. Da wurde es ihm von einem Fachmann abkonditioniert. Schwierig, sehr schwierig! Das hat was mit frühkindlichen Bedürfnissen zu tun, die nicht erfüllt wurden."
Susanne guckt überrascht: "Wieso? Ist das eine Krankheit, äh, eine Behinderung?"
Peter: "Mit der, äh: der Meister der Pädagogik fertig werden muss, in einem schmerzhaften Prozess, ohne dass er andere zu seinen Krücken macht."
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Die Besucher verziehen sich. Die Lehramtsanwärterin Susanne und ihr Freund Peter gehen spazieren.
Zwei Tage zuvor hatte sie am Telefon vom Rektor die wichtigsten Tips erhalten für ihr Bewerbungsgespräch heute und hier in der Walachei, äh, im traut-katholischen Rheinland: 'Ich möchte die Versorgung meiner Bekenntnisschule mit neuesten Computern endlich sicherstellen. Also zu Ihrer Aufgabe werden gehören: Einsatz für die Maschinchen rundherum, Planung der Grundversorgung, Kostenpläne, Versorgung der Kollegen mit Einweisung und Einübung usw. Dann Einflussnahme auf die Eltern, bei den Bossen und Chefs: Mittel locker schütteln, dass wir da was vorlegen können gegenüber den anderen Schulen hier. Ich glaube, das werden Sie zum Fluppen bringen.'
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Scharf, schulscharf war diese Stelle ausgeschrieben worden. Da konnte sich Susanne Hoffnung machen.
Peter, schlurfend auf dem Waldboden: "Du, Sanne: Der mit der Hyperkiste - das ist eine massive psychosomatische Macke. Mit der er sich helfen lassen muss. Warum sollten auch andere das ertragen, wenn der sich behandeln lassen muss? Das ist Alkoholismus ohne Fahne! Das ist ein Symptom einer Verhaltensstörung. Das Luftschnacken bringt ihm immer wieder den Genuss intensivster Zuführung von Endorphinen. Da spielt die Chemie Feuerwerk im Kleinhirn! Oft, wenn ich mich kalt abdusche und ins tiefe Atmen komme -"
Susanne (sie greift ihm in den Arm und drückt ihn an sich): "Wenn du da hechelst. So scharf - wie beim Oho?"
Peter: "Ja, so ähnlich! Da ist wie schon mal bei den Typen. Da ist er in einer Viertelstunde erfrischt, wofür unsereins eine ganze Woche hart arbeiten muss."
Susanne: "Oder doch auch beim Sex. Funktioniert das bei dir wohl noch?"
Peter: "Ja, mit dir!" Sie küssen sich unterm Regenschirmchen. "Und die Probleme, die den Anfall aufgelöst haben, bleiben natürlich unerledigt. Die werden weggedrückt. Pech für die anderen!"
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Peter war als Sannes Begleiter nur mitgefahren, weil er Zeit hatte, seinen freien Tag als Journalist nahm er sich meistens dienstags. Und da war er mit seiner Freundin hergefahren, ins urmelige Städtchen am Wald, wo früher die Neandertaler herzogen und sich dem Ende ihrer Gattung entgegenmühten: körperlich aufrecht, kämpferisch tapfer, aber den Zivilisationskrankheiten Gicht und Rheuma erlegen. Oder haben Sie es nicht geschafft, ihre Familien frei von den Männer- und Mannbarkeitskämpfen zu halten? Vater gegen Sohn um das Sexplätzchen bei der Mama des Rudels, pardon der Horde?! Weil sie die später im biologischen Leben des homo sapiens sapiens installierte Inzest-Tabu noch nicht für sich und ihren Rassenerhalt einsetzen konnten? (Lieblingsthema Peters aus seinen Wissenschaftsreportagen. Einschliesslich den Lieblingspraktiken der sexualisierten Bonobos, mit ihrer gekonnten Aggression, natürlich. Erfolglinge der Evolution...)
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Das Vorstellungsgespräch fand nicht mehr statt. Der Rektor hatte sich zu seinem Arzt begeben. Die Sekretärin: "Tut mir leid." Er lasse sich entschuldigen. Er danke Frau H. für ihr Konzept: Er habe es ja schon angelesen, wie sie vom Telefon her wisse, und sei beeindruckt.
Sie meinte Susannes Papier: Strategien zur Akzeptanz der Computer im Klassenzimmer, als Anlage zu ihrer Ersten Staatsexamensarbeit Multimedia in der Grundschule (mit ‘gut plus’ bewertet), samt beigefügtem Aufsatz "Revolution im Klassenzimmer", den Susanne in "Computer & Co". Heft 10/99 veröffentlicht hatte.
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Wieder im Auto. Er will kuscheln. Irgendwie. Irgendwas. Sie bleibt starr. Susanne schaut Peter an: "Und eine Schulverwaltung greift da nicht ein?" „Fusskalt ist es hier!“ Er, wieder kerzengerade: "Wie denn? Ist eben eine Krankheit, wie fünfzehn andere... Die wissen das nicht mal, was da in dem Rektorstübchen los ist. Und er selber wird sich hüten, sich zu eröffnen. Da kommt der RP.. Und dann der Amtsarzt, mit der Pensionierung. Und dann ist das Häuschen unterfinanziert. Und solche Machtmenschen brauchen Untergebene. Die funktionieren. Und ihm vorarbeiten. Und wenn er sonst den Macher, im Ortsverein den politisch geschäftigen Kämpfer, auf dem Schulgelände den Superzehnkämpfer mimt - und immer den geschickten Angeber und Mitreisser - und seine Frau und seine Sekretärin als Helferinnen mitziehen. Als Co-Abhängige!“ „Und wissen nix davon!“ “Mich schuddert.“ Er kuckt gar nicht erst hin. „Brrr! So etwa?“„Dann ist das nur noch ein organisatorisches Spielchen, vom Rektorenzimmer aus zu erledigen." „Komm lass uns fahren!“
Später, Susanne: "Und ich - was erwartet mich da, wenn ich denn noch die Stelle kriege?" „Weiterhin die eifersüchtige Liebe deines Gatten!“ „Und sonst? - Sonst nix?“
"Lass mal deine Phantasie rotieren. An der Macke wird er festhalten wie ein Neandertaler an seiner Brandkeule. Was war denn noch unter den letzten Ausschreibungen?"
"Das wird immer kurioser. Sport (inclusive DLRG-Rettungsschein), dazu jede Menge Reli, sogar muslimisch, und Übernahme der Chorleitung oder der Kleintierhaltung. Oder Anlage und Pflege eines Schulgartens oder eine Schulbauernhofes. Und demnächst Qualifikation als Weiss-Clown, oder heisst es schon Clownin? Mindestens mit Roncalli-Testat oder zehn Jahren Arena-Erfahrung. Abwarten. Eine Ausschreibung verlangte Ausbildung in Coaching und Supervision."
"Also als Dompteur, pardon Dompteuse, um die Anordnungen der hochgedienten Schulräte und der Partei- Rektoren durchzusetzen?"
"Vergiss nicht die -innen! Ihr seid in der Überzahl.“ „Achja! Und häufig herrisch, statt fraulich. Solche muss man loben und verehren. Da befördern sie dich auch! Und wenn sie krank sind, besuchen wir sie und bringen ihr ein Pilcher-Video. Von der guten und edlen Rosemarie.“ „Mit dem grasgrünen Cornwall...“ „Und den schönen Kliffs.“ „Und den sehnsüchtig liebenden Hofhunden.“ „Und du?“ „Jetzt nix mehr über Schule." „Zett Beh über Mobbing!“
„Das können wir beide besser!“ „Aber erst zu Hause!“ „Und im Schlafzimmer hast du wieder die Heizung abgestellt! Oder?“
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