. .. ein alter Saal, mit schier unermesslichen Friedens- Problemen:
L e s e - V o r r a t ... mein neu zu lesendes L e s e - T a g e b u c h
>>> Erich Maria R e m a r q u e: 'Der Weg zurück'
Darin: ein neuer Glaube? [Nicht von den Kirchen ..!] In Erich Maria Remarques Roman 'Der Weg zurück,' kurz nach dem Ersten Weltkrieg geschrieben, gibt es eine Passage, die diese Überzeugung auf unvergessliche Art verdeutlicht: Ernst, ein erprobter Veteran aus den Schützengräben sagt hier:
Es wird Morgen. Ich gehe in meine Klasse. Die Kleinen sitzen mit gefalteten Händen da. In ihren großen Augen ist noch das ganze scheue Erstaunen der Kinderjahre. Sie sehen mich so vertrauensvoll und gläubig an, daß ich es plötzlich wie einen Schlag aufs Herz spüre.
Hier stehe ich vor euch, einer der hunderttausend Bankrotteure, denen der Krieg jeden Glauben und fast alle Kraft zerschlug.- Hier stehe ich vor euch und empfinde, wieviel lebendiger und daseinsverbundener ihr seid als ich - hier stehe ich vor euch und soll euch nun Lehrer und Führer sein. Was soll ich euch denn lehren? Soll ich euch sagen, daß ihr in zwanzig Jahren ausgetrocknet und verkrüppelt seid, verkümmert in euren freiesten Trieben und unbarmherzig zu Dutzendware gepreßt? Soll ich euch erzählen, daß alle Bildung, alle Kultur und alle Wissenschaft nichts ist als grauenhafter Hohn, solange sich die Menschen noch mit Gas, Eisen, Pulver und Feuer im Namen Gottes und der Menschheit bekriegen? Was soll ich euch denn lehren, ihr kleinen Geschöpfe - ihr, die ihr allein rein geblieben seid in diesen furchtbaren Jahren?…
Da stehe ich vor euch, ein Befleckter, ein Schuldiger, und müßte euch bitten: bleibt wie ihr seid und laßt das warme Licht der Kindheit nicht zur Stichflamme des Hasses mißbrauchen! Um eure Stirnen ist noch der Hauch der Unschuld - wie kann ich euch da lehren wollen! Hinter mir jagen noch die blutigen Schatten der Vergangenheit - wie kann ich mich da zwischen euch wagen? Muß ich nicht selbst erst wieder ein Mensch werden? Ich fühle, wie ein Krampf sich in mir ausbreitet, als würde ich zu Stein und müßte bröckelnd zerfallen. Langsam lasse ich mich in den Stuhl sinken und begreife, daß ich nicht mehr hier bleiben kann. Ich versuche, etwas zu erfassen, aber ich kann es nicht. Erst nach einiger Zeit, die mir endlos erscheint, löst sich die Starre. Ich stehe auf. "Kinder", sage ich mit Mühe, "ihr könnt gehen. Heute ist schulfrei."
Die Kleinen sehen mich an, ob ich auch keinen Scherz mache. Ich nicke noch einmal. "Ja, es ist wahr - geht spielen heute - den ganzen Tag - geht spielen in den Wald - oder mit euern Hunden und Katzen - ihr braucht erst morgen wiederzukommen.-" - (Aus: Erich Maria Remarque: Der Weg zurück. (1931). 2. Aufl., Köln 1999, S. 230 ff.)
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