Nochmals L a v a n t, Christine
- von negativer Theologie geprägt, wortreich, segensreich; dem Psychischen angeppasst
Ich lerne das A und O
Von Christine Lavant
Das Leben der österreichischen Dichterin Christine Lavant (1915-1973) stand unter der Vormundschaft des Schmerzes. Seit ihrer frühen Kindheit litt sie unter Lungentuberkulose und Skrofulose, Schmerzdelirien und Depressionen zermürbten die tiefgläubige Poetin so sehr, dass sie ihr Hiob-Gefühl in flucherfüllte "Lästergebete" und rauschhafte Natur- und Mond-Gedichte umsetzte.
Ihrer negativen Theologie verdanken wir ergreifende Gedichte.
Ich lerne das A und O
Von Christine Lavant
Das Leben der österreichischen Dichterin Christine Lavant (1915-1973) stand unter der Vormundschaft des Schmerzes. Seit ihrer frühen Kindheit litt sie unter Lungentuberkulose und Skrofulose, Schmerzdelirien und Depressionen zermürbten die tiefgläubige Poetin so sehr, dass sie ihr Hiob-Gefühl in flucherfüllte "Lästergebete" und rauschhafte Natur- und Mond-Gedichte umsetzte.
Ihrer negativen Theologie verdanken wir ergreifende Gedichte.
(Ch. L.: Spindel im Mond. Otto
Müller Verlag, Salzburg 1959; (c) Otto Müller Verlag)
Das
poetische Durchbuchstabieren der Welt kommt ohne die Anrufung der
zwei stärksten Mächte nicht aus: Der abwesende "Gott" ist
im Laut "O" noch gegenwärtig, die Wahrnehmung der Natur
ist ansonsten vom Schmerz geprägt, der das absolute Maß ist beim
Beobachten der Welt. Das in den 1950er Jahren entstandene Gedicht ist
grundiert von biblischer Motivik: Der Kelch, der "vorbei geht",
ist ebenso dem innersten Kern der Erzählung von Jesus Christus
entnommen wie die sich zum Gebet faltenden Handflächen.
ICH LERNE das A und das O.
Und am Mondkelch verbiegt sich der Rand,
meine Fußsohlen atmen im Sand,
im Kornfeld verneigt sich das Stroh.
Was ich schaue, verschiebt mir die Welt
um dreimal drei Schmerzen zurück,
deinem Namen entfällt jetzt ein Stück,
das dem O seinen Umgang verstellt.
Dies richtet den Mond wieder ein,
vorbei geht der Kelch und der Trank
und das Korn steht im Wickengerank
viel steiler und glänzt wie Gebein.
Meine Sohlen ersticken im Sand
und die Handflächen falten sich zu,
an der Wurzel von meinem Verstand
nagt ein fremdes gefräßiges Du.
(Ch. L.: Spindel im Mond. Otto Müller Verlag, Salzburg 1959; (c) Otto Müller Verlag)
Das
poetische Durchbuchstabieren der Welt kommt ohne die Anrufung der
zwei stärksten Mächte nicht aus: Der abwesende "Gott" ist
im Laut "O" noch gegenwärtig, die Wahrnehmung der Natur
ist ansonsten vom Schmerz geprägt, der das absolute Maß ist beim
Beobachten der Welt. Das in den 1950er Jahren entstandene Gedicht ist
grundiert von biblischer Motivik: Der Kelch, der "vorbei geht",
ist ebenso dem innersten Kern der Erzählung von Jesus Christus
entnommen wie die sich zum Gebet faltenden Handflächen.
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