Äh: Unsere Schule
Die B e s c h w e r d e
Direktor E.A. Becker öffnet einen Brief, den er eigenhändig aus der Post am Montagmorgen herausgefischt hat, geht in sein Zimmer, schließt die Tür und liest:
Sehr geehrter Herr Direktor!
Ihre Referendarin für Deutsch und Religion, Frau Holtermann, gibt wiederholt Anlaß zu elterlicher Besorgnis, jetzt zu dringlicher Beschwerde:
1. Sie hat in Religion einen Text eines selbsternannten Propheten behandelt. Ich lege Ihnen den geistigen Fang bei:
"Ich bin ein Werkzeug. Es ist mein Beruf, die Menschen zur Buße zu leiten! - Ich bin ein Arbeiter im Weinberge Gottes! - Ich bin ein Diener am Worte! - Ich bin ein Prediger in der Wüste! - Ein Bekenner des Evangeliums Jesu Christi, unseres Heilands und Herrn, der gen Himmel ist aufgefahren und welcher dereinst wird wiederkehren, wie uns verheißen ist." (Aus: Gerhart Hauptmanns Roman "Der Narr in Christo Emanuel Quint") - Was hat das zu tun – mit unserem Christentum?
2. Im Deutschunterricht hat sie wiederholt einen Text von Wölf Biermann behandeln, sozusagen interpretieren lassen, um dem Kommunismus zu huldigen.
Die Mannen der CSU leisteten sich (vor Vilshofen) mal einen intelligenten und unterhaltsamen Herrenabend! Und schwups: Biermann möchte Parasiten in den Behörden und unfähige Lehrer als Beamte los werden - Menschen sind das wohl nicht (mehr), sie füttern auch wohl keine neun Blagen durchs kapital bestens abgesicherte Leben.
Aber ich könnte mir als Leser fortan jede Buchausgabe vom Wölfchen sparen; soll er doch in niederbayerischen Dörfern rumsingen, wenn's ihm in der Familienkasse mau wird und sich vom Deggendorfer Frauen- und Mütterverein einladen lassen. Sind ja noch genug Doofe, die die hohen Eintrittsgelder bezahlen, wenn der Pastor einen Wink von der Kanzel gibt. Nein, ein Gewährsmann für soziale Verwerfungen war Wölfchen nie - nur eine witz- und listenreiche Garantie für die Paraderolle des Hofnarren. (Mit unfähigen Lehrern an Schulen hat er übrigens recht: 80 % könnte man entsorgen, am Kreativitätskoeffizienten gemessen, wenn bessere zur Verfügung stünden und sie nicht Menschen wie du und ich wären.) (Leserbiref aus dem SPIEGEL)
3. Und noch ein Weiteres:
Bei einem Projekt "Religion und Religionskritik" ließ Frau Holtermann auch Witze vorlesen, die die Kinder zur Hausaufgabe aufschreiben sollten: Auf einem Bauernhof:
Der älteste Schon des Bauern; "Vater, ich hätte gern ein Auto! Ich bin schon 24 Jahre und krieg sonst kein Mädchen mehr mit."
Sagt der Bauer: "Erst, wenn der Mähdrescher bezahlt ist."
Kommt der zweite Sohn auch mit einer Bitte: "Ich möcht gern ein Moped. Der Weg zur Schule ist so weit."
Der Vater wieder darauf: "Junge, erst wenn der Mähdrescher bezahlt ist. Frühestens nach der nächsten Ernte."
Schließlich der jüngste Sohn: "Papa, aber ich hätte gerne schon früher ein Dreirad"
Wieder die gleiche Antwort!
Wütend geht der Knirps auf den Hof und sieht da den Hahn auf der Henne sitzen. Er jagt den Hahn wütend fort. Da kommt der Dorfpfarrer auf den Hof gefahren und sieht das. Der fragt den kleinen Hansi: "Aber, Junge, was machst du da?" Der darauf: "Solange der Mähdrescher nicht bezahlt ist, kann der Hahn auch zu Fuß gehen!"
Ich verlasse mich aus kollegialen Gründen auf Ihre pädagogischen Instinkt und Ihre direktorale Kunst und verabschiede mich mit freundschaftlichen Grüßen!
Wolfgang Beykirch
Ein zweites Briefchen ist beigelegt (eine Kopie der ersten Z eilen, in Handschrift), mit dem Zusatz: "Lieber Skatbruder! Wie gewünscht, mein Beschwerdebrief! Tschüß bis am Freitag im Gasthaus „Zur weißen Brust'". Wolfi B.
P.S. 1: Natürlich: vernichten! Und Deine Sekretärin hast Du hoffentlich auch im Griff, falls die den Brief geöffnet hat...?
P.S. 2: Ich hab eine neue Melodie für unsern Jingle: "Kling, kling, Vötzlein, klingelingling!"
Der Direktor zerreißt die beilegte Kostprobe männerfreundschaftlicher Kumpanei in kleine Stückchen und vergräbt sie im Papierkorb. Äh: Holt die Schnitzel wieder hervor; steckt sie in seine linke Brusttasche; stopft sie tief rnter.
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