Freitag, 21. Februar 2020

Wen oder wenn Tucholsky einlädt:

Nachrichtlich:

eine Klassenarbeit, die geschrieben - und als mangelhaft bewertet, so dass sich die Sch*in  H e l e n L. herabsetzt fühlen musste ...


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Klassenarbeit Nr. 5 (28.03.1987 in einer Realschule, Klasse 9)




Thema:  Kurt  T u c h o ls k y



Aufgabe: Parodiere eines folgender Tucholsky-Gedichte!


Die freie Wirtschaft“


Das Weltwort“


Holder Friede“




H e l e n  L. schreibt in ihre Klassenarbeitsheft:



Mein Thema: das Gedicht „Das Weltwort“ -



Es gibt in allen Sprachen ein Wort,

das läuft von Mund zu Munde.

Es pflanzt sich durch die Lande fort,

und überall macht’s es seine Runde. Der Se -

Ja, der Sechs!



Früher war es meistens eine Untat,

doch heute ist es eine Wohltat.

Ich will nicht aufdringlich sein.

Aber bitte: Nehmt mich nicht so ernst.

Wie soll ich es nur sagen?

So daß wir uns vertragen -

Vielleicht:

Ja, beim Sechs!



Du willst ein Pärchen trennen,

da mußt ein Zauberwort du nennen

Deine Mutter weiß nicht so recht,

sie sagt: „Du brauchst nicht so viel Se-

Ja, Sechs!


Deutschland darf nicht untergehen,

darum muß jeder drauf bestehn. Auf Se-

Ja, auf Sechs!



Die Wort ist so voll gGraus,

Ich bekomm’ es nicht aus meiner/m Kehle Kopf heraus.

Der Papst, ich glaub, er macht es gerne,

wünscht sich in manch stiller Stunde..

Er könnte noch ‘ne Runde.

Doch dann fällt im ein, oh heilger Graus,

oh Schreck, mein Kondom ist weg.

Warum ausgerechnet jetzt, beim Se-

Ja, beim Sechs!



In allen Sprache gibt es dieses Wort,

aber es geht nicht nur von Mund zu Munde;

es pflanzt sich durch alle Länder fort,

und hält sich meine Wort bis zur Stunde. Der Se-

Ja, der Sechs!



Es macht Spaß wohl überall.

Auf der Welt sagt man: klasse!

Doch gibt es etwas, das es hemmt. Beim Se -

Ja, beim Sechs!



Diese Sache, das weiß die Masse,

ist so schrecklich und so schlimm,

daß alle betrübt darüber sind.

Ich kann nur hoffen,

das die Betroffnen hoffen,

und nicht nur sie,

sondern wir alle, mit dem diesem Wort

vorsichtiger umgehen. Beim Se -

Ja, beim Worte Sechs!





Du hättest das Weltwort „Ja, sechs“ als Weltwort „Ja, Sex“ in Deinem Gedicht im Inhalt und in der sprachlichen Form nicht geschmacklos und diffamierend darstellen dürfen.
                                    Deine gedankliche Leistung ist:
                                                     mangelhaft

                                                                     30.3.97  The





Handschriftlicher Zusatz des Vaters in das Heft seiner Tochter:



Ich glaube, daß Heike das Thema formal richtig und sprachlich durchaus befriedigend angefaßt hat. Daß Sie glauben, eine Ehrenerklärung für den „Heiligen Papst“ durch Ihre miesmachende Bewertung abgeben zu müssen, ist Ihre Privatsache, aber keine sinnvolle Deutschlehrerinnen-Leistung.

Wenn Sie Kinder in das Wagnis einer Parodie jagen, was nach den Richtlinien nicht vorgesehen ist, müssen Sie ihnen auch einen geistigen Spielraum werden, daß es ein möglicherweise kritischer Gegengesang wird. Ich bin nicht der Meinung, daß Sie in dieser Klasssenstufe das Tucholsky-Gedicht ohne analytische und erörternde Leistung in einer Klassenarbeit vorlegen dürften. 
Sie kennen wohl Tuchos Aussage: In der Satire ist ..... .......!

Ich bitte um ein Gspräch in Ihrer nächsten Sprechstunde..

                                                     Theodor Langenberg 2.4.97


*
So mag sich Heike gefühlt haben - misserstanden, verachtet - gedemütigt. Was sie geschreiben hat - nullundnichtig!



Das original-wahre Tuchoksky-Gedicht kann man richtig, geschrieben und gut erklärt - hier lesen:




                               Ein später Kranz von Tulpen für die Schreiberin

P.S.: Ich habe dieses Orignal-Klassenarbeit von der Schwester der Schreiberin Helen (Name verändert) erhalten; ich habe dann - in meinem Grundkurs Deutsch 12 - das Gedicht behandelt; mit den Erläuterungen aus dem KT: GTB. Bd. 10, S. 387 u. 842: Ja, K. T. hatte alle Begründungn mit dem Schei...-Wort optima nachvollziehbar begründet. 



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