Freitag, 28. Februar 2020

Eiin Abituraufsatz zu G o e t h e .. plus B r i e f

         
  • e-mail: anton@reyntjes.de
  • Brief vom Samstag, 15. Februar 2014

Sehr geehrter Herr Dr. F...,

ich habe dem letzten „Mittwoch“ nachgesonnen; und will ein kleines Problem anpacken: „Goethe in Abituraufgaben“ (jedenfalls soweit ich darüber Auskunft geben kann).

Ich habe meine zwei Abiturarbeiten, in denen „Goethe“ die Hauptrolle spielt, ausgedruckt; sie liegen als Kopie bei.
Aus den öffentlichen Goethe-Auftritten in Abiturarbeiten habe ich Ihnen ein Hamburger Beispiel herausgezogen.

Über dieses „Goethe“-Thema ließe sich noch mehr guggeln [so schreibe ich das Neuverb für mich].
Insgesamt habe ich mich jetzt kapriziert auf das Thema „Goethe – Leben und Werk - in Prüfungsverfahren deutscher Art: Abitur, Staatsexamen…“

Zu meinem Anliegen: “Goethe als Thema im Haushalt der Familie Otto Frank (im Februar 1942; versteckt in Amsterdam, im Haus Prinsengracht 263)*]


Für den heiteren Abend, eine Parodie aus der ZEIT:

(Nach Johann Wolfgang von Goethe: »Lynkeus der Türmer«)

Zum Lauschen geboren,
Zum Spähen bestellt,
Dem Terror geschworen,
Beschatt’ ich die Welt.
Ich blick’ in die Ferne,
Doch auch in der Näh
Speich’re ich gerne
Was ich so erspäh.
Ob Deutsche, Franzosen,
Es kommt nicht drauf an,
Sie sind zwar Mimosen,
Doch mir untertan.
Wisse, Angie, ich kenne
Was je du gesimst,
Und ich wein’ keine Träne,

Wenn du’s persönlich nimmst.
* Verfasst von Brigitte König, Ingolstadt – Von der "Zeit der Leser"-Redaktion am 29. November 2013 -

Ich habe wohl fünfmal Deutsch-Fachkollegen aus RE oder Dorsten angesprochen auf Veranstaltungen der Goethe-Gesellschaft in Marl. Leider keine Resonanz je Versuch… - Ich weiß auch nicht mehr, wie und wen ich ansprechen sollte, außer bei zufälligen Kontakten mit früheren Referendaren oder Kollegen. (Für mich selbst habe ich ein arg subjektives Urteil formuliert, dass ich keinen „collega“ kenne, bei dem ich Kenntnisse und Interesse vermute, die mich weiter bringen könnten... - Und selber belehrt werden, wollen Lehrer nicht. Lehrer wehren sich gegen alles, was jenseits von Richtlinien und Skifahren verortet ist. )


Mit freundlichen Grüßen
... xyz

Anmerkung:

*] Die Darstellung der entsprechenden Texte und Zusammenhänge im Werk Anne Franks werde ich zu einer Miszelle zusammenfassen und dem „Goethe-Jahrbuch“ in Weimar anbieten.

Anlagen:
Prüfungstexte zum Thema Goethe

Zu:  Johann Wolfgang von Goethe und Robert Schneider: Als Beispiel



Abitur-Vorschlag des Jahre 2009:

Das Motiv der Kutschfahrt

Text-Vergleich zweier Passagen aus J.W. Goethe und R. Schneider
Abitur-Goethe Kutschfahrt

Abitur-Aufgabe - Deutsch LK: Gruppe…

Aufgabe:
Analyse der Erzählpassage Elias’ Kutschfahrt mit Elsbeth (aus: R. Schneiders „Schlafes Bruder“ - Text 1 -)
Beigefügt als Vergleichstext: Werthers Kutschfahrt (aus: J. W: Goethes „Werthers Leiden“ – Text 2 -

Aufgabenstellung:
1. Analysieren Sie den Romanauszug aus Schneiders „Schlafes Bruder“ (Text 1) semantisch, syntaktisch und intentional.
2. Erörtern Sie mögliche, selbst gewählte intertextuelle Bezüge zu Werthers Brief aus Goethes „Werthers Leiden“ ( - Text 2 -).

*
                                                         Goethe <Todenmaske > (1832)


Arbeitstext :.
R. Schneider: „Die Kutschfahrt“. Aus: „Schlafes Bruder“. S. 138;14 – 141;16[/b]

Robert Schneider: [Die Kutschfahrt]

Elias saß schweigend auf dem Bock, verschlossen gegen Elsbeth und die Welt.
Er sei schon ein kurioser Mensch, wenn man ihn so anschaue, dachte Elsbeth während der Fahrt. Jetzt kenne sie ihn schon viele, viele Jahre, aber im Grunde wisse sie nichts von ihm. Ob er heimlich ein Mädchen habe? Nein, viel zu anständig sei er dafür. Er sei halt wie ein richtiger Studierter, und die Dinge des täglichen Lebens kümmerten ihn herzlich wenig. Das könne man vom Lukas nun nicht behaupten. Der stehe mit beiden Beinen fest im Leben. Obwohl es ihr schon lieb wäre, wenn er sich etwas mehr mit ihr, als mit seiner Viehzucht abgeben tat’. Aber das müsse halt so sein, sage die Mutter. Und es stimme schon: der Lukas sei gut zu den Tieren. Sie habe ihn noch nie eines schlagen oder beschimpfen gesehen.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Ja die Liebe, sang sie ungehört in sich hinein, die Liebe sei ein traurig Ding. Den Mund mache sie lachen, aber das Herz sei ein dunkler Wald. Und sie warf den Kopf steil in die Höhe, blinzelte in die grell-grünen Blätter der Zweige des Mischwaldes, wie sie ruhig über ihrem Haupt vorbeiflossen, kniff die Lider zusammen, als ihr plötzlich das gleißende Sonnenlicht aufs Gesicht sprengte. Sie hielt die Lider geschlossen und malte sich aus, wie es wäre, wenn jetzt Elias um ihre Hand anhielte. Vielleicht habe er sie gar nicht lieb? Eine schlechte Partie sei sie außerdem, denn zu erben gebe es zu Hause nichts. Gewiß, er würde ihr schöne Worte sagen. Er würde ganz aufrecht vor ihr dastehen, ihr in die Augen blicken, sehen, daß sie erröte. Aus Takt würde er schweigen und sie erst in einer unberechneten Minute fragen: Fräulein Elsbeth: Wollt ihr mein Weib werden? Gewiß würden seine Hände schöne Gesten zu den Worten machen. Was sie da für dummes Zeug denke! Und Elsbeth schlug die Augenlider auf.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Er sei halt viel zu schüchtern. Das sage auch die Frau Mutter. Und ein Mannsbild müsse tapfer und mutig durch das Jammertal des Lebens schreiten. Das sage der Herr Vater. Außerdem liege ein Fluch auf der Sippe seines Bruders. Alle Kinder seien von schwächlicher Art und wankelmütigem Geist. Das möchte sich wohl vererben, meine der Herr Vater. Trotzdem, das glaube sie fest, wäre er ihr bestimmt ein treuer Mann. Wissen könne man das nie, aber glauben tue sie es. Wenn er bloß nicht diesen unheimlichen Makel an seinen Augen trüge. Und er müßte einfach entschlossener und stärker sein im Leben. Dann hätte sie ihm schon lange - wie es nun mal des Weibes Art sei - verhohlen angedeutet, daß sie ihn wolle. Gottlob sei der Lukas ganz anders. Was sie da mit ihm nach der Kirmes erlebt hatte, das habe sie derart durstig gemacht. Sie sei halt auch nur ein elendes Weib und habe auch nur die elenden Gefühle eines Weibes. Aber davon verstünde der da nichts. Nein, Elias Alder sei kein Mann. Das sehe sie - leider.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Es komme ihr so vor, als wolle er überhaupt ohne Weib leben. Aus ihm möchte bestimmt ein geistliches Oberhaupt, ein Prälat oder am Ende auch ein Bischof werden. Wenn es wirklich dahin käme, würde sie, und müßte sie zu Fuß nach Feldberg wandern, bei seiner Weihe anwesend sein. Dann würde sie vor ihn hinknien, den Ring an seiner Hand küssen und still zu sich sagen: «Das ist Elias Alder. Er war mein Freund.»
Während sie mit solchen Gedanken die Zeit vertrieb, befiel sie plötzlich eine seltsame Atemnot. Dreimal schöpfte sie Luft mit offenem Mund, dann wurde ihr Gesicht leichenblaß und vornüber sackte sie in Ohnmacht. Elias, der jäh erwachte, vermochte sie gerade noch beim Haupthaar zu packen. Dabei schlug sie mit ihrem Kopf hart an die Kante des Kutschbocks. Elias ließ die Zügel frei, riß das Mädchen herauf, damit es nicht vor die Räder falle, schlug ihre Arme um den Hals und preßte mit aller Gewalt den leblosen Körper an sich. «Sie ist doch marode», wollte er ausrufen, aber er kam nicht mehr dazu.
Zum zweiten und letzten Mal in seinem Leben lag Elsbeths Herz auf seinem Herzen, und Elsbeths Herzschlagen ging in sein Herzschlagen, so vollkommen und eins, wie er es damals als Fünfjährige im Bachbett der Emmer durchlebt hatte. Da brüllte Johannes Elias Alder wiederum so entsetzlich auf, als müßte er bei hellem Verstand sterben. Und sein Wankelmut wurde Lügen gestraft, und die Hoffnung wurde übervoll in ihm, und er schrie in das tiefe Blau des Himmels, daß er ohne Elsbeth nicht mehr leben könne.
Oh, wie hatte er nur daran zweifeln können, daß ihm Elsbeth von Gott vorbestimmt sei!
Er barg den Kopf des Mädchens in seinen unendlich sanften Händen, und als es erwachte, zerstreute er ihr wirres Fragen mit einem einschläfernden „Es ist ja gut, Elsbeth. Alles ist gut“. Dann bettete er sie in den groben Grützensack, welchen er für die Ochsen mitgeführt hatte, machte kehrt und karrte heimwärts, immer auf der Hut, ja in kein Loch, auf keinen Stein oder Wurzelstrunk zu fahren. Während er so fuhr, überlegte er, ob es nicht gut wäre, den Schwur zu brechen und dem Mädchen, sobald es genesen, vorsichtig anzudeuten - gewiß über die Dauer einer großen Zeitspanne hinweg - , daß er es liebe und es zum Weib haben wolle. Das erwog er tatsächlich, denn sein Mut war stark geworden.
*
(Aus: R. Schneider. Schlafes Bruder. Leipzig. 1994. S. 138;14 – S. 141,!6)

Worterklärungen:
Grützensack: Sack mit Körnerschrot für die Fütterung der Zugochsen
*
Zusammenhang der Handlungen in diesem Kapitel „Die Lichter der Hoffnung“:

Als Elias krank vor Liebeskummer vier Tage im Bett liegt, spricht sich sein Vater mit ihm aus und wird dadurch nach Jahren wieder froh; kurz darauf erleidet er einen Schlaganfall und bleibt gelähmt. Elias’ Fahrt mit Elsbeth auf dem Ochsenkarren nach Götzberg. Später teilt Peter ihm mit, dass Elsbeth von Lukas Alder schwanger ist.

**

Text 2
„Werthers Kutschfahrt“

Hintergrundstext, der nicht analytisch interpretiert, sondern nur unter dem Aufgabenaspekt 2 einbezogen werden soll.
Aus: J. W. von Goethe: „Die Leiden des jungen Werthers“ [1774; 1787 (2. Fassung)]

Werthers Brief vom 16. Juni 1771:

(…) Unsere jungen Leute hatten einen Ball auf dem Lande angestellt, zu dem ich mich denn auch willig finden ließ. Ich bot einem hiesigen guten, schönen, übrigens unbedeutenden Mädchen die Hand, und es wurde ausgemacht, daß ich eine Kutsche nehmen, mit meiner Tänzerin und ihrer Base nach dem Orte der Lustbarkeit hinausfahren und auf dem Wege Charlotten S. mitnehmen sollte. - "Sie werden ein schönes Frauenzimmer kennenlernen", sagte meine Gesellschafterin, da wir durch den weiten, ausgehauenen Wald nach dem Jagdhause fuhren. - "Nehmen Sie sich in acht", versetzte die Base, "daß Sie sich nicht verlieben!" - "Wieso?" sagte ich. - "Sie ist schon vergeben, "antwortete jene, "an einen sehr braven Mann, der weggereist ist, seine Sachen in Ordnung zu bringen, weil sein Vater gestorben ist, und sich um eine ansehnliche Versorgung zu bewerben". - Die Nachricht war mir ziemlich gleichgültig.
(…)
Wir hatten uns kaum zurecht gesetzt, die Frauenzimmer sich bewillkommt, wechselsweise über den Anzug, vorzüglich über die Hüte ihre Anmerkungen gemacht und die Gesellschaft, die man erwartete, gehörig durchgezogen, als Lotte den Kutscher halten und ihre Brüder herabsteigen ließ, die noch einmal ihre Hand zu küssen begehrten, das denn der älteste mit aller Zärtlichkeit, die dem Alter von fünfzehn Jahren eigen sein kann, der andere mit viel Heftigkeit und Leichtsinn tat. Sie ließ die Kleinen noch einmal grüßen, und wir fuhren weiter.
Die Base fragte, ob sie mit dem Buche fertig wäre, das sie ihr neulich geschickt hätte. -"Nein", sagte Lotte, "es gefällt mir nicht, Sie können’s wiederhaben. Das vorige war auch nicht besser". - Ich erstaunte, als ich fragte, was es für Bücher wären, und sie mir antwortete: - Ich fand so viel Charakter in allem, was sie sagte, ich sah mit jedem Wort neue Reize, neue Strahlen des Geistes aus ihren Gesichtszügen hervorbrechen, die sich nach und nach vergnügt zu entfalten schienen, weil sie an mir fühlte, daß ich sie verstand.
"Wie ich jünger war", sagte sie, "liebte ich nichts so sehr als Romane. Weiß Gott, wie wohl mir’s war, wenn ich mich Sonntags in so ein Eckchen setzen und mit ganzem Herzen an dem Glück und Unstern einer Miß Jonny teilnehmen konnte. Ich leugne auch nicht, daß die Art noch einige Reize für mich hat. Doch da ich so selten an ein Buch komme, so muß es auch recht nach meinem Geschmack sein. Und der Autor ist mir der liebste, in dem ich meine Welt wiederfinde, bei dem es zugeht wie um mich, und dessen Geschichte mir doch so interessant und herzlich wird als mein eigen häuslich1) Leben, das freilich kein Paradies, aber doch im ganzen eine Quelle unsäglicher Glückseligkeit ist".
Ich bemühte mich, meine Bewegungen über diese Worte zu verbergen. Das ging freilich nicht weit: denn da ich sie mit solcher Wahrheit im Vorbeigehen vom Landpriester von Wakefield2), vom 3)- reden hörte, kam ich ganz außer mich, sagte ihr alles, was ich mußte, und bemerkte erst nach einiger Zeit, da Lotte das Gespräch an die anderen wendete4), daß diese die Zeit über mit offenen Augen, als säßen sie nicht da, dagesessen hatten. Die Base sah mich mehr als einmal mit einem spöttischen Näschen an, daran mir aber nichts gelegen war.
Das Gespräch fiel aufs Vergnügen am Tanze. - "Wenn diese Leidenschaft ein Fehler ist", sagte Lotte, "so gestehe ich Ihnen gern, ich weiß mir nichts übers Tanzen. Und wenn ich was im Kopfe habe und mir auf meinem verstimmten Klavier einen Contretanz5) vortrommle, so ist alles wieder gut".
Wie ich mich unter dem Gespäche in den schwarzen Augen weidete - wie die lebendigen Lippen und die frischen, muntern Wangen meine ganze Seele anzogen - wie ich, in den herrlichen Sinn ihrer Rede ganz versunken, oft gar die Worte nicht hörte, mit denen sie sich ausdrückte - davon hast du eine Vorstellung, weil du mich kennst. Kurz, ich stieg aus dem Wagen wie ein Träumender, als wir vor dem Lusthause stille hielten, und war so in Träumen rings in der dämmernden Welt verloren, daß ich auf die Musik kaum achtete, die uns von dem erleuchteten Saal herunter entgegenschallte.
(…)
(Aus: J. W. von Goethe: „Die Leiden des jungen Werthers“ [1774; 1787 (2. Fassung)]

*

Worterläuterungen:

1) Flexionslose attributive Verwendung der Adjektive; in mitteldt. Umgangssprache noch heute möglich.
2) „The Vicar of Wakefield“ (1766 von O. Goldsmith veröffentlicht) ist eine idyllische Familiengeschichte.
3) Goethe konjugierte das Verb „wenden“ sowohl schwach als auch stark; ohne Bedeutungsunterschied.
4) Hier fehlen die Namen einiger „vaterländischen Autoren“, von den Werther schreibt: „Wer teil an Lottens Beifall hat, wird es gewiß an seinem Herzen fühlen, wenn er diese Stelle lesen solle, und sonst braucht es ja niemand zu wissen.“ [Anmerkung Goethes im Druck]
5) Ein aus Frankreich damals neu eingeführter Gruppentanz, bei dem sich jeweils zwei Paare einander gegenüber tanzend bewegen.

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Beschreibung der zu erwartenden Schülerleistung:
Aufgabe zu Text 1:

Die Sch. erfassen den Schneider-Text als eine zentrale Aussage der scheiternden Liebesbeziehung zwischen Elsbeth und Elias.
Während der Fahrt, neben dem abwartenden, selbstischen, gar autistischen Elias, vollzieht die liebesfähige Elsbeth eine Reflexion über ihre Beziehungen zu den ihr bekannten Männern, insbesondere zu Elias.
Doch durch vorgegebene, nicht versprachlichte, nicht selbstverantwortete, nicht veränderbare Umstände und Bedingungen kann es auf dem Hintergrund der sozialen und materiellen Bestimmtheiten keine Aussprache, keine Aufklärung über Fremdbestimmtheit – und damit über Mut und Freiheit zur Eigenheit geben.
Infolge der sich wiederholenden, steigernden Blockung „Elias saß schweigend auf dem Bock“ kann Elsbeth keine eigene Sprache finden, keine Ausdruck ihrer selbst.
Die männliche Unfähigkeit zur Mitteilung ist hier typisch ergänzt durch die Ohnmacht des weiblichen Körpers, der zwar ergänzend der Schutzbedürftigkeit des neben ihr sitzenden Helfers bedarf, ihrer Nicht-Artikulation, vom Erzähler als “wirres Fragen“ charakterisiert, steht die Unfähigkeit, ja die Verzweiflung des Mannes gegenüber, der zwar im Umgang und der Pflege von Tieren erfahren und fürsorglich ist, aber in seiner Beziehung zu einem Mädchen, das er liebt, keinerlei rollengemäße oder gar individuelle Gefühle verbalisieren kann. )
Zum Erzähler:
Der auktoriale Erzähler, der nur sparsame Bezüge herstellt über die sichtbare Realität hinaus,
Sprachlich ist die Beschreibung sparsam; es werden keine Gefühle gestaltet, sondern nur benannt; Elsbeth Innerlichkeit wird in inneren Gedankengängen, in liedhaften Zitaten, in Abbrüchen beschrieben, die auf Mitleid ausgerichtet sind.
Das unglückliche, pathologische „Zusammenspiel“ der gestörten, nicht eigenmächtigen Sprachlichkeit und des entsprechend körperlichem Ausdrucks des versagend und der Leblosigkeit wird bis zum Höhepunkt des unnützen Schreiens nach Liebe und der ungeklärten Beziehung getrieben.
Von der Wortwahl und der Syntax her ist die Passage eine Mischung von vulgär-psychologischer Einstimmung und pathetischen Mitleidsbekundungen, die weder eine historische Klärung von Liebesaffekten darstellen, noch eine therapeutische Dimension eröffnen; die Vagheit und Verquertheit der Situation und emotionalen Qualen verweist auf die weitere tragische Eskalation.

*
Erarbeitungsleistung
zu Aufgabe 2 – dem Vergleich mit Goethes „Werthers“ Leiden“

(Anforderungsbereich III):

Die selbst zu wählenden intertextuellen Bezüge können sich beziehen auf diese Phänomene:
des epochentypischen Bestsellers,
der exzeptionellen, unvollendeten, tragisch endenden Liebe als Thema,
der jugendlichen, besonderen Sprache,
der Zusammenhänge "Genialität und Trivialität",
Reiz der filmisch groß aufgemachten Adaption einer umstritten diskutierten, aber erfolgreichen Vorlage zu einem dramatisch-originären Thema.

*

Autobiographische Bezüge können nur für den Goethe-Text erfasst werden:
Assoziation mit Goethes eigenen unglücklichen Liebesaffären

Grundaussage unterschiedlicher Intentionen im Romanauszug erkennen:
Bei Goethe: individueller Anspruch auf Liebe, frei von konventionellen, ständischen Zwängen
Bei Schneider: Offenheit der moralischen Frage in einer ironisch-grotesken Mischung der geschichtlichen, erzählerischen und religiösen Elementen seiner Protagonisten; die Eigenart des heute als attraktives Lesegut empfundenen Roman vom Liebestod (Ähnlichkeiten zu historisch aufgemachten Bestsellern wie „Der Name der Rose“ oder „Das Parfüm“): Lesen als Purgatoruim des Leidens und Scheiterns in Liebesbeziehungen..? Katharsis – als ästhetisches Erlebnis und Abwehr von überzogenen Liebeserwartungen?
Die Hauptfiguren bzw. Ich-Erzähler beider Texte leiden an der unglücklichen Liebe, die ihr Leben verändert hat, sie haben die Ambivalenz der Liebe zwischen Euphorie und Ohnmacht erfahren.
Während das lyrische Ich (in Gedichten) aber häufig mit einem ohnmächtigen Hilferuf oder der Abwehr der Liebe oder der Klage ob unerwiderter Liebe schließt, fasst Werther selbstbestimmt und religionsgestärkt den Entschluss, sich für seine Geliebte zu opfern, um sein Leiden zu beenden.


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Bezüge zur Epoche „Sturm und Drang" und der sog. „postmodernen Literatur“ in beiden Texten erkennen: Gefühlsaufgeladenheit, Emotionalität, bewusste Betonung des Gefühls und das Pathos der Sprache zeichnen beide Texte als typische Vertreter des „Sturm und Drang" aus.

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