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- Brief vom Samstag, 15. Februar 2014
Sehr
geehrter Herr Dr. F...,
ich
habe dem letzten „Mittwoch“ nachgesonnen; und will ein kleines
Problem anpacken: „Goethe in Abituraufgaben“ (jedenfalls soweit
ich darüber Auskunft geben kann).
Ich
habe meine zwei Abiturarbeiten, in denen „Goethe“ die Hauptrolle
spielt, ausgedruckt; sie liegen als Kopie bei.
Aus
den öffentlichen Goethe-Auftritten in Abiturarbeiten habe ich Ihnen
ein
Hamburger Beispiel herausgezogen.
Über
dieses „Goethe“-Thema ließe sich noch mehr guggeln [so schreibe
ich das Neuverb für mich].
Insgesamt
habe ich mich jetzt kapriziert auf das Thema „Goethe – Leben und
Werk - in Prüfungsverfahren deutscher Art: Abitur, Staatsexamen…“
Zu
meinem Anliegen: “Goethe als
Thema im Haushalt der Familie Otto Frank (im Februar 1942; versteckt
in Amsterdam, im Haus Prinsengracht
263)“*]
Für
den heiteren Abend, eine Parodie aus der ZEIT:
(Nach
Johann Wolfgang von Goethe: »Lynkeus der Türmer«)
Zum
Lauschen geboren,
Zum Spähen bestellt,
Dem Terror geschworen,
Beschatt’ ich die Welt.
Ich blick’ in die Ferne,
Doch auch in der Näh
Speich’re ich gerne
Was ich so erspäh.
Ob Deutsche, Franzosen,
Es kommt nicht drauf an,
Sie sind zwar Mimosen,
Doch mir untertan.
Wisse, Angie, ich kenne
Was je du gesimst,
Und ich wein’ keine Träne,
Wenn du’s persönlich nimmst.
Zum Spähen bestellt,
Dem Terror geschworen,
Beschatt’ ich die Welt.
Ich blick’ in die Ferne,
Doch auch in der Näh
Speich’re ich gerne
Was ich so erspäh.
Ob Deutsche, Franzosen,
Es kommt nicht drauf an,
Sie sind zwar Mimosen,
Doch mir untertan.
Wisse, Angie, ich kenne
Was je du gesimst,
Und ich wein’ keine Träne,
Wenn du’s persönlich nimmst.
*
Verfasst von Brigitte
König,
Ingolstadt – Von der "Zeit
der Leser"-Redaktion
am 29. November 2013 -
Ich
habe wohl fünfmal Deutsch-Fachkollegen aus RE oder Dorsten
angesprochen auf Veranstaltungen der Goethe-Gesellschaft in Marl.
Leider keine Resonanz je Versuch… - Ich weiß auch nicht mehr, wie
und wen ich ansprechen sollte, außer bei zufälligen Kontakten mit
früheren Referendaren oder Kollegen. (Für mich selbst habe ich
ein arg subjektives Urteil formuliert, dass ich keinen „collega“
kenne, bei dem ich
Kenntnisse und Interesse vermute, die mich weiter bringen könnten...
- Und selber belehrt
werden, wollen Lehrer nicht. Lehrer wehren sich gegen alles, was
jenseits von Richtlinien und Skifahren verortet ist. )
Mit
freundlichen Grüßen
... xyz
Anmerkung:
*]
Die Darstellung der entsprechenden Texte und Zusammenhänge im Werk
Anne Franks werde ich zu einer Miszelle zusammenfassen und dem
„Goethe-Jahrbuch“ in Weimar anbieten.
Anlagen:
Prüfungstexte
zum Thema Goethe
Zu: Johann
Wolfgang von Goethe und Robert Schneider:
Als Beispiel
Abitur-Vorschlag des Jahre 2009:
Das Motiv der Kutschfahrt
Text-Vergleich zweier Passagen aus J.W.
Goethe und R. Schneider
Abitur-Goethe Kutschfahrt
Abitur-Aufgabe - Deutsch LK: Gruppe…
Aufgabe:
Analyse der Erzählpassage Elias’
Kutschfahrt mit Elsbeth (aus: R. Schneiders „Schlafes Bruder“ -
Text 1 -)
Beigefügt als Vergleichstext: Werthers
Kutschfahrt (aus: J. W: Goethes „Werthers Leiden“ – Text 2
-
Aufgabenstellung:
1.
Analysieren Sie den Romanauszug aus Schneiders „Schlafes Bruder“
(Text 1) semantisch, syntaktisch und intentional.
2.
Erörtern Sie mögliche, selbst gewählte intertextuelle Bezüge zu
Werthers Brief aus Goethes „Werthers Leiden“ ( - Text 2 -).
*
Goethe <Todenmaske > (1832)
Arbeitstext :.
R. Schneider: „Die Kutschfahrt“.
Aus: „Schlafes Bruder“. S. 138;14 – 141;16[/b]
Robert Schneider: [Die Kutschfahrt]
Elias saß schweigend auf dem Bock,
verschlossen gegen Elsbeth und die Welt.
Er sei schon ein kurioser Mensch, wenn
man ihn so anschaue, dachte Elsbeth während der Fahrt. Jetzt kenne
sie ihn schon viele, viele Jahre, aber im Grunde wisse sie nichts von
ihm. Ob er heimlich ein Mädchen habe? Nein, viel zu anständig sei
er dafür. Er sei halt wie ein richtiger Studierter, und die Dinge
des täglichen Lebens kümmerten ihn herzlich wenig. Das könne man
vom Lukas nun nicht behaupten. Der stehe mit beiden Beinen fest im
Leben. Obwohl es ihr schon lieb wäre, wenn er sich etwas mehr mit
ihr, als mit seiner Viehzucht abgeben tat’. Aber das müsse halt so
sein, sage die Mutter. Und es stimme schon: der Lukas sei gut zu den
Tieren. Sie habe ihn noch nie eines schlagen oder beschimpfen
gesehen.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Ja die Liebe, sang sie ungehört in
sich hinein, die Liebe sei ein traurig Ding. Den Mund mache sie
lachen, aber das Herz sei ein dunkler Wald. Und sie warf den Kopf
steil in die Höhe, blinzelte in die grell-grünen Blätter der
Zweige des Mischwaldes, wie sie ruhig über ihrem Haupt
vorbeiflossen, kniff die Lider zusammen, als ihr plötzlich das
gleißende Sonnenlicht aufs Gesicht sprengte. Sie hielt die Lider
geschlossen und malte sich aus, wie es wäre, wenn jetzt Elias um
ihre Hand anhielte. Vielleicht habe er sie gar nicht lieb? Eine
schlechte Partie sei sie außerdem, denn zu erben gebe es zu Hause
nichts. Gewiß, er würde ihr schöne Worte sagen. Er würde ganz
aufrecht vor ihr dastehen, ihr in die Augen blicken, sehen, daß sie
erröte. Aus Takt würde er schweigen und sie erst in einer
unberechneten Minute fragen: Fräulein Elsbeth: Wollt ihr mein Weib
werden? Gewiß würden seine Hände schöne Gesten zu den Worten
machen. Was sie da für dummes Zeug denke! Und Elsbeth schlug die
Augenlider auf.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Er sei halt viel zu schüchtern. Das
sage auch die Frau Mutter. Und ein Mannsbild müsse tapfer und mutig
durch das Jammertal des Lebens schreiten. Das sage der Herr Vater.
Außerdem liege ein Fluch auf der Sippe seines Bruders. Alle Kinder
seien von schwächlicher Art und wankelmütigem Geist. Das möchte
sich wohl vererben, meine der Herr Vater. Trotzdem, das glaube sie
fest, wäre er ihr bestimmt ein treuer Mann. Wissen könne man das
nie, aber glauben tue sie es. Wenn er bloß nicht diesen unheimlichen
Makel an seinen Augen trüge. Und er müßte einfach entschlossener
und stärker sein im Leben. Dann hätte sie ihm schon lange - wie es
nun mal des Weibes Art sei - verhohlen angedeutet, daß sie ihn
wolle. Gottlob sei der Lukas ganz anders. Was sie da mit ihm nach der
Kirmes erlebt hatte, das habe sie derart durstig gemacht. Sie sei
halt auch nur ein elendes Weib und habe auch nur die elenden Gefühle
eines Weibes. Aber davon verstünde der da nichts. Nein, Elias Alder
sei kein Mann. Das sehe sie - leider.
Elias saß schweigend auf dem Bock.
Es komme ihr so vor, als wolle er
überhaupt ohne Weib leben. Aus ihm möchte bestimmt ein geistliches
Oberhaupt, ein Prälat oder am Ende auch ein Bischof werden. Wenn es
wirklich dahin käme, würde sie, und müßte sie zu Fuß nach
Feldberg wandern, bei seiner Weihe anwesend sein. Dann würde sie vor
ihn hinknien, den Ring an seiner Hand küssen und still zu sich
sagen: «Das ist Elias Alder. Er war mein Freund.»
Während sie mit solchen Gedanken die
Zeit vertrieb, befiel sie plötzlich eine seltsame Atemnot. Dreimal
schöpfte sie Luft mit offenem Mund, dann wurde ihr Gesicht
leichenblaß und vornüber sackte sie in Ohnmacht. Elias, der jäh
erwachte, vermochte sie gerade noch beim Haupthaar zu packen. Dabei
schlug sie mit ihrem Kopf hart an die Kante des Kutschbocks. Elias
ließ die Zügel frei, riß das Mädchen herauf, damit es nicht vor
die Räder falle, schlug ihre Arme um den Hals und preßte mit aller
Gewalt den leblosen Körper an sich. «Sie ist doch marode», wollte
er ausrufen, aber er kam nicht mehr dazu.
Zum zweiten und letzten Mal in seinem
Leben lag Elsbeths Herz auf seinem Herzen, und Elsbeths Herzschlagen
ging in sein Herzschlagen, so vollkommen und eins, wie er es damals
als Fünfjährige im Bachbett der Emmer durchlebt hatte. Da brüllte
Johannes Elias Alder wiederum so entsetzlich auf, als müßte er bei
hellem Verstand sterben. Und sein Wankelmut wurde Lügen gestraft,
und die Hoffnung wurde übervoll in ihm, und er schrie in das tiefe
Blau des Himmels, daß er ohne Elsbeth nicht mehr leben könne.
Oh, wie hatte er nur daran zweifeln
können, daß ihm Elsbeth von Gott vorbestimmt sei!
Er barg den Kopf des Mädchens in
seinen unendlich sanften Händen, und als es erwachte, zerstreute er
ihr wirres Fragen mit einem einschläfernden „Es ist ja gut,
Elsbeth. Alles ist gut“. Dann bettete er sie in den groben
Grützensack, welchen er für die Ochsen mitgeführt hatte, machte
kehrt und karrte heimwärts, immer auf der Hut, ja in kein Loch, auf
keinen Stein oder Wurzelstrunk zu fahren. Während er so fuhr,
überlegte er, ob es nicht gut wäre, den Schwur zu brechen und dem
Mädchen, sobald es genesen, vorsichtig anzudeuten - gewiß über die
Dauer einer großen Zeitspanne hinweg - , daß er es liebe und es zum
Weib haben wolle. Das erwog er tatsächlich, denn sein Mut war stark
geworden.
*
(Aus: R. Schneider. Schlafes Bruder.
Leipzig. 1994. S. 138;14 – S. 141,!6)
Worterklärungen:
Grützensack: Sack mit Körnerschrot
für die Fütterung der Zugochsen
*
Zusammenhang der Handlungen in diesem
Kapitel „Die Lichter der Hoffnung“:
Als Elias krank vor Liebeskummer vier
Tage im Bett liegt, spricht sich sein Vater mit ihm aus und wird
dadurch nach Jahren wieder froh; kurz darauf erleidet er einen
Schlaganfall und bleibt gelähmt. Elias’ Fahrt mit Elsbeth auf dem
Ochsenkarren nach Götzberg. Später teilt Peter ihm mit, dass
Elsbeth von Lukas Alder schwanger ist.
**
Text 2
„Werthers Kutschfahrt“
Hintergrundstext, der nicht analytisch
interpretiert, sondern nur unter dem Aufgabenaspekt 2 einbezogen
werden soll.
Aus: J. W. von Goethe: „Die Leiden
des jungen Werthers“ [1774; 1787 (2. Fassung)]
Werthers Brief vom 16. Juni 1771:
(…) Unsere jungen Leute hatten einen
Ball auf dem Lande angestellt, zu dem ich mich denn auch willig
finden ließ. Ich bot einem hiesigen guten, schönen, übrigens
unbedeutenden Mädchen die Hand, und es wurde ausgemacht, daß ich
eine Kutsche nehmen, mit meiner Tänzerin und ihrer Base nach dem
Orte der Lustbarkeit hinausfahren und auf dem Wege Charlotten S.
mitnehmen sollte. - "Sie werden ein schönes Frauenzimmer
kennenlernen", sagte meine Gesellschafterin, da wir durch den
weiten, ausgehauenen Wald nach dem Jagdhause fuhren. - "Nehmen
Sie sich in acht", versetzte die Base, "daß Sie sich nicht
verlieben!" - "Wieso?" sagte ich. - "Sie ist
schon vergeben, "antwortete jene, "an einen sehr braven
Mann, der weggereist ist, seine Sachen in Ordnung zu bringen, weil
sein Vater gestorben ist, und sich um eine ansehnliche Versorgung zu
bewerben". - Die Nachricht war mir ziemlich gleichgültig.
(…)
Wir hatten uns kaum zurecht gesetzt,
die Frauenzimmer sich bewillkommt, wechselsweise über den Anzug,
vorzüglich über die Hüte ihre Anmerkungen gemacht und die
Gesellschaft, die man erwartete, gehörig durchgezogen, als Lotte den
Kutscher halten und ihre Brüder herabsteigen ließ, die noch einmal
ihre Hand zu küssen begehrten, das denn der älteste mit aller
Zärtlichkeit, die dem Alter von fünfzehn Jahren eigen sein kann,
der andere mit viel Heftigkeit und Leichtsinn tat. Sie ließ die
Kleinen noch einmal grüßen, und wir fuhren weiter.
Die Base fragte, ob sie mit dem Buche
fertig wäre, das sie ihr neulich geschickt hätte. -"Nein",
sagte Lotte, "es gefällt mir nicht, Sie können’s
wiederhaben. Das vorige war auch nicht besser". - Ich erstaunte,
als ich fragte, was es für Bücher wären, und sie mir antwortete: -
Ich fand so viel Charakter in allem, was sie sagte, ich sah mit jedem
Wort neue Reize, neue Strahlen des Geistes aus ihren Gesichtszügen
hervorbrechen, die sich nach und nach vergnügt zu entfalten
schienen, weil sie an mir fühlte, daß ich sie verstand.
"Wie ich jünger war", sagte
sie, "liebte ich nichts so sehr als Romane. Weiß Gott, wie wohl
mir’s war, wenn ich mich Sonntags in so ein Eckchen setzen und mit
ganzem Herzen an dem Glück und Unstern einer Miß Jonny teilnehmen
konnte. Ich leugne auch nicht, daß die Art noch einige Reize für
mich hat. Doch da ich so selten an ein Buch komme, so muß es auch
recht nach meinem Geschmack sein. Und der Autor ist mir der liebste,
in dem ich meine Welt wiederfinde, bei dem es zugeht wie um mich, und
dessen Geschichte mir doch so interessant und herzlich wird als mein
eigen häuslich1) Leben, das freilich kein Paradies, aber doch im
ganzen eine Quelle unsäglicher Glückseligkeit ist".
Ich bemühte mich, meine Bewegungen
über diese Worte zu verbergen. Das ging freilich nicht weit: denn da
ich sie mit solcher Wahrheit im Vorbeigehen vom Landpriester von
Wakefield2), vom 3)- reden hörte, kam ich ganz außer mich, sagte
ihr alles, was ich mußte, und bemerkte erst nach einiger Zeit, da
Lotte das Gespräch an die anderen wendete4), daß diese die Zeit
über mit offenen Augen, als säßen sie nicht da, dagesessen hatten.
Die Base sah mich mehr als einmal mit einem spöttischen Näschen an,
daran mir aber nichts gelegen war.
Das Gespräch fiel aufs Vergnügen am
Tanze. - "Wenn diese Leidenschaft ein Fehler ist", sagte
Lotte, "so gestehe ich Ihnen gern, ich weiß mir nichts übers
Tanzen. Und wenn ich was im Kopfe habe und mir auf meinem verstimmten
Klavier einen Contretanz5) vortrommle, so ist alles wieder gut".
Wie ich mich unter dem Gespäche in den
schwarzen Augen weidete - wie die lebendigen Lippen und die frischen,
muntern Wangen meine ganze Seele anzogen - wie ich, in den herrlichen
Sinn ihrer Rede ganz versunken, oft gar die Worte nicht hörte, mit
denen sie sich ausdrückte - davon hast du eine Vorstellung, weil du
mich kennst. Kurz, ich stieg aus dem Wagen wie ein Träumender, als
wir vor dem Lusthause stille hielten, und war so in Träumen rings in
der dämmernden Welt verloren, daß ich auf die Musik kaum achtete,
die uns von dem erleuchteten Saal herunter entgegenschallte.
(…)
(Aus: J. W. von Goethe: „Die Leiden
des jungen Werthers“ [1774; 1787 (2. Fassung)]
*
Worterläuterungen:
1) Flexionslose attributive Verwendung
der Adjektive; in mitteldt. Umgangssprache noch heute möglich.
2) „The Vicar of Wakefield“ (1766
von O. Goldsmith veröffentlicht) ist eine idyllische
Familiengeschichte.
3) Goethe konjugierte das Verb „wenden“
sowohl schwach als auch stark; ohne Bedeutungsunterschied.
4) Hier fehlen die Namen einiger
„vaterländischen Autoren“, von den Werther schreibt: „Wer teil
an Lottens Beifall hat, wird es gewiß an seinem Herzen fühlen, wenn
er diese Stelle lesen solle, und sonst braucht es ja niemand zu
wissen.“ [Anmerkung Goethes im Druck]
5) Ein aus Frankreich damals neu
eingeführter Gruppentanz, bei dem sich jeweils zwei Paare einander
gegenüber tanzend bewegen.
**
Beschreibung der zu erwartenden
Schülerleistung:
Aufgabe zu Text 1:
Die Sch. erfassen den Schneider-Text
als eine zentrale Aussage der scheiternden Liebesbeziehung zwischen
Elsbeth und Elias.
Während der Fahrt, neben dem
abwartenden, selbstischen, gar autistischen Elias, vollzieht die
liebesfähige Elsbeth eine Reflexion über ihre Beziehungen zu den
ihr bekannten Männern, insbesondere zu Elias.
Doch durch vorgegebene, nicht
versprachlichte, nicht selbstverantwortete, nicht veränderbare
Umstände und Bedingungen kann es auf dem Hintergrund der sozialen
und materiellen Bestimmtheiten keine Aussprache, keine Aufklärung
über Fremdbestimmtheit – und damit über Mut und Freiheit zur
Eigenheit geben.
Infolge der sich wiederholenden,
steigernden Blockung „Elias saß schweigend auf dem Bock“ kann
Elsbeth keine eigene Sprache finden, keine Ausdruck ihrer selbst.
Die männliche Unfähigkeit zur
Mitteilung ist hier typisch ergänzt durch die Ohnmacht des
weiblichen Körpers, der zwar ergänzend der Schutzbedürftigkeit des
neben ihr sitzenden Helfers bedarf, ihrer Nicht-Artikulation, vom
Erzähler als “wirres Fragen“ charakterisiert, steht die
Unfähigkeit, ja die Verzweiflung des Mannes gegenüber, der zwar im
Umgang und der Pflege von Tieren erfahren und fürsorglich ist, aber
in seiner Beziehung zu einem Mädchen, das er liebt, keinerlei
rollengemäße oder gar individuelle Gefühle verbalisieren kann. )
Zum Erzähler:
Der auktoriale Erzähler, der nur
sparsame Bezüge herstellt über die sichtbare Realität hinaus,
Sprachlich ist die Beschreibung
sparsam; es werden keine Gefühle gestaltet, sondern nur benannt;
Elsbeth Innerlichkeit wird in inneren Gedankengängen, in liedhaften
Zitaten, in Abbrüchen beschrieben, die auf Mitleid ausgerichtet
sind.
Das unglückliche, pathologische
„Zusammenspiel“ der gestörten, nicht eigenmächtigen
Sprachlichkeit und des entsprechend körperlichem Ausdrucks des
versagend und der Leblosigkeit wird bis zum Höhepunkt des unnützen
Schreiens nach Liebe und der ungeklärten Beziehung getrieben.
Von der Wortwahl und der Syntax her ist
die Passage eine Mischung von vulgär-psychologischer Einstimmung und
pathetischen Mitleidsbekundungen, die weder eine historische Klärung
von Liebesaffekten darstellen, noch eine therapeutische Dimension
eröffnen; die Vagheit und Verquertheit der Situation und emotionalen
Qualen verweist auf die weitere tragische Eskalation.
*
Erarbeitungsleistung
zu Aufgabe 2 – dem Vergleich mit
Goethes „Werthers“ Leiden“
(Anforderungsbereich III):
Die selbst zu wählenden
intertextuellen Bezüge können sich beziehen auf diese Phänomene:
des epochentypischen Bestsellers,
der exzeptionellen, unvollendeten,
tragisch endenden Liebe als Thema,
der jugendlichen, besonderen Sprache,
der Zusammenhänge "Genialität
und Trivialität",
Reiz der filmisch groß aufgemachten
Adaption einer umstritten diskutierten, aber erfolgreichen Vorlage zu
einem dramatisch-originären Thema.
*
Autobiographische Bezüge
können nur für den Goethe-Text erfasst werden:
Assoziation mit Goethes
eigenen unglücklichen Liebesaffären
Grundaussage unterschiedlicher
Intentionen im Romanauszug erkennen:
Bei Goethe: individueller Anspruch auf
Liebe, frei von konventionellen, ständischen Zwängen
Bei Schneider: Offenheit der
moralischen Frage in einer ironisch-grotesken Mischung der
geschichtlichen, erzählerischen und religiösen Elementen seiner
Protagonisten; die Eigenart des heute als attraktives Lesegut
empfundenen Roman vom Liebestod (Ähnlichkeiten zu historisch
aufgemachten Bestsellern wie „Der Name der Rose“ oder „Das
Parfüm“): Lesen als Purgatoruim des Leidens und Scheiterns in
Liebesbeziehungen..? Katharsis – als ästhetisches Erlebnis und
Abwehr von überzogenen Liebeserwartungen?
Die Hauptfiguren bzw. Ich-Erzähler
beider Texte leiden an der unglücklichen Liebe, die ihr Leben
verändert hat, sie haben die Ambivalenz der Liebe zwischen Euphorie
und Ohnmacht erfahren.
Während das lyrische Ich (in
Gedichten) aber häufig mit einem ohnmächtigen Hilferuf oder der
Abwehr der Liebe oder der Klage ob unerwiderter Liebe schließt,
fasst Werther selbstbestimmt und religionsgestärkt den Entschluss,
sich für seine Geliebte zu opfern, um sein Leiden zu beenden.
>>
Bezüge
zur Epoche „Sturm und Drang" und der sog. „postmodernen
Literatur“ in beiden Texten erkennen: Gefühlsaufgeladenheit,
Emotionalität, bewusste Betonung des Gefühls und das Pathos der
Sprache zeichnen beide Texte als typische Vertreter des „Sturm und
Drang" aus.
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