Samstag, 29. Februar 2020

Gehörige: Berichtigung zum littera prima


ANTON STEPHAN R .............


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  •      Samstag, 29. Februar 2020
         
                                        Sigmund Freud < freundlich sich zeigend mit der Zigarre >


Herrn
Prof. Dr. Dr.
Ungenannt

SNM Marbach


Sehr geehrter Herr,

nach der Veranstaltung in Bad Boll und Ihrem Vortrag dort hab’ ich mir das Reclamheftchen „Mörike: Gedichte“ bestellt und find’ da so Einiges unterschlagen, was zu einem stimmigen, nicht nur: modernen, sondern einfach gehörigen Mörike-Bild passt:
Den „Feuerreiter“, den Sie abdrucken, datieren Sie auf das Jahr 1824; was für ein herkömmlicher Unsinn, aber in der schwäbischen Mörike-Literatur häufiger zu finden (vgl. H. Schlaffer in „E. M. u. W. W. Eine poetische Jugend“ und Sie, Herr Professor, im Ausstellung-Katalog (1975; oder ist die Neuauflage korrigiert? Der Leichtsinn steht natürlich auch in Göpferts Ausgabe...; in Lahnsetin „Mörike“ natürlich auch)!
Könnten Sie sich - wissenschaftlich gestimmt - auf beide Texte einlassen, mit den betreffenden Entstehungszahlen: Sommer 1824 und (3. Dec.) 1841..? Es sind so stark differierende Texte - „umgesattelt“ nannte E.M. verhüllend seinen neuen „Feuerreiter“ - daß nicht nur die christlich-archaisierende, retro(bzw. ana-) chronistische Fassung überliefert werden sollte; Sie könnten den Lesern und Lehrern und Mörike-Freunden dadurch auch historisches Denken zumuten und methodisch-kritisches Interpretieren.
Und dann fehlen mir noch mindestens in Ihrer Auswahl (1997 nachgedruckt!):
Der Petrefaktensammler“, „An Philomele“ und die „Wispeliaden“. - Und erst die nötigen Anmerkungen...?

Schade, daß, nachdem Frau von Heydebrands Buch seit 1972 vorliegt - schon vergriffen ist und nicht als Taschenbuch aufgelegt wird - Sie, als der schwäbische Literatur-Fachmann, noch immer den „sinnig-lieb-versponnenen Mörike“ präsentieren..., mit einem wissenschaftlich-korrekten Nachwörtchen. - Ein personal oder institutionell gefesselter Mitmensch hätte hier und heute gar ein’ bescheiden-höflich’ Brieflein getippt; E.M. auch (wohl in „tiefster Ehrfurcht...“, „alleruntertänigst, treugehorsamst... unterschrieben“).*

- Trotzdem, ich mein’ es ernst, philo-logisch und philo-historisch (es bleiben aber - mindestens - Generations-, Mentalitäts- und Methodenfragen); es geht auch um eine Stück Kultur - auch wenn der Begriff Leitkultur verdächtiger Unsinn ist; die Damen und Herren von der christlichen Partei könnten es ja erst mal mit unserer Normalkultur versuchen. Z. B. Schiller: „Mich kosteten [die Räuber] Familie, Heimat und Vaterland.“ (Aus dem Gedächtnis zitiert...)


Mit hochachtungsvollen Grüßen und der Bitte, über mein Brieflein freundlich nachzudenken.



* Meine Intention, näherhin definiert? Waren Sie vielleicht einmal in der Walhalla (ob Regensburg) und haben dort Mörike vergeblich gesucht? Zufall? An welchen Schulen wird noch E.M. gelesen, nachdem sich „Das verlassene Mägdlein“ und die Neufassung des “Feuerreiters“ verschließen haben und „Begegnung“ und „Erstes Liebeslied eines Mädchens“ nicht in die Lesebücher gelangt sind. - Auch in Bad Boll: Mörike - ein (Bei-)Fall für ältliche, selbstzufriedene Gemütlichkeit - statt Ahnung schwierigsten Gemüts, existenzieller Gefährdung und differenziert-poetologischer Diskrepanzen.- E.M. - der Kafka des 19. Jahrhunderts...?

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