Dienstag, 3. Januar 2012

Aktuell: A u f A u g e n h ö h e



„Auf Augenhöhe mit der black box ...“

Pardon:

Der Titel sollte heißen:

„Auf Augenhöhe mit der e-mail box...“

Nä!

"Auf Augenhöhe mit der Gesprächsbox ..?"


Quatsch!

"Auf Augenhöhe mit der Telefonbox" ..?


Nee, verdammicht!



– oder so ähnlich kann jeder satirisch und sprachlich Veranlagte sich zum Tagesgeschehen der Jahreswende äußern, wenn er nach treffenden Titeln gefragt würde.

Auch sprachlich haben wir auf unsere Augen ein besonderes Augen-Merk. Goethe konnte sogar von „Hauptaugenmerk“ sprechen.
Aber auch vorher gaben sich augendienliche Ausdrücke die Wahrnehmungs- und Verbindungsfunktionen …: Augenblick, Augendienst, Augendiener, Augentrost, Augenmerk, Augenweide. (Nein:
"Augiasstall“ gehört nicht hierher!) Schöne Ausdrücke, die bis heute nicht abgenutzt erscheinen, wenn man besondere Beziehungen zwischen Menschen hervorheben will…, sozusagen auf „Augenhöhe“

„Auf Augenhöhe“ – eine rasante Redensart! Ein Aufruf (ohne ohne Interjektionsmerkmale!) Ein bewillkommneter, pardon. willkomener Gruß! Eine freundliche, bestimmende Bitte! Worum – um Ebenbürtigkeit. Da bittet, nein, erfleht, nein bestimmt jemand die „Gleichberechtigung“ beispielsweise im Dialog oder am Fußgängerüberweg mit Hilfe der gegenüber stehenden Ampel?
Und prompt bist du "auf Augenhöhe" mit allem und allen und mit dir selber; da kannst du "auf Augenhöhe" mit dem Bild-Schirm deiner Gnaden sie befragen, die allgnädige Wikipedia!


Also, i. A. (nein, nicht im Auftrag!) nur in der festen Verbindung in Höhe der Augen – auf der Suche nach ebenbürtigen Belegen!

Selten erleben wir die Ausdrucksweise in einer realen Beschreibung; hier darf ich zitieren, weil ich den Blaubör und den Autoren, ja, Dichter Walter Moers, desselbigen für „augenblicklich“- und augenhoch halte:

„Sie durchwandern schon seit etlichen Jahren die Süße Wüste auf der Suche nach einer legendären Stadt namens Anagrom Ataf und sind begnadete Kamedarzüchter (Kamedar, das). - Die Bekleidung der Gimpel besteht aus einer mehrere Meter langen dunkelblauen Gimpwollbahn (eine Wolle, die aus einem blauen Speisepilz gewonnen wird, der auch bei der Ernährung der Gimpel eine dominierende Rolle spielt; Gimp, das), die mehrfach um Körper und Kopf gewickelt wird, bis kein Sonnenstrahl die Haut mehr erreichen kann. Zwei Miniaturperiskope werden ständig in Augenhöhe getragen, da sich die Gimpel bei drohenden Sandstürmen gerne eingraben und von dort die Übersicht behalten wollen. Möglicherweise lag es an meiner Schläfrigkeit, vielleicht auch an meinem immer noch dringenden Wunsch, so viel Distanz wie möglich zwischen mich und den Großen Wald zu legen, daß ich der Einladung der Gimpel bedenkenlos folgte.“
(Moers, Walter, Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär, Frankfurt a.M.: Eichborn 1999, S. 277)
*
Und solche Versprechen werden in der selben Verbalkombinatorik formuliert.. und der Leer oder Nachdenker muss sich beeilen ..::

„Genau. Erstklassige Uni, werden Sie zu hören bekommen, auf Augenhöhe mit Oxford und Harvard. Dass Newton in Cambridge dem Geheimnis des Farbspektrums auf die Spur gekommen sei und auch sonst noch einigem, das sich später als ziemlich relevant für den technischen Fortschritt der Menschheit herausstellen sollte, auch das wird den Befragten möglicherweise einfallen.“
(Stefan Ninks „Cambridge, die Stadt“. ... in DIE ZEIT, 06.07.2009, Nr. 28)

Kafka, ja: Franz, nein, nicht in „Der Prozess“, sondern in dem urmächtigem "Schloss", das sich dem Landvermesser in den Weg legt:

„Ein viereckiger Hof, auf drei Seiten vom Hause, gegen die Straße zu - eine Nebenstraße, die K. nicht kannte - von einer hohen, weißen Mauer mit einem großen, schweren, jetzt offenen Tor begrenzt. Hier, auf der Hofseite, schien das Haus höher als auf der Vorderseite, wenigstens war der erste Stock vollständig ausgebaut und hatte ein größeres Ansehen, denn er war von einer hölzernen, bis auf einen kleinen Spalt in Augenhöhe geschlossenen Galerie umlaufen. K. schief gegenüber, noch im Mitteltrakt, aber schon im Winkel, wo sich der gegenüberliegende Seitenflügel anschloß, war ein Eingang ins Haus, offen, ohne Tür."
(Kafka, Franz: Das Schloß. München (Wolff 1922 [1926], S. 162)

„.. in Augenhöhe“ – eine präzise Angabe, wenn man wüsste, wie groß die kafkaeske Gestalt denn – ob real oder gedacht, ob als realer Geodät oder als metaphysischer Ätschibätschi - sei.

Immer in Augenhöhe mit den Realien.

Auch das, wahrhaft in den Zeiten e-technisierter Kommunikation:

"... in Augenhöhe mit der e-box des Chefredakteurs (... und seiner Sekretärin?)!"

Macht das [Miterleben, Mithören, Mitwarten Mitharren, Mittelchen...] schon "demokratische Augenhöhe" aus?


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