Dienstag, 2. Juli 2024

Von Füll- oder P f l a u m e n - W ö r t e r n

Antonie-Stephanies Strümpfchen

  

Und weiteres Schöneres -

obwohl es auch UnAnGeNehmeneres seyn können tun gibt:


** Ein Versuch einer Rezenti- äh: realister.: sion

** Eine (nicht nur) traumhafte Darbietung besagter Pflaumen, äh: Pfläumchen

... à la  F r e u d;  jep:  Sigmund:

Auf diese unschwer festzustellenden und mühelos einzusehenden Beziehungen fällt in der Adlerschen Lehre der Hauptakzent, wobei gänzlich übersehen wird, daß das Ich ungezählte Male bloß aus der Not eine Tugend macht, indem es sich das unerwünschteste, ihm aufgezwungene Symptom wegen des daran gehängten Nutzens gefallen läßt, z. B. wenn es die Angst als Sicherungsmittel akzeptiert. Das Ich spielt dabei die lächerliche Rolle des dummen August im Zirkus, der den Zuschauern durch seine Gesten die Überzeugung beibringen will, daß sich alle Veränderungen in der Manege nur infolge seines Kommandos vollziehen. Aber nur die Jüngsten unter den Zuschauern schenken ihm Glauben.

    * ~ *

Vergleichen Sie bitte diesen Text mit dem Zitat zu „Ich-Zirkus“ Blatt: 5. Oktober“.(1914): [III. Psychoanalytische Kongresse, Vereinigungen und Publikationen. Abspaltung von Adler und Jung: Alfred Adler]:-

Angegeben wird diese Quelle: „Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung. Jb. Psychoanalyse. Bd. 6. „. 207 – 260. GW. Bd. 10. S. 43 – 113. - Weiß der Beelzebub [Mt 12,24], was da stimmt: Es könnte was für Philologen der Arscheologie seyn; für vorgestern. - Aber schön ist die Illustration von Rattenchneck: Bitte, genießen Sie also ungeniert den „5. Oktober“. 


    * ~ *

  • Dazu mein AlbtraumKafka vom heutigen Tage:

  • Aus dem gewaltigen Internatskomplex Gaensewieschen bis ich wieder (daheim; wie Jahre zuvor): In einem immer kleiner werdenden Garten finde ich den plakatierten Hinweis. Pflaumen, die auf der Wiese liegen: Essen erlautb! [Mit Fehlerschrift!] Guten Appetitt“.

  • Ich nehme einen kleinen abgebrochenen Zweig, sozusagen ein Zweiglein, das noch fünf PflaumenPfläum- trägt, ich putze die Pfläumchen, auf - koste: Oh herrlich, ist es in ein Pfläumchen zu hauen. - Von einem Fenster aus, hat mich ein Präfectus Magnus gesehn; der mich beobachtet, den ganzen Weg herum um die zentralen Gebäude; überall steht er am Fenyster, wenn ich das nächsten Gebäude erreiche. Unter dem Turm, der Sowieso genannt wird (Schit, ich hab' vergessen; wie der heißt): Da kommt er hervor geschossen, aus dem ansonten mit Ketten bewehrten TurmTörchen; will mich packen; da, da – iiiiiim letzten Augenbliiiiiick: Ein Schüler, der gerade vom Parkplatz aufgebrochen ist: fährt heran, mit seiner roten Ente, hujheissasa; reißt rechts die Beifahrertür auf; winkt und zieht mich zu sich heran: Sieht meine letzte Pflaume in meiner Hand: Und greift sie: „Ja, ja, das habe ich mir heute Abend vorgenommen; meiner Mira in ihr Pfläumchen zu beißen, oh, so saftig ist das!“

    ?Willst du schon vor-kosten? -

  • Äh! Willst du dabei sein, im Zirkus, wo jeder Präfekt den Magier spielt? Hej“

  • Dadä, de lätzte Prümm - mijn Prümmekuuk ess ömmer so läkker!“

  • Und wo willat du denn hin?

  • Nah Alpen. Aber den Weg kannst du bstimmen?

  • Dann in einer roten Ente. - Über Geldern wohin!? - Und das erzähl ich dir, wenn wir die rehcte Kurve über den Gaesdonckerwiesen Graben geschafft; und dann die echte Kurve, äh, paß auf; auf nach Hülm!“

  • Rechts rannte noch immer der Präfectus vorbei, oder voraus zur Toilette, äh: Bad, mit Duschen. Äh, seitab. -Vorsicht, du drückst den noch in den Graben.“ - „Kann er haben. - Ex flammis orior ... - Den Vogel kenn ich doch nimmer, äh: immer .. in meiner flammend-roten Kutsche. Hopphopp, in den Graben! Was für ein Wagen! Nochmittenmal bezahlt! Arrrivicerdi-oder-so. Gut, das Mädchen rennt weg (zur nächsten Kneipe; lässt sich abholen von ihrer Freundin), die gefahren ist - owwunder-sagen die Bullen. Finis -Nagut, ein bisscherl Schulden; das verärg-äh, beitet mannan mit der Mutter -

    * ~ *

  • "Sesquipedalia verba" - schimpfte HorazVerba.


Kafka] „Es ist gut, seinen Träumen nachzujagen, aber schlecht, von ihnen gejagt zu werden.“ (Franz Kafka) – Aber mensch*in ist immama*in Jäger und Gejägter; mann*in muss sich nur ent-scheiden, ihnen nicht hinterher-zu-jimmern, bis man von einem Mädel/Frau/Weib gerettet wird &weil man gerettet werden will; für sich eine Kommunikations-Aporie ex gratia aut ex ante zu bestimmen, zu poetisieren, zu prophetisieren ....ist literarisches Borderline: und wenn du es erklärt haben will: „Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) oder emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline-Typs ist eine psychische Erkrankung. (...)“ - Wie und wo und wann der Borderline als lierarische Erkrankung auftritt, hängt von vielen, disparaten Umständen ab. -

Pfläum-] Oh, wo las ich das, in meiner Schulzeit: "Das Pfläumchen und das Tintenfaß, die sind am Rande beide naß, das kommt vom vielen Tunken, Prost ihr Halunken!" -wie klingt euch das; etwas dünne. ( Die Zeit, 31.03.1995, Nr. 14) - In dubio pro libertate.


Verba] Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730. - „Und was wird man also von den übrigen sagen, die lauter Ampullas und sesquipedalia Verba zusammengeraffet und ihre Gedichte damit ausstaffiret haben .“


Montag, 1. Juli 2024

Schulisches von Heribert T e g g e r s

Von Heribert Teggers, dem Heimatforscher, dem Lehrer, dem Schriftsteller: original:

Heribert Teggers: Der Adjutant

Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie "unterstützend". Damit habe ich gleich den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn ich dazu noch erwähne. daß der Zoologe den Marabu auch Adjutant nennt, dann tue ich das lediglich aus dem Grunde, weil der meinige ebenso wie jener Storchenvogel auf verhältnismäßig langen, dünnen Beinen einen kurzgedrungenen Oberkörper trug.

Er hieß Johann, ein nicht gerade repräsentativer 'Name für einen Adjutanten. (Warum muß man sich unter diesem Namen eigentlich immer nur einen Hausdiener, Kutscher oder Lakaien vorstellen?) Wenn ich morgens auf die Straße trat, so erwartete er mich bereits wie eben der Adjutant seinen Kommandeur. Wir begrüßten einander. Dabei reichte er mir stets zuerst die Hand. Das mochte seine Mutter ihm wohl so empfohlen haben. Ließ mich auch immer rechts gehen und nahm mir die Aktentasche ab. Kein Adjutant von Format würde je anders handeln. Dann besprachen wir unseren Dienstplan etwa in folgendem Rahmen:

"Schönes Wetter heute, Johann."

,,Jawohl!" (Auch das war adjutantenmäßig an ihm. Er sagte niemals "ja".)

"Da müßten wir eigentlich in den Wald gehen."

"Das hast du uns schon lange versprochen."

"Allerdings'"

"Du wolltest uns auch noch den Film vom Gruseln zeigen und die Geschichte vom tapferen Schneiderlein erzählen."

"Richtig!" Es ist doch gut, wenn man einen Adjutanten hat.

"Heute aber könnten wir mal in den Wald gehen."

"Du meinst des schönen Wetters wegen?"

"Jawohl! Den Film können wir ja sehen, wenn es regnet."

"Gewiß, das können wir.“

"Du wolltest auch heute dem Paul Janssen seine Tafel extra nachsehen, ob er besser geschrieben hat, und der Heini Schmitz muß noch die Strafarbeit ... "

Aha! Die Strafrapportliste folgt. Er meldet das aber nicht aus schaden-frohen Gefühlen heraus, sondern lediglich der Ordnung halber. Privatgespräche mit mir führt er auf dem Wege zur Schule nicht, nur dienstliche. Auch darin benimmt er sich durchaus adjutantenmäßig. Nach dem Dienst kann man mal ein privates Wort miteinander reden.

Auf dem Schulhof wird er von seinen Kameraden gleich umringt. Als Vertrauter weiß er natürlich mehr als die andern, und ein jeder versucht, etwas Näheres zu erfahren, Keiner verdirbt es gern mit ihm, denn es könnte doch allzu leicht unter vier Augen über seine Person verhandelt werden. In der Schule gibt er höllisch acht, und ich fühle, daß er sich bei gewissen Dingen einhämmert: daran mußt du den Lehrer morgen erinnern. So kann mir nichts entgehen, nichts meinem Gedächtnis entschwinden. Ich laufe nie Gefahr, irgend etwas zu vergessen.

Nur einmal hat sein Adjutantendienst versagt. Das war, als ich der ganzen Klasse eine Strafarbeit angedroht hatte. Ich weiß nicht mehr den Grund, der solch' lässige Dienstauffassung bestimmte. Ob die ganze Klasse sich gegen ihn verschworen und ihm Hiebe angeboten hatte, oder ob der Gedanke ausschlaggebend war, daß er sich selbst damit belastet hätte; denn von der Strafarbeit wäre er ja nicht ausgeschlossen gewesen.

Das ist aber, wie gesagt, die einzige Verweigerung seiner Dienstunterstützung gewesen. Gewiß kein Grund, ihm die Adjutantenschärpe zu nehmen. 

Teggers: ehrlich-liebstens: Seine Betachtungen über Schüler; daraus „Der Adjutant“ - in seinem Schriftch-Beruflichen:„Meine Qecksilberlein“. (Ausgabe 1946; in "Lippia-Volksbücher". Lippstadt. S. 55-57):

Seine Verdienste: http://www.rheinische-literaturnachlaesse.de/authors/teggers-heribert

Mit freud-vollem Gewinn habe ich gelesen: Niederée, Wilhelm: Heribert Teggers (1893 - 1966). In: "An Niers und Kendel". # 28.1993. Ibid.1946. S. 1-13. - In der S. 96 angefügten "Doktrin" formuliert H. T.: "Freundlichkeit, Güte, Hilfsbereitschaft, Erdenwanderschaft, vor allen aber die Liebe" als sein pädagogisches Konzept; und damit hat er auch mich noch heute - 2024 - erfreut.





Schule /Schulen - als fragwürdig- s c h ö n e M o m e n t e

 

S  c  h   u  l  e  

                                ....   a l s   s c  h  ö   n  e     M  o  m  e  n  t e >


<Die Sammlung wird fortgesetzt.>

123

In der S c h u le fragen – wenn  F r a g e n erlaubt sind

Oder:

Wenn mensch sie sich erkämpfen muss



H. G. Adler:

SCHULKINDER


Griffel, Schwamm und Lesebuch:

Last der Weisheit auf dem Rücken.

Achtung, was die Mütter sagen.


Eingebeugte Hörner sind die Gassen.

Es war einmal...

Ein Pferd steht ganz bedächtig da.


Oft erzählt ein Kind der Stadt

Vom Sommer

Und von Duft und Heu.


Es klingelt:

Sind die Schlitten schnell!

Kaufmannsläden öffnen ihren Mund.


Die Schule wartet.

Schon kommt der Lehrer,

Und die Knaben grüßen stumm.

(1931)


(H.G.A.: Buch der Freunde. Zum 75. Geburtstag. Hrsg. v. W.P. Eckert und W. Unger. Köln 1975: Wienand Verlag. S.127

*


L.P. Smith:

Stonehenge


Da sitzen sie für immer am Horizont meines Gei­stes, jene Stonehenge-Runde älterer mißbilligen­der Gesichter - Gesichter der Onkel, der Schul­meister, der Hauslehrer, die über meine Jugend die Stirne runzelten.

In ihrer Mitte, im hellen Sonnenschein hüpfe, springe ich, tanze ich meinen Tanz; doch wenn ich aufblicke, sehe ich, daß sie nicht darauf hereinfal­len. Denn nichts kann sie je versöhnlich stimmen, nichts bewegt sie je zu einem beifälligen Lächeln, diese bleichen, alten, abschätzig blickenden Ge­sichter rundum.

L.P. Smith: Trivia. S. 17



*

Rudolf Langer:

Das Schulkind


Vorgegeben sind Handzeichen

und Gehbewegung,

eingeübt Mimik, Sprache und Formeln.

Zwischen Ankunft und Abgang

gibt eine menschliche Gestalt

Rätsel auf.

Auch der Mond besitzt noch Geheimnisse.


Der Freudsche Komplex

hebt alle Irrtümer ins Zwielicht.

Die sagenhafte Qual am Schulanfang

hinterläßt bei dem lustvollen Kind

rote Spuren im ersten Schnee.


Ihm unbegreiflich, spalten sich

Sinn und Freude am Dasein,

gehen ohne Gleichung aus,

wie Kreis und Dreieck,

im knochigen Versuch einer Mengenlehre.


Zu Hause eine ungeduldige Mutter

in Drachengestalt.

Armer Nachmittag,

Gefühle eingekeilt im Lernprinzip.

Das Kind verirrt sich auf der Suche

nach einem neuen Elternhaus.

(Aus: R.L.: Ortswechsel. Gedichte. Darmstadt 1973. S. 41


*

Rainer Malkowski:

Dame im Museum


Das ist ein Tag, wie sie ihn liebt:

Stille und ein schwacher Geruch

nach Bohnerwachs.

In den Akazien draußen

stoßweise Wind.

Der Wächter auf seinem Stuhl

ist eingeschlafen.

Keine Schulklasse heute.

Niemand da, der sie stört,

wenn sie sich von den alten Meistern

Stunde für Stunde

dasselbe Rätsel aufgeben läßt.

(R. M.: Was für ein Morgen. Gedichte. 1975. ES 792: S. 38)


**


Max Herrman-Neiße:1

Schülervorstellung

(Für Kurt Finkenstein)


»Minna von Barnhelm«: Pensum, Tertiaqual.

Heut dürfen, müssen sie ins Schauspielhaus;

gelangweilt lümmeln sie   man kennt sich aus  

Zitate sind Erinnerung, fatal,

an Rüge, Nichtversetztsein, Angst und Zank.

Man sähe lieber den verbotnen Schwank.

Die Kellnerin im »Lamm« war doch nicht krank?

Meist schlummert man wie auf der Klassenbank.

Nur wenn die angebetete Soubrette

als Kammerkätzchen auf der Bühne steht,

kommt plötzlich Leben in den Schülerchor.

Man reckt sich und schielt gierig um die Wette

in ihren Busenschacht, soweit es geht,

und klatscht zum Schluß, trotz Lessings, sie hervor.


(M.H.N. schrieb diese Gedicht am 24.07.1927 während einer Ferienreise in Hain im Riesengebirge. Kurt Finkenstein und er hatten sich in Leipzig kennengelernt. 1934 wurde K.F. zum ersten Mal von den Nazis verhaftet; 1937 wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Volksgerichtshof zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde ermordet in Auschwitz.)

Max Herrmann-Neiße: Gedichte. Bd. 2. Um uns die Fremde. Frankfurt/M. 1986. Verlag Zweitausendeins. S. 229; Erläuterungen S. 744)


**

Jurek Becker:

Beschwerdebrief über den Lehrer Simrock 1]


Nicht nur, weil B.B. wortwörtlich von den "ungeduldigen Schulmeistern" spricht, die die Schüler um materielle Gerechtigkeit betrügen und im Namen Gottes belügen, steht sein Gedicht hier an herausragender Stelle, sondern auch weil es Gelegenheit bietet, an eine besondere politische und literarische Rolle zu erinnern, die der Text spielte. Jurek Becker ließ 1978 in seinem Roman "Schlaflose Tage", der bis zur Wende nur in der BRD erscheinen konnte, einen übelwollend besorgten, vollundganz-sozialistischen Vater einen Beschwerdebrief schreiben über den Deutschlehrer Simrock, der Brechts "Lob des Zweifels" im Unterricht behandelt hatte. Gott sei Dank haben Brecht und Becker mit dazu beigetragen, daß die selbstgerechten und zweifelsfreien Kommando-Sozialisten aufgeben mußten in ihren Versuchen, Individuen "zweifelsfrei" und staatsgetreu festzulegen. An dem Entwicklungspunkt, an dem Becker seinerzeit den Roman politisch so provozierend enden ließ, setzte die Schul- und Gesellschaftsreform in der Wirklichkeit der Ex-DDR ein. Zur Erinnerung, zur Aufmunterung im andauernden Prozeß, den das Lob des Zweifels mitträgt, hier der stur-schematische, sozialistische Brief, einschließlich des falschen Vornamens Berthold und der Verdrehung der revolutionären Ungeduld in ihr Gegenteil:

Ähnliche Spannungen, Diskrepanzen zwischen Ideal und Realität, zwischen Individuum und Staat registrierte wiederum Helga M. Novak:


Helga M. Novak:

Lernjahre sind keine Herrenjahre ]


Elke Erb:

Der Lehrer verrät ein Geheimnis

Der Lehrer verrät ein Geheimnis


Man läuft nicht los aus dem Stand, neunjähriger Tom!

Wie man geht und steht, so läuft man nicht los, Schüler Tom!

Dort wo du anfängst zu laufen, dort an den Boden hocke dich hin!

An die Linie eins deiner Knie stell, wo auch die Finger 

Knöchel wartend stehn sollen, Tom. Das andre Knie schwebe.

An deine Füße vorher rück hinten Klötze, von denen du losschießt aus der gespannten Beuge heraus.

Willst du pfeilschnell sein wie die anderen, schneller als jemals zuvor,  

An die Erde dort, Junge, mußt du dich biegen,

An die Linie dich hockend, warte gespannt. 2]



Bertolt Brecht:

Mein junger Sohn fragt mich



Bertolt Brecht:

Vom kriegerischen Lehrer



Bertolt Brecht:

Der Lernende



Bertolt Brecht: Über das Lehren ohne Schüler



Bertolt Brecht:

Lob des Lernens



Bertolt Brecht

Wer belehrt den Lehrer?


Ich bin Lehrer

Aber wer belehrt mich?

Wie soll ich wissen, was sie gelehrt haben

wollen?

Ich bin guten Willens, bereit, alles zu lehren.

Den Schlächtern gebührt Ehre

Aber doch nicht allen Schlächtern?

Welchen z. B. nicht? Vielleicht

Bin ich schon verloren: ich habe

Den Führer nur einen Heiligen genannt.

Ich tue alles; aber -

Ich bin ein Mensch und kann irren.



Bertolt Brecht

Lob der Vergeßlichkeit


Gut ist die Vergeßlichkeit!

Wie sollte sonst


Der Sohn von der Mutter gehen, die ihn gesäugt hat?

Die ihm die Kraft seiner Glieder verlieh und

Die ihn zurückhält, sie zu erproben.


Oder wie sollte der Schüler den Lehrer verlassen

Der ihm Wissen verlieh?

Wenn das Wissen verliehen ist

Muß der Schüler sich auf den Weg machen.


In das alte Haus

Ziehen die neuen Bewohner ein.

Wenn die es gebaut haben noch da wären

Wäre das Haus zu klein.


Der Ofen heizt. Den Hafner

Kennt man nicht mehr. Der Pflüger

Erkennt den Laib Brot nicht.


Wie erhöbe sich ohne das Vergessen der

Spurenverwischenden Nacht der Mensch am Morgen?

Wie sollte der sechsmal zu Boden Geschlagene

Zum siebenten Mal aufstehen

Umzupflügen den steinigen Boden, anzufliegen

den gefährlichen Himmel?


Die Schwäche des Gedächtnisses verleiht

Den Menschen Stärke. 3]


Der materialistische Dialektiker und Gelegenheitskommunist Bertolt Brecht (1898 -1956) hat neben seinen berühmteren Theaterstücken ein großes, spannendes lyrisches Werk hinterlassen: vom romantischen Frühwerk über die Politlyrik der Kampfjahre zu den naturphilosophischen Altersweis­heiten nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Thematik der dialektischen Vermittlung politisch-emanzipatorischen Bewußtseins vom Lehrer zum Schüler und vorn Vater zum Sohn findet sich in vielen Gedichten, egal aus welcher Epoche.


Der materialistische Lyriker und Stückscheiber, der Gelegenheitskommunist und Archi-Dialektiker Bertolt Brecht (1898-1956) hat neben seinen berühmteren Theaterstücken ein großes, spannendes lyrisches Werk hinterlassen, vom romantischen Frühwerk, über die Polit-Lyrik der Kampfjahre zu den naturphilosophischen Altersweisheiten nach dem zweiten Weltkrieg. Die Thematik der dialektischen Vermittlung politisch-emanzipatorischen Bewußtseins vom Lehrer zum Schüler und vom Vater zum Sohn (die Mutter fehlt bei ihm in dieser Rolle) findet sich in vielen Gedichten, egal aus welcher Epoche.



Julius Sturm:

Aus der Schulstube 4]


Ich weiß noch, wie mich's narrte,

Daß ich mein Vaterland

Nicht auf der Länderkarte

In unsrer Schule fand.


"Ei seht den dummen Hansen!

Beim Himmel, das ist arg!"

Er rief es und ließ tanzen

Den Stock, der Schulmonarch.


Dann mußte mich ein Knabe

Belehren, wo es sei;

Der zeigte mit dem Stabe

Der Länder mancherlei.


"Die Länder kenn' ich selber,

Nur Deutschland seh' ich nicht."

Da war vor Zorn noch gelber

Des Alten Angesicht.


Den Bakel wieder ließ er

Nun tanzen fürchterlich,

Dann mit der Nase stieß er

Auf seine Karte mich.


»Hier Österreich, hier Preußen,

Hannover, Bayerland,

Und wie die andern heißen:

Das ist das deutsche Land.


Nun weißt du, wo's gelegen?"

Und ob ich's gleich nicht sah,

Mir graute vor den Schlägen,

Und heulend rief ich: "Ja!"



Karl Simrock:

Die Schule der Stutzer


(In solchem Staat, ihr Herren vom Rat... ) 5]



Else Lasker-Schüler:

Schulzeit 6]


Unter süßem Veilchenhimmel

Ist unsere Liebe aufgegangen,

Und ich suche allerwegen

Nach dir und deinen Morgenwangen.


Und den Ringelrangelhaaren

Rötlichblonden Rosenlocken,

Und den frühlingshellen Augen

Die so frischfreifrohfrohlocken.


Zwischen dicken Gummipflanzen

Lauern hinter Irdentöpfen

Strickpicknadelspitze Augen,

Tücksch aus bitteren Frauenköpfen.


Daß die beiden alten Damen

Hinter unsere Liebe kamen

Und dich in Gewahrsam nahmen,

Sind die Dramen unserer Herzen.

(E. Lasker Schüler. S. 125)


*



G. B. Fuchs:

Geschichte von der Unterrichtsstunde

auch Helme betreffend


Der Helm stellt eine Zierde des Kopfes dar. Der Kopf, hat er einmal entdeckt, was ihn zu bedecken vermag, wird' auf den Helm setzen und ihn jederzeit (vorrangig) auf­setzen.

Aufsetzen, das Wort trifft nur zu für den ersten Vor­gang, den Kopf mit einem Helm auszustatten. Denn aufgesetzt (im Sinne von leicht abnehmbar) können auf den Kopf immer nur Kopfbedeckungen wie u. a.: Hüte (Strohhüte, Melonen, breit  und schmalrandige Krempen­filze, Jux  und Karnevalshüte etc.), Mützen (Schirmmüt­zen, Schlägermützen, Feldmützen, Dekansbarette, Pudel- ­und Baskenmützen).

Der Helm dagegen (durch einen ledernen Riemen aus Schläfenhöhe umläufig ums vorgestreckte Kinn ange­schnallt zwischen Kopf und Kragen) bestreitet seinen ein­genommenen Sitz dauerhafter, fällt nicht (etwa beim Büc­ken des Trägers) schlapp vom Kopf, wird nicht von jedem Luftzug, jedem Wind, jedem Sturm davongetragen und gibt (folglich) seinen Träger nicht der Lächerlichkeit preis.

So stellt der Helm eine Zierde des männlichen Kopfes dar. Der männliche Kopf, hat er sich einmal für den Helm entschieden, verleiht er ihm auch seinen Dienst, denn Helm und Kopf, beide dienen einander, in Würdigung.

Der lederne Riemen des Helms ist für den männlichen Kopf das Attribut aller Verläßlichkeit und Entschlossen­heit. Von Winden und starken Stürmen hat der lederne Riemen seinen Ehrentitel: er heißt Sturmriemen. Energie, Sturm, Kampf, Attacke   diese vier Begriffe gehören zu­sammen wie männlicher Kopf und Helm.

Wenn auf einem Helm (wie auf Diensthelmen der motorisierten Polizei) z. B. das Wort POLIZEI in gut, weithin lesbarer Schrift angebracht ist, so geht daraus hervor, daß allzu oft übersehen, wer sich unter dem betreffenden Helm verbirgt. Das bloße Tragen der Polizeiuniform garantiert im Straßenverkehr nicht immer den gewünschten Erfolg, nämlich jedermann deutlich zu machen: Dieser Uniformierte dort auf dem Motorrad, ist ein Poli­zist, der einen Helm trägt. Die Maßnahme, den Polizisten auch vom Kopf her unmißverständlich zu kennzeichnen durch Beschriften des Helms mit dem Wort POLIZEI in gut, weithin lesbarer Schrift, ist ebenso ein Attribut der Verläßlichkeit, da aufgrund dieser Maßnahme jeder Irrtum ausgeschlossen ist.

In einer der nächsten Lektionen werden wir uns an­hand historischer Helme veranschaulichen, daß der Helm zu allen Zeiten abwechslungsreiche Verwendung fand. 7]


*

Günter Bruno Fuchs:

Der rothaarige Schüler


»Was ist«, fragte der Lehrer, »die Aufgabe der Feuerwehr?«

Ein rothaariger Schüler, der unbedingt antworten wollte, sagte: »Die Feuerwehr sollte in der ganzen Welt herumfahren und sich überall erkundigen, ob irgendwo ein Feuer entstehen könnte. Sie macht es aber nicht. Sie spielt mit ihren Wasserschläuchen, be­spritzt sich gegenseitig und holt sich eine Erkältung. Deshalb lie­gen die meisten Feuerwehrmänner im Bett und trinken Kräuter­tee. Eine Tüte Kräutertee kostet an die siebzig Pfennige.« 8

*

G.B.Fuchs:

Vor den Zeugnissen:


Der Lehrer sagt: Die Blätter

Fallen zur Erde. Wer fällt zur Erde? Wer oder was

Bedeckt wen oder was? Ah, das gefällt euch wohl nicht,

wenn ich frage: Wen oder was bedeckt die Blätter? Also,

die Erde wird zugedeckt von den Blättern.. Die Erde

und außerdem wer oder was? Und wann?

Wund wie oft? So, nun schreibt

Euren Aufsatz über

Den Herbst. 9]

*

Günter Bruno Fuchs:

Untergang


Der Regen arbeitet.

Die Straßenfeger sind arbeitslos.

Die arbeitslosen Straßenfeger sind heimgekehrt.


Die Bäume dursten nicht mehr.

Die Schulhofbäume dursten nicht mehr.

Die überraschten Lehrer beenden die Konferenz

und schwimmen zum Tor hinaus.


Der Regen arbeitet

Papierne Zeitungstürme neigen sich lautlos.

Rote Schlagzeilen färben das Wasser rot


Das Kind armer Eltern schläft in der Kohlenkiste.

Das Kind reicher Eltern schläft im Himmelbett.

Die armen und reichen Eltern

hören den Regen nicht.


Die überraschten Lehrer

hocken ratlos im Geäst der Bäume.

Die große Pause kommt unerwartet 10]

*

Günter Bruno Fuchs:

Schularbeiten


Der Fortschritt

hat keene Lust, sich

zu kümmern um

mir. Und wat mir anjeht, habick

keene Lust, mir

um den Fortschritt


zu kümmern. Denn

unsereins

war ja

als Mensch

wohl zuerst da.


So, mein Kind, das

Schreibste

in dein Schulheft

rein. 11]

Günter Bruno Fuchs:

Die Antwort des Schülers

Fibel

S. 137)

*

Günter Bruno Fuchs: Ein Esel beschimpft eine Lehrerin

Sind Sie eine Lehrerin? Sie sind keine Lehrerin. Sie sind eine enge Straße. Sie sind eine Erbse. Sie sind voller Essig. Sie sind eine Lehrerin? Sie haben ein Schimpfwort erfunden, weiter nichts, aber das reicht schon! Sie wissen auch, was ich sagen will. Sie tun verwundert, als wüßten Sie nicht, was ich sagen will. Ich habe mich bei einem Kind erkundigt! Sind die Seiten eines Schulbuchs oben oder unten angeknickt, dann nennen Sie diese angeknickten oder umgeknickten Stellen kurzer­hand Eselsohr.

Haben wir solche Ohren? Treten Sie näher, setzen Sie Ihre Brille auf. Was sehen Sie? Sie sehen Eselsohren. Das hier an meinem Kopf sind die Ohren eines Esels. Wie kommt es zu dieser Verwechslung? Weshalb entschuldigen Sie sich nicht? Was geschieht, wenn Ihr Schimpfwort von anderen Lehrerin­nen und Lehrern beliebig ausgesprochen wird in ständiger Beleidigung meiner Ohren. Sage ich zu meinen Kindern: Du hast Lehrerinnenohren? Ich sage das nicht. Ist das Ihre Aufgabe, sowas zu sagen? Haben Sie nichts anderes gelernt? Geht das, was ich hier sage, in eins Ihrer Ohren hinein und zum andern hinaus? Iiih, sage ich, aber nicht Aaah! Nein, halten Sie sich nicht die Ohren zu! Laufen Sie nicht zum Rektor! Wenn Sie den Rektor holen, beiße ich den Rektor. Am besten, Sie entschuldigen sich, das wäre am besten für die Zukunft. 12]


G. B. Fuchs: A  n z e i ge 

Vögel, die heimlich

Sprachunterricht nehmen

und das Schweigen

erlernen im Pausengeläut der

Baumschule,

verdanken ihre Fähigkeit


einem Kursus

bei Doktor Schatzhauser vom

Grünen Tannenwald, genannt


Glasmännlein. (Post für

Neuanmeldungen unter Chiffre

W. Hauff, Das kalte Herz.) 13]


Günter Bruno Fuchs:

Unterricht 14]


ünter Bruno Fuchs: Einweihung 15]

Diese Grundschule


soll den Namen Grundschule tragen. Der Grund, auf dem

sie errichtet wurde, ist gleichsam ein Meilenstein in der

Geschichte dieses Bezirks. Nämlich:


Ein galizischer Arbeiter im Jahre 1889 stach hier zum

erstenmal seinen Spaten in den schwarzen Graben, in ein

übelriechendes Brackwasser, das unter Mühe trockenge-

legt wurde von Arbeitern aus der Slowakei und aus Polen


über geraume Zeit. So


entstand billiger Boden. Hier schossen bald in die Höhe

jene Ein- bis Zwei-Familienhäuse in selbstbewußten Stil.


Das war die erste Gemeinde, und die Anzahl der Kinder

wuchs rasch. Es kam endlich heran.


das gute Jahr 1903. Das alte Gemeindeschulhaus wurde

errichtet, es dürfte fortan (mit notwendigen Pausen

in ernster Zeit) allen Kindern dieses Bezirks als eine frühe Stätte,

die ihnen zu Grund und Boden verhalf. Manche

bekamen ein Plätzchen bei Langemarck. andere bei Cap

Flow, manche tief im Argonneraild. Es war noch


kein Meister vom Himmel gefallen.

G. B. Fuchs (1928 - 1977) war ein skurriler, liebenswerter, sanfter, pragmatisch-politisch unnützer Poet, Daseins-Clown, Gelegenheitsanarchist und zeitweiliger Trinker; seine heiter-melancholische Spielwelt und Seinsmetaphorik geben brillante, kaleidoskopartige Spiegelbilder persönlicher Sehnsucht und familiären verantwortlichen Denkens und phantastisch und (merkwürdigerweise) zugleich sozialer und ökologischer Grundeinsichten.

*

Hans Magnus Enzensberger:

ins lesebuch für die oberstufe



16]



Enzensberger (geb. 1929), Prototyp des politisch-feuilletonistischen Autors und Allzeit- und Allround-Talent in der deutschen Literatur- und Medienlandschaft seit mehr als dreißig Jahren, zeigt durch recht häufigen Wechsel seiner erkenntnistheoretischen und (partei-)politischen oder auch parteilosen Paradigma erstaunlich virtuose Flexibilität für Nachahmung und modellhafte Übernahme in kulturpolitischen interessierten Kreisen. Oder ist er als Kritiker nur dem Zeitgeist jeweils ein Interview, einen Aufsatz (vom SPIEGEL mit 30000 Mark; umzurechnen in tagesläufige Euro, eine Diskette, eine CD-ROM und einen Zufalls-Gesichtgenerator voraus?

Jedenfalls auf sprachlich hohem, gleichbleibend kreativem Niveau weist seine Lyrik Anschlußpunkte aus für eigene Untersuchungen des Lesers in der poetischen oder medialen Landschaft der Gegenwart oder Geschichte. Da er sich mehrfach und öffentlich entschieden entzog und sich essayistisch beschwerte, wenn Lehrer oder Schüler ihn bei Interpretationsdifferenzen zu seinen Texten befragen wollten, lohnt es sich, sein Mottogedicht nach eigenem kritischen Leser-Maßstab vorzunehmen. Um sein erklärtes Ziel, "in die lungen der macht zu blasen / den feinen tödlichen staub", zu erreichen, ist es auch sinnvoll, Oden zu lesen, wenn sich diese Macht hinter klassischen Gedichtformen und Kunstattitüden verstecken und mithilfe von musikalisch angenehm zu goutierenden Tragödien ewigkeitsgerecht inszenieren will. In seinem raffinierten und (un)-schuldigen Aufsatz "Ein bescheidener Vorschlag zum Schutz der Jugend vor den Erzeugnissen der Kultur" steht eine Erkenntis, die nicht erheitern will: "Die [...] Fähigkeit, die es erlaubt, aus einem Gedicht eine Keule zu machen, nennt man Interpretation." Diesem Motto will auch diesen Sammlung dienen; ihrem schulischen Mißbrauch kann ich nicht vorbeugen; doch Enzensberger zu zitieren, kann nützen: "Denken sie immer daran: 'Quäle nie ein Kind zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.'"


Nicolas Born: Kind 17



Günter Bruno FuchS: Für ein Kind


Ich habe gebetet. So nimm von der Sonne und geh.

Die Bäume werden belaubt sein.

Ich habe den Blüten gesagt, sie mögen dich schmücken.


Kommst du zum Strom, da wartet ein Fährmann.

Zur Nacht läutet sein Herz übers Wasser.

Sein Boot hat goldene Planken, das trägt dich.


Die Ufer werden bewohnt sein.

Ich habe den Menschen gesagt, sie mögen dich lieben.

Es wird dir einer begegnen, der hat mich gehört. 18]


Günter Bruno Fuchs' Gedicht, zuerst in seinem Band "Nach der Haussuchung" 1957 erschienen, bildet eine poetische, zauberhafte Handlung, einen in der Literatur häufigen Topos aus: einen Lebensweg. Eine Etappe, für die hier ein Mensch, der Verantwortung für einen anderen übernimmt, ein leises, eindringliches Gebet spricht. Wer hier beleidigt wegguckt, wenn er liest "Ich habe gebetet", oder wer eine vorgeformte, ritualhafte Prägung erwartet und in seiner Individualität erstarrt, um schnellweg getröstet zu werden, überliest und mißversteht eines der schönsten Gedichte der modernen deutschen Literatur. Gebet ist die intensivierende Nominalbildung zu "bitten"; neben dem Wort Bitte, das als Formel im Alltag emotional und kommunikativ förderlich ist, erscheint Gebet leider nur noch als religiös konnotiert, eine sprachliche Verarmung, die Fuchs in einem urtümlichen Wortverständnis aufbricht.


Von Fuchs (1928-1977), einem Menschen einer literarisch seltenen Spezies, einem Maler und Graphiker, einem Unangepaßten, einem Zauberer und Kinderfreund gedichtet, steht dieser Text in direkter, auch sensibel-intimer Zwiesprache: Ein Freund kann es seinem Freund, ein Mann seiner Frau, ein Vater seiner Tochter, eine Lehrerin ihrem Lieblingsschüler, ein Nachbar dem Wegziehenden schenken (und wie viele Anlässe es der eigenen Phantasie entsprechend geben mag): Es könnte (nach meiner Vorstellung) als Kunstdruck mit einem der Urmotive Fluß oder Blume oder Weg als Bild, als Gebet- oder Schulbuchtext verbreitet sein wie früher die heute obsoleten Heiligenbildchen; Anlässe könnten sein: Kommunion oder Auszug aus der Kirche, Konfirmation, Ehe (aber auch Scheidung).

Das lyrische Ich, ein emotionales und auch kognitives Modell und Identifikationsangebot, möchte den Weg, den Weggang des Scheidenden oder des sich Entwickelnden beleuchtet wissen mit der Sonne, die Welt im Grünen, im Belaubten erhalten wissen und den Blüten den Auftrag geben, den lieben Menschen zu schmücken.

Wie schön lebensnah und phantastisch gleichzeitig ist diese Vorstellung, die zwar nicht von Gott spricht, aber Gott auch nicht bewußt ausklammert: mit der Natur verwachsen sein, sich aufgehoben fühlen, sich paradiesisch wohlfühlen. Der Strom: ein Symbol für ein Problem, für eine Lebensentscheidung, eine ernsthafte Prüfung. Der Fährmann - in christlicher Sprache ein Christophorus - bietet seinen Dienst jenseits von Tarifbedingungen an; wie liebevoll, gutherzig trägt das Boot den Beschenkten; am neuen Lebensort werden wieder Menschen sein, die sich getrauen, einem anderen zu sagen: Ich liebe Dich. Einer, der zur zentralen Lebensbegegnung sich finden wird: Er wird schon wissen von diesem Wunsch, er ist bereit, dem Vorbereiten zu begegnen. Als eine schönere Lebensmöglichkeit, daß es denn so sein möchte, auch aus einem progressiv-kommunikativen Glauben heraus, läßt sich das Lebenswagnis nicht freundlicher versichern; wenn wir denn auf äußere, formale Sicherung, Policen und versicherungstechnische Verheißungen und Tricks verzichten: wenn wir zu lieben und Liebe zu akzeptieren gelernt haben. Ein Gedicht, ein kleines Glaubensbekenntnis, das mit deutlich biblischen Sprachanklängen ("der hat mich gehört"), aber trotzdem neu und ungewohnt ansprechend wirkt. Hier sind viele Wahrnehmungsmöglichkeiten aktiviert: Sehen, hören, träumen. Didaktisch läßt sich der Text, insbesondere die zentralen Metaphern, z.B. das "läutende Herz", gemalt oder plastiziert vorstellen. Im konventionell-trivialer Sprach- oder Kunstgestaltung geraten Herzdarstellungen leicht in die Sphäre des Kitsches, vgl. die noch gängigen Modelle der gipsernen Herz-Jesu-Figuren. Sprachlich oder zeichnerisch sensibel in einem neuen Kontext gestaltet ist es ein Symbol für eine psychosomatische Integration von liebevoller Aufmerksamkeit und wirksamem Zeichensetzen in dunkler Zeit. Ein geheimer Anruf des Herzens ist auch Ausdruck der Liebessprache, jeder zärtlichen Geheimsprache.

Ob kleines oder großes Kind, jeder, der die Sensibilität im Umgang miteinander sich bewahrt hat oder neu sich öffnen will für einen anderen, findet in der phantasievollen Szene dieses Lebenslaufes Anregungen genug, über die krude Alltags- und Gewohnheitssprache hinaus sich von der kindlich-kreativen An-Sprache fesseln zu lassen oder den anderen, den Gemeinten, zu überraschen. Vielleicht können ungewohnte Äußerungen, ob in spachlicher oder zeichnerischer Form, im Umgang und im Gebet füreinander kleine Wunder bewirken. Dieses Vertrauen spiegelt sich in Fuchs' modern-suggestiver, assoziativ reicher Sprache als Auf-Gabe des menschlichen Gesprächs und persönlich aktiver Fürsorge.




Reiner Kunze: Das Kätzchen


Besuch! Im Garten ist ein Gast!

Ein Kätzchen sitzt auf einem Ast.


Laßt, Kinder, alles Spielzeug stehn,

wir wollen es bestaunen gehn!


Es hat zwei Lichter mitgebracht,

die sehn - und leuchten in der Nacht.


Was will es hier? Nun - denken wir,

es wolle sagen: Ich bin hier.


Denn eine Katze, Kinder, ist

ein Wunder. Was der Mensch vergißt.


Der Mensch kann auf dem Mond erwachen,

aber keine Katze machen.


Das kleinste Vogelherz, das schlägt,

ist nicht von Menschenhand bewegt.


Der Fisch, der sich im Wasser regt,

entschlüpft dem Ei, vom Fisch gelegt.


Das größte Wunder selbst auf Erden

muß aus dem Leib geboren werden:


Verwundert steht das Menschenkind

vor all den Wundern, die da sind.


Und jeder Mensch und jedes Tier

ist nur für eine Weile hier.


Drum danken wir dem Kätzchen schön,

daß es sich anschaun ließ, und gehn.


*


Hans Baumann:

Wer schreibt so?


Wer schreibt und hat weder

Bleistift noch Feder?

Wer schreibt auf ein blaues Blatt,

so groß, wie es keiner sonst hat?

Wer schreibt mit Gebrumm

am Himmel herum?



Reiner Kunze:


Du hattest ein viereck gemalt,

darüber ein dreieck,

darauf (an die Seite) zwei striche mit rauch -

fertig war


DAS HAUS.


Man glaubt gar nicht,

was man alles

nicht braucht.



Albert Cullum:


Der Vogel hat gesungen.

Die Glocke hat geläutet.

Die Geranie

auf der Fensterbank

ist soeben gestorben.

Aber Sie

reden einfach weiter,

Fräulein Schmitt. 19]

` `

Heinz Kahlau 20]

Meine Hoffnung

In deinem Alter, Kind,

hat jeder Mensch noch Gründe,

anzunehmen,

er könnte

fliegen wie laufen lernen.


Ich werde mich hüten,

dich aufklären.


Vielleicht

bin doch ich es

der sich irrt.


*

Heinz Kahlau:

Der Mensch Lenin


Der Mensch Lenin

hat in dem großen Kreml

nicht besser

als ein Hauslehrer gewohnt.

Die Frau,

die uns durch diese Wohnung führte,

machte uns junge deutsche Dichter

besonders darauf aufmerksam,

daß Lenin ein einfacher Mensch war.

Lenin nämlich liebte, spaßte,

hatte schlechte Laune und stritt.

Daß er groß war,

meinte sie,

wissen wir selber.

Dabei sah sie,

kaum älter als wir,

auf uns

mit einem freundlich versteckten,

aber verzeihenden Lächeln.

(S. 66)


Heinz Kahlau:

Hochschule


An der Hochschule

für Ökonomie,

der jüngsten,

aus den Kämpfen der Klassen

entstandenen

Universität

des Sozialismus  

kämpften die Professoren

um die Einführung

einer Grußordnung.



Heinz Kahlau:

Zensur


Als in einer Mathematikstunde

in der zweiten Klasse

der Junge

mit dem Spitznamen Pummel

aufgerufen wurde,

bekam er,

für seine schnelle und richtige Antwort,

eine glatte Eins.

Er protestierte

und forderte für sich

eine Zwei.

Da kam Unruhe in die Klasse,

und die Lehrerin forschte

nach einer Erklärung.

Pummel sagte verlegen,

unter dem Schweigen der Klasse:

Ich möchte Gerechtigkeit.

Meine Antwort war zufällig richtig.

Als Sie die Aufgabe stellten,

habe ich an was anderes gedacht. 21]


*


Theodor Fontane:

Laß die Kindlein zu mir kommen!



(1843)


und Großes Kind (1888)



Christoph von Schmid: Ihr Kinderlein, kommet! (um 1840)


Fontanes Kindlein-Text aus dem Jahre 1843 überschreitet von vornherein den geschwisterlich-privaten Umkreis, trotz der schwesterlichen Anrede. Er gibt in unauffälligem Gewand ein Stückchen Fontanescher Weltkunde. Auch hier wie in den großen Dichtungen ist das bürgerliche Sittengesetz Ordnungsmacht im menschlichen Leben. Vielleicht gerichtet gegen das allbekannte, schmalzig-biedermeierliche Weihnachtsgedicht des Domherren und erfolgreichen Jugendschriftstellers Christoph von Schmid (1768-1854) "Ihr Kinderlein kommet! O kommet doch all!", ist es eine weltliche, aber auch poetologische Offenbarung, die das Religiöse einbezieht. Dies läßt sich vermuten durch den Ort der Erstpublikation in der Weihnachtsausgabe 1924 der "Neuen Täglichen Rundschau". Der größte Erzähler des deutschen Realismus (1819 -1898), der zwar nicht von der biographischen Zeit, aber von der geistig-kritischen Intuition her in unser Jahrhundert herüberschaute, verwebt allgemein-politische Metaphern (wie das mit dem Volke spielende "Fürstenkind", den "eitlen Reiter") und lebenskundliche Typik ("Duft und Schmelz" des älteren Mannes) in die scheinbar private Szene. Den konkreten biblischen Aufhänger scheute er nicht, um eine Einheit in der persönlichen Beziehung und über die Generationen hinweg zu signalisieren: Versöhnung im kleinen und im großen. Wenn er für sich selber in einem schlichten Altersgedicht das Attribut eines "großen Kindes" beansprucht (ob als Gnade oder Selbstverständlichkeit?), hat er das Tolle, die große Geschichte nicht aus seinem inneren Lebenskreis, sondern nur von außen her, aus Polizeiberichten vernommen; was in seinen Händen durchaus auch zu Romanstoffen geriet - darauf hätte er, scheint's, privatim eher verzichtet, wenn es möglich gewesen wäre. Hatte nicht gerade er, im Rückblick auf seine Kindheit und als deutliche Huldigung an seine Mutter gesagt, er sei nicht erzogen worden, und das sei eine gute Erziehung gewesen?

Fontanes Blick auf das Kind ist die typische, patriarchale Perspektive der Erwachsenen: Kinder werden gebraucht, um ihnen zu Gefallen, zu Nutz und Frommen zu sein. Die Herrschaft signalisierende Rolle ist unangefochten. Der männliche Sprecher, er geht über das autobiographische Ich Fontanes produktiv hinaus, äußert sich in geliehener Rolle: der jesuanische Imperativ "Laßt die Kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich" (vgl. die synoptischen Evangelien: Mt 19,14; Mk 10,14; Lk 18,16) wird in die Lebenswelt des 19. Jahrhunderts übertragen und generalisiert. Auch im apokryphen, teils drastischen Thomas-Evangelium findet sich diese Weisheit noch konkreter: "Jesus sah kleine Kinder (an den Mütterbrüsten) saugen. Er sprach zu seinen Jüngern: Diese Kleinen, die saugen, gleichen denen, die eingehen ins Reich." (Spruch Nr. 22a).

So mochte schon früh Fontanes seinen Lebenskreis gesichert wissen durch die freundliche-fromme, sozial verpflichtete, das eigene Seelenerleben erhellende Verantwortung des Erwachsenen, der nur privat-versteckt in der politischen Gegenrolle reüssieren durfte. Über diese vier Stationen bahnt er dem ordnend-überlegenen Väterlichen den Weg des Verständnisses über Generationen hinweg. Sein spätes Selbstzeugnis eines geheimen privaten und dichterischen Ich als "großes Kind" formuliert diese Abgrenzung noch schärfer: das Privat-Kindlich-Familiäre sei seine Geschichte, nicht das Politisch-Weltliche.



Hugo Ernst Käufer

Deutscher Geschichtsaufsatz


Kaiser Wilhelm baute viele Schiffe,

die in der Nordsee Heringe fangen sollten,

weil die Engländer auch schon welche hatten.



Nach dem ersten Weltkrieg putschten Kommunisten

und Sozialisten in den Städten des Ruhrgebietes,

weil sie nicht gerne zur Arbeit gingen.


1933 mußten dann alle wieder

die Wirtschaft bekam jeder Kohlen und Geld.

die Jugend kam von de Straße, und der Krieg fing an.


Mitten im Krieg wollten die Leute am 20. Juli

Adolf Hitler umbringen, weil er immer schimpfte,

aber die Vorsehung rettete ihn noch einmal.


Gestern erzählte uns unser Lehrer vom Widerstand

unserer tapferen Soldaten gegen die Horden aus dem Osten

und daß sie immer Feldpostpakete bekommen hätten.


Nach dein letzten Krieg war Deutschland kaputt,

aber unser Lehrer sagte neulich: "Die Deutschen

waren um Auswege noch nie verlegen."


Jetzt haben wir einen Bundeskanzler in Bonn,

viele Soldaten in Andernach und anderen Städten.

und die Horden aus dem Osten drohen immer noch.


In sechs Jahren werden wir auch Soldat,

und der Lehrer ermahnt uns immer, wir sollen viel turnen,

damit wir starke Muskeln und Glieder kriegen. 22]


Aus einer verhetzten, konsequent kommunismusfeindlichen, zuweilen arg naiv-dumm wirkenden Schüler-Perspektive läßt Käufer (geb. 1927) geschichtsklitternde Daten aufzählen, die grotesk wirken und satirisch-kritisch verstanden werden sollen. Mit diesem Stil und dieser Intention ist Käufers Text ein typisches Produkt aus den Kampfzeiten zu Ende der Sechziger Jahre, als die Studentenrevolte viele Autoren zu Protestlyrik und Agitationsliteratur animierte.



Roman Ritter

Konfessionsschule 23]


ich bekenne

daß eine katholische 1

und eine evangelische 1

sich nicht zusammenzählen lassen

daß sich katholisches natriumchlorid

sich in lutherischem wasser nicht löst

daß die katholische befruchtung

gesegneter ist als die protestantische

und daß katholisches weiß

weißer ist als evangelisches Weiß


ich bekenne

daß in katholischer luft

eine andere fallgeschwindigkeit herrscht

als in reformierter luft

daß Franz von Assisi wichtiger ist

als die französische revolution

daß die tafel durch die kanzel

ersetzt werden muß

und daß nicht gelehrt

sondern gepredigt

nicht erklärt

sondern gebetet werden muß


ich bekenne

daß mit einem bibelspruch

eine ellipse konstruiert werden kann

daß unter dem zeichen des kreuzes

eine dampfmaschine besser funktioniert

daß alle Kinder

ein ebenbild gottes werden müssen

und daß der glaube bergc versetzt

und schüler


ich glaube

an die metaphysik eines integrals

an das römisch-katholische element

im schwefelwasserstoff

an die dreifaltigkeit der tulpen

und an die erbsünde der nilpferde


ich glaube

an den schlaf der gerechten

an den heiligen ungeist

an das kleine katholische null mal null

an das Wort der Herren

an die 4538 gebote

und an die auferstehung

des neandertalers

amen


Auch Roman Ritter, Jahrgang 1943, veröffentlichte in den 60er und 70er Jahre engagierte Texte, in denen er auch politisch-konservative Um- und Zustände radikaldemokratisch reagierte. Anlaß und Thematik seines Gedichtes "Konfessionsschule" müssen heute jüngeren Deutschen vermittelt werden, da sie unaufhaltsam zum Schrott der Geschichte wurden: Sein Glaubensbekenntnis propagiert in der satirisch gemeinten Pose des Ignoranten einen Wust von glaubensmäßig aufgepepptem Nonsens: natur- und geisteswissenschaftliche Fakten sind unerbittlich dem Glaubensdiktat unterworfen, sie können vom Leser als bigotte Vorurteile entlarvt werden. Produktive Phantasie wird für eine Denkschablone freigesetzt.



Günter Grass:

Schulpause 24]


Hat die Uhr sich verzählt?

Hat die Pause die Angst überlebt

und das Spiel auf den stillen Aborten?


Er trägt eine Brille über dem Mund: pronunciation.

Er birgt einen Zettel knapp überm Herzen:

seit gutdekliniertes Geheimnis.


Seltsam steht er im Hof,

mitten im Herbst:

die Konferenz löst sich auf.


Buchstaben fallen und Zahlen,

kleine vernünftige Sätze

aus den Kastanien und Linden über der Hypothenuse.


Meine arme kränkliche Mutter

- Herr Studienrat, üben sie Nachsicht -

stirbt, wenn die Pause vorbei ist.


Fettes Papier blüht im Hof.

Langsam nur weicht der Geruch

später vor Tobruk, bei Kursk,

am Volturno gefallner Primaner.



Günter Grass (* 1927), Moralwächtern unbeliebt, Politikern und Literaturfreunden als Lyriker verständlicher und beliebter denn als großräumiger Prosaiker, schreib die "Schulpause" 1961; das Gedicht gehört zu der Sammlung "Ausgefragt", in der G.G. familiäre, kulturelle und institutionelle Selbstverständlichkeiten der zu Ende gehenden (gegangen wordenen) Adenauer-Zeit befragte, in einer Diktion, die gleichzeitig groteske Phantasie und soziale Realität bindet in einer traumhaft intensiv-sensiblen Intention, die den Leser herausfordert, seine eigenen Erinnerungen und Gewohnheiten, sein Innenbild zu überprüfen.


*+ *+*+* +* 

Rainer Brambach: Schulhof

Zu Ende das Pausenspiel, vergessen

Der Ball im Winkel und

Der Platz still, als wär im Kastaniengeäst

Gelächter vernehmbar,

vogelschnell flatternd -


Noch immer Geranien vor den Fenstern,

aber längst verwischt

sind Herz und Schrift, verschollene Namen,

mit einer Scherbe geritzt

in den Verputz der Mauer. 25]

Die häufig lakonisch-knappen, auch ironisch unterkühlten, aber insgesamt assoziativ reichen und fast privat-intimen Kurzgedichte Brambachs - er lebte von 1917 bis 1983 - spiegeln menschliche Erfahrungen im Alltag, in der Begegnung mit Mitmenschen, gewöhnlichen Naturerscheinungen und in Auseinandersetzungen mit kulturellen Forderungen. Der Autor sucht Antworten, Trost (aber nicht vordergründigen), verständlich gemachte Freude und Trauer, z.B. aus dem Gespräch mit den angeblich toten Dingen, denen er zum lyrischen Weiterleben verhilft.



Dorothee Sölle:

Als sich eine schülerin das leben genommen hat


Ich habe es nicht gewußt

du hast es nicht gewußt

er es wir ihr sie

haben es nicht gewußt


Ich habe es nicht wissen können

ich habe es nicht wissen wollen

ich habe es nicht kommen sehen

ich habe es laufen lassen

ich habe es nicht aufhalten können


Ich habe auch nur zwei augen

ich habe auch nur zwei hände

ich habe auch nur ein telefon

ich kann nicht überall sein

ich bin nicht immer erreichbar


Ich glaube an christus sagt man

er hätte ihr helfen können sagt man

wenn ich du er sie es wir ihr sie

christus geworden sind

braucht man nicht mehr

sagt man zu sagen




Dorothee Sölle: Die zweifel des lehrers


In der phase der entmutigung

gehen die klassenkämpfe zurück

die ängste der menschen wachsen

einige frieden werden vermittelt

die völker sind nicht gefragt

welche art frieden sie wollen

die hoffnungen der opfer

wandern ab ins okkulte


In der phase der entmutigung

wächst meine sicherheit

immer unzerstörbarer

komme ich mir vor

daß der arme jesus die wahrheit bedeutet

den weg

ist mir zur zeit

kaum einen zweifel wert


In der zeit der ängste

singe ich wieder

in der zeit des unfriedens

wächst mein frieden


Aber wozu

wenn er nicht teilbar ist

wenn er nicht sichtbar wird

wenn man ihn nicht mit anderen essen kann

wenn die opfer nichts von ihm haben

was soll dieser reichtum


Wenn man ihn nicht lehren kann

ist es dann frieden

 * *

Dorothee Sölle:

[Von baum lernen]


Vom baum lernen

der jeden tag neu

sommers und winters

nichts erklärt

niemanden überzeugt

nichts herstellt


Einmal werden die bäume die lehrer sein

das wasser wird trinkbar

und das lob so leise

wie der wind an einem septembermorgen 26]


Dorothee Sölle ( * 1929) ist eine engagierte evangelische Theologin, die ein aktives Glaubensbekenntnis in praktizierter, sozial orientierter Nachfolge Christi nicht nur theoretisch-ideell, sondern auch poetisch belegen kann.

Ihre provozierenden Texte setzen die konkrete und gesellschaftliche Realität der Individuen in potenzierte, genau erkennbare, dichterische Fiktionalität um. Zu Zeiten, in denen kein Politiker mehr das Wort Klassenkampf in den Mund zu nehmen wagt, erinnert eine Theologie an ihn und seine religiöse Entgegnung, den Frieden der Wahrheit.


Hermann Hesse: Bericht des Schülers


Mein Lehrer liegt und schweigt schon manche Tage.

Oft weiß ich nicht, ob er mit Schmerzen ringe,

Ob mit Gedanken. Wenn ich etwas sage,

So hört er nicht. Doch wenn ich sitz und singe,

Lauscht er geschlossenen Auges wie entrückt,

Vielleicht ein Wissender des höchsten Grades,

Vielleicht ein Kind, von etwas Klang beglückt,

Doch stets der Regel treu des Mittlern Pfades.


Zuweilen regt er die erstarrte Hand,

Als hielte sie den Schreibestift und schriebe.

Dann wieder ist der Türe zugewandt

Sein Blick mit einer unsagbaren Liebe,

Als hör er Boten nahn auf Engelsflügeln

Und sähe Himmelspforten offen stehn

Oder auf seiner fernen Heimat Hügeln

Wie einst im Morgenhauch die Palmen wehn.


Oft ist mir bang, als sei ich krank statt seiner,

Als wär ich selber grau, erloschen, alt

Und jener dünnen Blätterschatten einer,

Wie sie der Morgen an die Mauer malt.


Doch er, der Meister, scheint von Wirklichkeit,

Von Sein, von Wesen ganz getränkt und trächtig.

Indes ich schwinde, wird er weltenweit

Und füllt die Himmel strahlend und allmächtig. 27]


Hermann Hesse (1877-1962): Hesses Werk ist über die verschiedenen literarischen Epochen und Kunststile hinweg erstaunlich einheitlich, ohne modische Schwankungen und für junge und alte Leser interessant und lebensnah geblieben. Auch das hier abgedruckte Gedicht geht im Kern von einem Lebensprozeß einem, psychologischen Verhältnis eines Schülers zu seinem Meister, seinem Lehrer, aus, durch das eine Reifung, eine Selbsterkenntnis möglich wird. Daß hier auf diesem Weg nach Innen, ins eigene Ich, die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Umwelt und des Lebens unscharf bleiben und Randerscheinungen werden, liegt an dem enormen Konzentrationsprozeß, der die Annäherung an ein entrücktes Vorbild in diesem quasi-religiösen Sinn mit sich bringt. Für Hesse wurde aber ein solcher, subjektiver Weg der Innenbetrachtung und Ego-Behandlung immer wieder vom konkreten Engagement für gesellschaftliche Fragen oder politischen Impulsen ergänzt. So zum Beispiel 1914, als er als "Künstler an die Krieger" schrieb: "Nie begehr ich ein Gewehr zu tragen..." - in einer Zeit, als so viele andere Autoren nationalistisch begeistert in das erste kollektive Völkermorden der Neuzeit zogen und sich dann häufig ins Religiöse zurück-zogen.

Für das Thema Schule ist Hesses Roman "Unter dem Rad" exemplarisch. Er verließ die Schule, die ihn zu ersticken drohte; seine Eltern schickten ihn in eine Landesheilanstalt. Von dieser Affäre gibt es ein Dokument, das mit hohe Achtung abnötigt. Das Schreiben der Rektors an Vater Hesse.

Vergleichen Sie es einmal mit dem Entlassungschreiben, das der "verworfene" Schüler Robert Steinhäuser von der Direktorin des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums erhielt; und das er verschwieg:


Sehr geehrter Robert Steinhäuser,

hiermit beende ich das mit ihnen bestehende Schulverhältnis auf der Grundlage des Thüringer Schulgesetzes entsprechend der durch sie zu vertretenden Gründe mit Wirkung des heutigen Datums. (...)

Zur Klärung dieser persönlichen Angelegenheit beurlaube ich Sie von der Teilnahme am Unterricht bis einschließlich 09.10.2001.


Mit freundlichen Grüßen

(Unterschrift)

Schuldirektorin Ch. Alt

Schulleiterin


*

Kurt Tucholsky: Die Schule 28]

Wer die Schule hat, hat das Land.

Aber wer hat die bei uns in der Hand!


Du hörst schon von weitem die Schüler schnarchen.

Da sitzen noch immer die alten Scholarchen,

die alten Pauker mit blinden Brillen,

sie bändigen und töten den Schülerwillen.

Und lesen noch immer die alte Fibel

und lehren noch immer den alten Stiebel:


Wie in alten Zeiten die wichtigen Schlachten

die großen Völkerentscheidungen brachten,

wie die Fürsten und die Söldnerlanzen

den großen blutigen Contre tanzen,

und ohne die heilige Monarchie

sei die Hölle auf Erden - und schließlich,

wie die Völker nur eigentlich Statisten seien.

Man müßte ihnen die Dumpfheit verzeihen.

Könnten eben nichts weiter dafür ...


Und sie lernen vom Kupfercyanür.

Und von den braven Kohlehydraten.

Und von den beiden Coordinaten.

Und von der Verbindung mit dem Chrome.


Lernen auch allerhand fremde Idiome.

Ut regiert den Konjunktiv.

Polichinelle ist ein Diminutiv.

Und was so dergleichen an Stoff und an Wissen.


Himmelherrgott! ist die Schule beschmissen!

Seelenmord und Seelenraub!

Unter die Kruste von grauem Staub

drang auch kein Luftzug der neuen Zeit.

Der alte Schulrat im alten Kleid.

Wundert euch nicht! Was kommt aus dem Haus

schließlich nach Oberprima heraus?


Ein nationalistischer langer Lümmel.

Gut genug für den Ämterschimmel.

Gut genug für die alten Karrieren -

ls ob die heute noch notwendig wären!


Türen auf und Fenster auf!

Lege deine Hand darauf,

lieber Herr Haenisch, und zeige den Jungen,

wie die alten Griechen sungen -

aber ohne die Philologie

und ohne die Kriegervereinsmelodie!


Wer die Jugend hat, hat das Land.

Unsre Kinder wachsen uns aus der Hand.

Und eh wir uns recht umgesehn,

im Handumdrehn,

sind durch die Schulen im Süden und Norden

aus ihnen rechte Spießbürger worden.

*

Kurt Tucholsky:

Die Herren Eltern 29]


Ist ein Schullehrer Pazifist und sagt,

wie es in Wahrheit im Kriege ist -:

daß Generale Kriegsinteressenten sind,

ganz gleich, wer verliert; ganz gleich, wer gewinnt ...

dann   sollte man meinen - freun sich die Eltern für ihr Kind?

Jawoll!


Dann erhebt sich ein ungeheures Elterngeschrei:

«Raus mit dem Kerl! Das ist Giftmischerei!

Unser Junge soll lernen, wie schön die Kriege sind!

Wir warten schon drauf, wann wieder ein neuer beginnt -

und dazu liefern wir gratis und franko 1 Kind!

Jawoll!»


Die Elternbegeisterung ist ganz enorm.

Die Mütter: aus Liebe zur Uniform.

Die Väter, die Lieferanten für den Schützengraben,

denken: warum sollen denn diese Knaben

es besser als unsereiner haben?

Nicht wahr?


Die Fabrikation eines Kindes ist nicht sehr teuer.


Aber erhöh mal ein bißchen die Umsatzsteuer -:

dann kreischen die Herren Eltern, daß der Ziegel vom Dache fällt.

Man trennt sich leicht vom Kind.

Aber schwer vom Geld.

Bekommt das Kind einen Bauchschuß? Das macht ihnen keine Schmerzen.

Doch ihr Geld - das lieben die Herren Eltern von Herzen.

Jawoll!


Mitleid mit den Opfern, die da fallen für Petroleum, für Fahnen,

für Gold -?

Die Herren Eltern haben es so gewollt.

*

Kurt Tucholsky: Religionsunterricht 30]


Berliner Pastöre und Zentrumsherren

durchziehen die Straßen und plärren Choräle.


Denn die revolutionären Affen

wollen die Schulreligion abschaffen.


Wer garantiert nun der gutgläubigen Jugend

die garantiert echte christliche Tugend?


Denn was da geht in ein christlich Ohr,

fürs ganze Leben hält das vor.


Wer lehrt nun die Kleinen nach diesem Krieg

die Sätze der praktischen Metaphysik?


Als da sind: Du sollst nicht töten!

Außer, wenn die Fahne in Nöten.


Diese weisen Lehren - wie Paulus uralt ...

Und was macht, nebenbei, das Pastorengehalt?


Das Pastorengehalt - Herr Gott in Gnaden!

wolle doch die Sünder zur Hölle laden!


Sieh, der Bürger zieht ein Gesicht.

Gegen den Priester? Er traut sich nicht.


Er gedenkt seiner Jugend und wird wieder kindlich.

Gegen den Priester? Er ist plötzlich empfindlich.


Kluge Gesichter lächeln in Rom:

Deutschland war stets ein einziger Dom.


Die Herren von der Konkurrenzfakultät

tun mit, weil's um dem Gelde geht.


Friede, ihr Fakultäten, auf Erden!

Es wird mit dem Umsturz so schlimm nicht werden.


Man kann sich ja euer gar nicht entwöhnen!

Und paßt mal auf: meinen Herren Söhnen

werden im Schulunterricht wieder ertönen

Choräle!

Kurt Tucholsky, ein Rechts-, ein Kultur- und ein Sprachfachmann seiner Zeit - also unserer Weimarer Zeit - hat schon seit seinen ersten Veröffentlichungen im und direkt nach dem ersten Weltkrieg die kulturellen, religiösen, gesellschaftlichen ud militärischen Machtmechanismen seiner Zeit reflektiert und wollte sie in einem parteiungebundenen Sinne demokratisch und progressiv verändernd entwickeln helfen. Dieser in der "Weltbühne" vom 24.7.1919 zuerst erschienene Text beurteilt das allgemeine Schulphänomen "Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir" mit einer speziellen, für uns Nachgeborene erstaunlichen Diagnose: Die Schule der Weimarer Zeit war, trotz einzelner politischer und reformpädagogischer Ansätze, nicht in der Lage, demokratische, der eigenen Individualität und dem freiheitlichen Staat verantwortlich verpflichtete Bürger zu erziehen.

Anmerkungen:

Contre oder Konter = schneller Gegenangriff

Kupfercyanür; Zyan = Kohlenstoff- und Stickstoffverbindung

Polichinelle = Pulcinella (Hanswurst in der italienischen Komödie)


*


Emmanuel Geibel:

Der Herr Professor


Es steht auf seinem Katheder

Der Hofrat und doziert,

Der Meister, der mit Ruhme

Hebraika traktiert.

Rings lauschen die Studenten

Andächtig, wie er spricht;

Da stutzt er, und bedenklich

Umwölkt sich sein Gesicht.


»Hier steht ein Aleph«, ruft er,

»Was will das Aleph hier?

Wo kommt es her? Vergebens

Den Kopf zerbrech ich mir.«

Mit neunundzwanzig Gründen

Darauf beweist er scharf,

Daß hier bei Leib und Leben

Kein Aleph stehen darf.


»Und wer den Text verballhornt«,

Beschließt er indigniert,

»Hätt' besser Schafe gehütet

Als Habakuk ediert.«

Er schlägt aufs Buche mit Zorne,

Da springt das Aleph weg,

Was ihn so sehr verdrossen,

War nur   ein Fliegendreck. 31]



Emmanuel Geibel (1815-1884) hat neben rein idealistischen, auf das zeitgebundene Schöne allgemein und gegen politische Lyrik gerichtete Gedichte nur wenig eigene poetische Akzente gesetzt, die ihn als epigonale Figur überlebt hätten. Sein "Herr Professor", das ein wenig an Wilhelm- Busch-Texte erinnert, hat überdauert durch seinen Witz. Den fleißigen, hochgelehrten Professor stört in seiner hebräischen Ausgabe des Habakuk, des Prophetenbuches des Alten Testaments, das vermeintlich falsch gesetzte Aleph-Zeichen, bis ihn der Zorn, der gerechte, packt...



Adolf Gampe:

Gewissensnöte


Der Franzl in der Schule hört, wie in ernstem Ton

Der Pfarrer vom Gewissen spricht im Fache Religion.

Dies Thema packt ihn mächtig, weil es ihm sehr vertraut,

Weil er aus Nachbars Garten mal Kirschen hat geklaut.


Herr Pfarrer schließt die Stunde und mahnt: „Wie ihr jetzt wißt,

Ein ruhig, rein Gewissen ein Schutz vor Unheil ist.

Beherziget das immer und denket stets daran,

Damit im ganzen Leben euch nichts passieren kann."


Noch in der großen Pause denkt Franzl an dies Wort,

Begibt sich, wie es üblich, dann auf den Schulabort.

Dort sind die ältren Knaben grad bei der Wasserschlacht,

Die dem Hausmeister Müller so großen Ärger macht.


"Er kommt!" warnt jetzt die Bande ein schriller Wächterschrei.

Und tatsächlich - Herr Müller eilt ahnungsvoll herbei.

Gekonnt stieben die Großen vom Schauplatz ihrer Tat;

Zurück bleibt nur der Franzl, vertraut auf Pfarrers Rat.


Herr Müller sieht die Lachen, Zorn färbt sein Angesicht,

Doch Franzls rein Gewissen, das sieht er leider nicht.

Er haut ihm eine runter, schimpft ihn noch aus sogar,

Obwohl Franz an der Sintflut gar nicht beteiligt war.


Der heult noch herzerweichend, als sie vom Schulhof gehn,

Kann aber seinen Freunden aufschluchzend jetzt gestehn:

"Was heut der Pfarrer sagte, das war vielleicht ein Mist!

Weil man mit dem Gewissen ganz schön beschissen ist." 32]



Der mir unbekannte, hier nur aus der Sekundärliteratur zitierte Autor versucht in mühevoller, stolpriger Rhythmik und bescheidener Reimtechnik ein Beispiel zu geben für die besonders in den 50er Jahren von kirchlicher Gewissensver-bildung tyrannisierte Jugend und einen kleinen Befreiungsversuch aufgrund eines Nachteils, den ein netter, freundlicher Jungen von einem Hausmeister erfährt. Auch die Schulfigur des strafenden und rücksichtslosen Herrn Müller dürfte zeitgebundene Repräsentanz beanspruchen.



Erich Kästner:

Ein Quartaner denkt beim Anblick des Lehrers


So, so. Sie wollen mich nachsitzen lassen.

Weil ich in Französisch gemogelt habe.

Das glaub ich. Das könnte Ihnen so passen.

Als wär ich ein ganz gewöhnlicher Knabe.


Ich möchte nur wissen, wofür Sie sich halten.

Sie werden schon, wenn wir Sie auslachen, rot.

Sie trauriger Mond ohne Bügelfalten!

Sie haben ja nicht mal Wurst auf dem Brot.


Sie sollten mal donnerstags bei uns sein.

In Ihrem Frack, der so komisch gebaut ist.

Da stünden Sie dann in der Villa allein,

in der es donnerstags immer so laut ist.


Da sind Minister bei meinen Eltern.

Und seidne Frauen und Direktoren.

Mit riesigen Autos und Riesengehältern.

Da wärn Sie, samt Ihrer Bildung, verloren.


Noch unser Schofför ist feiner als Sie.

Und Sie, Sie wollen mir was befehlen?

In Groß-Grünau auf der Klassenpartie

sah ich Sie heimlich die Groschen zählen.


Sie fahren morgens im Autobus.

Sie wohnen in Untermiete bei Blaus.

Der Seidelbast, der's genau wissen muß,

sagt, es sei ein scheußliches Haus.


Glauben Sie nicht, weil Sie Plato lesen,

daß uns das irgendwie imponiert.

Ihre Frau ist Stenotypistin gewesen.

Der Onkel von Harms hat mit ihr poussiert.


Ich sitze nicht nach! Nicht morgen, nicht heute.

Ich sag's meinem Vater. Der sagt's Rektor Schneider.

Mein Alter ist Herr über zwotausend Leute

Ich huste auf Sie, Sie Hungerleider. 33]


*


Erich Kästner:

Klagen eines Oberlehrers


Frau! Komm herbei! Ich muß dir etwas sagen.

Mach hurtig, Jenny! Weshalb zögerst du?

Beim Styx! Ich kann das Warten nicht vertragen.

Nimm Platz! Asseyez vous!


»Frau Doktor« nennen dich die Nachbarsfraun.

Mein Titel ehrt. Sie ehren dich durch ihn.

Doch wisse: Budapest hat einem Clown

den Doktorgrad verliehn.


Hat man deshalb Descartes und Kant getrieben

und deshalb in Examensangst geschlottert?

Hat man vielleicht deshalb das Buch geschrieben:

»Hat Heinrich Kleist gestottert?«


Man hat in toten Sprachen konjugiert.

Man mußte das Examen zweimal machen ...

Nun wird ein dummer August promoviert!

Eheu, es ist zum Lachen.


Zu eines Johann Wolfgang Goethes Tagen,

da hätte es dergleichen nicht gegeben.

Und was wird Rektor Hartleib dazu sagen?

Wird er das überleben?


Aus Feldmarschällen machte man Doctores.

Wohlan, sie hatten sich für uns geschlagen!

Doch Dr. Grock? O tempora, o mores!

wie wir Lateiner sagen.


Er hat den Ruhm, der Grock. Er hat die Mittel.

Doch uns, o Weib, ging alles in die Brüche.

Wir haben nichts. Wir hatten einen Titel ...

Geh wieder in die Küche! 34



Erich Kästner (1899-1974)


Der schon seit den politischen und literarischen Unglückszeiten der Weimarer Republik bekannte satirische Autor und spätere Kinderbuchschreiber benutzte schon früh für seine Gebrauchslyrik Stilmittel wie die saloppe Umgangssprache, modische Schlagwörter, Gefühle als Alltagsschablone mit dezidiert aufklärerischer Wirkung. Die oft überraschende Perspektive, die das Gewohnte neu darstellt, ist in diesem Fall die Sicht eines Kindes, eines Quartaners auf der alten Standesschule; heute wäre er Schüler der Jahrgangsstufe 7.

Der Junge stellt sich dar als Vertreter einer politisch-gesellschaftlichen Frechheit, um den Lehrer zu düpieren und die wirtschaftliche Macht des reichen Vaters ausspielt. Daß der Lehrer als "Hungerleider" apostrophiert werden konnte, ist allerdings ein entscheidender Unterschied zu heutigen Schulszenen. Auch spielt sich heutzutage gesellschaftliche Einflußnahme versteckter ab als in Kästners Schulbeispiel, egal ob wir sie uns zur glorreichen Zeit Kaiser Wilhelms vorstellen oder als Gymnasium der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. *

(Entnommen: H.- D. Hornschuh: Humor rund um Lehrer und Schüler. München: Manz Verlag 1986. S. 92f.)


Erich Kästner:

Pädagogik spaßeshalber

(Ein altes Kinderspiel, renoviert)


Das größte Kind muß an die Tafel schreiben.

Und dauernd ernst sein. Und den Lehrer machen.

Die andern Kinder dürfen Kinder bleiben.

Und sollen nur, wenn er's verbietet, lachen.


Dann gibt das große Kind zunächst den Kleinen

ein schwieriges Diktat. Mit Das und Daß.

Die Mädchen müssen, wenn sie können, weinen.

Sonst machen sie die Hefte anders naß.


Dann folgt ein Ausflug. Über Perserbrücken.

Rund um den Tisch. Mit Rucksack und Gesang.

Und in den Vasen kann man Blumen pflücken.

Und wandert dreißigmal die Wand entlang.


Die Teppiche sind selbstverständlich Wiesen.

Hier wird gefrühstückt; und hier ruht man aus,

indes im Bad die Wasserfälle fließen.

Dann wandert man, rund um den Tisch, nach Haus.


Am schönsten ist natürlich das Examen.

Da hat der Lehrer einen Gehrock an

und fragt nach Wilhelm Tell und Städtenamen.

Und ob der Artur wohl den Handstand kann.


Dann gibt's Zensuren. Karl und Gustav schwitzen.

Doch Gustav blieb in diesem Jahr verschont.

Nur Karl der Faule bleibt schon wieder sitzen.

Und sagt ganz laut: "Das bin ich nun gewohnt."


Und dann sind Ferien. Und alle lachen.

Das große Kind zieht flugs den Gehrock aus

Und hängt ihn in den Schrank, zu Vaters Sachen.

Denn: Vater kommt um diese Zeit nach Haus. 35]



Erich Kästner:

Primaner in Uniform


Der Rektor trat, zum Abendbrot,

bekümmert in den Saal.

Der Klassenbruder Kern sei tot.

Das war das erste Mal.


Wir saßen bis zur Nacht im Park

und dachten lange nach.

Kurt Kern, gefallen bei Langemarck,

saß zwischen uns und sprach.


Dann lasen wir wieder Daudet und Vergil

und wurden zu Ostern versetzt.

Dann sagte man uns, daß Heimbold fiel.

Und Rochlitz sei schwer verletzt.


Herr Rektor Jobst war Theolog

für Gott und Vaterland.

Und jedem, der in den Weltkrieg zog,

gab er zuvor die Hand.


Kerns Mutter machte ihm Besuch.

Sie ging vor Kummer krumm.

Und weinte in ihr Taschentuch

vorm Lehrerkollegium.


Der Rochlitz starb im Lazarett.

Und wir begruben ihn dann.

Im Klassenzimmer hing ein Brett

mit den Namen der Toten daran.


Wir saßen oft im Park am Zaun.

Nie wurde mehr gespaßt.

Inzwischen fiel der kleine Braun.

Und Koßmann wurde vergast.


Der Rektor dankte Gott pro Sieg.

Die Lehrer trieben Latein.

Wir hatten Angst vor diesem Krieg.

Und dann zog man uns ein.


Wir hatten Angst. Und hofften gar,

es spräche einer Halt!

Wir waren damals achtzehn Jahr,

und das ist nicht sehr alt.


Wir dachten an Rochlitz, Braun und Kern.

Der Rektor wünschte uns Glück.

Und blieb mit Gott und den andern Herrn

gefaßt in der Heimat zurück.


Anmerkung: Noch heute erinnern sie sich, dabei ihre Pensionen verzehrend, gerne der großen Zeit. 36]


*


Erich Kästner:

Klassenzusammenkunft


Sie trafen sich, wie ehemals,

im 1. Stock des Kneiplokals.

Und waren zehn Jahr älter.

Sie tranken Bier. (Und machten Hupp!)

Und wirkten wie ein Kegelklub.

Und nannten die Gehälter.


Sie saßen da, die Beine breit,

und sprachen von der Jugendzeit

wie Wilde vom Theater.

Sie hatten, wo man hinsah, Bauch,

und Ehefrau'n hatten sie auch,

und Fünfe waren Vater.


Sie tranken rüstig Glas auf Glas

und hatten Köpfe bloß aus Spaß

und nur zum Hütetragen.

Sie waren laut und waren wohl

aus einem Guß, doch innen hohl,

und hatten nichts zu sagen.


Sie lobten schließlich, haargenau,

die Körperformen ihrer Frau,

den Busen und dergleichen ...

Erst dreißig Jahr, und schon zu spät!

Sie saßen breit und aufgebläht

wie nicht ganz tote Leichen.


Da, gegen Schluß, erhob sich wer

und sagte kurzerhand, daß er

genug von ihnen hätte.

Er wünsche ihnen sehr viel Bart

und hundert Kinder ihrer Art

und gehe jetzt zu Bette.


Den andern war es nicht ganz klar,

warum der Kerl gegangen war.

Sie strichen seinen Namen.

Und machten einen Ausflug aus.

Für Sonntag früh. Ins Jägerhaus.

Doch dieses Mal mit Damen. 37]


Das Gedicht, in der Familie, auf Kinderfesten oder im Unterricht geschickt eingesetzt, ergibt motivationsstarke, unterhaltsame Stündchen eines pädagogischen Rollenspiels und, selten genug, eine erfreuliche Diskussionsstunde und eine kleine Aufführung (auch z. B. für Klassen- oder Elternabende) ab. Das vergnügliche Gedicht setzt Kreativität bei SchülerInnen frei, so daß fast ohne Steuerung durch den Lehrer ein Spiel sich vorbereiten und inszenieren läßt.

Denkbar sind eine pantomimische Szene während der Vortrags durch eine/n besonders gute Schüler/in. Noch reizvoller für eine Klasse ist das Schreiben eines eigenen Theaterstücks nach dieser Vorlage; für die einzelnen gezeigten Stunden können eigene Darstellungsideen und immer wieder andere Schüler spielen, so daß sich nicht nur eine Paraderolle wie in der Textvorgabe für das "größte Kind" ergibt. Im Gedicht, typisch für den ernsten Humoristen Kästner, bricht das Spiel zu dem Zeitpunkt ab, an dem der Junge als Spielleiter die Rückkehr seines Vaters erwartet. Satire ex negativo.

Die soziale Realität, rollenspezifische Ausprägung in seinem Elternhause ist noch nicht so weit entwickelt, daß die Kinder einem Vater oder ihren Vätern vorzuspielen sich getrauen. Warum nur bleibt die Mutter unerwähnt? Weiß sie vom Spiel?


Nein, der Autor ist kein Haus- und Hofschreiber, den der Ex-Ministerpräsident von Niedersachsen zu seinem privaten Vergnügen eingestellt hätte - in der Absicht, die faulen Säcke über Vers und Reim aufs Korn nehmen möchte...

Nein, Erich Kästners Kritik an den Lehrern 1930, der er eine noch schärfere nachreichte:


Auf geht’s’s: Der Stil-, Politik- Erziehungsschlacht, pardon: des Schlagens erster Teil:


Erich Kästner

Von faulen Lehrern


Zu lernen ist schwer. Zu lehren noch schwerer.

Mir ist diese Thema gut bekannt.

Ich kenne den deutschen Volksschullehrer

aus erster Hand.


Ich weiß, daß er sich die ersten zehn Jahre

mit hohen Idealen balgt.

Dann aber läßt seine Seele Haare

Und er verkalkt.


Nun trabt er auf tänzelnden Steckenpferden

zur Altersgrenze und läßt sich Zeit.

(Ich sollte selbst mal Lehrer werden

und weiß Bescheid.)


Ein jeder spezialisierte sich. Nämlich:

Der erste sucht Berge, die er besteigt;

der zweite frißt sich langsam dämlich;

der dritte geigt.


Der vierte betreibt Familiengeschichte.

Der fünfte hockt ständig vorm Hühnerstalle.

Nur in der Schule, beim Unterrichte,

da gähnen sie alle.


Sie wurden, das Volk zu erziehen, berufen!

Nun stehn sie herum und marschieren am Ort.

Und nur auf ihres Gehaltes Stufen

schreiten sie fort.


Einst hungerten sie nach geistiger Nahrung

und wahren Freunde gepflegten Lateins.

Jetzt sind sie verstopft mit Paukererfahrung

und Einmaleins.


Sie könnten für Deutschland Größeres leisten

als Leute mit Namen und großem Maul.

Sie könnten. Sie sollten! Aber die meisten

von ihnen sind faul.


(Zuerst in: „Jugend. Nr. 26. 1930. S. 567)


Damals - 1930? Da wurde protestiert, Aabos abbestellt - und ein Redakteur ließ sich erpressen, den Kästner erst mal aufs Eis zu legen...

Der ließ eine weitere gekonnte Sottise drucken, anderswo, nachdem die kritisierten Lehrer bei der Redaktion der „Jugend“ böse Leserbriefe abluden und Kündigungen abließen: Die Antwort wurde aber nicht gedruckt. Die Reaktion, äh, Redaktion hatte Angst...!!



Erich Kästner

An die beleidigten Lehrer


Die Lehrerschaft hat erklärt:

Kästner hat uns beleidigt.“

Es wird Zeit, daß sie erfährt,

wie Kästner sich verteidigt.


Er läßt euch hierdurch sagen:

ihr brachtet den Kindern zwar bei,

nach dem Akkusativ zu fragen

und was eine Gleichung sei.


Aber er hatte sich mehr erträumt!

Er sah eure höhere Pflicht.

Diese habt ihr versäumt.

Diese tatet ihr nicht!


Zwölf Jahre, behauptet er,

vergingen seit dem Krieg.

Zwölf Jahre sind es her,

seit er euch liebte und schwieg.


Jetzt steht er von euch entfernt.

Sein herz wurde immer schwerer.

Das Volk hat nichts gelernt.

Und ihr wart des Volkes Lehrer!


Ihr fandet nur dafür zeit,

das Einmaleins zu lehren.

Nun sind sie wieder soweit

und spielen mit Schießgewehren.


Sie saßen in euren Klassen.

Sie waren in eurer Hut.

Nun wollen sie wieder hassen.

Nun wollen sie wieder Blut.


So habt ihr Deutschland erzogen!

Und da stellt ihr euch hin und sprecht:

Kästner, der Kerl hat gelogen.“

Nein, der Kerl hat recht! 38]


*


Mascha Kaléko:

Interview mit mir selbst

Anno Zwounddreißig


Ich bin als Emigrantenkind geboren

In einer kleinen, klatschbeflissnen Stadt,

Die eine Kirche, zwei bis drei Doktoren

Und eine große Irrenanstalt hat.


Mein meistgesprochnes Wort als Kind war "Nein".

Ich war kein einwandfreies Mutterglück.

Und denke ich an jene Zeit zurück  

Ich möchte nicht mein Kind gewesen sein.


Im Ersten Weltkrieg kam ich in die achte

Gemeindeschule zu Herrn Rektor May.

Ich war schon sechs, als ich noch immer dachte,

Daß, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei.


Zwei Oberlehrer fanden mich begabt,

Weshalb sie mich, zwecks Bildung, bald entfernten.

Doch was wir auf der Hohen Schule lernten,

Ein Volk "Die Arier" ham wir nicht gehabt.


Beim Abgang sprach der Lehrer von den Nöten

Der Jugend und vom ethischen Niveau.

Es hieß, wir sollten jetzt ins Leben treten.

Ich aber leider trat nur ins Büro.


Acht Stunden bin ich dienstlich angestellt

Und tue eine schlechtbezahlte Pflicht.

Am Abend schreib ich manchmal ein Gedicht.

Mein Vater meint, das habe noch gefehlt.


Bei schönem Wetter reise ich ein Stück

Per Bleistift auf der bunten Länderkarte.

An stillen Regentagen aber warte

Ich manchmal auf das sogenannte Glück.



Post Scriptum

Anno Fünfundvierzig


Inzwischen bin ich viel zu viel gereist,

Zu Bahn, zu Schiff, bis über den Atlantik.

Doch was mich trieb, war nicht Entdeckergeist,

Und was ich suchte, keineswegs Romantik.


Das war einmal. In einem andern Leben.

Doch unterdessen, wie die Zeit verrinnt,

Hat sich auch biographisch was ergeben:

Nun hab ich selbst ein Emigrantenkind.


Das lernt das Wörtchen "alien" buchstabieren

Und spricht zur Mutter: "Don't speak German, dear."

Muß knapp acht Jahr alt Diskussionen führen,

Daß er "allright" ist, wenn auch nicht von hier.


Grad wie das Flüchtlingskind beim Rektor May!

Wenn ich mir dies Dacapo so betrachte ...

Er denkt, was ich in seinem Alter dachte.

Daß, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei. 39]


*

Mascha Kaléko:

Aus einem Familien-Album

"Der erste Schulgang"


Der Kindheit Süße geht nun rasch zur Neige,

Und obiges Photo ist ihr letzter Rest.

Auf daß sich dieses hier 'symbolisch' zeige,

Hält er die Zuckertüte bang gepreßt.


Der erste 'Kieler' (blaugestreifte Hosen)

Wird bald mit Tintenklecksen eingeweiht.

Der Photograph hat für den Schul Matrosen

Saisongemäß das schwarze Schild bereit:

'Mein erster Schulgang'. Doch die Kindermähne

Ist kurz gestutzt trotz mancher Tantenträne.

- Papa war gegen solche Lockenwildnis.

Er wählt' zum Hintergrund die Springfontäne.

Dekorativ umrahmt sie dieses Bildnis.


Und eingehüllt in solches Panorama

Betritt der Knabe nun der Schulzeit Drama. 40]

*


Mascha Kaléko

Schulausflug


Des Morgens versammelt sich aller, um acht­:

Die Kinder mit Rucksack und Milchkaffeeflaschen,

Herr Borchardt in Loden und Wickelgamaschen,

Das Pensum des Tags wohldurchdacht.


Vom Bahnhof aus wandelt man stumm;

Folgt Chorgesang: "Komm lieber Mai ..."

Nebst Meldung, daß Wandern des Müllers Lust sei,

Ans staunende Publikum.


Jetzt lehrt der Herr Borchardt Natur

An Staubfäden sämtlicher Größen und Stärken.

Das muß man sich dann für den Schulaufsatz merken,

A conto Zensur.


Danach wird im Walde gespielt,

Worauf sich die Kinder 'recht freundlich' gruppieren,

Denn jetzt kommt der Hauptspaß: das Fotografieren

Fürs Klassenbild.


Im Gänsemarsch kehrt man zurück  

"Wir haben im Waldschlößchen Frühstück gegessen",

"Und ich habe nur bei Herrn Borchardt gesessen ..."  

Das ist das Glück.


Mascha Kaléko

In memoriam Emmerich Krause +


Wer hätte das gedacht vom Lehrer Krause!

Nun hat er sich tatsächlich umgebracht.

Der gute Kerl. Er hat so gern gelacht.

  Ich seh im Schulhof ihn zur großen Pause


Vergnügt das dicke Käsebrot verzehren

Und O Bein schlenkernd gehn. Sein Zeigefinger droht,

Weil Narrenhände Tisch und Wand beschmiern. Nun ist er tot

Und kann auch nicht mehr Kunstgeschichte lehren.


Wer hätte es von Krause je geglaubt,

Daß er sich, statt mit Heftekorrigieren,

Befaßt' verderblich mit Philosophieren.

  Was ihm zuletzt auch den Verstand geraubt.


Es sind nach ihm jetzt trauernd hinterblieben:

Ein Gips Apoll, ein seltenes Herbarium,

Kein Geld, sowie ein Goldfisch nebst Aquarium,

Ein Tagebuch in Samt. Drin steht geschrieben:


"Oft bin ich nur per Zufall aufgewacht.

Und mußte aus Versehen weiterleben.

Mir geht sogar das Sterben daneben.

Und ich hatte es mir so einfach gedacht."


Wir Schüler standen um sein Grab erschüttert.

Ergriffen sprach sogar der Schul Dekan.

Doch als die Pauker sich den Sarg besahn,

Da dachte das Kollegium verbittert:


"An Menschen solcher Art ist kein Bedarf.

  Wenn einer seinem Schicksal fristlos kündigt,

Das heißt soviel: daß er sich schwer versündigt

Weil man ja nur auf Raten sterben darf ... 41]


*


Günter Kunert: Nahost oder: Fern im Okzident 42]



Günter Kunert: Geschichte II 43]




Georg von der Vring:

Schule


Das grau und rauhe Gebäude

Ist gegen den Abend leer,

Von Pausenlärm und Geläute

Tönt hier kein Echo mehr.


Beregnete Fliederbüsche,

Schon blau im Knospenflor,

Heben aus jeder Nische

Sich bis zum Dachsims empor.


Schule   steht dort zu lesen;

Acht Fenster im späten Licht

Zeigen, die Haken in Ösen,

Einander ihr Scheibengesicht.


Alljährlich wird hier der Flieder

Bei leiser, bei lärmender Zeit

Vor der Fensterflucht wieder

Gezeigt und wieder verstreut. 44]



Herrmann Mostar:

DIE FABEL VON DER INTELLIGENZ


Der Schüler sprach zum Herrn Professer:

"Die Welt wird dummer und nicht besser;


Warum bestimmen einst und heute

Nicht endlich die gescheiten Leute?«


Der Meister blickte auf vorn Skattisch:

»Beweisbar ist rein mathematisch,


Daß diese Welt nicht heilbar ist,

 Weil die Gescheitheit teilbar ist!«


Den Schüler machte es nicht schlauer  

So ward der Meister denn genauer 


 In dir als Individuum steckt

Ein großes Quantum Intellekt,


Wovon du aber, so du liebst,

Der Trauten schon die Hälfte gibst;


Bald kommt ein Kind, es braucht sein Drittel,

Dein Intellekt ist nur noch mittel.


Du trittst in irgend etwas ein,

In Klub. Verband. Gesangverein


Und hast, die Kurve senkt sich steil,

doch bestenfalls ein Hundertteil.


Als Bürger mußt du dich bequemen,

Zu wählen und Partei zunehmen:


So wird, dies ist die Konsequenz,

Dein Quantum an Intelligenz,


Falls deine Richtung triumphiert,

Durch sechs Millionen dividiert.


Und eines weißt du auch, mein Sohn:

Das Heiligste ist die Nation;


Du teilst dein Hirn, statt es zu schonen,

Durch runde sechzig Millionen.


Doch auch die Menschheit lechzt nach Führung

Du bist für eine Weltregierung:


Hier wird, und klingt's auch tragikomisch,

Dein Klugheitsbruchteil astronomisch!"


Der Schüler sprach als wie von Sinnen:

»Das Weltspiel - wie ist's zu gewinnen?«


Der Meister sprach: "Ein Mann der Tat

Spielt halt nur mit sich selber Skat!"


Der Schüler fand, daß dies, o wehe,

Teils nichts verändre, teils nicht gehe;


Doch darauf sprach der Meister schlicht.

"Es ändert nichts, es geht auch nicht;


Ich sagt' es ja: wir sind unheilbar      

Denn die Intelligenz ist teilbar!" 45]


Herrmann Mostar (eigentlich, d.h. bürgerlich: Gerhart Herrmann) findet man nicht in Literaturgeschichten oder Lesebüchern, wohl aber in Buchhandlungen, und zwar in den Ecke Humor, wo der interessierte Leser manchmal durchaus Entdeckungen machen kann. Ist doch in deutschen Schullesebüchern das Kapital Humor selten überzeugend gestaltet. Seine Epistel von der Intelligenz vertritt eine überzeugende These, ist jedoch gleichzeitig von einer pessimistisch-einschränkenden Grundhaltung, die eine menschliche oder politische Weiterentwicklung mit Hilfe der Vernunft aufgrund der aufgezeigten, angeblich gesetzmäßigen Intelligenzproblematik auszuschließen scheint: Ein Humorist als Vertreter einer konservativen, statischen Rechtfertigungslehre; Propagandist des eigenen besseren Selbst, des Scheinnachweises der Überlegenheit, des angeblich intelligenten Selbstbetruges: eine komische Leistung schriftstellerischer Vernunft; die Weltverbesserung wäre auch erst möglich nach dem Eingeständnis der eigenen Veränderungsbedürftigkeit. Die selbst attestierte Intelligenz widerspricht dem aber.


Otto Heinrich Kühner:

Probealarm im Gymnasium 46]


Klopstock zerstäubt, das

Problem des Ich-Romans gelöst.

Turnen fällt aus, der

Zweite Punische Krieg findet

nicht statt.

Die Viren ausgerottet und der

Verlust der Menschenwürde.

Die Erde eine einzige

Bildfläche, aber keiner,

der von ihr verschwinden kann.


Und das alles wegen

der unterschiedlichen

Auffassungen über das

Glück, über die Kurzweil!


Lieber ein anderes Thema!



Otto Heinrich Kühner:

Schulstunden


Nachfahre von Fisch und

Schimpanse mit Kiemenspalte und

Ohrhöcker,

zeigte ich im Geräteturnen nur

unvollkommene Leistungen.

Auch im Springen und

Schwimmen waren mir die

Antilopen und Delphine überlegen.

Sie deklassierten mich.


Das war meine Würde. Und

meine Hoffnung.


Laßt die 2oo-m-Delphin

den Delphinen! 47]


*


Kurt Drawert:

Innenmuster


Kindheit, eine Frau,

die durch die Träume

spaziert

und sie vertauscht

gegen die Träume des Lehrers.


Fernsteuerbares Spielzeug.

Die Bewegung von Stofftieren.

Fremdsprache lernen im Stall,

dessen Wände die Würmer

zerstören: Worte, die die Worte

der anderen sind.


Meine Verführer hab' ich

geliebt, sie waren gutmütige

Leute.


Aber wenn ich heute, aus dem

Haus gekommen, in den Dingen

meine Bedeutungen suche:


Wege, die Erinnerungswege,

Handlungen, die Erinnerungshandlungen

sind,


habe ich

ich weiß nicht,

was ich besitze,

was ich verlor,


und mir ist, als spazierte eine Frau

durch den Traum. 48]



Kurt Drawert:

Tagebuch 2


Die Haut viel zu weich

die Füße, das war

damals, als ich loslief,


in Übermut, in Scherben

fiel. Berührungen = Ergreifen

& Loslassen, im Würgegriff,


der Lehrer Friedrichs

und Monika, Zitat:

Liebe ist auch nur


ein Wort ... Wie Halt

an einer Klinge gesucht

das Gedächtnis entlang,


hinab ... Gnade

ist Weitermachen.

Die Beine aufwärts


wächst Hornhaut,

ich werde mich wehren. 49]


*


Ludwig Thoma:

Prinzenexamen


Auch Prinzen haben die Weisheit vonnöten,

Darum schickt man sie auf die Universitäten,

Damit hierorts ihr Verstand gedeiht.

So geschah es einem vor einiger Zeit.


Aber nach Ablauf von nur zwei Jahren,

Von denen er das meiste auf der Eisenbahn gefahren,

War des Prinzen Hoheit so klug,

Daß man fand, es sei nunmehr genug.


Um jedoch den Schein zu vermeiden,

Als sei es anders bei den Königlichen Hoheiten,

Wie es bei den übrigen Studiosis sei,

Ließ er sich zu einem Examen herbei.


Die Professoren, welche dieses sollten wagen,

Kamen herbei mit großem Zittern und Zagen,

Sie scharrten demütig mit dem Fuß

und entboten dem Prinzen ihren Gruß.


Der Herr Rektor machte den Anfang

Und gab seiner Stimme einen sanften Klang,

Indem er fragte mit ergebenem Ton:

»Hoheit, was ist eine Konstitution?«


Hier antwortete des Prinzen erlauchte

Person, wozu er längere Zeit gebrauchte:

»Konstutition ist, wenn das Volk stets tut,

Was uns höchstselbst zu belieben geruht.«


Über diese Antwort des hohen Kandidaten

Konnten sich die Professoren der Freude nicht entraten,

Und es herrschte große Verwundernis

Über den filium principis.


Nun begann ein Professor zu fragen:

»Belieben Hoheit mir geneigtest zu sagen,

Welche Befugnis man kennt

Als eigentümlich dem Parlament?«


Hier antwortete der Prinz: »Herr Professor,

je weniger es solche gibt, desto besser,

Weil der Untertan dadurch beirrt

Im Betreffe seines Gehorsams wird.«


Auch diesesmal konnten nicht unterdrücken

Die Herren Professoren ihr helles Entzücken,

Und sie haben sodann unverweilt

Dem Prinzen das Reifezeugnis erteilt.


Hieraus ist es als bewiesen erschienen:

Wenn einer als Doktor will sein Brot verdienen,

Braucht er zehn Semester allhier.

Für einen König reichen schon vier. 50]


*


Heinz Ehrhardt:

In der Schule drüben 51]


"Sagt mir, ihr lieben Jungs, geschwind,

wer wohl die beiden Großen sind,

die denen, die reich und bezopft,

erfolgreich auf den Busch geklopft?

Die man seit vorigem Jahrhundert

studiert, versteht, liebt und bewundert?

Die wir durch Wort und Bilder kennen?

Wie mögen sich die beiden nennen?!"


????      ????


"Ihr wißt es nicht, ihr dummen Bengels?

Die Beiden heißen MARX und         ?!?"

Da meldete sich Hänschen Klein:

"Das könn'n nur Marx und Moritz sein!?!"



Heinz Ehrhardt, ein körperlich prall bis feist und sprachspielerisch dümmlich bis dichterisch signifikanter Inbegriff der Klamauk- und Wortkunst der ansonsten wenig humorvollen 5oer und 6oer Jahre in der BRD, hat in diesem Gedicht eine allgemein verbreitete Pose der 5oer und 60er Jahre eingenommen, die es ihm erlaubte, einen Jux zu machen, ohne eine inhaltliche, argumentative oder satirisch-kritische Intention zustandezubringen. Immerhin ist die belächelte Wirklichkeit als staatliche Institution verschwunden. Der Erhardt-Jux - ein nur noch quasi historisch, anekdotenhaft interessierendes Gedicht; von mir aus dem freundlichen Vergessen anheimgegeben.


*


Joachim Ringelnatz:

An meinen Lehrer


Ich war nicht einer deiner guten Jungen.

An meinem Jugendtrotz ist mancher Rat

Und manches wohlgedachte Wort zersprungen.

Nun sieht der Mann, was einst der Knabe tat.


Doch hast du, alter Meister, nicht vergebens

An meinem Bau geformt und dich gemüht.

Du hast die besten Werte meines Lebens

Mit heißen Worten mir ins Herz geglüht.


Verzeih, wenn ich das Alte nicht bereue.

Ich will mich heut wie einst vor dir nicht bücken.

Doch möcht ich dir für deine Lehrertreue

Nur einmal dankbar, stumm die Hände drücken.



Joachim Ringelnatz:

Biegemann


Biegemann war mein Lehrer.

Biegemann war mal zu mir gut.

Ich bleibe doch sein Verehrer.

Denn was tut's, wenn, was tat, nicht mehr tut.


Biegemann warfen schließlich

Seine Freunde allerlei vor.

Biegemann wurde verdrießlich,

Unverschämt. - Bis er den letzten verlor.


Als ich ihn weiter besuchte -

Denn er war einst mein geistiger Halt -,

Schlug er und wälzte und fluchte

Alles auf mich, was den Freunden galt.


Langsam wurde ich kühler.

Endlich blieb ich ihm fern.

Aber doch wer ich sein Schüler

Einstmals und hatte ihn gern.


Was er nun Schlechtes verbreitet

Über mich - überall -, macht mich nicht heiß.

Denn nur der Unsichre streitet

Und ich weiß, was ich weiß.


Wenn ich ihn jetzt hin und wieder

Sehe, so wende ich mich. Das heißt

Wenn er mich jemals wieder -

Wie neulich, im Hofbräu - mit Kalbsknochen schmeißt,


Hau ich ihm eins in die Fresse.

Denn ich bin doch kein Magistrat. -

Aber niemals vergesse

Ich, was mir Biegemann Gutes tat.



Joachim Ringelnatz:

Fußball

(nebst Abart und Ausartung)


Der Fußballwahn ist eine Krank-

Heit, aber selten, Gott sei Dank.

Ich kenne wen, der litt akut

An Fußballwahn und Fußballwut.

Sowie er einen Gegenstand

In Kugelform und ähnlich fand,

So trat er zu und stieß mit Kraft

Ihn in die bunte Nachbarschaft.

Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,

Ein Käse, Globus oder Igel,

Ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,

Ein Kegelball, ein Kissen war,

Und wem der Gegenstand gehörte,

Das war etwas, was ihn nicht störte.

Bald trieb er eine Schweineblase,

Bald steife Hüte durch die Straße.

Dann wieder mit geübtem Schwung

Stieß er den Fuß in Pferdedung.

Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.

Die Lampenkuppel brach sofort.

Das Nachtgeschirr flog zielbewußt

Der Tante Berta an die Brust.

Kein Abwehrmittel wollte nützen,

Nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,

Noch Puffer außen angebracht.

Er siegte immer, 0 zu 8.

Und übte weiter frisch, fromm, frei

Mit Totenkopf und Straußenei.

Erschreckt durch seine wilden Stöße,

Gab man ihm nie Kartoffelklöße.

Selbst vor dem Podex und den Brüsten

Der Frau ergriff ihn ein Gelüsten,

Was er jedoch als Mann von Stand

Aus Höflichkeit meist überwand.

Dagegen gab ein Schwartenmagen

Dem Fleischer Anlaß zum Verklagen.

Was beim Gemüsemarkt geschah,

Kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.

Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen

Durch Publikum wie wilde Bienen.

Da sah man Blutorangen, Zwetschen

An blassen Wangen sich zerquetschen.

Das Eigelb überzog die Leiber,

Ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.

Kartoffeln spritzten und Zitronen.

Man duckte sich vor den Melonen.

Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.

Genug! Als alles dies getan,

Griff unser Held zum Größenwahn.

Schon schäkernd mit der U Bootsmine

Besann er sich auf die Lawine.

Doch als pompöser Fußballstößer

Fand er die Erde noch viel größer.

Er rang mit mancherlei Problemen.

Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?

Dann schiffte er von dem Balkon

Sich ein in einem Luftballon.

Und blieb von da an in der Luft,

Verschollen. Hat sich selbst verpufft.  

Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,

Vor dem Gebrauch des Fußballwahns! 52]




Joachim Ringelnatz (1883 - 1934) war ein verläßlicher, feinsinniger Humorist und Kinderfreund, auch ein zeichnerisch begabter Kabarettist, der seine naiv-freundliche Perspektive zeit seines Lebens nicht aufgab, höchstens um sie aus der gesteigerten Form des phantastisch plaudernden Trinkers fortzusetzen. Seine skurrilen Gedichte thematisieren menschliche Schwäche, artikulieren Sehnsüchte, besonders kindliche (z.B. in seinen Kinderbüchern).

Seine Poesie hat eine ästhetische Widerstandskraft gegen kollektive oder ideologische Einvernahme. Ab 1933 hatte er Auftrittsverbot.

Die Erinnerungen, die hier J.R. in Reime faßt, sind getragen von einem heiter melancholischen, getreuen Gedenken an einen Lehrer, dem Ringelnatz nicht den Respekt versagen will, ungeachtet der eigenen Schülerfrechheiten. Diese auch als Selbstzeugnisse legitimierte Texte sind zwei der wenigen Beispiele, daß deutsche Künstler, Literaten und andere sensible Seelen sich an ihre Schulzeit anders als mit Grausen erinnern.



Rainer Maria Rilke:

Kindheit


Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit

mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.

O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen ...

Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen

und auf den Plätzen die Fontänen springen

und in den Gärten wird die Welt so weit -

Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,

ganz anders als die andern gehn und gingen

O wunderliche Zeit,

O Zeitverbringen, o Einsamkeit.


Und in das alles fern hinauszuschauen:

Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen

und Kinder, welche anders sind und bunt;

und da ein Haus und dann und wann ein Hund

und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen -

O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,

O, Tiefe ohne Grund.


Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen

in einem Garten, welcher sanft verblaßt,

und manchmal die E rwachsenen zu streifen,

blind und verwildert in des Haschens Hast,

aber am Abend still, mit kleinen steifen

Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt-:

O immer mehr entweichendes Begreifen,

O Angst, O Last.


Und stundenlang am großen grauen Teiche

mit einem kleinen Segelschiff zu knien;

es zu vergessen, weil noch andre, gleiche

und schönere Segel durch die Ringe ziehn,

und denken müssen an das kleine bleiche

Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien -:

O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.

Wohin? Wohin? 53]



Rainer Maria Rilke:

FRÜHLING

Nr. XXI der Sonette an Orpheus


Frühling ist wiedergekommen. Die Erde

ist wie ein Kind, das Gedicht weiß;

viele, o viele... Für die Beschwerde

langen Lernens bekommt sie den Preis.


Streng war ihr Lehrer. Wir mochten das Weiße

an dem Barte des alten Manns.

Nun, wie das Grüne, das Blaue heiße,

dürfen wir fragen: sie kann's, sie kann's!


Erde, die frei hat, du glückliche, spiele

nun mit den Kindern. Wir wollen dich fangen,

fröhliche Erde. Dem Frohsten gelingts.


O, was der Lehrer sie lehrte, das Viele,

und was gedruckt steht in Wurzeln und langen

schwierigen Stämmen: sie singt, sie singts! 54]



Franz Werfel:

Schulgang


Oh, wie sehnt er sich nach seinem Bette,

Nach der süßen, kaum verlaßnen Wärme!

Ausgestoßen unter Menschenschwärme

Läuft er, rennt er durch die Gassenkette.


Uhren schlagen grausam um die Wette,

Stürzend sich auf ihn mit kaltem Lärme,

Und es brennen Magen und Gedärme.

Ach, daß er nur nicht verschlafen hätte!


Wie er springt! Er keucht und weint beim Laufen,

Bis im Schulhaus er, im Gange steht,

Und im Zimmer sieht das staubige Raufen.


Er faßt langsam: Es ist nicht zu spät...

Und er läßt sich nieder, zu verschnaufen.

Doch sein erster Laut ist ein Gebet. 55]



Franz Werfel:

Elternlied


Kinder laufen fort.

Lang her kann's noch gar nicht sein,

Kamen sie zur Tür herein,

Saßen zwistiglich vereint

Alle um den Tisch.


Kinder laufen fort.

Und es ist schon lange her.

Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.

Stunden Ärgers, Stunden schwer:

Scharlach, Diphtherie!


Kinder laufen fort.

Söhne bangen Weibern an.

Töchter haben ihren Mann.

Briefe kommen, dann und wann

Nur auf einen Sprung.


Kinder laufen fort.

Etwas nehmen sie doch mit.

Wir sind ärmer, sie sind quitt,

Und die Uhr geht Schritt für Schritt

Um den leeren Tisch. 56]


Franz Werfel (1890 - 1945) war Lyriker von jungen Jahren an, der sich für Inneres und Äußeres, für Psychisches und Soziales interessierte; als Expressionist schuf er eindringliche Erzählungen, später auch große, christlich geprägte Romane. Sein menschliches Interesse für private und soziale Parallelhandlungen sind beispielhaft in seiner Novelle "Die blaßblaue Frauenschrift" (1941 erschienen; als Fernsehverfilmung durch Axel Corti hervorragend bearbeitet), in der er die Interessenverflechtung eines hohen Staatsbeamten im österreichischen Ministerium für Kultur und Unterricht kurz vor dem nationalsozialistischen Anschluß aufzeigt. In unserem abgedruckten Sonett, das schon 1906 entstand, interessiert er sich fürs (eigene?) Befinden eines Schuljungen, der sich skrupelhaft bemüht, nicht zu spät zum Unterricht zu erscheinen. Das in der letzte Zeile beschriebene Gebet, das den Beginn der Schulstunde markiert, bleibt in einer eigenartig unbestimmten Form unkommentiert: ob das Gebet freudig-herzlich mitvollzogen, ob zwanghaft-lustlos erlebt wird - der Leser kann sich nach eigenem Gusto einklinken in die Psyche eines so fleißig (man möchte sagen, vergeblich) bemühten Schülers.


*

Erika Engel

Das Wunderhaus


Die Schule ist ein Wunderhaus:

Dumm geht man 'rein   kommt klug heraus.

Das Wunder muß ich mir besehn  

ich darf jetzt auch zur Schule gehn.


Der Lehrer ist ein kluger Mann,

der uns das Wunder zeigen kann.

Er weiß so vieles, er versteht

die Zahlen und das Alphabet.


Daheim der Teddy tut mir leid,

er wird im Leben nie gescheit.

Ich geh' zur Schule und ich weiß:

Das ganze Wunder ist   der Fleiß! 57]



Helga Müller

Gute Vorsätze


Mit der großen Zuckertüte

fängt ein neues Leben an.

Und ich werde euch beweisen,

daß ich fleißig lernen kann.


Täglich geh' ich in die Schule,

höre, was der Lehrer spricht,

lerne rechnen, lesen, schreiben,

denn ein Faulpelz bin ich nicht.


Schreibt der Lehrer dann Zensuren

in die bunten Hefte ein,

werden Einsen und auch Zweien

ganz gewiß darunter sein. 58]



Elfriede Mund

Schulanfang


Nun darf ich alle Tage

wie Klaus zur Schule gehn,

bekomme einen Ranzen

aus Leder, braun und schön.


Ich übe buchstabieren,

so fängt das Lernen an,

damit ich bald, wie Vati,

die Zeitung lesen kann. 59]



Erika Engel

Kleiner Hansemann


Kleiner, kleiner Hansemann

stellt sich auf die Zehen,

daß er besser sehen kann,

möcht' gern alles sehen.

Liegt ein Buch mit vielen Seiten,

kann's nicht lesen und nicht deuten.

Denkt sich kleiner Hansemann:

Möcht' so gerne,

daß ich's lerne,

daß ich alles lesen kann!

Kleiner, kleiner Hansemann

fängt schon an zu malen;

mit 'nem Kringel fängt er an,

später werden's Zahlen.


Zwei und drei und sechs und sieben

hat er nun schon hingeschrieben.

Denkt sich kleiner Hansemann:

Möcht' so gerne,

daß ich's lerne,

daß ich alles rechnen kann!


Kleiner, kleiner Hansemann,

in die Schule geht er,

dass er alles lernen kann

und studieren später.

Lehrer wie´so viele Sachen,

die den Kindern Freude machen.

Denkt sich kleiner Hansemann:

Bin ich fleißig,

ja, das weiß ich,

wird' ich auch ein kluger Mann! 60]


*


Waltraud Singer:

Zweiundzwanzig neue Schüler


Zweiundzwanzig neue Schüler

Seh'n wir heut' zur Schule geh'n.

Jedes läßt auf seinem Rücken

Stolz sein neues Ränzlein seh'n.


"Könnt ihr denn schon stille sitzen?

Zappelfred und Kippelklaus?

Werdet ihr auch nicht vergessen,

was ihr schreiben sollt zu Haus?"


"Macht euch nur nicht soviel Sorgen,

mit dem Zappeln ist es aus.

Morgen schon, ihr werdet's sehen,

bringen wir 'ne Eins nach Haus!" 61]





F.W. Bernstein:

Weihnachten in der Schule


Hört mal zu!

Auch Du!

Wenn das Jahr zu Ende geht

wird es abends früher spät

alle tragen feste Schuhe

Ruhe!

Weißer Schnee füllt bald die Straßen

Markt und alles ist verlassen

Will

Karlchen, sei doch still!

Willig kommt der Weihnachtsmann

hat ein rotes Röckchen an

hell wird jedes Licht

Peter, red jetzt nicht!

Und ein großer Kerzenschein

wollt Ihr endlich ruhig sein!

Hüpfet über Stock und Stein -

Karlchen, Dich sperr ich letzt ein!

Und zu unsern Lieben

kommt aus Heu und Stroh

Ruhe endlich! Wo

bin ich steh'n geblieben? ??]



F. W. Bernstein (geb. 1938), der durch vielerlei literarisch-satirisch possierliche Produktion bekannte Autor, gestaltete 1981 die Komik einer weihnachtlichen Botschaft durch einen Lehrer, der seine naive christliche Sendung nicht anbringen kann, da seine kleine Zuhörerschaft ihn als Prediger so ablenkt, ihn in seinem Vortrag oder Ankündigung so strapaziert, daß sie ihn sogar gänzlich aus dem nicht überzeugenden Konzept bringt. Weihnachten - kein Bedarf bei den Kindern, den childs, den kids, den kiddys? Eine arge Fehlinvestition - an Lyrik!


*


Edwin Bormann:

Kinderszene 62]


Morgen zum Geburtstagsfeste

Lädt sich Käthchen kleine Gäste:

Anni Hoffmann, Suse Beyer,

Minchen Walther, Doris Schreier,

Evchen Müller, Elsa Strauch -

»Kommt denn das Rebekkchen auch?« -

»Was, Rebekka Silberstein?

Juden lad' ich niemals ein.

Gabst du in der Schul' nicht Acht,

Daß sie Jesum tot gemacht? « -

»Unser Lehrer meint das, ja;

Doch es sagt mir die Mama

(Und die weiß doch vielerlei):

Silbersteins war'n nicht dabei!«


Schlichte Kinderseele du,

All mein Herz es lacht dir zu.

Besser wär's um sie bestellt,

Zöge siegreich durch die Welt

Deine Friedensmelodei:

"Silbersteins war'n nicht dabei!"



Edwin Bormann (1851 - 1912) veröffentlichte 1893 sein schon aufdringlich antisemitisches, "national" und "religiös" so gut gemeintes pädagogisches Poem in einem Album, das Stellungnahmen gegen den Antisemitismus versammelte. Schade, daß diese kindliche "Friedensmelodie" in der rauhen Welt des 20. Jahrhunderts zu wenig positive Folgen zeitigen konnte. Die politischen, wirtschaftlichen und leider auch die dummdreist religiösen Bedingungen brachten diese jüdische Friedensinitiative zum Scheitern; allein mit Pädagogik gegen Gewalt, Vorurteil und dummes Geschrei anzutreten, ist vergebliche Liebesmüh.



Paul Klee:


Ein armes gepreßtes Schülerherz

hat es mir gestanden.

Ans Fenster trieb es ihn,

weg von seinen Heften,

weg von der eingetauchten Feder.


Hinausspazieren wollten seine Augen

und drängten durch die Scheiben,

wo die Stirn anstieß.


Glückliche Kinder, die da unten spielten.

Glücklich Irenens Lächeln, des reizenden Mädchens.

Glücklich seine Augen, die ihr folgten.

Glücklich sein armes Schülerherz, das gepreßte.


Aber die neidischen Bäume,

Hehler seiner einzigen Augen  und Erdenlust.

Wie lange noch wollen sie halten gefangen Irenen.


Es tickt und tickt die Zeit,

und die Feder ist schon eingetaucht.


Und er gestand mir,

daß er im Spiegel sein Gesicht sah

voll Liebe und ohne die häßlichen Blüten.

Er weiß, seiner harrt besseres als sein heutig Teil.

Er weiß es, dort in der Ferne draußen.

Und die Lokomotive pfeift. 63]


*

Paul Klee:

Wenn die Natur nun selber 64]


Wenn die Natur nun selber

keiner Persönlichkeit gehorcht,

keinem zentralen Willen,

sondern alles an ihr Gewöhnung,

Gelegenheit und Anpassung ist,

dann desto besser.


Wenn es aber einen Gott gibt?

- Bscht!!  


Der Herr Lehrer meint:

»Was kümmert dich das Wesen Gottes,

sieh dir eins seiner Blumenbeete an, das genügt.«


»Ich will ja brav sein, Herr Lehrer!«


»Außerdem ist es dir gesund,

du lebst und webst im Freien,

da gibt's keines Gedankens Blässe!

Du bist unter Bienen und Schmetterlingen

eine kleine ameisige Emse.«


»Herr Lehrer, darf ich daneben

auch etwas Mu-Mu-Musik machen??«


»Vielseitige Künste?

Ja! sollste, darfste!

Vielseitige Künste sind gut,

wenn se nur nicht

zu's Jesamtkunstwerke führen.«



Paul Klee (1879 - 1940) war nicht nur Künstler, Maler und Zeichner, er war auch ein Poetologe, der sein Werk im Zusammenhang mit der pantheistischen Natur verstand. Sein dialogisches Plädoyer für einen unverfälschten Naturglauben läßt dem jungen Menschen die Freiheit des eigenen Zugangs zu den vielen Feinheiten und beachtenswerten Kleinheiten des erlebbaren Schöpfung. Der in der letzten Strophe lachend-freundlich abgewehrte Begriff von einem Gesamtkunstwerk formuliert hier im Jahre 1908 Klees Kritik von theoretisch geforderten Versuchen, das Gesamtkunstwerk (zum Beispiel im Wagnerschen Sinne) zu gestalten; Klee hält es für einen Stilverstoß gegen einen vernünftigen, unstrapazierten Naturbegriff.



[Anonym:]

Auf dem Schulweg

Aus einem Anstandsbuch für Schüler


Begebt euch sämtlich nun ganz still nach euren Häusern

Und haltet ohne Not euch unterwegs nicht auf!

Auch auf der Gasse müßt ihr Sittlichkeit stets äußern!

Beschimpft euch also nicht durch Lärm, Zusammenlauf,

Durch wildes Schreien noch durch andre Bubenstücke,

Die bei der Jugend nur zu sehr im Schwange sind!

Neckt selbst einander nicht, und übt an niemand Tücke

Der euch vorübergeht - auch nicht am kleinsten Kind!

Besonders tut es Not, euch dies recht einzuschärfen,

Daß auf der Gasse ihr euch ja zu keiner Zeit

Erfrecht, so wenig euch als andre zu bewerfen,

Denn niemand mehr als ihr stört Straßen-Sicherheit,

Wenn ihr des Sommers euch im Wurf mit Steinen übet,

Des Winters eure Lust im Schneeballwerfen sucht,

Wobei ihr öfters noch erschrecklich schwört und flucht.

Wißt, daß Gesittete ihr dadurch sehr betrübet,

Vor diesem Laster nehmt daher euch wohl in Acht,

Weil großer Sünde sich ein Flucher schuldig macht.

Denn nichts ist schändlicher als Fluchen oder Schwören,

Zumal wenn ihr dabei den Namen Gottes nennt,

Den ihr doch aus der Schrift als hehr und heilig kennt!

Gesetzt, es würden euch nicht Menschen-Ohren hören,

So hört gewiß euch der, der allenthalben wohnt,

Der so den Frevler straft, wie er den Frommen lohnt.

Trifft dich zur Regenzeit dein Weg durch solche Gassen,

Wo viele Leute gehn, so mußt aus Schonung du

Das starke Springen hier hauptsächlich unterlassen

Sonst richtet dein Galopp die Wandler häßlich zu.

Begegnet dir ein Mensch, der alt ist oder schwächlich,

Blind oder lahm, auch sonst an seinem Leib gebrechlich,

So spotte seiner nicht, auch halte ihn nicht auf!

Fühl, welch ein Glück es sei, gesunde Glieder haben!

Des Krüppels spottet nur der Abschaum böser Knaben,

Auch steht der Menschheit Fluch und schwere Strafe drauf.

Wenn auf der Straße wo ein Mensch liegt, der betrunken

Und sinnlos ist, so sei nicht lieblos gegen ihn,

Mißhandle ja ihn nicht, noch stoß ihn unsanft hin!

Für ihn ist's Unglücks gnug, daß er so tief gesunken,

Die menschliche Vernunft - das göttliche Geschenk -


Ersäuft zu haben! Sei selbst deiner eingedenk

Und hüte jetzt und einst dich vor dergleichem Laster!

Dem Mäßigen bleibt stets der Söffling ein Verhaßter

Und Unerträglicher, hat doch nicht allezeit

Ein Trunkner die Vernunft durch Völlerei entweiht.

Urteile darum nicht gleich streng in solchen Sachen,

Von denen du noch nicht den Grund und Ungrund kennst,

Damit du ein Versehn nicht flugs ein Laster nennst!

Ein Gläschen Brannteweins kann den betrunken machen,

Der schwaches Magens ist und nichts gegessen hat,

In freier Luft wird leicht ein schwacher Körper matt

Doch dem sei, wie ihm sei, du mußt dich nie gewöhnen,

Den Menschen, weicher fehlt, zu necken und zu höhnen,

Weil er dein Bruder ist, weil dir - sei Weib, sei Mann! -

Dergleichen Unfall selbst dereinst begegnen kann.

Verfolg und schilt auch nie den, welcher deiner Väter

Religion nicht hat, nicht deiner Meinung ist!

Denn an der Menschheit wirst du dadurch zum Verräter,

Wenn du nicht duldsam, so wie selbst die Gottheit, bist! 65]



Dieses Lehrgedicht, ein richtig obrigkeitlich moralischer Traktat, ist einem 1802 in Altona erschienenen Anstandsbuch entnommen, verfaßt für jedes Schulkind, das mit Recht liebenswürdig heißen will, enthaltend alle einzelnen Pflichten desselben im Hause, in der Schule, im Gotteshause und auf der Gasse, vom Augenblicke des Erwachens im Bett an bis zum Schlafengehen.

Ob wir wieder in Zeiten reinwachsen, in denen es häufiger vorkommt, daß Schüler schon auf dem Schul- oder dem Nachhauseweg tätlich oder gewalttätig werden? Vielleicht könnten wir z. B. im Fernsehen weitgehend auf Gewaltszenen verzichten, deren Selbstverständlichkeit besonders in familienfreundlicher Nachmittags- und Vorabendzeit als nachzueifernde Vorsbildsituation einen für die Werbeindustrie gewollten Kinder- und Kundenblickfang bietet. Ein (un)frommer Wunsch!

An traditionalistischen Traktaten, die Jungen (und nun auch zunehmend) Mädchen aufzufordern, zu konservativ geschönten Werten zurückzukehren, die die Jugendlichen in der Waren- und Werbe- und Plastik-Welt als nicht erfolgreich, eher als lächerlich erleben, fehlt es schon nicht mehr.



Friedrich Eberhard von Rochow:

Kinderlied 66]


Kinder! gerne wollen wir

Nun zur Schule gehen,

Sorgt der Lehrer doch dafür,

Daß wir es verstehen.

Was er lehrt, es ist nicht schwer,

Wie man's jetzo treibet,

Leichter wird es immer mehr,

Wer nur fleißig bleibet.


Wenn wir groß sind, geht's uns wohl!

Jeder will uns haben,

Denn wir wissen, wie man soll

Nützen Gottes Gaben.

Wer der Herrschaft Nutzen sucht,

Dem nützt sie auch wieder,

Faulheit sei von uns verflucht,

Arbeit stärkt die Glieder.


Alles Gute kommt von Gott.

Segne du die Lehren,

Die wir, o du guter Gott!

Jetzt so reichlich hören.

Segne du an uns dein Wort,

Daß wirs tätig ehren,

Dann wird sich in unserm Ort

Tugend schnell vermehren.


F.E. v. Rochow (1734 - 1805) verfaßte dieses Gebet für das Lesebuch "Der Kinderfreund" und gibt mit seiner religiös-sittlichen Gehorsamsintention zu, daß der Schulbesuch gerade in der ländlichen Wirklichkeit nicht beliebt, wenig lehrreich und kaum von den Eltern akzeptiert war. Er muß Werbung treiben. Wer Stoffverteilungspläne, Stundentafeln, Prüfungsprotokolle für einzustellende Lehrer und Visitationsberichte aus der Zeit Friedrich des Großen heute nachliest, wer Lebensberichte von späteren Freidenkern zur Kenntnis nimmt, weiß, wie pädagogisch jämmerlich und wie religiös verkrüppelnd die Wirklichkeit in dumpfen Schulstuben war und wie beschränkt die Lehrer agierten - gerade damit die religiös und staatlich gleichermaßen verordnete Kontrollfunktion erfüllt wurde.

Wer diese Werbung allerdings mit heutiger Werbung, ob in oder vor der Schule, ob in den wachen, vor-sichtigen Köpfen oder schon , verdrängt, im Unterbewußtsein lagernd und wartend auf eine Eruption - wer hier vergleicht, muß - pardon: müßte - zugeben, dass unsere Kinder hoffnungslos überfordert sind mit Geplärr, Gedröhn, mit Ikons und Botschaften, mit Star-Gerülpse und Party-Fun, mit Gesabber, Gefotze und Milch spritzendem Getittel - wenn die Eltern nicht massiv und ehrlich und liebevoll ihre Kinder vor dem organisierten, steuerbegüngstigten Dreck, von den Werbeunholden und Akustikteufeln selber Kommunikation genannt, kapitulieren wollen. Werbung ist längst eine Ersatzreligion geworden, ein massives Wirklichkeitsfilter. Ein hektischer, motivationsstarker Göttlichkeitsersatz, ein Götze von Mammon und Eitelkeit und, ICH-Egos, also Dopplungen des Ich-Einsatzes, politisch als ICH-AG hochgelobt und gehandelt. Die ICH-AG.s sind, im ungünstigen Fall, längst Kampf-AG.s., ausbeutbare Produkte in einer verlogenen Welt,



[Anonym:]

Gebet bei Schulprüfungen für kleinere Kinder 67]


O Vater in dem Himmel droben,

Erhöre Deiner Kinder Fleh'n,

Die wir zu Deines Namens Ehre

Auch heute hier versammelt steh'n.

Beklommen sind die kleinen Herzen

In dieser Stund' der Rechenschaft,

So gib uns Deiner Güte Segen,

Leih' unsrer Schwäche Deine Kraft!


Das in einer Sammlung von Gelegenheitsgedichten und didaktischen Sprüchen enthaltene Gebet preist das Abhängigkeitverhältnis von oben nach unten, das besonders in Prüfungssituationen des erbaulichen Trostes bedarf. Der einfache, steigende Rhythmus, die Gefälligkeit der Worte, die direkt konkrete Benennung und das freundlich-kindliche Verhältnis vom liebenden Vater zum gehorsamen Kind haben eine Sicherheit verleihende Suggestion und eine beruhigende Kraft, die heutzutage manchmal medizinisch als psychische Sedierung, als Bewältigung des Kreativen rezeptiert werden oder Versuche mit autogenem Training nahelegen. Wieviel Mühe, Reflexion und Versuch und Irrtum kostet uns die früher selbstverständliche Religion!



Ludwig Eichrodt:

Lehrsachen


Hilf Himmel, daß die Jugend

In Ehrfurcht oder Tugend

Auf dieser schlimmen Erde

von uns erzogen werde.


Durch rührende Geschichten

Laßt uns sie unterrichten,

Denn lehrendes Erzählen

Wirkt sehr auf junge Seelen.


Zum Predigamtsgeschäfte

Gib auch dem Pfarrer Kräfte,

Daß er uns, wenn wir schwitzen,

Mag eifrig unterstützen.


Seid auf der Hut vor Kindern,

Rühmt euch, gleich Bürstenbindern,

Nicht eignet Übeltaten,

Sonst müssen sie mißraten.


Ja machet sie verehren

Des Pfarrers fromme Lehren,

Daß sie ihn, frei von Sünden,

Im Himmel wiederfinden. 68]



Ludwig Eichrodt:

Das arme Dorfschulmeisterlein


Willst wissen du, mein lieber Christ,

Wer das geplagtste Männlein ist?

Die Anwort lautet allgemein:

Ein deutsches Dorfschulmeisterlein.


Noch eh der Hahn den Tag begrüßt

Und alles noch der Ruh genießt,

Hängt's schon am Morgenglöckelein,

Das arme Dorfschulmeisterlein.


Von diesem Frühgeschäfte matt,

Wen wundert's, daß es Grimmen hat,

Drum schluckt's ein Tröpfchen Branntewein,

Das arme Dorfschulmeisterlein.


Befindet sich's bei einem Schmaus,

So heißt's, wenn's kaum zur Tür hinaus:

Es ißt, es trinkt, es steckt auch ein,

Das arme Dorfschulmeisterlein.


Oft macht's der Pfarrer ihm zu bunt

Und läßt ihm keine Ruhestund.

Was will's? es muß gehorsam sein,

Das arme Dorfschulmeisterlein. 69]




Dieter Leisegang:

Warum


Warum weint dieses Kind?

Freilich

Die der Grund sind

Sagen:

Grundlos

(April 1971) 70]



N.N.: Was glaubst du wohl, mein lieber Christ 71]



[Anonym:]

Sprichwort für Kinder 72]


Aller Anfang ist schwer


Dies, Kind, sei dir zum Trost gesagt,

Wenn heute dich das Lernen plagt.

Sogar der Herr Lehrer, so gut er's kann,

Fing einst das Lesen mit Seufzen an.



Solche Sprichwörter, religiöse Sprüche, Abwandlungen von geistlichen Sätzen mußten auswendig gelernt werden und sind häufig auch als Fleißkärtchen gedruckt worden, die einen lernpsychologisch wichtigen Einsatz von Belohnungen darstellten. Eigenartig, daß in diesem Sprüchlein die dritte Verszeile eine rhythmische Stolperstelle bietet, weil der Lehrer unbedingt als "Herr" angeredet werden muß. Ob der Trost funktionierte, der nur in einem kleinen Aspekt eine menschliche Gemeinsamkeit zwischen Lehrer und Schüler aufblitzen ließ?



Theodor Däubler:

Der tote Lehrer 73]



Vom lieben Monde blickst du noch hernieder.

Als Silberspinne wiegst du jedes Blatt.

Du blinkst und fliegst, du bist das Lichtgefieder

Der Taube, die das seltne Zartsein hat.


Du bist die Stille vor dem Sternenfrieden,

Die auch im Winde lebt, in Linden, oft im Licht.

Du bläulichst sanft in leichten Perlenunterschieden,

Du bist der sachten Andachtsherkunft Taugesicht.


So sieh mich nicht so deutlich an, ich leide!

Von manchem Schimmerblatte kennst du mich genau.

Ich leide: nun bemerkt mich wohl die ganze Heide.

Ich gipfle bald aus Scham im eignen Traumesbau.


Ich liebe dich in jedem kleinen Tiere.

Jetzt zitterst du mir nach. Du kennst mich immer mehr.

Wenn ich dabei das Wittern um mich selbst verliere,

So rette mich. Du Glanz. Dein Glanz ist mir zu schwer.


Wie flimmerst du so nah! Du triffst mich in die Seele.

Blauäugelst du? Wer blickt mich alt und herzlos an?

Ich weiß ja, daß ich Tier bin, schlecht bin, mich verfehle.

Dein Strahl ist Stahl. Du hältst mich hart im Bann.


Ich kann nicht weg. Ich stehe zwischen hellen Flüssen.

Ich bin ein Tier. Es hält mich eine Kette fest.

Gespenst, laß ab, mit den gepreßten Silberküssen,

Die du so fest, zu fest auf mein Erdulden preßt.


Ich trachte das Geklirr mit Macht vom Leib zu reißen.

Doch etwas hält mich fest. Vielleicht ein blauer Gaul?

Ich wills versuchen, mich von Klammern freizubeißen,

Doch ich verwirre mich in einem Knotenknaul.




Rudolf Tarnow:

De schew Globus 74



Rudolf Tarnow:

Rewolutschon in de Schaul 75




Johann Wolfgang von Goethe:

Ein Meister einer ländlichen Schule 76]


Ein Meister einer ländlichen Schule

Erhob sich einst von seinem Stuhle,

Und hatte fest sich vorgenommen

In bessere Gesellschaft zu kommen;

Deswegen er, im nahen Bad,

In den sogenannten Salon eintrat.

Verblüfft war er gleich an der Tür,

Als wenn's ihm zu vornehm widerführ;

Macht daher dem ersten Fremden rechts

Einen tiefen Bückling, es war nichts Schlechts,

Aber hinten hätt er nicht vorgesehn,

Daß da auch wieder Leute stehn,

Gab einem zur Linken in den Schoß

Mit seinem Hintern einen derben Stoß.

Das hätt er schnell gern abgebüßt;

Doch wie er eilig den wieder begrüßt,

So stößt er rechts einen andern an,

Er hat wieder Jemand was Leids getan.

Und wie er's diesem wieder abbittet,

Er's wieder mit einem andern verschüttet.

Und komplimentiert sich zu seiner Qual,

Von hinten und vorn, so durch den Saal,

Bis ihm endlich ein derber Geist

Ungeduldig die Türe weist.


Möge doch mancher, in seinen Sünden,

Hievon die Nutzanwendung finden.


*


Friedrich Hölderlin:

Dankgedicht an die Lehrer 77]


Uns würdigte einst eurer Weisheit Wille,

Der Kirche Dienst auch uns zu weihn,

Wer, Brüder, säumt, daß er die Schuld des Danks erfülle,

Die wir uns solcher Gnade freun?


Froh eilt der Wanderer, durch dunkle Wälder,

Durch Wüsten, die von Hitze glühn,

Erblickt er nur von fern des Lands beglückte Felder,

Wo Ruh und Friede blühn.


So können wir die frohe Bahn durcheilen,

Weil schon das hohe Ziel uns lacht

Und der Bestimmung Sporn, ein Feind von trägen Weilen,

Uns froh und emsig macht.


Ja, dieses Glück, das, große Mäcenaten,

ihr schenkt, soll nie ein träger Sinn

Bei uns verdunkeln, nein! verehren Fleiß und Taten,

Und Tugend immerhin.


Euch aber kröne Ruhm und hohe Ehre,

Die dem Verdienste stets gebührt,

Und jeder künftge Tag erhöhe und vermehre

Den Glanz, der euch schon ziert.


Und was ist wohl für euch die schönste Krone?

Der Kirche und des Staates Wohl,

Stets eurer Sorgen Ziel. Wohlan, der Himmel lohne

Euch stets mit ihrem Wohl.


*


Heinrich Hoffmann von Fallersleben:

Der Weg zur Schule 78]


Im Winter, wenn es frieret,

Im Winter, wenn es schneit,

Dann ist der Weg zur Schule

Fürwahr noch mal so weit.


Und wenn der Kuckuck rufet,

Dann ist der Frühling da,

Dann ist der Weg zur Schule

Fürwahr noch mal so nah.


Wer aber gerne lernet,

Dem ist kein Weg zu fern:

Im Frühling wie im Winter

Geh' ich zur Schule gern.



Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 -1874) hat neben seiner dem Jungen Deutschland nahestehenden, politischen Lyrik (vgl. sein "Lied der Deutschen") viele Natur- und Kindergedichte zu gemüt- und humorvollen Themen und in schlichten Tönen verfaßt, zur Unterhaltung, zu Nutz und frommen. "Der Weg zur Schule" ist im Zusammenhang mit liberalen und bürgerlichen Tendenzen zu sehen, die schulische Ausbildung zu verbessern und individuell stärker zu nutzen für die individuellen Chancen; von hier aus bis zu der These der Arbeiterbewegung "Wissen ist Macht" ist kein weiter Weg. Im Zusammenhang mit der durchaus politisch zu verstehenden Jahreszeitenmetaphorik (Winter = Restauration; Frühling = Veränderung und politischer Aufbruch) soll in diesen einfachen Volksliedstrophen die individuelle Lernbereitschaft gefördert werden.



Johann Wilhelm Ludwig Gleim:

Die Schule 79]


Kinder! habt nur Lust zum Lernen;

Seht, es fehlt euch nicht an Lehrern:

Feuer, Wasser, Luft und Erde,

Alles kann Euch unterrichten.


Lernet denn und werdet klüger:

Löwen lehren tapfer streiten;

Adler, kühn und mutig fliegen;

Biber lehren sicher bauen,

Bienen suchen Süßigkeiten,

Spinnen lehren fein zu spinnen;

Aber ja vor allen Dingen

Lernt von mir und meinem Mädchen

Küsse geben, Küsse nehmen!

Seht nur her: wir halten Schule!


J.G. Gleim (1719-1803), in der Aufklärungszeit fruchtbarer Lehrer, Geistlicher und Liedautor, z. B. Freund Lessings, stellt in diesem Lehrgedicht den Menschen in einen Zusammenhang mit natürlichen Vorbilder: der vier Elementen und der fabelhaft auffälligen Tiere, vom Löwen bis zur Spinne. Daß der Löwe als Herr im Tierreich selbstverständlich mit dem (despotischen) Herrn und König des eigenen Landes übersetzt wurde, gehört zu den pädagogischen, schon volkstümlichen Selbstverständlichkeiten im Ausgang des 18. Jahrhunderts. Daß auch das Küssen und Liebesspiel als vorbildliches Verhalten eigens wie in der Schule gut geheißen und demonstriert werden, ist ein Beispiel für die sinnenfreudige Kultur der Aufklärung: Emanzipation auch im emotionalen und sinnlichen Bereich, nicht nur im sozialen und politischen.



Johannes Staub:

Die Schule 80]


Wer geht dort in die Schul'?

Die Knaben und die Mägdelein,

Sie stellen sich zum Lernen ein;

Die gehen in die Schul'.


Wann geht man in die Schul'?

Des Morgens, wenn man froh und frisch,

Dann wieder nach dem Mittagstisch;

Da geht man in die Schul'.


Wie geht man in die Schul'?

Das Ränzchen auf den Rücken g'schnallt,

Das Frühstück in der Tasche halt;

So geht man in die Schul'.


Was braucht man in der Schul'?

Ein Täfelchen und Stift und Buch,

Papier und Feder, das ist g'nug;

Das braucht man in der Schul'.


Was lernt man in der Schul'?

Man rechnet brav und liest und schreibt,

Damit man nicht ein Dummkopf bleibt;

Das lernt man in der Schul'.



Johannes Staub (1813 - 1800) besingt frischfrommfröhlich (aber nicht frei) die Schule, in der man sich schlau machen kann, als Ort der Lernbereitschaft, der zufriedenen und braven Kinder, des sinnvollen Lernens. Solche affirmativen Texte, solche Glaubensvorschriften basieren jedoch (fast) immer auf einer Ideologie, die die beschriebene Wirklichkeit erst hergestellt werden muß. Intention solcher Sprüchlein, Gebete und Litaneien, egal ob im kirchlichen oder im öffentlichen Bereich, ist die affektive Mobilisierung der Probanden, um auf dem Umweg der Verheißung die Wirklichkeit erst herzustellen. Die realistischen Verhältnisse schlagen nicht zu Buch; der dogmatisch einheitliche Blick schert sich nicht um die Realität; die Verfügbarkeit hier der Schüler (und erstmals auch der Schülerinnen; siehe das erwähnte "Mägdelein") muß gesichert sein für die Herrschaft; das Wissen darum steht nicht auf der Tagesordnung; die emotionale Bereitschaft und Unterordnung ist gewollt, sie wird verbrämt im einfachen Ton, im Volksliedvokabular. Der Text entstammt einem Kinderbüchlein, das besonders in der Schweiz verbreitet war, um angeordnetes Verhalten zu popularisieren.


*


Karl Kossert:

Heide, Gaesdonck, Klosterpforte


Heide, Gaesdonck, Klosterpforte.

Dreimal warme Suppe täglich

und Latein, soviel du magst.


Später auf den Hohen Schulen

lernst du, Disputationen

schreiben über Medizin.


Oder über Kirchenväter

oder römische Pandekten

oder Aristoteles.


Willst du deine Füße sicher

durch das Kraut der Zweifel lenken,

hör der Fraterherren Wort.


Doch willst du die Ehrenhändel

mit dem Satan selbst ausfechten,

lauf den Fraterherren fort. 81]



Christian Morgenstern:

Der Werwolf


Ein Werwolf eines Nachts entwich

von Weib und Kind und sich begab

an eines Dorfschullehrers Grab

und bat ihn: "Bitte, beuge mich!"


Der Dorfschulmeister stieg hinauf

auf seines Blechschilds Messingknauf

und sprach zum Wolf, der seine Pfoten

geduldig kreuzte vor dem Toten:


"Der Werwolf", sprach der gute Mann,

"des Weswolfs, Genitiv sodann,

dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,

den Wenwolf, - damit hat's ein End."


Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,

er rollte seine Augenbälle.

"Indessen", bat er, "füge doch

zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"


Der Dorfschulmeister aber mußte gestehn,

daß er von ihr nichts wußte.

Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,

doch 'Wer' gäbs nur im Singular.


Der Wolf erhob sich tränenblind -

er hatte ja doch Weib und Kind!!

Doch da er kein Gelehrter eben,

so schied er dankend und ergeben. 82]


*


Albrecht Goes:

Der Schulweg 83]


Nächtens ist ein Schnee gefallen,

Mehr ein Flaum als gleich ein Fuder,

Und er liegt - nur eben leichthin

Unsren breiten Dorfweg deckend

Unversehrt noch zu der Stunde,

Da sich Weiß und Nachtblau mischen

Mit dem kargen Licht der Frühe

Morgens um dreiviertel acht Uhr. -


Sieh, da treten aus den Häusern

Rechts und links, hüben und drüben,

Buben, Mädchen, kleine, große,

Blonde, dunkle, jeden Alters.

Da trägt wer behäbig seinen

Sturmerprobten Lederranzen,

Prall gefüllt mit bunter Weisheit;

Während dort die schwarze Gretel

Tausendeilig ihres Wegs huscht,

Huscht wahrhaftig in Pantoffeln,

Neben ihr der kleine, kecke

Bruder Wolfgang, ABC-Schütz,

Und er hüpft und hat es wichtig.


Beide stoßen sie am Backhaus

Auf den ältesten und ersten Schüler

von der achten Klasse Namens Martin.

Seht ihn laufen Großen Schritts -

gleich wird es schlagen -

Aber dennoch voller Würde,

Stolz und seiner Sache sicher,

Recht von Herzen unbekümmert

Um die flinken, grünen Schnäbel,

Die sich rings um ihn her regen.


Und nun, da der Schulberg anhebt,

Kommen sie uns aus den Augen,

Schmächtige und wadenfeste

Wanderer zu Lob und Tadel.

Ja, jetzt sind sie ganz verschwunden,

Alle bis auf einen Spätling,

Der noch heiß den Berg hinankeucht;

Und es weht sein Bubenmantel,

Seine Mütze weht desgleichen,

Das geschnürte Weisheitsbündel

Ist in stürmischer Bewegung. -


Halt! er hat den Berg erklommen

Eben mit dem achten Schlage,

Sieghaft schöpft er neuen Atem,

Sieg auch winkt der Tafelwischer,

Und Triumph das Lineal.


*


Heinz Piontek:

Erscheinung eines Schulrats 84]

(Adalbert Stifter)


Was er schrieb, ist mir böhmisch,

ihr Leser, Geisterseher!


Sicher hätte er gern am Bache gewohnt,

Haare geschnitten, geweissagt, Diebe

gebannt, Quellen gefunden,

Zeichen gebrannt.


Eine Linzer Magd trug ihm

nach dem Schuldienst den Braten auf,

trummweise.


Er reagierte mit der Genauigkeit

eines hypochondrischen Thermometers.


Der Berg Kirchschlag war ihm das liebste.


Fast ideal hat er Wälder,

die bis in unsere Brust sich verzweigen,

in Blei gießen lassen:


den grünen Augenaufschlag von Sätzen

für immer.


An einem Morgen dann

außer dem Schmerz wirklich

nichts als ein Messer.


*

Heinz Piontek:

Schulrat in Böotien



85]


*


F. C. Delius

Schulreform


Nach einem Schulausflug wurde

ein Lied vergessen im Wald.


Nun singt es im Urtext

unter dem Beifall der Förster:

Alle Vögel sind

Amsel, Drossel, Fink.


Bis es im nächsten Frühjahr

abgeholt und

samt dem Tenor des Lehrers

wieder eingestellt wird in den Schuldienst. 86]


Delius' (geb. 1943) bekanntestes und häufig nachgedrucktes Montagegedicht zum Stichwort Schulreform bringt am ver-rückten Beispiel eines Volksliedes die Zufälligkeit und den späteren, restaurativen Zugriff auf die Natur und das Leben in der Schule zum widerspenstig erstaunten Ausdruck.




Jürg Laederach:

Andere Mitten, andere Sitten.


Quelle unbekannt]




Wolf Wondratscheck:

Hotel "Zum Deutschunterricht" 87]


Dieses Hotel gehört dem Staat.

Wer hier ein Zimmer will, ist schon tot.

Wahnsinnige sind unerwünscht, Staatsfeinde auch.

Das Beste sind ruhige Dauergäste.


Hier kommen Lebende nicht rein.

Verfolgte finden kein Asyl.

In diesem Staat muß Ruhe sein,

koste es, was es will.


Gestern wurde Goethe beerdigt.

Heute ist Schiller dran; das ist Hauspolitik.

Büchner bleibt draußen. Begründung: kein Zimmer.

So geht es allen, die dem Personal nicht gefallen.


Die Fenster bleiben geschlossen.

Im Garten Gewächshäuser, wo man Gräber anpflanzt.

Ein Requiem für Radikale, gesungen.

Revolutionen werden getanzt.


Alle Zimmer sind mit schalldichtem Elfenbein ausgestattet.

Fenster - mit Blick nach innen.

Hier bleibt selbst der Alkohol,

den du saufen kannst, wirkungslos.


In der Lobby schaukelt es wie auf einem Schiff,

mal diese, mal jene Woge. Wenn man auf einem Riff gestrandet ist, hilft nur noch die Droge.

Mondschein auf Weimar, Krieg auf dem Mond.


Darüber ein leeres Zimmer, unbewohnt.

Kafka's Labyrinth. Kahle Wände.

Wachzustände, die nicht zu stoppen sind.

Selbst an der Bar bleibt Kafka unsichtbar.


Dagegen sieht man Bertolt Brecht

auch dann, wenn er verreist ist. Er bewohnt auf Staatskosten im Osten eine ganze Suite und schreibt,

für den Fall eines Feuers, seine Gesänge auf Notausgänge.


Die Romantiker pokern ums Gefühl,

die Realisten ums letzte Hemd.

Jagt das ganze Hotel in die Luft!

Den Menschen gebt Flügel, auf die Erde zu kommen.


Was läßt sich lernen, wenn das Beil fällt

vom Körper den Kopf zu entfernen?

Was soll man sagen vor Gericht, wenn das Gesetz sagt: Schweigen ist Pflicht?


Wohnt hier Diotima?

Wer ist noch nicht von Gottfried Benn verarztet?

Hölderlin deutet über die Himmel

in Abgründe.


*

Melanie Schaefer:

Schule


Ich sitze im Klassenzimmer

und peile aus dem Fenster.

Der Pauker vorn

lallt mir ein Ohr ab.

Andauernd

fahren Autos vorbei.

Ich glotze auf die Uhr:

noch zehn Minuten.

Ich peile wieder aus dem Fenster.

Der Lehrer nimmt mich dran.

Ich weiß nicht,

wo ich dran bin.

Auf dem Parkplatz parkt ein Auto ein.

Der Lehrer lallt immer noch.

Ich glotze auf die Uhr:

noch drei Minuten.

Ich packe meine Tasche zusammen.

Jetzt fährt eine Mühle vorbei.

Endlich.

Es klingelt. 88]


Nach dem Muster moderner Alltagslyrik und im freien Prosarhythmus hat die Schülerin Melanie Schaefer assoziativ Impressionen gesammelt, die von jungen Menschen leicht und gern nachvollzogen werden können. Die konsequente Perspektive dieser Ich-Figur führt dazu, daß sich der junge Leser mit der eingeschränkten Wahrnehmung, einschließlich der unangenehmen und unwillkommenen "Störung" durch den Lehrer, identifizieren kann. Der lyrische innere Monolog spiegelt die Situation einer unmotivierten Schülers bzw. einer solchen Schülerin, da eine geschlechtsspezifische Wahrnehmung oder ein spezielles Interesse nicht registriert wird. [Eine Quelle dieses Textes ist mir nicht bekannt; es wurde mir von einer Schülerin mitgebracht, die sich zur Situation der lyrischen Ich-Figur bekannte: "So wie im Gefängnis ist es manchmal im Unterricht. Ich könnte das auch schreiben." Dann haben wir im Unterricht den Text, vornehmlich unter inhaltlichen Aspekten besprochen.]



Robert Reinick: Deutscher Rat 89]


Robert Reinick (1805 bis 1852):

Der Faule


Heute nach der Schule gehen,

da so schönes Wetter ist?

Nein, wozu denn immer lernen,

was man später doch vergisst?


Doch die Zeit wird lang mir werden,

und wie bring’ ich sie herum?

Spitz, komm her! Dich will ich lehren,

Hund, du bist mir viel zu dumm!


Andre Hund’ in deinem Alter

können dienen, Schildwach stehn,

können tanzen, apportieren,

auf Befehl ins Wasser gehn.


Ja, du denkst, es geht so weiter,

wie du’s sonst getrieben hast.

Nein, mein Spitz, jetzt heißt es lernen,

Hier! Komm her! Und aufgepasst!


So, nun steil dich in die Ecke,

hoch den Kopf zu mir gericht't!

Pfötchen geben! So! Noch einmal!

Sonst gibt's Schläge! Willst du nicht?


Was? Du knurrst? Du willst nicht lernen?

Seht mir doch den faulen Wicht!

Wer nichts s lernt, verdienet Strafe,

kennst du diese Regel nicht?„


Horch, wer kommt? Es ist der Vater.

Streng ruft er dem Knaben zu:

Wer nichts lernt, verdienet Strafe!

Sprich, und was verdienest du?"



Johannes Staub: Die Schule

Abgesang der Schulzeit


[Anonym] Schule

Dieses von einem Schüler oder Schülerin aus einer 8. Klasse verfaßte und anonym in einer Schülerzeitschrift veröffentlichte Gedicht kursierte durch viele Gespräche und durch das sogenannte Schulleben. Dieses lyrische Ich zeigt sich durch eine Vielfalt von Bildungsfetzen aus fast allen möglichen Unterrichtsfächern erschlagen und wehrt sich mit diesem Protestgedicht in einer originellen, ja virtuosen Montageform.

Es lohnt sich für Lehrer und Schüler, die lyrischen Stilmittel, die hier Fachtermini und Eigennamen verbinden, in einer Analyse zu erarbeiten.


[Anonym:] Die Schule, meinst du, sei nur bitt're Plage? 90]


Die Schule, meinst Du, sei nur bitt're Plage?

Mit ihr, so glaubst Du, sind vergeudet manche Tage?

Du haßt den Zwang, den sie Dir auferlegt?

Sie weiß kein Echo für das, was Dich bewegt?

Bedenke doch, was sie Dir alles geben kann

für später, wenn Du einst ein Mann

Bildung, Wissen und den guten Geist,

der Dir den rechten Weg zu einer Laufbahn weist,

wie Du oft in Gedanken sie erträumst.

Du magst die Schule nicht? Bedenk', was Du versäumst!


Ein kleines Gedicht, das sich recht bescheiden in die Seele eines Schülers (aber keiner Schülerin!) zu versetzen sucht, um Motivationsprobleme zu beheben! Manch ein/e Lehrer/in mag diesen Text in Schüler-Poesiealben eingetragen haben. Geschadet hat's wohl nicht; doch genutzt? Die konventionelle Benennung von "Bildung, Wissen... guten Geist" erlauben es nicht gerade, phantasievolle Prozesse mithilfe der Sprache in Gang zu setzen. Aber Alltagsbrot füllt auch den hungrigen Magen.


Ernst Jandl:

ein schulmädchen 91]



James Krüss: Affenschule 92]


Ein Affenfelsen, irgendwo,

Ein Fels und eine Kuhle,

Zum Beispiel hier bei uns im Zoo,

Ist auch die Affenschule.


Dort lernt ein jedes Affenkind,

Sich richtig zu verhalten.

Es lernt dort früh, was Flöhe sind,

Und Demut vor den Alten.


Es lernt, wie man die Schaukel packt,

Es lernt, wie man am besten

Die Läuse und die Nüsse knackt,

Und wie man turnt an Ästen.


Es lernt, daß es nicht wichtig ist,

Wenn Menschenaugen gaffen,

Und daß Gehorsam richtig ist

Vor einem Oberaffen.


Es lernt, wie man Bananen schält,

Es lernt von seiner Mutter,

Daß man zum Scherz nie Menschen quält;

Denn Menschen bringen Futter.


Willst du ein rechter Affe sein,

Dann brauchst du keine Schule.

Du brauchst in unsrem Zoo allein

Den Felsen und die Kuhle.


*

James Krüss:

Der Sperling und die Schulhofkinder 93


Ein Sperling, der von ungefähr

Zu einem Schulhof kam,

Erstaunte über das, was er

Auf diesem Hof vernahm.


Ein Mädchen sprach zu Meiers Franz:

»Du alter Esel du!«

Da sprach der Franz: »Du dumme Gans

bist eine blöde Kuh!«


Der Walter sprach zum dicken Klaus:

»Mach Platz, du fetter Ochs!«

Da rief der Klaus: »Du fade Laus,

Paß auf, daß ich nicht box!«


Zum Peter sprach Beate nun:

»Du Affe, geh hier weg!«

Da rief der Peter: »Dummes Huhn,

Ich weiche nicht vom Fleck!«


Der Sperling meint, er hör nicht recht.

Es tönte allenthalb:

»Du Schaf! Du Floh! Du blöder Hecht!

Du Hund! Du Schwein! Du Kalb!«


Der kleine Sperling staunte sehr.

Er sprach: »Es schien mir so,

Als ob ich auf dem Schulhof wär;

Doch bin ich wohl im Zoo!«

*

Oskar Loerke

Das Segelschiff des Knaben


Es stand im elterlichen Birkenschranke

Hinter Kram und Glas,

Aber seine Planke

War vom Räubermeere naß.


Durch Bauernmohn und Balsaminen

Glückselig schwebend, schnitt sein Kiel,

ihm nachzustaunen, war im Knabenspiel

Dein erstes ernstes Dienen.


Und saß dein Kinderschopf gefangen

In Staub- und Schulgeruch -

Schon wieder: die Matrosen sangen

Durch das Vokabelbuch.


Und einmal waren alle tot.

So kam das Schiff gezogen,

Als um dein ländlich frühes Abendbrot

Septemberwespen flogen.


Es fuhr, wo es nicht mehr den Wal gelüstet,

Zu schwimmen, aber da bliebst du bei ihm,

Die Segel brausten, in den Wind gebrüstet,

Wie Haufen weißer Cherubim.


- Noch fliegt die Wespe. Noch bist du bereit,

Den alten Segler heimzusteuern

In dichte, wilde Ewigkeit:

Du hörst dorther ganz fern Salute feuern.






Felix Ritter:

Abgesang der Schulzeit 94]


Herr Lehrer und Frau Lehrerin,

auf Wiedersehn, lebt wohl!

Ihr saht in unsren Köpfen drin

nur Rüben, Kraut und Kohl!


Da habt ihr uns als Gärtnersleut

beschnitten und gestutzt.

Und glaubt uns - wir sind ehrlich heut -

es hat auch was genutzt!


Das Leben wird als Gärtnersmann

uns stutzen noch und noch.

Dann denken wir vielleicht daran:

Wie nützlich wart ihr doch!

*


Ralf Rothmann:

Schulzeit 95


Im Klassenzimmer der Lehrer

faßt an das Ohr der Schülerin (Silvia)

zieht

und dreht.

So einfach wie du es dir machst

ist das Leben nun doch nicht

Schlampe.


Zu Hause im Keller

zwischen zwei Fingern

hält der Vater den Kopf der Taube.

Zieht

und dreht.

So einfach wie Entkorken.



Ralf Rothmann: 96

Schulzeit 2


Mit bunter Kreide malt

die Lehrerin der Klasse

das Paradies an die Tafel

(incl. Apfel Schlange Feigenblatt).

Krüger schießt

Papierkugeln ins Haar der Mädchen.

Krüger, dem die Mutter die Turnschuh

mit Zahnpaste weißt.

Zur Strafe muß er runter

zum Hausmeister

noch grüne Kreide holen.



Helga M. Novak:

Ballade vom twölften Schock 97]



Helga M. Novak: (geb. 1935)



Volker Braun:

Der sechzehnjährige Lehrer Manuel Ascunce 98


Volker Braun (geb. 1939):


Erich Fried (1921 - 1988):

Denkaufgabe99


Erich Fried (1921 - 1988):

Alter Schulweg 100


Auf dieser Straße

Wo sie laut drohten

Jahre bevor sie kamen

WARTE NUR

Habe ich nicht gewartet


Auf dieser Straße

Droht das vergangene lautlos

Jahre nachdem es verging

WARTE NUR

Und ich warte



Gerd Herholz:

der lehrer 101



Gerd Herholz:

nicht 102


Peter Schütt:

Schulzeugnis


Peter Schütt:

Die Ballade von der arbeitslosen Lehrerin 103]



Werner Dürsson:

Chewing Gum


Werner Dürsson:

Beschwörung 104


Helmut Lamprecht:

Deutschstunden


Astrid Tümpel:

hausaufgaben



hick hack wir

wollen hack hack immer

nur hick hack hick hack dein

bestes hack hack nu gib

schon hack waste kannst


*

Katrine von Hutten:

Drei Fragen als Antwort


Der neue Lehrer will sich

lieb Kind machen

und fragt in der 1. Stunde

"Du da, du mit dem gelben Hemd,

wärst du lieber ein Kanarienvogel

oder ein Postauto?"

Das Mädchen steht auf und fragt zurück

"Ein Postauto in welchem Land?

Und welches Baujahr? Und der Vogel,

ist der im Käfig oder frei?" 105



Bläck Föös: (nach einem Volkslied):


En d'r Kayjass Nummer Null 106


En d'r Kayjass Nummer Null

steiht en steinahl Schull

Un do hammer dren studeet

Unsere Lehrer, da heeß Welsch,

sproch e unverfälschtes Kölsch

Un do hammer bej jelihrt,

Jo un meh han off hin un her üvverlaat

Un han dör dä Lehrer jesaat:


Nä, nä, dat wesse mer ni mih,

jan bestemp nit mih.

Un dat hammer nit studeet.

Denn wer worre beim Lehrer Welsch en d't Klass

Do hammer sujet nit jelihrt

Dreimol Null es Null es Null

Denn wer woren en d'r Kayjass en d'r Schull

Dreimol Null es Null es Null

Denn wer woren en d'r Kayjass en d'r Schull...


Es en Schiev kapott, es ene Müllemer fott,

Hät d't Hung am Stätz en Dos' -

Kütt ene Schutzmann anjerannt

Hät uns sechs dann usjeschant








Loriot:

Deutsch für Ausländer 107]



Hermann Hettche:

dem lehrer des deutschen


108]


*

Klaus Fleischer:

Irgendwo


109]


*


Charlotte Bennecke:

Sechste Stunde 110]


*


Guntram Vesper:

Der Schulhof 111]


*


Guntram Vesper:

Taubengeruch 112]


*


Guntram Vesper:

Sonntagsschule


*


Hans Jörg Martin:

Klassen-Lehre 113


*


Hans Jürgen Heise:

Zehn Schritt vorwärts


114]


*


Richard Limpert:

Für meinen Sohn


Greif verwegen nach den Sternen

Aber lernen, nochmals lernen


Dixie, Folk- und Beat-Band-Weisen

Mit dem Jugendclub verreisen


Ist besser als der Marsch von gestern

Auch wenn die von gestern lästern


Greif zu Buch, und nicht zum Messer

Sei doch klug, und mach es besser!

(als wir Alten) 115]



Josef Reding:

Nanu? 116]


Die Kinder der Schulklasse sieben

haben ein Zeugnis geschrieben

für jeden im Haus.

Und was kam heraus:

drei Lehrer sind sitzengeblieben!


*


Marieluise Bernhard von Luttitz:

Limerick 117]


Ludwig Fels:

Schulaufsatz


118]


Ludwig Fels:Anpassung 119]


Michail Krausnick:

Und nichts zu suchen.120]


Jürgen-Peter Stössel:

Lektion


121]


Arnfrid Astel:

Ein Lehrer mit Berufsverbot.


Arnfrid Astel:

Das Letzte


122]


*

Arnfrid Astel:

Berechtigte Frage eines lernwilligen Schülers an seinen Lehrer


Wie kann ich lernen, was Sie wissen,

ohne zu werden, wie Sie sind?


Arnfried Astel (geb. 1933), ein bekannter, eigenwillig politischer Autor unter den deutschen Aphoristikern und Kleinschriftstellern, der mit einem Satzbau in den Köpfen von Lesern häufig mehr bewegt als geschwätzige Feuilletonisten. Das Thema der Wissen diktierenden, autoritären Schule und des leidenden, zum Nachvollzug des Übels verurteilten Schülers ist Standardbeispiel für sensible Seelen.


Michael Augustin:

Anschauungsunterricht


*


Michael Augustin:

Anfrage 123


*

Josefine Konietzko:

Rückblende 124


Theodor Weißenborn:

Geistlicher Nachlaß


Adieu, Gott!

Bald gehe ich ein

in meine Sprache.

Aufgehoben

bin ich in der Grammatik.

Mein Credo lautet:

Ich werde gewesen sein. 125]

*


Theodor Weißenborn:

AUS EINEM DEUTSCHEN LESEBUCH

(1968)


Unser Bundeskanzler ist 1933

nicht aus Überzeugung

und auch nicht aus Opportunismus

in die NSDAP

eingetreten,

sondern auf Wunsch seiner Eltern;

und unser Bundespräsident

hat keine KZ Baracken gebaut,

sondern Unterkünfte zum Schutz frierender Häftlinge.


Unser Bundeskanzler lügt nicht,

und unser Präsident sagt die Wahrheit.


Das ist eine lustige Lügengeschichte. 126]



Theodor Weißenborn:

Chemie und Sozialkunde


Eine Säure

liebte ihre Base,

die ihrerseits die

Neigung ihrer Cousine

lebhaft erwiderte.


Beide ergossen sich

hemmungslos ineinander,

hoben sich auf

und wesen seither

im chaotischen Grund.


Hausaufgabe

für die nächste Stunde:

Aufsatz über das Thema:

"Was Gott getrennt hat,

soll der Mensch

nicht verbinden." 127]


Theodor Weißenborn:

Deutscher Humor


Unser Lehrer erzählt uns oft lustige Sachen.

Zum Beispiel,

wie er bei Woronesch einmal die Hose verlor

und wie einmal zwanzig seiner Kameraden

bei einem Angriff

in dieselbe machten.


"Überhaupt", sagt er,

"im Krieg passieren oft lustige Sachen." 128]



Joachim Fuhrmann:

Busfahrt 129 ]



130]


Die kleinen Gelegenheitsgedichte mit ihren hübschen Provokationen mögen diese Sammlung beschließen als Hinweis auf eine anspruchsvollere Poesie-Sammlung. Sie entstanden aufgrund einer pädagogisch-literarischen Initiative des Verlags Rowohlt, der mit seiner Taschenbuchreihe rotfuchs vorbildliche Kinder- und Jugendliteratur auf den Markt brachte. Schule und Erziehung werden hier schon als dialogischer Prozeß verstanden, der offen und zukunftsbezogen ist. Schüler sind als Beteiligte charakterisiert, nicht mehr als selbstverständliche Objekte von privater oder öffentlicher Erziehung.


Peter Schütt

Schulzeugnis


Zahl der Lehrer: ungenügend

Fehlen der Lehrer: unentschuldigt

Ausbildung der Lehrer: mangelhaft

Lehrpläne: siehe Vorjahr

Klassenurteil: unsere Schule bleibt sitzen -

trotz Einführung der Mengenlehre

in der Grundschule


*


Richard Limpert

Für meinen Sohn


Greif verwegen nach den Sternen

Aber lernen, nochmals lernen


Dixie, Folk- und Beat-Band-Weisen

Mit dem Jugendclub verreisen


Ist besser als der Marsch von gestern

Auch wenn die von gestern lästern


Greif zum Buch, und nicht zum Messer

Sei doch klug, und mach es besser!

(als wir Alten)



Die Autoren Peter Schütt (geb. 1939), Richard Limpert (geb. 1922), Josef Reding (geb. 1929) zeichnen sich durch je verschiedene politische bzw. soziale Aspekte in ihren Werken aus. Während Schütt auch durch politische angepaßte Propagandaliteratur bekannt wurde, gehören Reding und Limpert durch ihre progressiv-kreativen Interessen zum Umkreis der Industrie- und Arbeiterliteratur im Ruhrgebiet.



*


Hildegard Wohlgemuth:

Schularbeiten machen 131]

Umstandsbestimmung des Ortes


An

Auf

Hinter

Neben

in.

Ich sitz in meiner Stube drin.

Muß büffeln und schnüffeln

an auf und in.

Muß zischen und mischen

an auf und zwischen

und ging doch viel lieber

auf hinter und über

den Zaun und das Tor

in zwischen und vor.


Über

Unter

Vor und zwischen.

Ich muß es von der Tafel wischen.

Das Ganze noch mal: An auf im

vor über unter. Es ist schlimm.

Viel lieber ging ich vor, statt neben.

Ach, welch ein Über-, Unter-, Vor- und

Innenleben.


*


Hildegard Wohlgemuth:

Der Kirchturm und der Kamin 132]


Gestern schrieb unsere Lehrerin folgendes auf die Tafel hin:


Der Kirchturm und der Kamin

Sind die größten Bauwerke in unserer Stadt.

Der Kirchturm ist grün.

Er hat eine Kirchturmspitze und einen Dachreiter.

De Kamin ist rot. Er heißt auch Schlot und

Hat oben gegen Blitze einen Blitzableiter.


Ob die beiden auch miteinander reden?


Ich ging ans Fenster und guckte hinauf

zum Kirchturm und zum Kamin.

Und ich sah Wolken und Schwaden

und Qualm und Rauch

über unsere Stadt hinziehn.


*


Rosemarie Künzeler-Behncke:

Schön 133]


Sei schön brav!

Gib die schöne Hand!

Mach schön die Hausaufgaben!

Der Lehrer wird sich schön wundern.

Das sind schöne Aussichten!

Ich werde mich schön langweilen.

Du wirst schöne Augen machen.

Laß die schönen Worte!

Das ist kein schöner Zug von Dir!

Du bist ein schöner Freund!

Von dir hört man schöne Sachen.

Das ist eine schöne Bescherung!

Du hast etwas Schönes angerichtet!

Das wird ja immer schöner!

Du bist schön dumm!

Sei schön lieb!

Na schön!

SCHÖN!


*


Irmela Wendt:

Honig 134]


In der Bärenschule

sagt der Bärenlehrer

zu den Bärenkindern:

"Bienen sind nützlich.

Ein Bienenvolk stellt Honig her.

Honig ist gut für Bären.

Ein Bär, der Honig holt,

muß das Wo und Wann kennen.

Wo sammeln Bienen Honig?

In hohlen Baumstämmen.

Wann holt der Bär den Honig?

Wenn die Bienen nicht zu Hause sind."


In der Bienenschule

sagt der Bienenlehrer

zu den Bienenkindern:


"Der Bär ist unser Feind.

Er klaut Honig.

Wir bekämpfen Feinde.

Wer Feinde bekämpft,

muß das Wo und Wann kennen.

Sobald der Feind

seine Tatze an den Honig legt,

gehen wir zum Angriff über.

Wir stechen

und sterben für den Honig. "


"Laßt uns miteinander

den Honigfrieden suchen!"

sagt der Bärenkönig.

"Honigfrieden? Für wen?"

fragt die Bienenkönigin.


In der Bärenschule

sammeln Bärenkinder

Samenkörner vom Bärenklau.

Sie säen den Samen aus.

Junger Bärenklau wächst.

Junger Bärenklau blüht.

Bienen sammeln Bärenklauhonig.

Honig für Bienen.

Honig für Bären.

Sie feiern miteinander

das Honigfriedensfest.

Drei Wochen schulfrei

für Bienen und Bären.


*


Rudolf Otto Wiemer:

Zwei Wörter


Zwei Wörter aus dem Duden,

die nahmen heut Reißaus.

Sie waren weg und kamen

auch abends nicht nach Haus.


Sie taten sich zusammen

und wurden ein Verbot,

das oft von weißen Schildern

wie Zeigefinger droht.


Denn sieh, am Morgen standen

sie vor dem Rasenfleck.

Und wer sie sah, der stutzte

und ging gleich wieder weg.


Und alle Kinder klagten

erschrocken: «Muß das sein?

Warum fängt man die Wörter

nicht endlich wieder ein?»


Doch als sie vor der Schule

dann standen starr und stumm,

da riefen alle Kinder:

«Hurra!» und kehrten um.


Und selbst die Herren Lehrer

entfernten sich geschwind.

Ich wett, ihr habt erraten,

was das für Wörter sind!



*


Julius Becke:

Maria schickt den Michael auf den Schulweg



135]


Morgen

werd ich dir zeigen,

wie man den Wecker stellt.


Hier ist der Ranzen,

dein Brot,

dein Mantel.


Den Schlüssel

mußt du dir um den Hals hängen.


Beiße nicht auf deine Nägel, sondern argumentiere, wenn du im Recht bist. Überhöre Kommandos und schlage dich nicht mit den Verschlagenen.


Nun geh schon. Du darfst weinen. Dein Vater wollte das nicht lernen.



Claudia Lehna:

Thomas überlegt 136]


Thomas überlegt,

was er jetzt machen will.

Holt eine Münze.

Was soll das, fragt seine Mutter.

Wenn der Adler oben liegt,

gehe ich ins Kino,

wenn die Zahl oben ist,

gehe ich zum Schwimmen,

und wenn die Münze auf dem Rand stehen bleibt,

mache ich Hausaufgaben,

erklärt Thomas.


*


Irmela Wendt:

Lehrerverse 137


Ein Lehrer mit der Endung "in"

ist eine Frau.

Die war zu Anfang in der Schule

nicht erlaubt,

hat bloß abgestaubt,

als Reinemachefrau.

Kanonen gab es schon

und auch das Telefon,

das Auto fuhr

und längst die Eisenbahn,

doch in der Schule gab's

als Lehrer nur den Mann ...

bis er die Waffe nahm,

weil der Weltkrieg kam.

Seitdem dürfen allgemein

Frauen auch Lehrer sein. Das ist mal fein.*


*

"... ein Glück für die Lippische Volksschule, daß sie den Lehrerinnen während des Ersten Weltkriegs die Türen öffnete...". Diesen Satz fand ich in einem Buch: Martin Wolf "Geschichte der Lippischen Volksschule".


*


Hanna Hanisch:

An einem Tag 138]


Axel und ich auf dem Schulhof

brüten im Schwitzkasten.

Riß in der Hose,

Dreck im Gesicht.

Axel heult.

Ich pfeife vor Wut.


Zu Hause: Wie siehst du aus?

Hast du schon wieder ...

Daß du mir nie mehr mit dem da,

marsch, in die Küche!

Am Telefon streiten sie:

Axels Vater und meiner.


Axel und ich auf der Mauer

tauschen postfrisch und gestempelt

Polen gegen Uruguay,

Max und Moritz gegen Apollo acht.

Axel grinst.

Ich pfeife mir eins.


Telefonieren die immer noch?



Volker Ludwig:

Die Hauptschullehrerin 139



Michael Hillen:

Warum Gorbatschow abrüstet 140



Jochen Lobe:

Restbestand 141



Uli Harth:

Die Natur bewirbt sich


Nur wenige Bäume

Schaffen den Numerus Clausus

Um studiert zu werden.

Das Gras fällt schon

Durch die Reifeprüfung

Und die ersten Frühlingsblüten

Werden gar nicht mehr eingeschult. 142]




Volker Ludwig:

Hetzlied 143]


**


Schülertexte:


N.N.:

Schule


Erfrorene Gedanken

zerbrechen in meinem Kopf

Vieta erschlägt den Pythagoras

das endoplasmatische Retikulum

überwuchert die Schlacht von Verdun

Ohm verendet am Tracheensystem des Galvani

Theta und Rho

ertrinken in der eiskalten Beringsee

Monteverdi singt das Requiem

von Alexander dem Großen

frierend sitze ich

in meinem Eisschrank

erfrorene Gedanken

zerbrechen meinen Kopf

Vögel können durch das geöffnete Fenster in die Sonne fliegen. 144]



Friedrich Güll:

Spruch


Hörst du's schlagen halber acht?

Gleich das Buch zurechtgemacht!

Schau, schon rudelt's groß und klein,

dick und dünn zur Schul' hinein.

Willst du gar der letzte sein?


Schnell die Mappe übern Kopf

und die Kappe auf den Schopf.

Und nun spring und lern recht viel.

Wer sich tummelt, kommt ans Ziel. 145]


Schülerverse, Spottverse aus Schülermund 146


Wenn man die Schule verläßt: 147]


Erste Klasse: Tafelkratzer.

Zweite Klasse: Tintenpatzer.

Dritte Klasse: Alte Bären.

Vierte Klasse: Feine Herren.

Fünfte Klasse: Engel.

Sechste Klasse: Bengel.

Siebte Klasse: Luftballon.

Achte Klasse: Flieg davon.

(Aus Österreich)


Bitte um Hitzefrei


De Himmel ist blau,

das Wetter ist schön.

Wir bitten den Herrn Lehrer,

spazierenzugehn.

Wir wollen lieber im Freien schwitzen,

als auf den harten Schulbänken sitzen.

(Aus der Schweiz)


Sprüche 148]


SPRUCH, WENN EIN SCHLECHTES ZEUGNIS ERWARTET WIRD


Morgen gibt es Ferien,

da gehn wir nicht nach Haus!

Da gibt es Schläg in Serien,

da reißen wir alle aus.

Aus Sachsen

ABSCHIED VON DER SCHULE


Hier in diesem Schullokal

sind wir heut zum letzten Mal,

danken für den Unterricht,

aber für die Prügel nicht.


Aus der Schweiz


*


SPRUCH FÜR EINEN KLEINEN BÖSEWICHT

Aus Preußen


Herr Lehrer, ich bedanke

mich für Ihren schönen Unterricht.

Ich konnte wohl, ich wollte nicht,

ich war ein kleiner Bösewicht

und Sie ein grober Lehrer.

*


James Krüss:

Zehntausend große Pausen 149]

Zum Aufsagen


Herr Lehrer und Frau Lehrerin,

auf Wiedersehn für Wochen!

Die allerschönste Zeit im Jahr

ist heute angebrochen.

Jetzt gibt es keine Algebra,

und vier mal vier ist dreizehn.

Der Nordpol liegt in Afrika.

Im Ozean wächst Weizen.


Herr Lehrer und Frau Lehrerin,

auf Wiedersehn für lange!

Wir machen keine Schularbeit

und sind dabei nicht bange.

Wir laufen beinah nackedei

und barfuß durch die Gegend.

Jetzt ist für uns das Drei-mal-drei

durchaus nicht weltbewegend.


Herr Lehrer und Frau Lehrerin,

auf Wiedersehn! Wir reisen

nach Sachsen oder Württemberg,

nach Bayern oder Preußen.

Was kümmert's uns, wo Pfeffer wächst?

Wenn wir nur Zucker schmecken!

Sogar der nächste Aufsatz-Text

kann uns kein bißchen schrecken.


Herr Lehrer und Frau Lehrerin,

es steht ganz außer Frage,

der nächste Aufsatz heißt bestimmt:

Die schönsten Ferientage.

Doch wer im warmen Sande liegt,

den kann das gar nicht grausen.

Wir sehn jetzt nur, was vor uns liegt:

Zehntausend große Pausen!


*

Reflektirende Nachträge:

Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung


Doch die Eltern und Lehrer verstehen zuverlässig, zu betrüben. Das Leid in der Schule kann widerli­cher sein als später irgendein anderes, das des Gefangenen ausgenommen. Daher der dem Gefangenen verwandte Wunsch, auszubrechen [ ... ].

[...] daher ist nichts schaler und gezwungener als das Wiedersehen früherer Schulkameraden nach langen Jahren. Sie sind wie die Lehrer geworden wie die Erwachsenen von damals, wie alles, wogegen man sich verschworen hatte.


*


Daniil Charms:

Fälle


- Gibt es etwas auf der Erde, das Bedeutung hätte

und sogar den Gang der Ereignisse verändern

könnte, nicht nur auf der Erde, sondern auch in an­

deren Welten? - fragte ich meinen Lehrer.

- Das gibt es, - antwortete mir mein Lehrer.

- Und was ist das? - fragte ich.

- Das ist... - hob mein Lehrer an und schwieg

plötzlich.

Ich stand da und wartete gespannt auf seine Antwort.

Aber er schwieg.

Und ich stand da und schwieg.

Und er schwieg ebenfalls.

Und ich stand da und schwieg.

Und er schwieg ebenfalls.

Wir stehen beide da und schweigen.

Oh-la-la!

Wir stehen beide da und schweigen!

Olé-olé!

Ja, ja, wir stehen beide da und schweigen! 150]



Und heute - aus der Gegenwart nehmen wir viele Artikel, viele Foren, Gutachten und Schlechtachten, wahr - Banker und Trust-Obere werden zu Schulreform-Expertisen gelobt - wie die Realität aussieht, mag hier ein lyrischer Karfunkelstein ausleuchten:



Ausländische Beiträge:


William Blake:

Der Schuljunge


Ich hab den Sommermorgen gern,

wenn überall Vogelsang klingt,

der Jäger stößt in sein Hifthorn fern

und die Lerche mit mir singt.

O welch frohe Gesellschaft mir winkt!


Doch am Sommermorgen zur Schule gehn,

das macht gewiß keinen Spaß;

unter scheelen Augen, die alles erspähn,

sitzen im finstern Gelaß,

und seufzen ohn Unterlaß.


Dann bin ich manchmal ganz verzagt,

und die Stunden werden mir lang,

das dumme Buch mir gar nicht behagt,

ich sitze nicht recht in der Bank,

und das trockne Zeug macht mich krank.


Der Vogel, der in den Lüften schwirrt,

wird er im Käfig singen?

Und soll ein Kind, von Angst verwirrt,

nicht hängen lassen die Schwingen,

anstatt im Frühling zu springen?


O Vater und Mutter, wenn Knospen man bricht

und die Blüten der Sturm verheert,

wenn zarten Pflanzen man das Licht

und die Frühlingsfreude verwehrt

und das Herz mit Kummer beschwert,


woher soll der Sommer dann nehmen Kraft,

wie können Früchte entstehn,

wie sollen wir ernten, was Kummer entrafft,

wie festlich das Jahr begehn,

wenn Winterstürme wehn? 151]




Albert Cullum:

Die Geranie auf der Fensterbank ist eben gestorben, aber Sie reden einfach weiter, Fräulein Schmitt. 152]


Jetzt ist alles vorbei.

Die Ferien

und das Wasser wird kalt,

in dem wir lange geschwommen sind.

Überall stehn Astern herum

und der letzte Schmetterling.

Der Stundenplan an der Wand

wird größer und größer

und die Schulbücher auf dem Tisch.

Überall werden die Kinder

wieder ordentlich.

Das ist September.

Die Schule fängt an.

*

Jungen und Mädchen müssen brav sein.

Brave Mädchen und Jungen

gehen gern in die Schule.

Brave Mädchen und Jungen

sitzen gern in den Bänken.

Sie reden nicht.

Sie flüstern nicht,

denn brave Jungen und Mädchen

müssen still sein,

denn sie müssen zuhören

und zuhören

und zuhören

und zuhören.

*


Jeder hat seinen Platz

Zum Sitzen.

Jeder hat einen Tisch

Zum Schreiben und Rechnen und Lesen.

Aber in den Klassenzimmerecken

Ist es leer.

In den Klassenzimmerecken

Ist viel Platz.

Dort könnte ich

Die Wände bemalen.

Mit dem Regenbogen fange ich an.

Dann male ich mir einen Hut.

Dann male ich dir eine Maus,

vor der Sie Angst haben,

Fräulein Schmitt,

weil sie so klein ist.

*

Unsere Lehrerin hat ein neues Gesicht.

Sie ist vom Urlaub ganz braun.

Sie hat eine neue Haarfarbe

Und eine neue Brille

Und neue Ohrringe

Und ein grüne Kleid.

Vor dem Fenster hat sie einen neuen Wagen.

Unsere Lehrerin hat immer sechs Falten.

Auch wenn sie lacht.

*

Im Sommer waren wir bei

den Fröschen im Wasser.

Wir haben Schlangen gesucht

Und Käfer.

Wir haben gelacht,

vor allem über nichts.

Vielleicht regnet es heute,

dann werde ich durch eine Pfütze laufen.

Und wer vorbeikommt,

den spritze ich naß.

*

Wir sind sehr klein,

die Großen sind doppelt so groß.

Und wenn alles lacht

über meinen Pup,

dann sagt der,

der doppelt so groß ist wie ich:

Nun hört euch das an!

Nun seht nur,

rot ist er geworden.

Ja schäm dich.

Du mußt dich ordentlich schämen.

Am besten du gehst vor die Tür.

*

Manchmal erzählt sie Geschichten.

Manchmal.

Vom Hasen sonntags im Wald.

Oder vom Jungen, der krank wird

Und wieder gesund, in dem Film.

Oder vom Geräusch, nachts, in der Wand.

Oder von Knax, dem Hund, mit dem Heimweh.

Oder von einer Seereise.

Sie kann gut Geschichten erzählen.

Ehrlich.

Dann hören wir zu.

*

Mein Milchgeld rollt übern Tisch.

Mein Bleistift ist abgebrochen.

Mein Buch geht nicht auf.

Der Reißverschluss sitzt fest.

Die Hausaufgaben sind falsch.

Ich muss schnell mal was flüstern.

Das Hemd ist zu eng.

Die Schuhbänder sind gerissen.

Keine Bange, Fräulein Schmitt,

es ist alles in Ordnung.

*

Sie hat mich an die Wand gestellt.

Draußen im Flur.

Da bin ich durch die Wand gegangen.

Das war ganz leicht.

Ich glaube,

ich gehe nie mehr zurück.

*

Als der Eimer vollgepflückt war

Mit Heidelbeeren und Erdbeeren,

fiel der Eimer hin.


Ihr habt nicht aufgepaßt.

Ihr habt nur Unfug im Kopf.

Ihr sollt vorsichtig sein.

Wollt Ihr das auch nie wieder tun?


Nein, Schwester.

Nein, Schwester.

Doch.

*

Ich sehe dich an, Fräulein Schmitt.

Es sind schon zweiunddreißig Minuten

Vergangen.

Wo siehst du hin?

*

Auf einmal

Wird es ganz dunkel im Raum.

Das sind die Wolken,

der Sturm,

der bläst die offenen Fenster weit auf,

die Blätter vom Pult

und schlägt die Bäume

nach rechts und nach links.

Da kracht es im Stamm

Und im Himmel.


Da macht sie einfach die Fenster zu.

Das licht geht an.

Und alles ist wieder vorbei.

*

Pfui, sagt, sie,

Pfui.

Und ruft mich nach vorn.


Warum sagt sie nicht einfach:

Knöpf dir den Hosenschlitz zu.

Und zu den andern:

Was gibt's da zu lachen.

*

Ich mag den Geruch nicht

Von Ihrem Parfüm.

Lass mich.

Ich will zu den andern.

*

Kirschen sind rot

Und Blätter sind grün.

So ist das und basta und Schluß.


Meine Kirschen sind grün

Und mein Baum ist rot.

Das hab ich mir ausgedacht.

So ist das und basta und Schluss.

*

Wenn du mich ausschimpfst,

weil ich nichts weiß,

und wenn du sagst:

Du weißt wieder nichts

Und kannst wieder nichts,

hast nicht gelernt

und nicht aufgepaßt -

Dann zeigen alle auf mich,

weil du auf mich zeigst.

Und ich schäme mich,

als wär ich halb nackt.

*

Bevor ich in die Schule kam,

konnte ich alle.

Ich war

Sheriff,

Indianer

Und Räuber.

Aber seitdem ich in die Schule gehe,

weiß ich überhaupt nicht mehr.

*

Ja, ja Herr Direktor.

Ich sing dir was vor.

Ich sing dir was nach,

was du auch willst.


Recht hast du.

Weißt alles.

Siehst alles.

Hörst alles.

Der Klügste,

der Größte bist du.

*

Ich sitze in der ersten Bank,

der ersten Reihe.

Ich passe auf und rede nie.

Meine Hausaufgaben sind immer ordentlich.

Wenn Sie Geburtstag haben,

bringe ich Ihnen die größte Blume.

Ich weiß, das haben Sie gern.

Dennoch fürchte ich mich.

Auch das haben Sie gern.

*

Wenn der Direktor ins Klassenzimmer kommt

Oder der Lehrer von nebenan

Oder wenn Sie einer Mutter begegnen

Oder einem Vater,

dann machen Sie ein freundliche Gesicht.

Sie bewegen sich schön,

und Ihre Stimme ist weich

wie eine Butterblume.


Nur wenn Sie allein mit uns sind,

wenn nur wie Sie hören und sehen,

ist alles ganz anders.

Und das vergessen wir nie.

*

Wissen Sie noch am Samstag in der Stadt?

Wir sind Ihnen begegnet, meine Mutter und ich.

Da hatten Sie Zeit und blieben stehn

Und fragten:

Wie geht es Ihnen, Ihrem Mann und den Kindern?

Und sagten noch: Danke, mir geht es sehr gut.

Sahen mich an und lächelten süß.

Heißt das nun,

ich werde doch noch versetzt?

*

Glauben Sie mir,

es ist wirklich schwer,

im Bogen zu pinkeln.

Ich kann es nur manchmal,

aber Willi kann es immer,

Und immer meldet sich Willi als erster.

*

Bei mir zu Haus

ist es nicht so fein wie woanders. Wir haben nur einen Sessel

und der ist schief.

Meine Mutter hat keine Zeit

für Kuchen,

mein Bruder schmatzt

und mein Vater rülpst,

und meine Hosen sind niemals neu. Ich würde Sie gern einmal einladen nach Haus.

Aber Sie sehen ja selbst,

daß es nicht geht.


*

Ich glaube,

Sie sitzen in einer Wolke

Und verstehen überhaupt nichts.

*


Vorn steht die Tafel

und daneben das Pult.

Und hier sitze ich,

mitten zwischen den andern

und weiß nicht warum.

Wenn ich nun fortgehe,

ganz leise,

auf Zehenspitzen zum Beispiel,

und die Tür macht keinen Krach,

wenn sie aufgeht und zu,

wenn ich leise die Treppen hinuntergehe

und auch die große Tür nicht schlage

und leise über den Hof gehe,

bis auf die Straße  

Ich wette,

Sie vermissen mich nicht.


*


Der Vogel hat gesungen.

Die Glocke hat geläutet.

Die Geranie

Auf der Fensterbank

Ist eben gestorben,

aber Sie

reden einfach weiter, Fräulein Schmitt.

*


Ruhe!

Ruhe dahinten!

Kein Wort mehr.

Heute sprechen wir über eure Zukunft.

Ruhe, zum Donnerwetter.

Ich möchte, daß mich keiner unterbricht.

*


Wenn Sie wollen,

zeige ich Ihnen was Schönes.

Wie man schaukelt,

oder wie gut ein Apfel schmeckt,

oder wie die Glocke läutete,

bevor die Stunde zu Ende ist.

Kommen Sie, Fräulein Schmitt,

bei mir können Sie alles neu lernen.

*


Jacques Prévert:

Rechenstunde


Zwei und zwei sind vier

Vier und vier sind acht

Acht und acht sind sechzehn

Wiederholen! sagt der Lehrer

Zwei und zwei sind vier

Vier und vier sind acht

Acht und acht sind sechzehn

Aber da fliegt der Wundervogel

Am Himmel vorbei

Das Kind sieht ihn

Das Kind hört ihn

Das Kind ruft ihn

Rette mich

Spiel mit mir

Vogel!

Da schwebt der Vogel nieder

Und spielt mit dem Kind

Zwei und zwei sind vier...

Wiederholen! sagt der Lehrer

Und das Kind spielt

Der Vogel spielt mit ihm

Vier und vier sind acht

Acht und acht sind sechzehn

Und wieviel sind sechzehn und sechzehn?

Sechzehn und sechzehn sind nichts

Und erst recht nicht zweiunddreißig

Denn das gibt ja keinen Sinn

Also schwinden sie dahin

Und das Kind hat den Vogel in seinem Pult versteckt

Und alle Kinder

Hören sein Lied

Und alle Kinder

Hören die Musik

Und nun verschwinden auch die acht und acht

Und die Vier und Vier und die Zwei und Zwei

Trollen sich

Und eins und eins sind weder eins noch zwei

Eins ums andre ziehn sie ab

Und der Wundervogel spielt

Und das Kind singt

Und der Lehrer schreit:

Wann hört ihr endlich mit dem Unsinn auf?

Aber alle Kinder

Horchen auf die Musik

Und die Wände des Klassenzimmers

Sinken friedlich ein

Und die Fensterscheiben werden wieder Sand

Die Tinte wird wieder Wasser

Die Pulte werden wieder Bäume

Die Kreide wird wieder Felsen

Der Federhalter wird wieder Vogel. 153]


Jacques Prévert: Als wir aus der Schule kamen


Octavio Paz:

Kleine Variation über ein bekanntes Thema 154]


Wie eine auferstehende Musik

- wer ist's, der sie erweckt aus jener Ferne,

wer geleitet sie her durch die Spiralen

des geistigen Gehörs? -

wie der entschwundene

Moment, der wiederkehrt

als erneute und alte

verscheuchte Bedrohung,

so ertönen sie, tonlos,

die dem Dunkel entstiegenen Silben:

und in der Stunde unseres Todes, Amen.


Damals, im Andachtsraum der Schule,

sprach ich sie immer wieder,

teilnahmslos. Jetzt höre ich sie

ausgesprochen von einer Stimme

ohne Lippen, ein Rauschen von Sand, zerrinnend,

während die Stunden läuten in meinem Schädel

und die Zeit eine weitere Runde macht, meiner Nacht entgegen.

Ich bin doch nicht der erste Mensch

- sage ich mir, nach Epiktet -,

der zu sterben hat auf der Erde.

Und die Welt stürzt ein für mein Fleisch und Blut,

noch während ich es sage.


Die Verzagtheit von Gilgamesch,

als er zurückkam

aus dem Land ohne Dämmerung:

meine Verzagtheit ist's. Auf unsrer düstren

Erde ist jeder Adam:

mit ihm beginnt die Welt,

mit ihm geht sie zu Ende.

Zwischen Danach und Vorher

steinerne Parenthese,

werd' ich für einen Augenblick ohne Wiederkehr

der erste Mensch sein und der letzte.

Und indem ich es sage, tut sich der Augenblick

- unfaßbar, unberührbar -

unter den Füßen auf

und schließt sich über mir, reine Zeit.


*



Besonderheiten, Späße, Wiederkehrende Unannehmlichkeiten:


Herbert Knebel

Boh glaubse...


. .. wissen Se, wo ich die Tage war? Aum Klassentreffen! Und zwar hatte ich Post inne Post gehabt, mit eine Handschrift drauf, wo ich denk, Moment. Und dann fiel nür ein, wo ich die Schrift zuletzt gesehen hat­te. Und zwar war dat beide letz­ten Deutscharbeit inne Volks­schule, mit dem Titel: Wat aus mich ma werden soll!

Ja, da war mir seinezeit gar nix zu eingefallen. Ich konnte ja damals nich schon "Früh­rentner" schreiben. Und mein Nachbar, der Ferdi Stumpf, der wollte Lokführer werden. ja, und da wollte ich dat in meiner Not auch.

Der Ferdi, dat war damals für mich der erfolgreiche Weg fürn Volksschulabschluss. Wat ich bei dem alles abgepinnt hab! Wenn ich eine Schrift verinner­licht hab, dann die von den Fer­di Stumpf. Und jetz stand die da auf einma auf die Post. Ich denk, wat will der Doofmann denn von dir? ja, dann stellte sich raus, dat der Ferdi die Initi­ative ergriffen hatte zu ein Klas­sentreffen.

Da wollt ich ers gar nich hin. Dann hatte die Guste dat aber

auch mitgekricht und sachte, war da in die Klasse nich deine Große Liebe, die Uschi Kemp­chen? Da gehs du nich hin! Aber wie dat so is, wat verboten is, macht uns grade scharf! Ich komm also da rein, da saßen schon alle da.

Und dann ich sach so locker in die Runde rein, sach ma, wer von euch Mumien is denn die Uschi?

Da steht eine auf und sacht, Herbert, du siehs ja noch ge­nauso aus wie früher! Ich sach, Uschi, du has aber auch einiges mitgemacht, näh?

Da fing die drekt an mit eine Dauerbeschallung, wie se ihre ersten drei Männer unglück­lich verloren hatte, warum se beim Verkehr keine Kinder kriegen konnte und dat sie nur noch eine Lunge und zwei Nie­ren hatte. Ja, „stille Uschi" ham wir früher immer für sie ge­sacht. So kann man sich irren.

Dann erzählte se mir noch alles Mögliche, aber ich hatte mich schon wieder zu den Ferdi gesetzt, weil, ich wollte unbe­dingt wissen, wat aus seine Lokführerkarriere geworden war. Und da ließ er die Bombe

platzen. Er hatte sich nämlich frühzeitig von den Lokomotiv­führer Beruf abgewendet, um die Wege des Herrn einzu­schlagen. Und er wär jetz Jesuitenpartner in Nashville. Ich sach, da kannze ma sehen, die Wege des Herrn sind oft be­kloppter wie man denkt. Halle­luja!

Und dann fingen alle an, von ihre Karrieren aufe Kacke zu hauen. Da hab ich mich heim­lich übert Klo vom Acker ge­macht. Weil, wenn ich eins nich haben kann, dann, wenn andere Karriere machen!

(WAZ 16.02.03)


**


Als Epilog, als Schlußstein, der Phantasie, geschichtliche Verantwortung, Hoffnungsnähe und -distanz aufzeigt, erlaube ich mir, drei Texte hierherzusetzen, die, glaube ich jeder Schüler, für sich und seine Zeit zu aktualisieren vermöchte, wenn, ja, wenn er noch so viel Sehnsucht nach einer neuen, ganz gewiß nicht so viel anderen denn die erlebte Schulzeit auszuträumen vermag:



Christine Brückner

"Nicht einer zuviel!"


Der Studienrat Dr. K. muß damals Anfang Vierzig gewesen sein. Wir verehrten ihn, das Wort schwärmen träfe nicht zu. Seine Überlegenheit war augenfällig, er mußte sie nicht betonen. Er war in den entscheidenden Jahren unserer geistigen Entwick­lung der Leiter meiner Klasse und unterrichtete uns in den wich­tigsten Fächern: Geschichte und Deutsch. Ein Deutsch-Nationaler, der zu dem abgespaltenen volkskonservativen Flügel übergetreten war, als sich Hugenberg mit Hitler zur 'Nationalen Einheitsfront' verband.

Geschichte war bei ihm nicht mit Kriegsgeschichte gleichzuset­zen , er verlangte nicht, daß wir die Daten und Orte der Schlach­ten auswendig lernten. Er unterrichtete uns in den möglichen Staatsformen. Wir wußten Bescheid darüber, was Absolutismus, was Diktatur und was Demokratie besagte, und kannten die ty­pischen Ausprägungen in den verschiedenen Ländern und Zeiten. Er verglich die Französische Revolution mit der Achtundvierziger Revolution und mit der Russischen Revolution vom Jahr 1917. Wir lasen die amerikanische Verfassung und stellten ihr die Weimarer Verfassung und das Parteiprogramm der NSDAP gegenüber.

Dr. K. hatte als Infanterieoffizier am Ersten Weltkrieg teilge­nommen und war an der Einnahme der Festung Douaumont im Februar 1916, damals zwanzigjährig, beteiligt gewesen. Es hieß, daß er im Bericht der Obersten Heeresleitung namentlich erwähnt worden sei. Er war Träger des Eisernen Kreuzes Erster Klasse, aber er erzählte uns nie von seinen Erlebnissen im Krieg, nicht einmal am letzten Tag vor den Sommerferien. Zu keinem der zahlreichen nationalen Feiertage trug er ein Ordensbändchen im Knopfloch. 1918 war er durch einen Lungendurchschuß schwer verwundet worden, auch davon sprach er nicht. Wenn er die Zahl der Toten und Verwundeten des Ersten Weltkriegs nannte, erwähnte er nie, daß er dabei mitgezählt worden war, statt dessen unterrichtete er uns über die Höhe der Kosten für Waffen und Munition.

Ich erinnere mich, daß er 1934 zu uns sagte, der Nationalso­zialismus könne zum Verhängnis für das deutsche Volk werden. Er vertrat die Ansicht, daß Aufklärung nicht allein im Biologie­unterricht, sondern auch und vor allem im Geschichtsunterricht zu erfolgen habe und daß Geschichte kein totes Wissensgebiet sei,

sondern daß man aus der Geschichte lernen könne und müsse. Es gab Augenblicke, in denen leidenschaftlicher Eifer bei ihm durchbrach, im allgemeinen blieb er ruhig, beherrscht, sachlich. Er las uns Abschnitte aus Hitlers 'Mein Kampf' vor, ein Buch, das er für eine unerläßliche Pflichtlektüre für alle Gymnasien ansah, da es das ganze Programm Hitlers enthielt, das jener zu verwirklichen trachtete. Wir sprachen über die 'Germanisierung des Ostraums', über den Austritt Deutschlands aus dem Völker­bund und über die Folgen, die die einseitige Kündigung des Versailler Vertrages würde haben können. Wir lasen gemeinsam die Texte der Kriegserklärungen und lasen die Texte der Friedens­verträge.

Der weitaus größte Teil unserer Klasse saß in braunen Unifor­men vor ihm. Das hinderte ihn nicht daran, über das Risiko zu sprechen, das die deutsche Regierung mit der Einführung der Wiederbewaffnung einging. Wir waren zwölf- und dreizehnjährig in dieser Epoche der nationalen Erhebung und von unkon­trollierten Gefühlen mitgerissen. Er stand uns ruhig und beson­nen gegenüber. "Ich gebe zu bedenken", mit diesen Worten fin­gen viele seiner Sätze an. Später konnte er seine Erwägungen nicht mehr zu bedenken geben. Er besaß eine Familie, vier Kin­der. Er las nicht mehr 'Mein Kampf' mit seinen Schülern, zi­tierte nicht mehr ironisch Dietrich Eckardt, nahm nicht mehr Führerreden mit uns durch. Er mußte die Lektüre von Heinrich Heines "Politischem Testament" abbrechen, immerhin lasen wir Herders Schrift 'Über den Nationalwahn'.

Eines der Themen, die er uns für den deutschen Aufsatz gab, lautete: "'Der Intellekt ist eine Gefahr für die Bildung des Cha­rakters'. Welche Wirkung übt dieser Satz Josef Goebbels' auf den Schüler einer Obersekunda aus?"

Als unsere jüdische Mitschülerin eines Tages fortblieb, sagte er: Sie kann nicht länger eine deutsche Schule besuchen, da we­der ihr Aussehen noch ihr Charakter so deutsch sind wie eure und meine. Außerdem lebt ihre Familie erst seit zweihundert Jahren in dieser Stadt, das reicht nicht aus.

Von da an bediente er sich nur noch der mittelbaren Äußerun­gen, der Verschlüsselungen. Einige seiner Schüler verstanden ihn, die anderen hörten die Ironie nicht heraus, wenn er Hölderlins 'Tod fürs Vaterland' interpretierte. "O Vaterland / Und zähle nicht die Toten! Dir ist / Liebes! nicht einer zu viel gefallen." Er gab dann exakt die Zahl der Toten auf deutscher Seite und auch

auf der Seite der Entente an. "Nicht einer zuviel!" Damit schloß er den Unterricht und verließ das Klassenzimmer, bevor es ge­läutet hatte.

Als seine Oberprimaner nach Ausbruch des Zweiten Welt­kriegs einberufen wurden, sagte er zu ihnen: "Ich habe versucht, Sie auf das Leben vorzubereiten. Ob meine Vorbereitungen auch -", da brach er ab, sagte nur noch: "Das Leben ist der Ernstfall! Der Frieden!" und ging.

Die Angehörigen meines Jahrgangs sahen sich 1948 zum ersten Mal bei einem Klassentreffen am Schulort wieder. Von einund­zwanzig Schülern waren noch neun am Leben. Sieben waren ge­fallen, drei vermißt, eine Mitschülerin war bei einem Luftangriff ums Leben gekommen, eine war im Konzentrationslager vergast worden, einer der Männer trug eine Beinprothese.

Wir hätten Studienrat Dr. K. gern zu diesem Treffen eingela­den, aber es war uns leider nicht möglich. Es hat ihn nie gegeben. 155]


*



Die Schüler schleimen wieder um die Wette.

Oder:

Nach-Kriegs-Freuden und -Frieden in der BeeRDe:


Konstantin Wecker:

Frieden im Land


Das Land steht stolz im Feiertagsgewand.

Die Zollbeamten sind schön aufgeputzt.

Sogar die Penner haben Ausgang,

und am Rand sind ein paar Unverbesserliche noch verdutzt.

Die alten Ängste, pittoresk gepflanzt,

treiben sehr bunte neue Blüten.

Die Bullen beißen wieder, und der Landtag tanzt.

Endlich geschafft: Ein Volk von Phagozyten.

Jetzt ist es allen klar: Der Herr baut nie auf Sand.

Es herrscht wieder Frieden im Land.


Vereinzelt springen Terroristen über Wiesen.

Wie chic. Die Fotoapparate sind gezückt.

Die alten Bürgerseligkeiten sprießen,

die Rettung, Freunde, ist geglückt.

Die Schüler schleimen wieder um die Wette.

Die Denker lassen Drachen steigen.

Utopia onaniert im Seidenbette,

die Zeiten stinken, und die Dichter schweigen.

Wie schön, daß sich das Recht zum Rechten fand:

Es herrscht wieder Frieden im Land.


Ich will mich jetzt mit einem runden Weib begnügen,

drei Kinder zeugen, Eigenheime pflanzen und

die Menschheit einfach mal um mich betrügen.

Wohin denn leiden   schließ mir, Herr, den Mund.

Wirf mir die Augenbinden runter und den Stirnverband:

Es herrscht wieder Frieden im Land. 156]

(1977)


*

Frage aller Fragen:

Und ein neuestes Schülerprodukt. Wie schätzen Sie die Authentizität des Textes? Und die Ehrlichkeit des Kindes und seines Vaters oder seiner Mutter....:


Kleiner König der Ausreden

SCHULE: "Verhör" endet mit Freispruch


Kevin kam fast immer zu spät. Darum hatte er im­mer die besten Ausreden Er wurde deshalb Ausredenkönig genannt. Am Freitagmorgen kam Kevin wieder einmal zu spät. Herr Müller, der Lehrer, kochte vor Wut. "Warum kommst du schon wieder zu spät?" schimpfte er.


VON KATRIN MEURERS, ELF JAHRE, AUS MARL


"Ich wollte extra pünktlich kommen, aber auf einem Baum saß eine kleine Katze und miaute kläglich. Da bin ich ohne zu zögern hinauf ge­klettert und habe das Kätz­chen herunter geholt. Es war schon spät und ich musste so schnell wie möglich zur Schu­le. Ich beschloss ein Taxi zu nehmen." "Hattest du denn so viel Geld, bis zur Schule mit dem Taxi zu fahren?" "Natür­lich nicht! Ich musste es mir erst verdienen. Was tut man nicht alles um pünktlich zur Schule zu kommen! Da hatte ich eine gute Idee. Hinter der   Mülltonne fand ich einen Haufen alter Zeitungen. Ich hob sie auf und stellte mich mitten auf die Straße und rief so laut ich konnte: Extrablatt   so werden sie Millionär! Le­sen sie alle Tipps und Tricks!' Die Leute rissen mir die Zei­tungen regelrecht aus der Hand. Auch wenn da nur drinstand, dass demnächst ein großes Blumengeschäft er­öffnet wird. Ich hatte jetzt Geld genug, um mir ein Taxi leisten zu können. Doch kaum hatte ich es bestiegen, blieb es plötzlich stehen. Der Fahrer entschuldigte sich viel­mals und bedauerte, dass er kein Benzin mehr hatte."

Herr Müller musste lachen und fragte Kevin: „Und das soll ich dir wirklich alles glau­ben?" „Ich gebe zu, es ist eine sehr ungewöhnliche Sache. Dem Taxifahrer war es furcht­bar peinlich und er sagte zu mir: 'Junge, das darf keiner wissen. Das schadet dem Ge­schäft.' Dann gab er mir 20 Eu­ro Schweigegeld."

"OK", sagte Herr Müller, "ich glaube dir, wenn du mir die 20 Euro zeigst." „Tut mir leid, Herr Müller aber als ich Richtung Schule gegangen bin, packte mich das schlech­te Gewissen. Ich hatte die Leu­te mit der Zeitung betrogen und ich wusste, dass sie mich in der Schule über den Taxi­fahrer ausfragen würden. Da­bei hatte ich ihm verspro­chen, nichts zu verraten. Also hatte ich die 20 Euro Schwei­gegeld nicht verdient. Kurz vor der Schule saß ein Bettler, dem ich mein gesamtes Geld übergab. Dieser sprang vor Freude auf und rannte davon. jetzt hatte ich wenigstens eine gute Tat vollbracht und konn­te ohne schlechtes Gewissen n die Schule gehen."

Du kannst dich setzen," sagte Herr Müller erschöpft. Die Klasse jubelte, dass Kevin es wieder einmal geschafft hatte, ohne Strafe davon zu kommen.

(Aus: Recklinghäuser Zeitung. 15.02.03)


1] Jurek Becker: Schlaflose Tage. Frankfurt/M: Suhrkamp Verlag 1978. 116f.

2] E.E.: Nachts, halb zwei, zu Hause. Leipzig 1991: Reclam. S. 17.

3]B. B.: Die Gedichte von Bertolt Brecht in einem Band. Frankfurt/M. 1981.

4

5] Aus: K. S.: Rheinsagen aus dem Munde des Volkes und deutscher Dichter. Für Schule, Haus und Wanderschaft. Bonn 1874.

6] E. L. Sch.: Gedichte 1902 - 1943. München: 1992. S. 125.

7] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970. S. 310f.

8] In: Tintenfisch. Jahrbuch für Literatur Bd. 8. 1975. Berlin. Wagenbach Verlag. S. 20

9] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970. S.150.

10] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970. S. 179.

11] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970.S. 257.

12] G.B.F.: Die Ankunft des Großen Unordentlichen in einer ordentlichen Zeit. Berlin. O.J. S. 58.

13] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970.S. 233

14] Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München: Carl Hanser Verlag. 1970. S.

15] A. Voigtländer und H. Witt (Hrsg.): Denkzettel. Frankfurt/M. 1977. S73f.

16] H.M. Enzensberger: Gedichte 1955 - 1970. Frankfurt/M. 1975 (st 4). S. 13.

17] N.B.: Gedichte 1967-78. Reinbek: 1978. rororo 4780. S. 78

18] G. B. Fuchs: Das Lesebuch des Günter Bruno Fuchs. München 1970. 23.

19] A.C.: Aus: Die Geranie auf der Fensterbank ist eben gestorben, aber Sie reden einfach weiter, Fräulein Schmitt. Frankfurt/M.: Insel Verlag 1972. S. 58.

20] H. K.:

21] H. K.: Fundsachen. Berlin/Weimar: Aufbau Verlag. 1985. S. 66, 67, 78.

22] A. Voigtländer und H. Witt [Hrsg.]: Denkzettel. Frankfurt/M. 1977. S. 70f.

23] A. Voigtländer und H. Witt [Hrsg.]: Denkzettel. Frankfurt/M. 1977. S. 271f.

24] Günter Grass: Gedichte und Kurzprosa. Hrsg. von Volker Neuhaus. Frankfurt/M., Olten, Wien 1987. S. 141.

25] Rainer Brambach: Wirf eine Münze auf. Gesammelte Gedichte. Zürich 1977. S. 18.

26] Dorothee Sölle: Ich will nicht auf tausend Messern gehen. Gedichte. München 1987 (dtv 10651). S. 68.

27] Hermann Hesse: Die Gedichte. Zweiter Band. Frankfurt/M 1977. (st 381) S. 682.

28] K.T. Gesamtausgabe. Texte und Briefe. Bd. 3. 1919. S. 239f. (Zuerst unter dem Pseudonym "Kaspar Hauser". WB 24.7.1919)

29] K:T.: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Werke. Bd. 10. S. 67.

30] K.T. Gesamtausgabe. Texte und Briefe. Bd. 3. Texte 1919. S. 16f. (Zuerst als "Kaspar-Hauser-Text. WB 9.1.1919)

31] H.-D. Hornschuh: Humor rund um Lehrer und Schüler. München: Manz Verlag 1986. S. 56.

32] H.-D. Hornschuh: Humor rund um Lehrer und Schüler. München: Manz Verlag 1986. S. 13.

33] E. K.: In: Die Weltbühne. 6.1.1931. S. 32; Aus: Bd. 1. Gedichte. S. 194.

34] E.K.: Bd.1: Zeitgenossen, haufenweise. München 1998. S. 320f.

35] E.K.: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte. Werke. Bd. I. S. 93f.

36] E.K.: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte. Werke. Bd. I. S. 139f.

37] E.K.: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte. Werke. Bd. I. S. 53f.

38] E.K.: Zeitgenossen, haufenweise. Werke. Bd. I. Gedichte. München 1998. S. 345f.

39] M. Kaléko: Verse für Zeitgenossen. 1980. Rororo 4659. S. 49f.).

40] Mascha Kaléko: Der erste Schulgang. Aus: Das lyrische Stenogrammheft. Reinbek 1956: rororo 1784. S. 132f.

41] Aus: Das lyrische Stenogrammheft. Reinbek 1956: rororo 1784. S. 130.

42] G. K.: Unterwegs nach Utopia. Gedichte. München 1977. S. 22.

43] G. K.: Unterwegs nach Utopia. Gedichte. München 1977. S. 46.

44] G. v. d. Vring: Die Gedichte. Ebenhausen 1989: Langewiesche-Brandt. S. 268.

45 H.-D. Hornschuh: Humor rund um Lehrer und Schüler. München: Manz Verlag 1986.S. 158f.

46 Otto Heinrich Kühner: Wozu noch Gedichte? Frankfurt/M. 1983: Ull-TB 26089. S. 83.

47] Otto Heinrich Kühner: Wozu noch Gedichte? Frankfurt/M. 1983: Ull-TB 26089. S. 36.

48] K. D.: Privateigentum. Frankfurt/M.1989: Suhrkamp NF 584. S. 18.

49] K. D.: Privateigentum. Frankfurt/M.1989: Suhrkamp NF 584. S.19.

50] Hornschuh: Humor S. 52.

51] Hornschuh: Humor S. 183.

52] Joachim Ringelnatz: Auf einmal steht es neben dir. Gesammelte Gedichte. Frankfurt/M.: Büchergilde Gutenberg 1975. S. 48.

53] R.M.R.: Gesammelte Gedichte. Frankfurt/M. 1962: Insel Verlag. S. 140.

54] R.M. Rilke: Sonett an Orpheus. XXI. In: R.M.R.: Gesammelte Gedichte. Frankfurt 1962: Insel-Verlag. S. 500)



55] Franz Werfel: Das lyrische Werk. Frankfurt/M. 1967. S. 16f.

56] Jahr- und Tagebuch. Kalenderblätter. Gesammelt von Harald Beck. Stuttgart 1992: Reclam UB 8838. S. 163.

57] Gekürzt aus: Reime, Gedichte, Geschichten für den Kindergarten. Berlin 1980: Volk und Wissen Verlag. S. 119.

58] Aus: Reime, Gedichte, Geschichten für den Kindergarten. Berlin 1980: Volk und Wissen Verlag. S. 119.

59] Aus: Reime, Gedichte, Geschichten für den Kindergarten. Berlin 1980: Volk und Wissen Verlag. S. 118.

60] Reime, Gedichte, Geschichten für den Kindergarten. Berlin 1980: Volk und Wissen Verlag. S. 117f.


61] Aus: Reime, Gedichte, Geschichten für den Kindergarten. Berlin 1980: Volk und Wissen Verlag. S. 120.

62] "Freiheit, Liebe, Menschlichkeit!" Ein Manifest von hervorragenden Zeitgenossen. Berlin 1893. S. 21.

63] Aus: Die Kinder dieser Welt. Hrsg. v. Jana Halamicková. Frankfurt/M. 1990: Fitabu 10039 . S. 55.

64] Paul Klee: Gedichte. Zürich 1960. S. 73.

65] Goldener Taschenspiegel für die Schuljugend, verfaßt und verlegt von J. C. H. Schäffer. Altona 1902. S. 19ff.

66] Friedrich Eberhard von Rochow: Der Kinderfreund. Ein Lesebuch zum Gebrauche in Landschulen. Band 1. Bremen o. [etwa 1790] S. 25.

67] Anna Benedikt: Gelegenheitsgedichte für Kinder. München 1868. S. 65.

68] Ludwig Eichrodt: Biedermaiers Liederlust. Stuttgart 1981. RUB 7717. S. 77f.

69 Ludwig Eichrodt: Biedermaiers Liederlust. Stuttgart 1981. RUB 7717. S. 78f.

70] D.L.: Lauter letzte Worte. Hrsg. v. Karl Corino. Frankfurt/M. 1980: Suhrkamp NF 21. S. 25.

71] Text aus: Rudolf Reiser: Lehrergeschichte(n). München 1985. S. 60f.

72] Münchner Bilderbogen Nr. 303. Zitiert nach: Kindheit im Gedicht. Deutsche Verse aus Jahrhunderten. Gesammelt, herausgegeben und kommentiert von Dieter Richter. Frankfurt/M. 1992. S. 748.

73] Theodor Däubler: Der sternhelle Weg und andere Gedichte. Hrsg. von Harald Kaas. München 1985: Carl Hanser. S. 18f.

74] In: Schulerinnerungen aus Mecklenburg. Hrsg. v. Günter Rickers. Husum 1992. S. 5f.

75] In: Schulerinnerungen aus Mecklenburg. Hrsg. v. Günter Rickers. Husum 1992. S. 69 - 74.

76] "Ich bin nun, wie ich bin" Goethe zum Vergnügen. Hrsg. von Volker Ladenthin. Stuttgart 1992: Reclam UB 8752. S. 69.

77] F. H.: Aus: Sämtliche Werke. Frankfurt/M. u.a.: 1965: Büchergilde Gutenberg. S. 7.

78] Dieter Richter [Hrsg.]: Kindheit im Gedicht. Frankfurt/M. 1992. S. 741.

79] Dieter Richter [Hrsg.]: Kindheit im Gedicht. Frankfurt/M. 1992. S.740.

80] Aus: Dieter Richter [Hrsg.]: Kindheit im Gedicht. Frankfurt/M. 1992. S. 742.

81] Karl Kossert: Historia Poetica. Geschichte der Stadt Goch. Köln 1984: Rheinland Verlag. S. 54.

82] Chr. Morgenstern: Alle Galgenlieder. Insel taschenbuch 6. S. 90f.

83] Albrecht Goes: Aus: Herz tröste dich. Poesie für jeden Tag. Hrsg. v. Constantin Rühm. Freiburg. u.a. 1985: Herder Verlag. S. 305f

84] Heinz Piontek: Früh im September. Gesammelte Werke Bd. I. München 1984. S. 165f.

85] Heinz Piontek: Gesammelte Werke

86] Karl Otto Conrady (Hrsg.): Das große deutsche Gedichtbuch. Kronberg/Ts.: Athenäum Verlag 1977. S. 1091.

87 ] W. W.: Letzte Gedichte. Frankfurt/M. 1980. S.

88] In: Düne des Vergessens. Oder: Der Pauker da vorn lallt mir ein Ohr ab. Hrsg. v. Literaturbüro Trier 1985. S. 47.

89] Richter: Kindheit. S. 747.

90] In: Irmgard Wolter [Hrsg.] Verse fürs Poesiealbum. Niedernhausen/Ts. 1969. S. 55.

91] Ernst Jandl: ..

92] James Krüss: Aus: James Tierleben. München 1965: Annette Betz Verlag. S. 82f.

93] James Tierleben. München 1965. S. 154.

94] Aus: Glück und Segen. Gesammelt und hrsg. v. Bruno Horst Bull. Hamburg 1964: Mosaik Verlag. S. 73.

95 Ralf Rothmann: Kratzer und andere Gedichte. Frankfurt/M: 1987. st 1824. S. 13.

96] Ralf Rothmann: Kratzer und andere Gedichte. Frankfurt/M: 1987. st 1824. S. 34.

97] Aus: Das große deutsche Balladenbuch. Hrsg. v. Beate Pinkerneil. S. 845f.

98] Aus: Das große deutsche Balladenbuch. Hrsg. v. Beate Pinkerneil. S. 847f.

99] Aus: Joachim Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. Sprüche fürs Poesiealbum. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1981 [rotfuchs 135] S. 49.

100] Erich Fried: Gedichte. Ausgewählt von Klaus Wagenbach. München 1995 [dtv 11997]. S. 24.

101] G.H.: Auf- und Abgesänge. Gedichte. Krefeld 1983: Sassafras. S. 28.

102] Gerd Herholz: An- und Abgesänge. Duisburg 1988. S.

103] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 44.

104] In: Künstleraktion Abrüstungsblock. München o. J. Karte Nr. 7

105] Aus: Gedichte für Anfänger. Hrsg. v. Joachim Fuhramnn. Reinbek 1980. S. 66.

106] Bläck Föös. Das Wasser von Kölle. MC-Kassette. Textbeilage

107] Loriot: Menschen, Tiere, Katastrophen. Stuttgart 1992: Reclam UB 8820. S. 93.

108] Primaner-Lyrik-Prosa. Hrsg. v. Armin Schmid. Reinbek 1965: rororo 795. S. 57.

109] Primaner-Lyrik-Prosa. Hrsg. v. Armin Schmid. Reinbek 1965: rororo 795. S. 51.

110] Primaner-Lyrik-Prosa. Hrsg. v. Armin Schmid. Reinbek 1965: rororo 795. S. 47.

111] Guntram Vesper: Ich hörte den Namen Jessenin. Frankfurt/M. 1993: Fitabu 11282. S. 21.

112] Guntram Vesper: Ich hörte den Namen Jessenin. Frankfurt/M. 1993: Fitabu 11282. S. 33, 34.

113] Joachim Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. Sprüche fürs Poesiealbum. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1981 [rotfuchs 135]. S. 36.

114] Hans Jürgen Heise: Ein bewohnbares Haus. Gedichte. Frankfurt/M. 1988. S. ...

115] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 59.

116] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 63.

117] Aus: Lesebuch. 3. Schuljahr. Hrsg. v. Siegfried Buck. Frankfurt/M. u.a. 1984. S. 139.

118] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 56.

119] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 33.

120] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 37.

121] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 50f.

122] Aus: Joachim Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. Sprüche fürs Poesiealbum. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1981 [rotfuchs 135]. S. 56f.

123] In: Bedenkliche Zeiten. Hrsg. v. Claudia Hahm. Köln 1985. S. 88 u. 89.

124] In: Künstleraktion Abrüstungsblock. München o. J. Karte Nr. 29.

125] Theodor Weißenborn: Blasphemie. Ärgernisse/Bessernisse. Neumünster 1992. S. 49.

126] Th. W.: Geistlicher Nachlaß. Gedichte. Duisburg: Gilles & Francke Verlag. S. 34.

127 ] Theodor Weißenborn: Blasphemie. Ärgernisse/Bessernisse. Neumünster 1992. S. 25,

128] Theodor Weißenborn: Blasphemie. Ärgernisse/Bessernisse. Neumünster 1992. S. 32.

129] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 59 und 63.

130] Fuhrmann [Hrsg.]: Poesiekiste. S. 77.

131] Aus: Die Wundertüte. Alte und neue Gedichte für Kinder. Hrsg. v. H.-J. Kliewer. Stuttgart 1989: Reclams UB 40003. S. 122f.

132] Aus: Die Stadt der Kinder. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. München 1972: dtv 7073. S. 116.

133] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 206.

134] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 207f.

135] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 194.

136] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 195.

137] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 191.S. 195.

138] Aus: Überall und neben dir. Gedichte für Kinder in sieben Abteilungen. Hrsg. v. Hans-Joachim Gelberg. Weinheim u. Basel 1986. S. 180.

139] GRIPS-Liederbuch Nr. 71.

140] In: Künstleraktion Abrüstungsblock. München o. J. Karte Nr. 25.

141] In: Künstleraktion Abrüstungsblock. München o. J. Karte Nr. 23.

142] Aus: Das Rowohlt-Lesebuch der Poesie. Hrsg. v. Angela Praesent. Reinbek 1983: rororo 5207. S. 65.

143] Volker Ludwig: Hetzlied. Aus dem Musical "Ein Fest bei Papadakis". In: GRIPS-Liederbuch. Hrsg. v. Volker Ludwig und Birger Heymann. München 1978. Seite 24f.

144] Schülergruppenarbeit; überliefert vom Marie-Curie-Gymnsaium, Recklinghausen

145] Der ewige Brunnen. Hrsg. v. Ludwig Reiners. München 1988: C.H. Beck. S. 37.

146] Zitiert mit dankbarer Lesefreude aus: Peter Rühmkorf: Über das Volksvermögen. Reinbek 1967: Rororo 1180. S. 103 - 107.

147] Aus: Glück und Segen. Gesammelt und hrsg. v. Bruno Horst Bull. Hamburg 1964: Mosaik Verlag. S. 70f.

148] Aus: Glück und Segen. Gesammelt und hrsg. v. Bruno Horst Bull. Hamburg 1964: Mosaik Verlag. S. 71.

149] James Krüss. Aus: Glück und Segen. Gesammelt und hrsg. v. Bruno Horst Bull. Hamburg 1964: Mosaik Verlag. S. 71f.

150] Jahr- und Tagebuch. Kalenderblätter. Gesammelt von Harald Beck. Stuttgart 1992: Reclam UB 8838. S. 311.

151] Aus: Die Kinder dieser Welt. Hrsg. v. Jana Halamicková. Frankfurt/M. 1990: Fitabu 10039 . S. 53f.

152] Albert Cullum: Die Geranie auf der Fensterbank ist eben gestorben, aber Sie reden einfach weiter, Fräulein Schmitt. Übersetzt von Elisabeth Borchers. Frankfurt /M. 1972. Insel Verlag. [Ein Bilderbuch mit einem Zyklus von 22 Gedichten.]

153] (Aus dem Französischen von Kurt Kusenberg) Aus: Das Lesebuch der Poesie. Hrsg. v. Angela Praesent. 1983. Rowohlt 5207. S. 160f.)

154] Jahr- und Tagebuch. Kalenderblätter. Gesammelt von Harald Beck. Stuttgart 1992: Reclam UB 8838. S. 233f.

155] Chr. B.: Überlebensgeschichten. Ullstein-Tabu:

156] K.W.: Sage Nein! Politische Lieder 1977 - 1992. S. 75