Freitag, 30. Dezember 2011

Spektakuläre Sätze des Jahres 2011:

Wortforschungen - II -


Spektakuläre Sätze des Jahres 2011:


* „Lieber im Mercedes weinen, als auf dem Fahrrad glücklich sein.“


Von Hertha Müller überlieferter Satz aus Yiwus "Panoptikum des Lebens", das Frau Müller in ihrer Laudatio auf den chinesischen Dissidenten aufnahm:

„Geld um jeden Preis. Vor wenigen Tagen habe ich in der Zeitung gelesen, dass eine junge Neureiche auf das Fehlen aller Gefühle im Zusammenleben angesprochen, gesagt hat: 'Lieber im Mercedes weinen, als auf dem Fahrrad glücklich sein.' Dieser Satz klingt wie eine Moritat von der Raffgier, und er könnte das Motto des heutigen China sein. "Made in Germany Zwei"!

Nachzulesen in cicero.de:

http://www.cicero.de/salon/scholl-preis-nobelpreistraegerin-mueller-gratuliert-dissident-liao-yiwu/47611?seite=3


Dieser Satz wird erst durch den Kontext operativ revolutionär; in einem Reklametextchen wäre er ein speiübles Hauptsätzchen gewesen.


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Harry Graf Kessler in seinen "Tagebücher 1918 – 1937":

Pontanevaux. Weihnachtsabend 1936. Donnerstag

Um vier hatte ich einen Weihnachtsbaumbaum und eine Bescherung für die Dorfkinder von Saint-Symphorien d'Ancelles eingerichtet. Zirka fünfzig Kinder von sechs bis zehn Jahren kamen unter Führung ihrer Lehrerin. Die meisten hatten noch nie einen Weihnachtsbaum gesehen und waren durch den Weihnachtsmann, als der vermummt Faveri erschien, sehr beeindruckt. Auch die Hunde, Katzen, Gänse hatten unter dem Baum ihre eigene Bescherung, was sehr lustig war. Es stellte sich heraus, daß die kleinen Mädchen die Puppen verachteten und kleine Küchengarnituren und Eßservice vorzogen. Alle waren erstaunlich artig und wohlerzogen; hübsche Gesichter hatte kaum ein halbes Dutzend kleine Mädchen und Jungen; die meisten sahen aus wie der graue Alltag. Das Volk dieser Gegend, Bourguignons und Lyonnais, ist merkwürdig unschön.

"... ist merkwürdig unschön." - Nicht: häßlich, nicht verunstaltetet, sondern "un-schön", ein sorgfätig gewähltes Adjektiv in der Verneinung mit dem dezidierten "un-".

Harry Graf Kessler (23.05.1868 - 30.11.1937) Kapitel 19.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/4378/19


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"Aber Kafka will sich ja endlich befreien von Prag, von den Eltern, von dem kleinen Zimmer zu Hause, von der strangulierenden Sohnschaft, und er vertraut dabei auf Doras rettende Kraft."

Dieter Hildebrandt in der ZEIT 35/2011, Feuilleton. Rezension der Romanbiografie von Michael Kumpfmüller, passend geschmiedet auf Franz Kafka "Die Herrlichkeit des Lebens".

http://www.kiwi-verlag.de/das-programm/einzeltitel/?isbn=978-3-462-04326-6

Sohnschaft: Ein Gotteswort; wenn man denn die Übersetzunge einer Übersetzung einer Übersetzung einer Übersetzung aus der Sprache des Arämischen als authentisch göttliches Wort ansehen, anbeten oder festschreiben will.Man darf nachlesen:

"Gotteswort" als Übersetzungsversuch zum latinisierten "hyiothesia" (gr. υἱοθεσία)


http://www.haltefest.ch/themen/bibelstudium/sohnschaft.html


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"Weihnachten ohne eine Ansprache des Bundespräsidenten kann auch ganz schön sein.

Herzlichst, F. J. Wagner"

Der Gossen-Goethe in: "Lieber Bundesprääsident Wulff":

http://www.bild.de/news/standards/franz-josef-wagner/lieber-bundespraesident-wulff-21637566.bild.html












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