Freitag, 6. März 2020

Im Feuer der Psalmen des Herrn

                                                 - Kirche, leicht verrückt -  


Im Feuer der Pslamen des Herrn

Oder
Wenn dem Chorgeist die Lust ausgeht


Vorn in der funkelnd durchglühten Apsis. Ein großer Chor stellt sich auf.

Weltberühmte Stimmen, perlende Choräle fließen von sanften Lippen. Frauen in langen, schwarzen Röcken und weißen, bis zur Hüfte fallenden Chorhemden mit pludrigen Rochett-Ärmeln. „Groß sind die Siege des Herrn.“

Werden vom weißhaarigen Mann dirigiert: „Und jetzt aber besser, intonabler, so, wie, so: flammabler! Herrlich-herzlicher: Der Bischof soll erbeben, wenn wir den Psalm intonieren!“

     „Heil, David, Heil,

Der die Philister schlug!
Strahlender du des Herrn!
Leuchtender heller dein Stern
des strahlenden Feuers.
Tausend Saul erschlug,
Aber zehntausend David!“

Zwischen den sich rhythmisch wiegenden Sängerinnen kriecht her und hin ein flinker Knirps. Keiner der Sänger*innen nimmt Notiz von ihm.

Hier tut sich ihm ein Gasse auf, dort schließt sich wieder die Reihe. Das Kerlchen ist gerade hindurchgehuscht. Unterm Gesang findet es Platz. Es rudert mit den Armen, brummbrumm. Umkreist die Frauen, die hehre singen und ihre Oberkörper wiegen, ihre Köpfe. „Groß sind die Siege des Herrn. Hallelluja!“


Zwei gebrochene Laiber Brot liegen auf einer Stufe, im Leinenweiß. Milch im Becher daneben.

Da setzt es sich hin, holt Zündhölzer aus seinem Jäckchen, schlägt ein Feuerchen, das rasch, unbemerkt vom Kantor und seinen Frauen, hochschlägt, die Kleider und die Leiber erfaßt, alles verbrennen will.

Die Flammen ziehen hoch, als wollten sie in den Himmel aufsteigen. Fensterscheiben platzen, Altar, Gestühl, Kanzel knacken, knarren, stöhnen ob der Hitze.

Die Kirche wird im vorderen Teil von glühend brünstig steigenden Flammen, einem Heer von stichelnden Zungen, niedergemacht.

Chor, Altarraum, Kanzel, die feste Burg, brennen nieder, bevor noch die Feuerwehrhauptleute Feuer rufen können. Das Langhaus des einschiffig himmelhohen Kirchenraumes glüht platzend und berstend aus, versinkt in brodelnd-stiebender Funkenasche, Stunde für Stunde.

Nachbrunst vollzieht sich in Geprassel pfingstlichen Züngelns. Stille dann.


Die nach Westen gelegene Orgelempore ist unversehrt geblieben, schwarz verblockt; die Mauern klaffend, ungeschützt vor Wind und Wetter und den Objektiven aller herangeschafften Kameras, der verstörte Kirchenraum wund und bloß.

Bis fleißige Menschen aus den umliegenden Dörfern und Bauernhöfen kommen und nehmen auf die Arbeit, die betenden Mühen. Sie planen, zeichnen, sägen, mauern, hämmern, schütten Beton, setzen brandrote, heimische Klinker; ziehen geborstene Stützpfeiler hoch und rüsten das Dach ein, setzen Blitzableiter. Die erhalten gebliebene Kirche mit Portal und Orgelwerk auf der Empore wird rekonstruiert und gereinigt; Etagen, Treppenhäuser, Feuerlöscher mit Polyäthyl-Irgendwas ziehen ein. Menschlein steigen schweigend in die kleine Wohnburg, die Kirchenfeste: Alte, Berber, Arbeitslose, Obdachlose und Psychotiker - Querulanten; ein gemischtes Völkchen besiedelt den Kirchenruine.

Doch die Menschen verstummen noch am ersten Tag, sagen aber ihren Kindern: Wir müssen froh sein. Hier wohnen zu dürfen!

Ein Mädchen in rotstoppeligem Haar begibt sich in der sonnig-stillen Mittagsstunde eines Sommertages auf die Suche nach einem Spielfreund. Gelangt über Treppen, Stiegen, Galerien, unverschlossene Türchen, verschnörkelte Wendelgitter, durch einen staubig verspinnwebten Kriechgang in einen unter dem Dach eingerichteten Kuppelraum.

Als sie am Abend, nach ruhigem Schlaf, schreiend hier oben erwacht und sich im Dunkel nicht mehr hinuntertraut, wird sie spät bis in den letzten Dämmerminuten gesucht.

Geduckt, aus Äuglein lauernd betritt, mutig suchend, die Mutter des Mädchens den Raum. Sie richtet sich auf, ihr Kind stürzt ihr entgegen, es drängen die Nachfolgenden hinauf. Sie treten ein, schauen sie sich um und finden den Raum leer und öd.

In diesem Augenblick, erzählen sie sich später bei Bier und Prasselgebet, fallen vom Kreuzgewölbe die an langen Sehnen hängenden Ohrlappen herab. 

Platsch! 

Und Stille!


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