- Kirche, leicht verrückt -
Im
Feuer der Pslamen des Herrn
Oder
Wenn
dem Chorgeist die Lust ausgeht
Vorn in
der funkelnd durchglühten Apsis. Ein großer Chor stellt sich auf.
Weltberühmte
Stimmen, perlende Choräle fließen von sanften Lippen. Frauen in
langen, schwarzen Röcken und weißen, bis zur Hüfte fallenden
Chorhemden mit pludrigen Rochett-Ärmeln. „Groß
sind die Siege des Herrn.“
Werden
vom weißhaarigen Mann dirigiert: „Und jetzt aber besser,
intonabler, so, wie, so: flammabler! Herrlich-herzlicher: Der Bischof
soll erbeben, wenn wir den Psalm intonieren!“
„Heil,
David, Heil,
Der
die Philister schlug!
Strahlender
du des Herrn!
Leuchtender
heller dein Stern
des
strahlenden Feuers.
Tausend
Saul erschlug,
Aber
zehntausend David!“
Zwischen
den sich rhythmisch wiegenden Sängerinnen kriecht her und hin ein
flinker Knirps. Keiner der Sänger*innen nimmt Notiz von ihm.
Hier tut
sich ihm ein Gasse auf, dort schließt sich wieder die Reihe. Das
Kerlchen ist gerade hindurchgehuscht. Unterm Gesang findet es Platz.
Es rudert mit den Armen, brummbrumm. Umkreist die Frauen, die hehre
singen und ihre Oberkörper wiegen, ihre Köpfe. „Groß
sind die Siege des Herrn. Hallelluja!“
Zwei
gebrochene Laiber Brot liegen auf einer Stufe, im Leinenweiß. Milch
im Becher daneben.
Da setzt
es sich hin, holt Zündhölzer aus seinem Jäckchen, schlägt ein
Feuerchen, das rasch, unbemerkt vom Kantor und seinen Frauen,
hochschlägt, die Kleider und die Leiber erfaßt, alles verbrennen
will.
Die
Flammen ziehen hoch, als wollten sie in den Himmel aufsteigen.
Fensterscheiben platzen, Altar, Gestühl, Kanzel knacken, knarren,
stöhnen ob der Hitze.
Die
Kirche wird im vorderen Teil von glühend brünstig steigenden
Flammen, einem Heer von stichelnden Zungen, niedergemacht.
Chor,
Altarraum, Kanzel, die feste Burg, brennen nieder, bevor noch die
Feuerwehrhauptleute Feuer rufen können. Das Langhaus des einschiffig
himmelhohen Kirchenraumes glüht platzend und berstend aus, versinkt
in brodelnd-stiebender Funkenasche, Stunde für Stunde.
Nachbrunst
vollzieht sich in Geprassel pfingstlichen Züngelns. Stille dann.
Die nach
Westen gelegene Orgelempore ist unversehrt geblieben, schwarz
verblockt; die Mauern klaffend, ungeschützt vor Wind und Wetter und
den Objektiven aller herangeschafften Kameras, der verstörte
Kirchenraum wund und bloß.
Bis
fleißige Menschen aus den umliegenden Dörfern und Bauernhöfen
kommen und nehmen auf die Arbeit, die betenden Mühen. Sie planen,
zeichnen, sägen, mauern, hämmern, schütten Beton, setzen
brandrote, heimische Klinker; ziehen geborstene Stützpfeiler hoch
und rüsten das Dach ein, setzen Blitzableiter. Die erhalten
gebliebene Kirche mit Portal und Orgelwerk auf der Empore wird
rekonstruiert und gereinigt; Etagen, Treppenhäuser, Feuerlöscher
mit Polyäthyl-Irgendwas ziehen ein. Menschlein steigen schweigend in
die kleine Wohnburg, die Kirchenfeste: Alte, Berber, Arbeitslose,
Obdachlose und Psychotiker - Querulanten; ein gemischtes Völkchen
besiedelt den Kirchenruine.
Doch die
Menschen verstummen noch am ersten Tag, sagen aber ihren Kindern: Wir
müssen froh sein. Hier wohnen zu dürfen!
Ein
Mädchen in rotstoppeligem Haar begibt sich in der sonnig-stillen
Mittagsstunde eines Sommertages auf die Suche nach einem Spielfreund.
Gelangt über Treppen, Stiegen, Galerien, unverschlossene Türchen,
verschnörkelte Wendelgitter, durch einen staubig verspinnwebten
Kriechgang in einen unter dem Dach eingerichteten Kuppelraum.
Als sie
am Abend, nach ruhigem Schlaf, schreiend hier oben erwacht und sich
im Dunkel nicht mehr hinuntertraut, wird sie spät bis in den letzten
Dämmerminuten gesucht.
Geduckt,
aus Äuglein lauernd betritt, mutig suchend, die Mutter des Mädchens
den Raum. Sie richtet sich auf, ihr Kind stürzt ihr entgegen, es
drängen die Nachfolgenden hinauf. Sie treten ein, schauen sie sich
um und finden den Raum leer und öd.
In
diesem Augenblick, erzählen sie sich später bei Bier und
Prasselgebet, fallen vom Kreuzgewölbe die an langen Sehnen hängenden
Ohrlappen herab.
Platsch!
Und Stille!
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