Meine G e - Z w e i g e - № 5 -
Stefan Zweig mit Büchern im Garten. Salzburg.Stefan Zweig zu Goethe ...
hat mehrfach über Goethe geschrieben – in einer Reclam-Ausgabe hat er Goethes Gedichte gesammelt und ein Vorwort geschrieben:
Stefan Zweig: Goethes Gedichte. 1927
Herausgeber
und Einleitung zu "Goethes Gedichte". Eine Auswahl. Verlag:
Reclam in Leipzig. Reihe: Reclam's Universal Bibliothek 6782/84.
Schauen
wir in der Kleine Verlagschronik von Reclam jun. nach:
1936
Einführung
einer neuen Umschlaggestaltung (Entwurf: Friedrich Häder) und eines
neuen Signets (Entwurf: Carl Bruns).
Eine
von Stefan Zweig 1927 herausgegebene Auswahl von Goethes Gedichten
kann nur noch ohne Nennung Zweigs erscheinen, der am 9. Mai aus dem
Londoner Exil an Ernst Reclam schreibt: »Ich danke Ihnen sehr für
Ihren freundlichen Brief und erkläre mich gern einverstanden, dass
Sie die Auswahl der Goethe-Gedichte ohne Nennung meines Namens und
des Vorworts weiterhin verwerten. Ich weiss ja, dass Sie nicht
persönliche Intentionen zu diesem Entschluss geführt haben, wie ich
ja auch meinerseits nur sehr bedauere, dass die für mich immer so
ehrenvolle Verbindung mit Ihrem Verlage durch äussere Umstände
unterbrochen worden ist.« Auch dieses Manöver trägt indes nicht
weit, der Band muß zugunsten einer von Heinz Kindermann (Professor
für deutsche Sprache und Literatur) gemachten Auswahl aus Goethes
Lyrik aus dem Programm genommen werden. Stefan Zweigs Anthologie
erscheint erst wieder 1948 in der Stuttgarter Produktion.
*
Stefan Zweig: in Rezensionen 1902 - 1939
Zu Goethes Gedichten
Goethes Leben im Gedicht:Vorrede zu meiner Auswahl von Goethes Gedichten im Verlag von Philipp Reclam jun.
Das erste Gedicht Goethes malt die
ungelenke Kinderhand des Achtjährigen auf ein Geburtstagsblatt für
die Großeltern. Das letzte Gedicht Goethes schreibt die
zweiundachtzigjährige Greisenhand, einige hundert Stunden vor seinem
Tode. Innerhalb so patriarchalischer Weite des Lebens schwebt
unwandelbar die Aura der Dichtung über diesem unermüdlichen Haupt.
Es gibt kein Jahr, in manchem Jahr keinen Monat, in manchem Monat
keinen Tag, wo dieser einzige Mensch sich das Wunder seines Wesens
nicht selbst in gebundener Rede erläutert und bekräftigt hätte.
Mit
dem ersten Federzug beginnt also bei Goethe die lyrische Produktion,
um erst mit dem letzten Atemzug zu enden: Dichtung ist ihm ebenso
unentbehrlich und selbstverständlich für die ständige
Interpretation seines Lebens wie Strahlung dem Licht und Wachstum dem
Baum. Sie wird durchaus organischer Vorgang, eine Funktion des
Elements Goethes, eine nicht wegdenkbare, und fast wagt man nicht,
sie Tätigkeit zu benennen, weil Tun schon etwas an den Willen
Gebundenes ausdrückt, indes sich bei dieser notwendig schaffenden
Natur die dichterische Reaktion gegen den Andrang des Gefühles
gleichsam chemisch und bluthaft vollzieht. Der Übergang von der
prosaischen Sprache ins gereimte und dichterische Wort geschieht bei
ihm völlig zwanglos: mitten im Brief, im Drama, in der Novelle
rauscht die Prosa plötzlich beflügelt in die ungebundene Form
dieser höheren Gebundenheit. Jede Leidenschaft schwebt in ihr hoch,
jedes Gefühl löst sich auf in ihren Sphären. Kaum wird man darum
in der ganzen fülligen Breite seiner Existenz irgendeinem
wesentlichen Geschehnis des Menschen ohne poetische Verdichtung
begegnen. Denn wie selten das Gedicht bei Goethe ohne Erlebnis, so
auch selten ein Erlebnis ohne den goldenen Schatten des
Gedichtes.(...)
In: ST. Z.: Begegnungen mit Büchern.
Hrsg. Kurt Beck. Ffm. 1984: # 2292. S. 23-33.
Und
in seinem Porträt zu Anton Kippenberg schrieb Zweig:
Das Erste, das Wesentlichste, das
Kippenberg damals tat, war, dem vorgebauten Kreise einen Mittelpunkt
zu finden, eine Urzelle voll lebendiger, zeugender Keimkraft. Und das
gelang ihm, indem er Goethe in den Mittelpunkt des Verlages stellte,
ihn, den ausstrahlendsten, unerschöpfbarsten, keimträchtigsten
Genius unserer deutschen Welt. Damit schien scheinbar der Zeiger der
Zeit zurückgerückt, der Verlag entmodernisiert. In Wahrheit aber
ist dieser Goethe, den die Insel offenbarte, das neueste und
gegenwärtigste Element der deutschen Bildung geworden, und es ist
nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, er sei erst durch sie zu
seiner wahren Wirksamkeit in unsere deutsche Zeit gelangt. (1924)
Zweigs schönste Goethe-Widmung Die
Marienbader Elegie (Zuerst: Denkwürdiger Tag. Zum
hundertsten Geburtstag der Marienbader Elegie. In: Neue Freie Presse
(Wien) 2.9.1923. Morgenblatt):
St. Z.: Sternstunden der Menschheit:
München 2017. Salzburger Ausgabe. Bd. 1. S. 32ff.
>> Dazu später in diesem Berichten ... <
* *
Victor Auburtin:
An Weimar vorbei
Im Speisewagen Berlin-Frankfurt, ein Uhr, gegen Ende des ersten Mittagessens. An meinem Tisch drei große, umfangreiche Herren, die offenbar zur Frankfurter Messe fahren.
Französischer Rotwein, viele Schnapsgläser, Zigarren so groß wie die Zeppeline.
Seit einer Weile hält der Zug auf einer mittelgroßen, leeren Station.
»Wo sind wir denn hier?« – »Weimar.« – »Na, warum halten wir denn so lange in dem Drecknest?«
Unter den eisernen Trägern des Bahnhofs hinweg kann man ein Stück der Landschaft sehen. Graues oder schwärzliches Hügelgebilde, über das gerade jetzt ein geistreiches Aprilschneewehen hinwegwandert.
Der blendendweiße Strich dort ist eine Straße. Diese Straße ist er oft gefahren mit seinem Eckermann, auch bei schlechtem Wetter. Und Hügel und Schnee haben damals ebenso ausgesehen wie jetzt, haben ihm nicht mehr geboten, als sie uns bieten.
Die Rohstoffe seines Werkes sind unvermindert heute noch vorhanden und allgemein zugänglich.
Inzwischen wird am Tische der Wert Weimars erwogen und besprochen. »In Weimar ist gar nichts los.« – »Ein ganz totes Nest.« – »So schlimm ist es nun doch nicht, hier ist doch die große Pianofortefabrik von ... na ... Dingsda ... von Römhilt.«
Gott sei Dank, daß es wenigstens Pianofortes sind, denn es hätten ja auch Gummikragen sein können. Dann hieße es heute im deutschen Volksmund: Weimar, richtig, das ist ja die Stadt mit den Gummikragen.
Nun setzt sich der Zug doch so allmählich in Bewegung und rückt über Neudietendorf auf Frankfurt a.M. zu. Dort steht das Haus, an dem immer so viele schöne Reden gehalten werden. Über unseren Dichter, der in diesem Sinne als wahrhaft volkstümlich bezeichnet werden muß.
Victor Auburtin: An Weimar vorbei.
In: Sündenfälle. Feuilletons. Berlin. (Ursprünglich aus: Ein Glas
mit Goldfischen. 1922). S. 194f.
*
Von Walter B e n j a m in sind keine kritischen Berichte über Zweig überliefert.
Als Ersatz:Rezension zu Emil Ludwigs: Goethe, Geschichte eines Menschen. Volksausgabe in einem Band. Stuttgart und Berlin, 1924.
Das Werk befriedigte bekanntlich die Bedürfnisse des breitesten Publikums. Es ermöglichte dem Leser, wenn nicht sich in Goethe zurecht, so gewiß einen kleinen Goethe in sich selbst vorzufinden.
In: Walter Benjamin: Kritiken und Rezensionen 1932
– 1940.
* * *
Anders ausgerichtete Essays über Zweig
und Weimar aus unseren Tagen:
Zur zeit- und ideengeschichtlichen
Einordnung:
„Darüber hinaus erlaubt Zweigs
Bestimmung der Besiegten als den „zu früh Gekommenen“ (Zweig
GWE, Castello gegen Calvin, S. 21) Assoziationen mit dem utopischen
Denken von Ernst Bloch; in seinen Biografien von Erasmus oder
Castello – um nur zwei prominente Beispiele zu nennen – lebt in
der Tat ein besonderer „Geist der Utopie“, der, wie jeder Ernst
Blochs, dem Humanismus verpflichtet ist. (...)“ So Arturo Larcati:
Das Motiv des Besiegten. In: Stefan-Zweig-Handbuch. 2018, S. 722 –
732; S. 730)
Zu dem Goethe-Studium, auch mit den
vorgelegten, scheinbar abseitigen Texten, wie Walter Benjamin es empfahl – tritt hier
noch einmal Zweig (im Brief an Joseph Roth v. 25.09.1937 (Roth/Zweig
2011. S. 357f., Herv. i. O.):
“Nein, Roth, nicht hat werden, nicht unerbittlich, weil die Unerbittlichen durch ihre Brutalität triumphieren – Sie lieber widerlegen durch das Anderssein, sich höhnen lassen für seine Schwäche statt seine Natur zu verleugnen.“
Diese Kultur der Humanität ist Zweigs eigentliches Vermächtnis.
P.S.: Stefan Zweig ... Goethe ... in Weimar:
" ... gerade gerne in Weimar“ - Stefan Zweig und die Klassikerstadt:verborgene Verbindungen – werkgeschichtliche Wirkungen. Von Burkhard Stenzel:
Burkhard Stenzel / 25.08.13 -
Und ein anderer Essay:
Der Schriftsteller Stefan Zweig und die Welt von Weimar
Der Schriftsteller Stefan Zweig und die Welt von Weimar
Und im Goethes Haus in Weimar:
Das Motiv des Aufwärtsstrebens im
Treppenhaus von Goethes Wohnhaus am Frauenplan. Von Hannah Schell :
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