G e t r o f f e n : B o r c h e r t
Wie mann manchmal an I d e e n kommt:
W e r, äh, s o l l, äh: w o h l in der {Kirche im SWR} z u f i n d e n sein:
Ich denke&finde auch: W o l f g a n g B o r c h e r t:
Geschrieben dn gssprochen von Harry Waßmann, Rottenburg-Kiebingen, Evangelische Kirche. Vom 10. 11. 2006.
https://www.kirche-im-swr.de/beitraege/?id=80
In
den Lesebuchgeschichten von Wolfgang Borchert fand ich diesen
Text:
„Als im Jahre 5000 ein Maulwurf aus der Erde rausguckte,
da stellte er beruhigt fest:
Die Bäume sind immer noch Bäume.
Die
Krähen krächzen noch.
Und die Hunde heben immer noch ihr
Bein.
Die Stinte und die Sterne,
das Moos und das Meer
und
die Mücken:
Sie sind alle dieselben geblieben.
Und manchmal
-
manchmal trifft man einen Menschen.“
Was bei Borchert der
Maulwurf im Jahr 5000 beruhigt feststellt – „manchmal - manchmal
trifft man einen Menschen“ – das beunruhigt mich über alle
Maßen. So sehr wie die verwandten Krisenprophezeiungen unserer Tage:
Der Klimawandel sei unaufhaltsam. Wüsten sollen wachsen, Polkappen
schmelzen, Fluten und Orkane ganze Landstriche bedrohen.
Wie
erreichen diese düsteren Prognosen mein Herz und meine Seele? Sie
lassen mich nicht kalt. Ich rebelliere innerlich und ich frage mich:
Stimmen sie überhaupt? Dienen sie der Aufklärung oder der Lähmung?
Befördern sie nur den Fatalismus: „Es ist zu spät, man kann
nichts machen“?
Mehr noch empören mich die Zukunftsvisionen,
die - damit verbunden - die Runde machen: entvölkerte Kontinente,
der Umzug auf einen anderen Planeten, das denkbare Ende der Gattung
Mensch. Es heißt: Arten kommen und vergehen - das sei einfach ein
weiteres Kapitel der Evolution.
Für mein Empfinden sind das
zynische Visionen von Zukunft.
Mich verletzten sie. Sie verletzten
meine Vorstellung von der Würde des Menschen und der Schönheit
dieser Schöpfung. Ja, sie beschädigen darin meinen Glauben an den
Gott der Bibel. Kein einzelner Mensch darf kalkuliert abgeschrieben
werden, geschweige denn ganze Völker und Kontinente. Es gibt andere
Wege, heraus aus den von Menschen gemachten Bedrohungen. Nahrung und
Energie können anders erzeugt und verteilt werden – ohne dass die
Zwiebeln und Salatköpfe einmal um die Welt fliegen, ohne dass
fossile Brennstoffe über Kontinente hinweg transportiert werden
müssen.
Borchert wollte mit seiner kurzen Lesebuchgeschichte ein
„NEIN!“ provozieren - gegen Krieg und Verwüstung.
Mein
„Nein!“ – mein Denken und Tun - braucht eine geistige Quelle.
Darum bete ich manchmal:
Gütiger Gott,
Du bist der Gott, auf
den ich hoffe.
Du hast keine Lust an der Selbstzerstörung deiner
Geschöpfe.
Öffne meine Augen für Deine Weisungen!
Erfülle
mich mit deinem Heiligen Geist,
dem Geist der Liebe und der Wahrheit.
* * *
Hans Bendes hat erzählt, dass Rainer Brambach den jungne, todgeweihten Borchert gestroffen hat, im Hospital:
(Hans Bender. In: Wie die Linien meiner Hand. [Erinnerungen] 1999. S. 9f.)
Rainer Brambach hat einige Male erzählt von seinem Besuch bei Wolfgang Borchert im Clara-Hospital in Basel im Jahr 1947. Ich drängte ihn, sein Erlebnis aufzuschreiben. Er hat es unterlassen. Ich will es festhalten - auch weil ich nicht vergessen darf, was Wolfgang Borchert, seine Cestalt und sein Mut, damals für uns bedeutet hat. Irgend jemand hatte Rainer Brambach aufgefordert zu diesem Besuch. Er wußte nicht, wer dieser schwerkranke Dichter aus I1amburg war. Er hatte weder seinen Ceschichtenband »Die Hundehlume« gelesen, noch etwas gehört von seinem Theaterstück »Draußen vor der Tiir«, das sechs deutsche Bühnen zur Aufführung angenommen hatten. Auch Wolfgang Borchert konnte nicht wissen, wer dieser junge Mann war, der vor seinem Bett saß. Angestrengt muß die Unterhaltung verlaufen sein. Andere haben berichtet, wie schroff, wie ironisch, wie verletzend Wolfgang Borchert sein konnte und wie kalt und grob er sich behandelt fühlte im fremden, katholischen Krankenhaus. Nur einen Satz aus jener Unterhaltung konnte Rainer Brambach im Wortlaut wiedergeben. Wolfgang Borchert sagte: »Sie haben eine schöne Jacke.«
»Sie haben eine schöne Jacke.« Der Satz offenbart die Kluft zwischen dem Kranken und seinem Besucher, zwischen den unterschiedlichen Ländern, aus denen sie kamen: die Schweiz, verschont vom Krieg, wo normales Dasein, Wohlstand herrschte; Deutschland, zerstört und zerschlagen, wo materielle und geistige Not die Menschen niederdrückte. »Sie haben eine schöne Jacke.« Die Verzweiflung ist darin zu hören, aber mehr die ehnsucht nach Gesundheit, nach Schönheit, nach Leben; der WWl eh, da Werk, da erst begonnen war, fortzusetzen und zu vollenden.» ie haben eine schöne Jacke.«
Er, der kranke Dichter im Spitalhemd. Er wird nie mehr eine schöne Jacke tragen. Ihn, erst 26 Jahre alt, werden auch die Ärzte und Medikamente der Schweiz nicht retten können. Es ist unausweichlich: Er wird sterben, bald.
(Soweit Hans Benders Wiedergabe vom Trffen zwischen Borchert nd Brambach.)
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