Sonntag, 16. Juni 2019

Gaesdoncker Präses/Theologe: Ein Briefchen an Josef Perau

Der für mich interessanteste Gaedoncker Präses der Nachkriegszeit ( -1958) war  J o s e f   P e r a u:

Auf der Gaedoncker Seite steht er nicht; komisch auch Dr. Reher-Baumeister nicht, der am meisten die Gaedonck, präsidial, architektorisch, ästhetisch (nach einem simplen Rezept der kargen Bedeutungslosigkeit, mit Dinnendahl-Varianten) und schulisch ummodelte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Collegium_Augustinianum_Gaesdonck


Ergänzend zum Essay über den Gaedoncker Praenes Josef   P e r a u :

[Ein Brief, der vom Herrn Josef Perau beantwortet wurde; aber es kam kein Kontakt mehr zustande...! - Ergänzend ergibt sich die Einstellung vom Geburtsjahr 1910/Abitur 1932 und für mich 1944/Abitur 1965. Prägende Gemeinsamkeiten: Niederrhein als Sozialmilieu; Katholische Religion; Gaesdonck als schulische Instanz.]





ANTON STEPHAN REYNTJES, RE
    [Ein Brief, Orignal: 1999 geschrieben]

Herrn
Josef Perau
Hülmer Straße 234
                                                                                                                            
                                                          < zehn Minuten  von  der  Gaesdonck weg, 
                                                                         hatten Sie Ihren letzten Dienstsitz < 
 
47574 Goch-Hülm


Sehr geehrter Herr Perau!

Darf ich unangemeldet brieflich bei Ihnen anklopfen? Ich bin Gocher Junge (Jahrgang 44) und Gaesdoncker des Abiturjahrgangs 65 - war letztlich am Samstag, am 25.9., dort, sah Sie auch wohl - und wußte aber zu wenig von Ihnen, um Sie anzusprechen. „Als Priester im Heere Hitlers“ . ..  hatte ich während meiner Buchhändlerzeit (65-69 bei Fingerhut in Kleve/Goch) gelesen. Die Brisanz und die Bedeutung der Thematik hatte ich aber vergessen. 
Jetzt, in Ihren Beiträgen „Priester im Heere Hitlers“ und „Waren wir vorbereitet?“ fand ich nun explizit formuliert, was ich mich in den letzten Jahren immer schon fragte: Wie haben Gaesdoncker Lehrer und Verabschiedete, besonders Priester, sich in den Jahren 33-45 verhalten? Ja,: „Waren wir vorbereitet?“ - eine solche Frage ist mir noch nie geboten worden; sie war ein Zentrum meiner eigenen Gewissensfragen. Ihre klaren Sätzen und verantwortungsbereiten Einsichten haben mich erstaunt, mich verwundert fragen und vergleichen lassen:
Ich war in den Jahren vor 65 noch schlechter vorbereitet bzw. darüber informiert worden auf das, was hinter uns lag - um es mal paradox auszudrücken. Sicher, es gab da schon Deutsch- und Geschichtslehrer wie Hövelmann und Abels - sie verschwanden schnell. Und ich bin von ihnen nicht berührt, nicht einbezogen worden in ihre Themen. Ich habe nichts im Unterricht erfahren über das Dritte Reich. 
Privat in meiner Lektüre und durch eine große Fernsehserie damals („Das Dritte Reich“ in zehn Folgen; ich lernte damals u.a. den Begriff „Gleichschaltung“ kennen) war ich angeregt worden, mich umzusehen, historisch zu erkunden, über den Widerstand hauptsächlich, aber es fand keine Stunde Unterricht statt über diese Vorgänge; kein Stündchen als Reaktion auf Anregungen, die von außen, von der Literatur oder durchs Fernsehen zur stillen Insel Gaesdonck gelangten - wie Sie sie so plastisch beschrieben haben. Ihre Auseinandersetzungen mit Lehrern - Hut ab!
Ich für mein Teil hatte (etwa 63) mit Dr.R.B. nur das Problem, daß er uns mal befragen wollte, über seinen schleppenden, langweiligen Philosophieunterricht. Und als er wissen wollte, was wir den aus Piepers „Was ist Wahrheit?“ gelernt hatten - da habe ich meine kleine Wahrheit gesagt, daß dieser Text ins Fach Religion gehöre. Da wurde ich rausgeschickt - und ich habe mich, weil ich glaubte, mich rehabilitieren zu müssen, entschuldigt. 
Ich habe es (in Gesprächen mit Herrn van der Linde z.B.) zwar noch nie so deutlich gesagt: Aber ich hatte in den Jahren einige pädagogische Verbrecher als beamtete Fachleute vor mir als Lehrer sitzen, die nicht ausgebildet waren, nicht fähig waren, eine eigene Verantwortung zu tragen, Ideen von außerhalb einzubeziehen, um meine Generation aufzuklären (über die Vergangenheit und die weitehend zustimmende und arg verantwortungssparsame Rolle der Bischöfe und Oberhoheiten) und vorzubereiten auf die Realität der 70er Jahre. Herr van der Linde konnte mich zwar einigermaßen motivieren für Mathe (auch durch seinen klugen Stil) - aber er hatten keinerlei Einfluß auf die Inhalte, auf die Themen. Das lief alles, wie Dr. Reher-B. das inszenierte. Bloß keine frische Luft! Nur Herr Robke lud uns einmal für wenige Abende zu einem Literaturkreis ein. Ich empfand die angebotene, verordnete Literatur als Rechtfertigungs- und Beschwichtigungsversuche der 30er und 40er Jahre. (Le Forts „Schweißtuch der Veronika“ blieb mir in trüber Erinnerung.) Daß ich geistig und leiblich auf der Gaesdonck überlebte - ist ohnehin ein Kuriosum.

Nein, ich mußte mich erst befreien von den prüd-dummen Zwangsverhältnissen und der geistig-moralischen Ödnis. Kein Pauker (bis auf H.v.d.L.) war in der Lage, Themen oder Texte (oder Fachleute: Ehemalige, Philosophen oder Autoren in ihre Gedanken) aus der Realität aufzunehmen und so etwas wie eine generationsmäßige Diskussion anzuleiten. - Konnten Sie damals - in der räumlichen direkten Nähe - noch irgendwie auf Gaesdoncker Territorium hin wirken? Ja auch auf Schüler, die Sie doch als Präses und Religionslehrer kennen gelernt haben?
Wir - zumindest ich in der 65er Saison - sollten mit Gebet und Sport stillgestellt werden! Ja, welchen Bildungsbegriff hatte ein Dr. R.-B. wohl? Eine selige beglückte Innerei? Eine Art Vergeistigung ohne realen Bezug?! Erreichbar durch Besinnung und Stille und Ruhe und Nötigung zur Beichte (mit dem 24-Stunden-Thema Selbstbefriedigung).
*
So - dies mein überfallartiger Brief an Sie! Ich hoffe, Sie fühlen sich nicht belästigt..
Meine konkrete Frage: Gibt es Ihr Buch noch irgendwie zu beschaffen? Rainer Wingen (Verlagsnachfolger im Ludgerus - heute Wingen Verlag Essen) - mein Konabiturient von 1965 - erzählte mir vor Jahre einmal, er habe Ihnen das Copyright zu Ihrem Werk zurückgegeben. Ich habe es schon im Leihverkehr der Stadtbücherei bestellt.

Ich komme wohl noch in den Herbstferien nach Goch - meine Geschwister wohnen noch dort. Dürfte ich sie besuchen - wenn sie einen Ansatz zu einem Dialog sehen?

Mit freundlichen Grüßen

[A. St. Rey ...]



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