M e i n e G e - Z w e i g e - № 1 -
Stefan Z w e i g : seine Opera, die ich für Preziosen & Edelsteine halte - ora et labora in eius modi et operis opirandi :
Auf-s t e i g t sie -- die Zweigsche Treppe zum Kapuzinerberg 5 in Salzurg
© A.St.Reyntjes
© A.St.Reyntjes
Eine Z w e i g s c h e Satzmelodie, die sich mir auf-drängte:
„(...) auf blitzt das Schwert des Henkers, und in einer Sekunde erlischt in dem niederrollenden Haupte für immer das Auge, das als erstes der Menschheit gleichzeitig beide Ozeane geschaut, die unsere Erde umfassen.“
Hier wird das Auge als gleichzeitige
Einvernahme der Wahrnehmung der beiden blitzenden Ozeane beschrieben.
Oder, geräumiger rezitiert, in der Flucht
in die Unsterblichkeit; aus
Sternstunden der Menschheit; datiert
auf Die Entdeckung des Pazifischen Ozeans, 25. September
1513 (zuerst Leipzig 1927; 1977)
also dem Leben des Helden
Pizarro:
Aber schwer legt ihm Francisco Pizarro die Hand auf die Schulter
und erklärt ihn für gefangen. Auch Pizarro lüstet es nach
Unsterblichkeit, auch ihn lüstet es, das Goldland zu erobern, und
nicht unlieb ist es ihm vielleicht, einen so verwegenen Vordermann
aus dem Wege zu wissen. Der Gouverneur Pedrarias eröffnet den Prozeß
wegen angeblicher Rebellion, schnell und ungerecht wird Gericht
gehalten. Wenige Tage später schreitet Vasco Nuñez de Balboa mit
den Treuesten seiner Gefährten zum Block; auf blitzt das Schwert des
Henkers, und in einer Sekunde erlischt in dem niederrollenden Haupte
für immer das Auge, das als erstes der Menschheit gleichzeitig beide
Ozeane geschaut, die unsere Erde umfassen.
Wikipedia
be-lehret un sachlicher:
„Vasco Núñez de Balboa (* 1475 bei Jerez de los Caballeros/Spanien; + Januar 1519 in Acla, in der Nähe von Darien, Panama; hingerichtet) war ein spanischer Entdecker, Konquistador und Abenteurer. Als erster Europäer erblickte er im Jahr 1513 den Pazifischen Ozean vom amerikanischen Kontinent aus.“
Hier, mein Thema:
Aus dem semantischen Potenzial des Verbs cum Präfix: „auf-blitzen“:
„A u f s t e i g t d e r S t r a h l -“
Erinnern Sie sich: Eine Replik aus
einem Schulstoff zu einem römischen Brunnen, mit
der Reminiszenz von einem emphatischen Auftakt:
Conrad Ferdinand Meyer
Der römische Brunnen
Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund (...)
(1882)
(1882)
Aus einer Interpretation: Das Gedicht beginnt mit dem Verb aufsteigen das ist ein Jambus. Dieses Wort betonnt das Bewegung des Wassers. Das Partizip-I (fallend) am ende. der ersten Zeile zeigt auch die Gegenbewegung des Wasserstrahls. Wir bekommen das Bild eines Brunnes, der von Leben und Lebendigkeit scheint, in dem Wasser niemals still steht.
(Korrigiert aus):
http://fullentertainwithgerman.blogspot.com/2012/02/der-romische-brunnen.html
*
Weitere Beispiele dieser lebendigen Spielart eines Verbs der Bewegung:
Werfel, Franz: Die Vierzig Tage des
Musa Dagh II, Stockholm: Bermann. 1933, S. 406:
Wie auf dem Boulevard einer
Großstadt die Lichterreihe aufblitzt, so fuhr der Brand um den
Platz, fast gleichzeitig aus jeder Hütte emporschlagend.
*
Dann Theodor Fontane (sozusagen zu seinem Jubiläumsjahr 2019:
Ein Sommer in London - Hastingsfeld:
Auf sprang der König, sein Auge blitzte, sein Herz voll Sieg hatte nicht Raum für die Furcht. Gen London ging's, sein Heer ihm nach; Zuversicht auf allen Gesichtern. Am fünften Tage war's: aufblitzte die Themse - hinüber! und jetzt vor ihrem Aug die Ginsterheiden von Surrey – hindurch! am siebenten Tage aber hielt König Harald auf dem Hügellande von Sussex und sein Schwert in die Erde stoßend, rief er: »Hier sei's!« Herzog Wilhelm kam von Hastings heran. Auf zwei Hügeln, einander gegenüber, lagerten sich die Heere; zwischen ihnen ein breites, nicht allzu tiefes Tal. Hier sollte sich's entscheiden.
*
Und auch eine fast serielle Verwendung in
einer (zugegeben beinahen) Trivialdichtung:
Zur gleichen Zeit, als am Himmel die Sterne aufblitzten, und der Bergwind von weitem her über die Ebene eilte und die schläfrigen Baumwipfel schüttelte, gingen drei Männer über den Marktplatz und schlugen den Weg ein, der um den Hügel herum aus dem Orte führte. (Ludwig Thoma: Altaich (1918)
Und noch ein semantisches mixtum
compositum (oder Allerlei,
Gemisch,
Mischung,
Potpourri -
Sammelsurium) - aus prosa oder lyrischen Gesten:
Detlev von Liliencron:
Pogfred (1896):
Wenn ich es wagte, solchen Kohl zu schreiben.
Mein Vorfahr, komm! Du sollst die Farben reiben.
Die Sonne sank, es schrumpft die letzte Helle;
Wie Blinkerart aufblitzt aus schwarzem Blut,
So blitzt aus dunkelrotem Meer die Welle.
Zuweilen zischt der Wind ein Wort der Wut,
Der erste Stern springt vor aus Himmelstüren,
Und über alles stülpt die Nacht den Hut.
Eduard von Keyserling:
„Schwüle Tage“ (Novelle. 1916):
»Hast du mich Bolero tanzen sehen?« fragte Ellita plötzlich. »Komm, ich tanze dir vor.« Ich setzte mich auf die Steinbank in der Grotte, und Ellita, mitten unter dem Blätterschatten, tanzte lautlos auf ihren weißen Schuhen, an denen die Schnallen im Mondschein aufblitzten. Sie warf die Arme empor, bog den Kopf, als hielte sie Trauben in die Höhe, und die halbgeöffneten Lippen dürsteten nach ihnen.
* ~ *
Theodor Fontane:
Unterm Birnbaum (Novelle. Berlin 1885):
Der Oktober ging auf die Neige, trotzdem aber waren noch schöne warme Tage, so daß man sich im Freien aufhalten und die Hradschecksche Kegelbahn benutzen konnte. Diese war in der ganzen Gegend berühmt, weil sie nicht nur ein gutes waagerechtes Laufbrett, sondern auch ein bequemes Kegelhäuschen und in diesem zwei von aller Welt bewunderte buntglasige Kuckfenster hatte. Das gelbe sah auf den Garten hinaus, das blaue dagegen auf die Dorfstraße samt dem dahinter sich hinziehenden Oderdamm, über den hinweg dann und wann der Fluß selbst aufblitzte. Drüben am andern Ufer aber gewahrte man einen langen Schattenstrich: die neumärkische Heide.
* ~ *
Die vielen variablen Einsätze aus deutschen Verb mit Vorsilbe – als funktionale Verwendungsbeispiele zu *steigen *auf – mit Worttrennung auf-stei-gen- verwundern mich in ihrem Klang, im gestischen Eingreifen.
Stefan Zweig haben ein schönes Beispiel mit Kontext gegeben, das mich angeret – inspiriert - die schönen Sprachmelodien in anderen Satzzusammenhängen auszukosten.
Wie mir (als *Sprachgeist, aus Bildung und Verlangen, in poetica licentia) ein semantische, emphatische Spielart eines Verb – in sich > und c o n t r a > aufeinander steigender Modus - und mich zu einigen, geradezu, fast völligen - a u f - steigenden Entdeckungen von modalen Bewegungen anregte …- fast gesangsmässig ...
Ach, wie heißt es doch, in gnädiger memoria aus Kindertagen:
Sursum corda. „Empor die Herzen!“ – Erhebet die Herzen! Aus der Präfation der katholischen Messe.
Was so anheimelnd in Gebetshäuschern - Kirchen oder Kathedalen - auf-gebauscht, so emphatisch auf-ge-bracht - in animo aut amiicitia aut in amore fati - wird, hat eine nach-barocken Ursprung und keine Kraft zu cordialer Ergötzung:
Sursum Corda, auf aufwerts mit euren
Augen; auf aufwerts mit euren Gedancken
und betracht lieber das Ewige
tracht lieber nach dem Ewigen
gedenckt doch
daß euch GOtt der Allmächtige das Hertz also erschaffen
daß es unten-her zugespitzt
über sich aber ausgebreit
als solle der wenigste Theil des Menschlichen Hertzens gegen der Erde sehen
sondern das Meiste hinauf gegen den Himmlischen und Ewigen.
(So frischwärts in jeglichersomatischen Begrenzung: Abraham a Sancta Clara: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692).
und betracht lieber das Ewige
tracht lieber nach dem Ewigen
gedenckt doch
daß euch GOtt der Allmächtige das Hertz also erschaffen
daß es unten-her zugespitzt
über sich aber ausgebreit
als solle der wenigste Theil des Menschlichen Hertzens gegen der Erde sehen
sondern das Meiste hinauf gegen den Himmlischen und Ewigen.
(So frischwärts in jeglichersomatischen Begrenzung: Abraham a Sancta Clara: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692).
Ja, oder yeah – erheben wir unsere Herzen ... ob für Dichtung, Gesang oder De- Re-flexion.
Ich widme i h m, den Literarischen H e i l i g e n meiner letzten TAGE - diesen meinen Text, der lebt in Verehrung und Begeisterung - seit Horaz uns allen Poeten geschenkt: Aut prodesse volunt aut delectare poetae:
Stefan Zweig; Grafik von Frans Masereel (1926) - Montage von A.St. Reyntjes
*
*
- Und - bitte schön - ein POST Scriptum im Auszug:
- "(...) vom Körperlichlebenden
zum Seelischen aufsteigt". Auf-steigen? ... und was s t e i g t denn hier a u f : Was was vermag denn hier auf-zu-steigen: "(...)vom Körperlichlebenden
zum Seelischen aufsteigt"?
Und in schöner Un- oder Ur-Odnung, ein Brief von Sigmund F r e u d:
- Ihre Erfahrungen tragen doch nicht weiter als bis zur Erkenntnis,
daß der psychische Faktor eine ungeahnt große Bedeutung auch für
die Entstehung organischer Krankheit hat? Aber macht er diese
Erkrankungen allein, ist damit der Unterschied zwischen Seelischem
und Körperlichem irgendwie angetastet? Es scheint mir ebenso
mutwillig, die Natur durchwegs zu beseelen wie sie radikal zu
entgeistern. Lassen wir ihr doch ihre großartige Mannigfaltigkeit,
die vom Unbelebten zum organischen Belebten, vom Körperlichlebenden
zum Seelischen aufsteigt. Gewiß ist das Ubw die richtige
Vermittlung zwischen dem Körperlichen und dem Seelischen,
vielleicht das langentbehrte ›missing link‹. Aber weil wir das
endlich gesehen haben, sollen wir darum nichts anderes mehr sehen
können? -
Sigmund Freund an Georg Groddeck. Datiert: Wien IX,
Berggasse 19, 5. Juni 1917 - In toto zu lesen:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/briefe-auszuge-6433/24
>> Aber z u r ü c k - zum a u f - gesteigertem Pathos in der Poesie:
Der Jubel dröhnt! Aufflammen alle Lichter -
Wir sind am Strand, daran die Träume scheitern.
(Stefan Z w e i g: Der Dirigent. In memoriam Gustav Mahler [Endzeilen des Gedichts])
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