In P e t e r h o f - eine R E A L - Satire |
ZWEIG als Satirenschreiber, bitt sehr:
S a t i r e - oh, ja! - Auch im Werk von Stefan Zweig, genannt mein letzter großer Dichter, dem ich mich zeitLEBENs noch widme:
S t e f a n Z w e i g:
Die zehn Wege zum deutschen Ruhm
Der deutsche
Ruhm ist, solange die Kritik bei uns nicht kritisch, sondern
sentimental ist, eine Angelegenheit nicht des Verdienstes, sondern
der Geschicklichkeit. Ein paar Ratschläge seien Jüngeren und
Auftretenden darum gegeben:
D e r e r s t e: Pflege deinen Körper, damit du alt werdest. Der deutsche Ruhm wächst nicht aus Werken, sondern aus Jubiläen. Die Kunst, berühmt zu werden, geht Hand in Hand mit Diätetik, der Kunst der Langlebigkeit. Du musst fünfzig Jahre werden, dann sechzig und siebzig. Mit achtzig, wenn du's erlebst, bekommst du den Nobelpreis.
D e r z w e i t e: Schreibe viel und
kümmere dich nicht um Qualität. Non multum sed multa. Wir leben in
einem Lande, wo Tüchtigkeit sichtbar sein will und Fleiß als
Tugend, ja als Talent gilt. Sei umfangreich in deinen Werken, solange
Langeweile noch mit Literatur identisch ist. Ändert sich der
Geschmack, so ändere dich mit.
D e r d r i t t e: Sei allgegenwärtig
in deinen Veröffentlichungen. Das Odol-Prinzip muss das deine sein,
man muss dir nicht entfliehen können.
D e r v i e r t e: Darum unterzeichne
alles, was dir an Aufrufen, Rundfragen, Kommunikationen in die Hände
kommt, ob es dich etwas angeht oder nicht. Erwecke den Anschein
universalen Interesses, sei überall beteiligt, wo du nicht
hingehörst, und menge dich in die fremdesten Angelegenheiten. Denn
dies gilt als Kennzeichen, dass man kein Literat ist, sondern ein
Dichter. Wird es wieder geschmackvoll, Literat zu scheinen, so . . .
vide den zweiten Ratschlag.
D e r f ü n f t e: Schaffe dir eine
Spezialität, irgendeine Etikette zur Bequemlichkeit für die
Literaturgeschichtsfabrikanten. Man gibt dir sonst eine unbequeme,
also affichiere dich lieber selbst. Findest du keine, so nenne dich
den deutschen X und setze für das X den Namen eines dir
sympathischen Ausländers. Es braucht ja nicht zu stimmen, ist nur
Formalität (wie das Schreiben überhaupt). Das einzig Wichtige ist,
bekannt zu werden.
D e r s e c h s t e: Sei eine Zeitlang
verkannt, oder scheine es, das macht Freunde. Hast du mit einem Buch
viele Auflagen, so verschweige sie. Es gilt sonst als schlecht.
D e r s i e b e n t e: Sei persönlich
umgänglich. Tritt in alle Vereine deiner Vaterstadt ein,
korrespondiere mit den andern. Vergiss nie zu gratulieren (besonders
wenn es in die Zeitung kommt). Jungen Dichtern (den alten übrigens -
auch) schreibe immer begeistert. Deinem Verleger empfiehl jeden, der
dich darum bittet, in glühenden Worten, warne ihn aber immer zuvor
privatim. Halte Reden, wo irgend es geht, zu Jubiläen und
Begräbnissen, beides steht dir ja selber bevor (vide Ratschlag
eins).
D e r a ch t e: Habe von Zeit zu Zeit
einen kleinen Unglücksfall oder werde krank. Je gefährlicher, desto
besser. Vergiss nicht, dass Tolstoi, Strindberg und andere immer erst
den Alarm ihres Todes erwecken mussten, damit man überhaupt merkte,
dass sie in unserer Zeit leben (indessen man es von Otto Ernst und
Fulda jederzeit wusste*). Überhaupt: Nimm dir ein Beispiel an den
Letzteren. Die können die Kunst!
D e r n e u n t e: Wenn du verheiratet
bist, führe gute Küche und habe gute Klubsessel sowie Zigarren. Die
Bücher sind Nebensache, die guten Freunde, da sie die Meinung
machen, das einzig Wichtige. Kunst ist ja nur Meinungssache, weshalb
es ein Fehler ist, sich um die Kunst zu bemühen statt um die
Meinung. Die Letztere ist leichter herumzukriegen, also halte dich an
sie. -
D e r z e h n t e : Sei unbesorgt um
den Nachruhm. Du kannst ihm in Deutschland nicht entgehen. In München
ist ein Verleger, der druckt die ganze Weltliteratur noch einmal, da
kommst du auch an die Reihe. Auch deine Briefe werden gedruckt – es
gibt ja genug Leute bei uns mit dem Lebensideal, Unnötiges und
Gleichgültiges herauszugeben. Sie werden dafür zuerst Dozenten,
dann Professoren und sind, solange du lebst, deine Widersacher. Drum
stirb – aber erst nach mehreren Jubiläen, vide Ratschlag eins –
denn in ihnen lebst du weiter. Das ganze dichterische Lebenswerk ist
ja immer nur ein Vorwand für einen Späteren, dazu eine Einleitung
zu schreiben, und für den Verleger, mit honorarfreien Autoren die
Lebendigen zu schädigen. Also hüte dich, ein Zeitgenosse zu sein.
Alle zehn Tipps befolgt? Dann haben Sie - wenn Sie nach den Gesetzen der Satire - sich selbst die I n t e n t i o e x n e g a t i v o geBILDet haben - die AusS A G E, deren sich ZWEIG sich so ästhetisch bemühte ...
Vice versa - die M Ü H E solle nicht ENDEn. |
E-Druck: In: Der Ruf. Wien, Faschingsausgabe 1912. Die zehn Wege zum deutschen Ruhm.
Eine
Rechenaufgabe f r junge Schriftsteller von Stefan
Zweig.
Neu
in: Klemens Renoldner (Hg.): Stefan Zweig – „Ich habe das
Bedürfnis nach Freunden“. Erzählungen, Essays und unbekannte
Texte. Gebunden, 521 Seiten. Format: 13,5 x 21,5 cm.
Wien/Graz/Klagenfurt: Styria Verlag (premium), 2013.
- GeFANGEN auf einem WOCHENmarkt - ihm winkt kein NOBELPreis - |
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