Montag, 15. Januar 2018

.. ein K e r l, aufgeweckt für den Bereitschaftsdienst

 Lisa Kreitmeir (1973): Kerl, der durchs Bild läuft, von der Treppe herab... - sich zu erinnern versucht! [Ausschnitt aus'Szene im Bauerntheater']

Von der Treppe herabsteigend, sich vergeblich an den wüsten Schädel fassend:  ein Mann nach ver- oder durchsoffener Nacht:


Er braucht .. ZEIT ... zum WIEDER_Erwachen, bis er lesen kann?

Aber - er findet sie, die Zeit - nach ausdauernder Dusche mit mehrmaligem Kaltschwall - freilich erst am späten NachMittag ... liest er wieder, Gottseidank: Wilhelm Lehmanns "Signale"... - sucht ein DankeSchön an die NATUR.

Ach, D i e n s t  ist  D i e n s c h t!

Hic est servitium (-i, n.)


Oder - ich mach mich FREI:

Anton  Stephan  R e y n t j e s:


E i n g e L i e f e r t


"Dr. Klinkhammer? Patientin!"
Aber noch reißt es ihn nicht von seinem Diktierstuhl. Er nimmt den nächsten Fallbericht zur Hand.
"Herr Doktor, bitte. Die Frau ist ganz verwirrt. Ich binde sie fester. Jetzt pulkt und plörrt sie an ihrer Jacke herum. Ich muß die Hände schon festhalten. Was will sie? Ich kann nicht verstehen, was sie murmelt."
Jetzt wird der Stuhl zurückgeschoben.
"Lesen Sie mal die Einweisung vor."
"Frau Metelen. Gerda-Maria."
"Was, bitte?"
"Me-te-len, geb. 17.01.22."
"Lassen Sie sehen!" Der Stuhl ruckt weg, vom Fuß weggeschubst. Der Arzt ist schon herbeigetreten.
"Tante. Das ist meine Tante. Schwester, lesen Sie alles vor."
"Ja - warten Sie. - Sie kommt aus dem Stift an der Mollbecke."
"Das weiß ich. Sie lebt dort im Seniorenheim seit fünf Jahren oder sechs. - Di-ag-nose, bitte!"
"Hier. Kaum zu lesen. Extraktion der verbliebenen Eigenzähne, beidseitig, oben und unten."
"Was wollen die? Lassen Sie sehen. Ach, die Frau Dr. Hanni Kruckmann. Doctora dentalis."
Sie meinen, .. dentis?“
Die Schwester schaut den Stationsarzt fragend an.
"Der Frau sollen die wenigen Zähne noch gezogen werden? Und dann? Wollen die sie mit einer Sonde ernähren? Für den Rest ihrer Tage? Da im Heim?"
"Das können sie auch mit den restlichen Zähnen. Geht doch prima! - Aber sie trug schon ein gutes Gebiß. Bevor sie da ins Heim zog, hat sie sich die Zähne reparieren lassen. Meine Schwester hat ihr damals den Umzug organisiert. Und meine Mutter die Rechnungen überwiesen. War ein Prachtgebiß für über 6000. in Euro!.
Kann ich mir einmal im Leben leisten, hat sie damals gesagt. Dafür hat mein Mann 38 Jahre im Kohlendreck malocht! Das soll jetzt nur so blitzen in meinem Zuckermündchen!
Das Gebiss hat man ihr rausgenommen. "Konnte es nicht mehr repariert werden? Komisch!"
Der Arzt, tätschelt leicht die Wange links, die Wange rechts. "Tante Gerda? Tantchen? - Ich bin's, dein Neffe. - Mit zwei FF, wie du immer sagst."
Aber Frau Metelen ist eingeschlafen.
Sie wird zwischengeparkt.
*
Der Arzt telefoniert mit der einweisenden Ärztin.
"Haben Sie selber einmal bei einem solchermaßen erschwerten Essen teilgenommen? Ich meine natürlich: zugesehen? - Ah, Sie haben sich auf die Angaben der Heimleiterin verlassen. - Pflegesatzverordnung? - Aber mit Frau M. haben Sie auch nicht über ihr Gebiß gesprochen. - Ach, das ging nicht mehr. - Ständig verwirrt? - Und dann stillgestellt, aha. - Temporär, meinen Sie? - Nicht simpel abgestellt? - Ja, welche Dosis? - Ja, ich verstehe. - Aber wie können Sie denn, bei fehlender Patientenkontrolle über den Mundraum und insbesondere die Zunge - wie können Sie davon sprechen, dass Fr. M. bei dem neuen Vollgebiß reagieren und kontrolliern kann, wie das Gebiß sitzt? - Aha, Erfahrungswerte? - G n a t o-logisch, ahja. - Ich verstehe das aber richtig, ihr bisheriges Gebiß ist noch tadellos? - Das liegt noch in der Schublade! - Können Sie die Diagnose objektivieren? - Ja, ich selber werde noch meinen Chef konsultieren. - Äh, das habe ich natürlich schon. - Und unser Meinung steht fest. -- Bitte? Ich werde die Extraktion nicht vornehmen. - Ja, das können Sie. Aber Sie können mir glauben, dass ich auch in den zwei anderen Korthusener Krankenhäusern die chirurgischen Abteilungen informieren kann ... - Ja, wohl, ganz wie - das können Sie. - Kann ich mir vorstellen, dass Sie da ans Knappschaft in Bochum denken? Aber da arbeitet der Schwager meines Chefs. - Ja, davon können Sie ausgehen. - Und, ich will Ihnen noch eins sagen, zum Abschluß, Frau Kollegin. Ich lasse hier ein Aufnahmegerät schon mitlaufen. Nur so, prophylaktisch. - Schun Sie doch - bitte: Frau M. ist meine Verwandte, ja, meine Tante. Sie haben sie zufällig hier ins Barbara-Hospital einliefern lassen. Ich bin zufällig Arzt hier. Ich habe heute zufällig Dienst für meinen Kollegen, der gestern geheiratet hat. Ich habe Morgendienst in der Ambulanz, zufällig. Und ich soll zufällig meine Tante operieren in Vollnarkose."
Klack. Die Leitung ist tot.
Der Arzt spricht weiter, das Band läuft mit: "Ich habe zufällig einen Vorfall mitbekommen. Ich komme zufällig auf die Idee, dass da jemand ärztlich was veranlassen will, was Geld bringt, für den Einweisenden, für den Zahnarzt, fürs Dentallabor. Für den Zahntechniker. Ach - vielleicht auch für die Leiterin eines Altersheimes. Ich werde diesen Vorgang zurückverfolgen -“
Ja, zufällig?"
"Ja" - Zufällig war ich im Dienst. Hier! - Und habemich eerinnert, wie Tante wennSie zu Kaffe und Obsttore angerückt kamen, zwischendurch in Mutters Küche schlich, sich Kartoffelpüree auf einen Löffel - ja, aus dem Kühlschrank - nahm und sich die Zähnchen einbalsamierte, wie sie sagte."
(...)
" Wie? Ob ich spaße? - Da machen Sie mal Bereitschaft!" 
Er stoppt das Band.

Ein Wässerchen an der Mollbecke





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