Lisa Kreitmeir (1973): Kerl, der durchs Bild läuft, von der Treppe herab... - sich zu erinnern versucht! [Ausschnitt aus'Szene im Bauerntheater'] |
Von der Treppe herabsteigend, sich vergeblich an den wüsten Schädel fassend: ein Mann nach ver- oder durchsoffener Nacht:
Er braucht .. ZEIT ... zum WIEDER_Erwachen, bis er lesen kann?
Aber - er findet sie, die Zeit - nach ausdauernder Dusche mit mehrmaligem Kaltschwall - freilich erst am späten NachMittag ... liest er wieder, Gottseidank: Wilhelm Lehmanns "Signale"... - sucht ein DankeSchön an die NATUR.
Ach, D i e n s t ist D i e n s c h t!
Hic est servitium (-i, n.) |
Oder - ich mach mich FREI:
Anton Stephan R e y n t j e s:
E i n g e L i e f e r t
"Dr.
Klinkhammer? Patientin!"
Aber
noch reißt es ihn nicht von seinem Diktierstuhl. Er nimmt den
nächsten Fallbericht zur Hand.
"Herr
Doktor, bitte. Die Frau ist ganz verwirrt. Ich binde sie fester.
Jetzt pulkt und plörrt sie an ihrer Jacke herum. Ich muß die Hände
schon festhalten. Was will sie? Ich kann nicht verstehen, was sie
murmelt."
Jetzt
wird der Stuhl zurückgeschoben.
"Lesen
Sie mal die Einweisung vor."
"Frau
Metelen. Gerda-Maria."
"Was,
bitte?"
"Me-te-len,
geb. 17.01.22."
"Lassen
Sie sehen!" Der Stuhl ruckt weg, vom Fuß weggeschubst. Der Arzt
ist schon herbeigetreten.
"Tante.
Das ist meine Tante. Schwester, lesen Sie alles vor."
"Ja - warten Sie. - Sie
kommt aus dem Stift an der Mollbecke."
"Das
weiß ich. Sie lebt dort im Seniorenheim seit fünf Jahren oder
sechs. - Di-ag-nose, bitte!"
"Hier.
Kaum zu lesen. Extraktion der verbliebenen Eigenzähne, beidseitig,
oben und unten."
"Was
wollen die? Lassen Sie sehen. Ach, die Frau Dr. Hanni Kruckmann.
Doctora dentalis."
„Sie
meinen, .. dentis?“
Die
Schwester schaut den Stationsarzt fragend an.
"Der
Frau sollen die wenigen Zähne noch gezogen werden? Und dann? Wollen
die sie mit einer Sonde ernähren? Für den Rest ihrer Tage? Da im
Heim?"
"Das
können sie auch mit den restlichen Zähnen. Geht doch prima! - Aber
sie trug schon ein gutes Gebiß. Bevor sie da ins Heim zog, hat sie
sich die Zähne reparieren lassen. Meine Schwester hat ihr damals den
Umzug organisiert. Und meine Mutter die Rechnungen überwiesen. War
ein Prachtgebiß für über 6000. in Euro!.
Kann
ich mir einmal im Leben leisten, hat sie damals gesagt. Dafür hat
mein Mann 38 Jahre im Kohlendreck malocht! Das soll jetzt nur so
blitzen in meinem Zuckermündchen!
Das
Gebiss hat man ihr rausgenommen. "Konnte es nicht mehr repariert
werden? Komisch!"
Der
Arzt, tätschelt leicht die Wange links, die Wange rechts. "Tante
Gerda? Tantchen? - Ich bin's, dein Neffe. - Mit zwei FF, wie du immer
sagst."
Aber
Frau Metelen ist eingeschlafen.
Sie wird zwischengeparkt.
Sie wird zwischengeparkt.
*
Der
Arzt telefoniert mit der einweisenden Ärztin.
"Haben
Sie selber einmal bei einem solchermaßen erschwerten Essen
teilgenommen? Ich meine natürlich: zugesehen? - Ah, Sie haben sich
auf die Angaben der Heimleiterin verlassen. - Pflegesatzverordnung? -
Aber mit Frau M. haben Sie auch nicht über ihr Gebiß gesprochen.
- Ach, das ging nicht mehr. - Ständig verwirrt? - Und dann
stillgestellt, aha. - Temporär, meinen Sie? - Nicht simpel
abgestellt? - Ja, welche Dosis? - Ja, ich verstehe. - Aber wie
können Sie denn, bei fehlender Patientenkontrolle über den Mundraum
und insbesondere die Zunge - wie können Sie davon sprechen, dass Fr.
M. bei dem neuen Vollgebiß reagieren und kontrolliern kann, wie das
Gebiß sitzt? - Aha, Erfahrungswerte? - G n a t o-logisch, ahja. - Ich
verstehe das aber richtig, ihr bisheriges Gebiß ist noch tadellos? -
Das liegt noch in der Schublade! - Können Sie die Diagnose objektivieren? - Ja, ich selber werde noch meinen
Chef konsultieren. - Äh, das habe ich natürlich schon. - Und unser Meinung steht fest. -- Bitte? Ich werde die
Extraktion nicht vornehmen. - Ja, das können Sie. Aber Sie können
mir glauben, dass ich auch in den zwei anderen Korthusener
Krankenhäusern die chirurgischen Abteilungen informieren kann ... -
Ja, wohl, ganz wie - das können Sie. - Kann ich mir vorstellen, dass
Sie da ans Knappschaft in Bochum denken? Aber da arbeitet der Schwager meines Chefs. - Ja, davon können Sie ausgehen. - Und, ich will Ihnen
noch eins sagen, zum Abschluß, Frau Kollegin. Ich lasse hier ein
Aufnahmegerät schon mitlaufen. Nur so, prophylaktisch. - Schun Sie doch - bitte: Frau M. ist
meine Verwandte, ja, meine Tante. Sie haben sie zufällig hier ins Barbara-Hospital
einliefern lassen. Ich bin zufällig Arzt hier. Ich habe heute
zufällig Dienst für meinen Kollegen, der gestern geheiratet hat.
Ich habe Morgendienst in der Ambulanz, zufällig. Und ich soll
zufällig meine Tante operieren in Vollnarkose."
Klack.
Die Leitung ist tot.
Der
Arzt spricht weiter, das Band läuft mit: "Ich habe zufällig einen Vorfall
mitbekommen. Ich komme zufällig auf die Idee, dass da jemand
ärztlich was veranlassen will, was Geld bringt, für den
Einweisenden, für den Zahnarzt, fürs Dentallabor. Für den
Zahntechniker. Ach - vielleicht auch für die Leiterin eines
Altersheimes. Ich werde diesen Vorgang zurückverfolgen -“
„Ja,
zufällig?"
"Ja" - Zufällig war ich im Dienst. Hier! - Und habemich eerinnert, wie Tante wennSie zu Kaffe und Obsttore angerückt kamen, zwischendurch in Mutters Küche schlich, sich Kartoffelpüree auf einen Löffel - ja, aus dem Kühlschrank - nahm und sich die Zähnchen einbalsamierte, wie sie sagte."
(...)
" Wie? Ob ich spaße? - Da machen Sie mal Bereitschaft!"
Er stoppt das Band.
(...)
" Wie? Ob ich spaße? - Da machen Sie mal Bereitschaft!"
Er stoppt das Band.
Ein Wässerchen an der Mollbecke |
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