Vom Licht der Erkenntnis - Stefan ZWEIGs
Verständnis von Licht und Schatten – von Erleuchtung und
Finsternis:
Ein schönes, prägendes, finales
Beispiel für die Licht-Metaphorik der Aufklärung findet sich als
letzter Absatz von ZWEIGs AutoBiografie „Die Welt von Gestern“:
Die Sonne schien voll und stark. Wie ich heimschritt, bemerkte
ich mit einemmal vor mir meinen eigenen Schatten, so wie ich den
Schatten des anderen Krieges hinter dem jetzigen sah. Er ist durch
all diese Zeit nicht mehr von mir gewichen, dieser Schatten, er
überhing jeden meiner Gedanken bei Tag und bei Nacht; vielleicht
liegt sein dunkler Umriß auch auf manchen Blättern dieses Buches.
Aber jeder Schatten ist im letzten doch auch Kind des Lichts, und nur
wer Helles und Dunkles, Krieg und Frieden, Aufstieg und Niedergang
erfahren, nur der hat wahrhaft gelebt. (1939/41 geschrieben;
veröffentl. Stockholm 1942)
Nachträglich kann man die Andeutung
seines Freitodes 1942 (in Petrópolis/Brasilien) in diesem Epilog
sehen.
Aber ich sehe auch – als Aufgang
jeden neuen Morgens meine Welt darin angedeutet, nach Hitlers
dunkel-schwarzen Bestialitäten 1945 doch noch ihren nötigen
Abschluss fanden. Und wo mich ein kanadischer Offizier und Apotheker
rettete auf Pannofen bei Goch, als ich als viermonatlicher Säuglin
wg. Mundfäule die Brust meiner Mutter verschmähte. Er fuhr - die
Aliierten hatten den Weg schon freigeschaufelt durch den Reichswald,
über Kleve, mit ihren Panzern – im Jeep mit Chauffeur, nach
Arnheim, um für mich Rosenhonig mit Borax zu holen – und
schon am nächsten Tag wichen meinen Schmerzen in der Mundschleimhaut
– und ließen mich beruhigen. (Ja, wir waren Holländer, auf deren
Hof die Kanadier ein Camp aufgeschlagen hatten, nachdem Goch/Ndrrh.
am 20. 02.45 befreit war. Sonst hätte mein kindliches Problem
sicherlich keine diagnostische Beachtung gefunden.)
In der Wikipedia las ich zu Mundfäule:
„Rosenhonig (mel rosatum) wurde 1588 im Kräuterbuch von
Tabernaemontanus (Jacob Theodor) als Mittel gegen Entzündungen im
Mund- und Bauchraum beschrieben. Rosenhonig mit Borax versetzt wurde
in der Volksmedizin zur Behandlung von Aphthen eingesetzt. Der Zusatz
von Borax ist wegen dessen Giftigkeit heute nicht mehr erlaubt."
Meine Mutter hat zeitlebens
Frühling/Sommer 45 für die schönsten ihres Jahrhunderts gehalten,
aus den Kriegsnächten (im Kartoffelkeller) ins Licht; ohne dass sie
je Zweig kennen lernte.
Ja – ZWEIG ist für mich ein Ast am
Baum der Menschheit, seit ich 1962 auf der Gaesdonck, einer
klerikalen Bude, pardon, aufgehübscht gesagt: ein bischöfliches
Konvikt mit altsprachlichem Gymnasium - den „Brief einer
Unbekannten“ gelesen, hatte ich ihn vergessen. (Es sei irgendwas
Romanhaftes ... für Frauen; nein, es ist beste Psychoanalyse, wie er
sie seit über Sigmund Freud ge- und beschreiben hatte (schon 1931),
in „Die Heilung durch den Geist“... - Der Brief
einer Unbekannten war mir eingebrannt, obwohl ich das ZWEIGsche
Werk über Jahrzehnte nicht mehr beachtete.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Brief_einer_Unbekannten
- Lateinisch läßt sich hier ergänzen:
- „Cedant tenebrae lumini et nox diurno sideri.
- „Der Schatten soll dem Licht weichen und die Nacht dem Tagesgestirn.“ – Inschrift auf Sonnenuhren
*
Weitere, frühere Exempla:
(Aus Buchmendel“ (1929)
Der Erzähler beschreibt die völlig
isolierte, aber weitläufige Existenz Jakob Mendels im Café Gluck
(in Wien):
Zu den andern Gästen sprach er nie,
er las keine Zeitung, bemerkte keine Veränderung, und als der Herr
Standhartner ihn einmal höflich fragte, ob er bei dem elektrischen
Licht nicht besser lese als früher bei dem fahlen, zuckenden Schein
der Auerlampen, starrte er verwundert zu den Glühbirnen auf: Diese
Veränderung war trotz dem Lärm und Gehämmer einer mehrtägigen
Installation vollkommen an ihm vorbeigegangen. Nur durch die zwei
runden Löcher der Brille, durch diese beiden blitzenden und
saugenden Linsen filterten sich die Milliarden schwarzer Infusorien
der Lettern in sein Gehirn, alles andere Geschehen strömte als
leerer Lärm an ihm vorbei. Eigentlich hatte er mehr als dreißig
Jahre, als den ganzen wachen Teil seines Lebens, einzig hier an
diesem viereckigen Tisch lesend, vergleichend, kalkulierend
verbracht, in einem unablässig fortgesetzten, nur vom Schlaf
unterbrochenen Dauertraum.
Der BuchMensch Mendel hält sich im
Café Gluck auf, um seine Kataloge zu lesen, Buchbestellungen
aufzugeben im internationalen Raum, Auskünfte zu geben gegenüber
Bücherfreunden oder Wissenschaftlern. Er ist im materiellen
Verständnis auch von der Beleuchtung im Hinterraum des Cafés
abhängig, wiewohl er im Geistigen völlig von seiner Bibliophilie
gespeist ist. Dass Zweig als Erzähler die Raumausstattung mit
benutzt – Wände, Tisch und Suhl (pardon: Stuhl), Beleuchtung –
ist Markenzeichen seiner klassischen Erzählverständnisses. Er
beschreibt die Welt in allen Zuständen, in ihren Gegebenheiten,
Personen, Strukturen und Zeiten – in Historien und Zukünften –
aber immer gebunden an Orte, Zeiten und Realien.
Er – also: Stefan Zweig, der
Lichtgeber in poeticis (solange es ihm möglich war in seiner
Lebensgeschichte …) - und wenn ich an Suizid, als literarisches
Thema denke, mir mein (manchmal un-lichter) Geist auch an den klugen,
so temperamentvollen Neil Perry denke (ja, von Club der
toten Dichter) und ich ihn als Freitod denke innerhalb des
tragischen Schauspiels – und ich ihn im Unterricht immerzu
verkaufte ad vehiculum non erat demonstradum – oder ad
experimentum ignotum. - Bis ich vom Suizid Robin Williams hörte,
also der Schauspielers selbst, von dem ich dachte, er könnte (oder
müsste) immum sei, von seiner Person und seinem Rollenrepertoire
(als Lehrer, als Arzt, als Tausendsassa) - und nachforschte: Ja, er
gibt eine Tragik, einen pathologischen Zustand, der alle Rollen des
Ichs, des Selbsts, der Kognition ... zunichte macht … - jenseits
von Licht&Schatten.
Schlag nach bei Zweig... - et alicui!
Cave canem Melancholiae. Aut: Cave
tibi a cane muto et aqua silenti.
Wisse: „Der
Weltschmerz ist verwandt mit der Schwermut, auch Melancholie
genannt.“[Asfa-Wossen
Asserate: Deutsche Tugenden. Von Anmut bis Weltschmerz. München
2013, S. 213
Oder: Winston Churchill, der seine
Depression als "schwarzen Hunde" bezeichnete.
Oder:
Bis hin zur M ö r g e n r ö t e, die Stefnn Z w e i g in se inem Testament versprach:
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