Dienstag, 22. Januar 2013

Von g e f r a c k t e n Landschaften



Landschaft(en), aufgebrochen

… unter dem technischen und dem chemischen Fracking, Fracken (nein: Fracksausen nicht!):

Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schrieb zum Stichwort seine Kolumne:
und verweist auch für dieses Lehnwort, das eine deutsche Wortkarriere verspricht: als Nomen, als Verb, als duden-übliches Stammwort

Die Technik des Frackings, des Gesteins-Brechens, wird schon fast, aber noch nicht unmittelbar vor unserer Haustür (ein abgeschliffene Redensart!) eingesetzt:

Das engl. to „fracture“ ‚aufbrechen‘, ‚aufreißen‘ liegt direkt zugrunde ( zurück bis zum Lateinischen führt es kurzerhalb: Fraktion, Fraktur...

Im Ruhrgebiet - meinem derzeitigen Zuhause, nicht meiner Heimat -, ist Fracken ausgeschlossen (wg. der hohen Bevölkerungsdichte; die aber in 30 Jahren auch schon um etwa 20 % abnehmen wird). Im weiten, weiten Münsterland wird wohl jeder Großgrundbesitzer, der nicht neben den Zufahrtswegen, dem Bohrturm, den Wassertanks (geschwiegen den Chemievorräten!) wohnen muss, seine Genehmigung für das Schürfen erteilen:
Dafür gilt das Bergrecht; und da packt jede Hand zu, die sich versilbern oder vergolden lassen will. Und weiterhin in feinstem Zwirn oder mal im Frack irgendwo erscheinen will, z.B. beim „Parzifal“ in Dortmund; da darf man mitwimmern (im Herzen und im Applaus!).
Also: Frackt euch! Es soll sich lohnen.

Nachträglich, beiläufig, in lyrischer Einfachheit lässt sich ja noch Löns schwarzes Gedicht vom Bohrturm in der Heide zitieren:

Hermann Löns:

Der Bohrturm



Es steht ein schwarzes Gespenst im Moor;

Das ragt über Büsche und Bäume empor.

Es steht da groß und steif und stumm;

Sieht lauernd sich im Kreise um.



In Rosenrot prangt das Heideland;

»Ich ziehe dir an ein schwarzes Gewand.«

Es liegt das Dorf so still und klein;

»Dich mache ich groß und laut und gemein.«



Es blitzt der Bach im Sonnenschein;

»Bald wirst du schwarz und schmutzig sein.«

Es braust der Wald so stark und stolz;

»Dich fälle ich zu Grubenholz.«



Die Flamme loht, die Kette klirrt,

Es zischt der Dampf, der Ruß, der schwirrt,

Der Meißel frißt sich in den Sand;

Der schwarze Tod geht durch das Land.


Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 211

Nachlesbar:

Ja, (nin, nicht: unser!) Hermann, ein heiliger des Heimatgesanges, der H. Löns war konsequent in seiner Heimatliebe, auch wenn er im Schützengraben „in Feindesland“ 1914 seinen Todesschuss, seine Garbe er-stritt. Oder vorher seiner Heide Garbe, pardon: Farbe, Geruch und Gesundheit erkundete und im Rhythmus und im Reim erzittern ließ.
Nein, dieses Gedicht gibt es nicht in liedhafter Gesangespracht. Es blieb immer ein ungeliebtes Kind der Lönsschen Naturkollektion.

Da neue Bohren setzt ein, zwei Kilometer weiter, nein: tiefer an, als Löns es beobachtete und wahrnahm und beschrieb, dass die Heide krachte.
Aber nein, „Frack“ hat nicht mit (lat.) frangere, Fraktion, Fraktur etc. zu tun. Die Etymologie  kleidet sich fein: in den „frock“ (engl.; deutsch „Rock“).
.
Mythos-Berichte und Gedenkstätten gibt es für den späteren Nazi-Liebling genug; hier soll die absolute Ausnahme in seinem Werk, ein Stück zerstörter Heimat im Zugriff der Rohstoffindustrie, genügen:

Der ungekürzte, ungeschönte Löns in der Wikipedia...:

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