Sonntag, 6. Juli 2025

Zu Ehren von Hans B e n d e r und Heinrich B ö l l:


{Meine} B e n d e r - Spezialitäten I

Brief von Heinrich Böll

03.03.84

Lieber Hans Bender,


wäre der Ausdruck nicht durch fatale Schreihälse besetzt, die sich immer wieder lauthals und provinziell über ihre Vernachlässigung beklagen - - ich würde Sie einen „Stillen im Lande“ nennen; das ist „eigentlich“ ein schöner Ausdruck und Sie könnten ihm zu neuer Ehre verhelfen, denn Sie sind einer: nicht nur still, fast lautlos haben Sie der Literatur dieser zweiten deutschen Republik aus republikanischer Landschaft stammend, mehr Dienste erwiesen als einer aufzählen könnte.

Redakteur, Rezensent, Vortragender, vor allem: Autor. Still nicht nur, fast lautlos, auch f a s t unbemerkt von jener Öffentlichkeit, die das Grelle und das Geknalle mehr beachtet als Ihre Art von W i r k e n und Wirkung. Mein Gott, nun sind also auch Sie 65 geworden, ein grauhaariger Knabe, hinter dessen Lächeln sich viel verbirgt und dessen umfangreiche Korrespondenz voller Überraschungen sein muß. Sie kennen doch uns alle, sie alle, die da nach 1945 auf- und abtauchten, kennen uns und sie alle - - mit allen ihren Schwächen, Stärken, Einzelheiten, Dummheiten und Torheiten - - das alles verbirgt sich in Ihren Mundwinkeln und ein paar Fältchen um die Augen.

Noch etwas, das weder mit »still« noch mit „lautlos“ auszudrücken wäre: leise - - und doch energisch; rare Kombination; leise und energisch, wenns um die Republik geht - - die uns so kostbar ist, weil wir so selten - - nur einmal vor dieser eine hatten. Ist Ihnen klar, daß wir nun schon fast zwei Drittel unseres Lebens in einer Republik leben, vierzig Jahre fast in diesem „Nachkriegsdeutschland“? Das auch als ewig gedachte »zweite Reich«, dieser wilhelminische Irrtum, dauerte achtundvierzig Jahre, unsere, die zweite Republik nähert sich diesem Alter. Mag sein, daß da irgendwo der eine oder andere sich „wilhelminisch“ gebärdet. Wilhelm III ist nicht in Sicht und hätte auch keine Chance. Schweigen wir vom »Dritten Reich«: wir beide brauchen darüber nicht zu streiten.

Sollte ich Sie, kaum eineinhalb Jahre älter als Sie, beglückwünschen zum 65.? Sie sozusagen begrüßen in der Riege? Nein. Jeder hat sein Alter. Ich lasse Ihnen Ihres.


Sehr herzlich und mit Dank

Ihr


Heinrich Böll

(In: „Briefe an Hans Bender“. München 1984. S. 214)

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