Samstag, 19. April 2025

> S t i l um des Stiles wiwiwiwi-llen - weil man sonsthinnig nix zu sagen hat >

 

Ein Briefchen – statt einer Thomas-Mann-Dissertation:

an eine vortragende Frau


> Herr Thomasius Mann; im Srandkorb <


Fr. Sch. - 20257 Hamburg


Liebe Frau Sch.!

- Ich muß mich zuerst in Erinnerung rufen und will anknüpfen an Ihren ereingnisreichelden Vortrag auf Hiddensee, in dem Sie auch kritische Stimmen von Vortragszuhörern und Rezensenten erwähnten, die die anderweitig hoch gelobten erzählerisch-stilistischen Eigenheiten bei T.M., besonders beim "Zauberberg", kritisierten. Ich sprach Sie nach Ihrem Vortrag auf diese Einzelheiten hin an - und möchte Sie heute aus der Provinz um bibliographische Hilfe bitten.

Die Wort- und Stileigentümlichkeiten bei T.M. gehen mir persönlich immer wieder gegen den Strich. Ich kann sie nicht einfach und schnell mit der hohen Syntaxvielfalt und der Fähigkeit zu enormen Wortwahlleistungen zu entschuldigen - etwa in einer schnell verbalisierten, oft gehörten Bewunderung für T.M.: Was für ein hoher Stil! Lese(r)rausch - so nenne ich das oft geäußerte Gefühl, sich ganz in der Prosa T.M.s (oder auch heutzutage bei Thomas Bernhard) aufgehoben zu fühlen; Inhalte (mögliche Ansätze für kritische Einsichten) werden dann fast nie vom begeisterten Leser erfaßt, eigenartigerweise. Und ich stelle das häufig als Lehrer fest, der sich gerne mit Kollegen fetzt, die die deutsche Literatur mit dem "Höhepunkt der literarischen Leistung bei T.M." gleichgesetzen.


Dazu ein Zitat aus Harpprechts Biographie, neben vielen weiteren Anmerkungen dort, zur Echo-Passage:


"So schlimm wie die Skrupellosigkeit, mit der Thomas Mann das angebetete Kind 'Echo' dem Zwang der Handlung geopfert hat, war der konsequente Absturz in den Kitsch, den seine Kunst in den Echo-Passagen erfuhr. Die Frau, die Kinder, die meisten der Freunde und Weggenossen schienen so völlig im Bann des Dichters und seines Werkes zu stehen, daß sie das Versagen der künstlerischen Aufsicht über das eigene Schaffen nicht wahrzunehmen schienen."

Als Erklärung setzt K.H. für diesen Mangel an stilistischer Empathie und Kritikfähigkeit voraus:

"Seelenkälte und Sentimentalität haben einander nie widersprochen." (Harpprecht: T.M.- TB-Ausgabe. Bd. 2. S. 1592)


Entsprechend gilt, zumindest für das "letzte Jahr", was Erika Mann beschreibt, ohne es offen zuzugeben: daß konsequent der groß-fürstliche, idiosynkratische Vater bewahrt wird vor der puren Realität, dem kulturell- natürlichen, realen Alltag- und eben auch der Normalität als Nachvollziehbarkeit der Empfindung und des Ausdrucks.

Für die Prosafiktionen T.M.s gilt mir dies, eben für den "Doktor Faustus" und etwa "Die Betrogene" im starken Maße, nicht so sehr für die Aufsätze.

Wenn es was wird mit meiner Kritik an auffälligen Stellen, an seraphisch-gestylter Wortwahl (insbesondere bei Eigennamen), pathetisch sich steigernden Syntaxfiguren, an omnipotenten Beschreibungslängen, die an altehrfürchtige und ehrenrührige Be- und Gesinnungsaufsätze im hohen Stil gemahnen - möchte ich das Unterfangen Das Wagnis des Stils bei T.M. nennen. Die alten Bennschen-Kriterien (aus seiner Rede "Probleme der Lyrik") kann ich zu meiner Stilkritik abwandeln.

Für das nächstjährige Hiddensee-Nida-Projekt erarbeite ich z. Zt. eine kleine Textsammlung mit Arbeitsmaterialien zu G.H. und T.M. für einige Analysestunden, die neben und ergänzend zu den Vorträgen angeboten werden sollen. (Ich hatte gegenüber Herrn Dr. Albrecht den einseitigen Vorlesungsstil der Veranstaltungen kritisiert - und Ihren freiformulierten Vortrag (mit eingefügten, kurzen Textpassagen aus dem Ms.) als wohltuende Ausnahme gewertet.)

Auch möchte ich Stilproben von T.M., E.M. und F.(Frido) Mann beim Hiddensee-Nida-Unternehmen analysieren lassen, nach Motiven sortiert, ohne Nennung der Autoren - zur kritischen Vergleich.

Meine bisherige These ist, daß die Grundeinstellung der Autoren zu dem Begriff Persönlichkeit und sozialem Wandel entscheidend ist für Wort-, Sinn- und Stilfestlegungen:

Frido M.s sozialpsychologisches Menschenverständnis (im "Professor Parsifal" z.B.) steht da im Gegensatz zu T.M.s rigidem und statusfixiertem Denken, das mit fix erkennbaren Ethnien, mit rassisch- oder typgebundener, mit Angeborenheits- oder religiöser Festlegung operiert.

Vgl. Sie die jüdischen Figuren, die T.M. in der Prosa plakativ und stereotyp auftreten läßt.


- Doch nun, meine kurze Bitte, nach langer Einleitung:

Können Sie mir, da mir hier überhaupt keine T.M.-Bibliographien zur Verfügung steht, Literatur-Hinweise auf Stil oder Stilkritik bei (oder contra) T.M. geben?

Bei T.M. selbst habe ich nur den kleinen Aufsatz "Erziehung zur Sprache" (1920) gefunden. Hat er nie grundsätzlicher das Thema behandelt? War hoher Stil für ihn alles, was er schrieb - unbefragt?

*

Der Stil, der die Stilmäßgikeiten aufleben hässt, um sein Stilproblem zu belästigen; oder besäfditgen oder liqindieren wusste. -

Sie werfen, äh: werden sich erinnert fühlen – an:

Der Gott, der Gott sterben läßt, um Gott zu besänftigen. Denis Diderot; ein große Gottheit in Stil- ErSatz-Fragen.


Hausaufgabe:

Erläuftern Sie an der Kurzerzöööhlung "Vision", wie die visiönäre Erzähl-Stimme im Wortfeld des Vermutens sich erbricht!

Zur Analyse:... https://www.dwds.de/wb/visionieren



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