Dienstag, 28. Oktober 2025

Ein Experiment: Z w ei g s "Schachnovelle" - in "einfacher Sprache" : g e h t das?

 Alles – was – mensch – s  c  h  n  e  i  d  e  n  –  kann – muss man – nicht   b r e c h e n.

>Grafik: Stefan-Zweig-Zentrum. Salzburg. (2025)<


Zu: Stefan Zweigs: „Schachnovelle“ in „einfacher Sprache“. Münster 2024

(Textprobe des Verlags:) Weitere Hauptfiguren - Dr. B.

Dr. B., dessen wirklicher Name nie genannt wird, ist die tragische und gleichzeitig inspirierende Hauptfigur der Novelle. Als österreichischer Adeliger gerät er in die Fänge der Gestapo und wird ohne Prozess in Isolation gehalten. Um dem Wahnsinn zu entfliehen, vertieft er sich in die Welt des Schachs, indem er Partien aus einem gestohlenen Schachbuch im Kopf nachspielt.

Diese mentale Flucht bewahrt einerseits seinen Verstand, führt aber andererseits zu einer obsessiven Fixierung auf das Spiel. Dr. B. verkörpert den Kampf des Individuums gegen Unterdrückung und die zerstörerische sowie heilende Kraft der Imagination.

Dieser Kontext ist entscheidend für das Verständnis des Werkes, da es nicht nur eine Flucht vor der politischen Realität darstellt, sondern auch eine tiefe Auseinandersetzung mit den Themen Macht, Unterdrückung und menschlicher Widerstandsfähigkeit.

Die Isolation von Dr. B. kann als Metapher für die Erfahrung des Exils und die psychologische Zerrüttung gesehen werden, die durch die Tyrannei des Nationalsozialismus verursacht wurde.

https://liwi-verlag.de/stefan-zweig-schachnovelle

*

Spaß am Lesen Verlag

Friedrichstraße 9
48145 Münster, DE

info@spassamlesenverlag.de

Produktbeschreibung (des Verlags):

Auf einer Schiffsreise von New York nach Argentinien ist auch der Weltmeister im Schachspiel mit an Bord. Eine Gruppe von Passagieren fordert den überheblichen Meister zu einem Spiel heraus und verliert haushoch. Die Gruppe wagt noch ein Spiel gegen ihn. Da taucht plötzlich ein Fremder auf, der sich höchst seltsam benimmt. Eine qualvolle Geschichte kommt plötzlich ans Licht. Am Anfang bin ich noch still und konzentriert. Aber immer mehr wird mein Ehrgeiz zu Wut. Mein Spiel drückt die Wut und den Hass auf meine Gefangenschaft aus. Unschuldig haben sie mich hier eingesperrt. Sie haben mich aus allem Normalen in meinem Leben gerissen. Sie foltern mich mit Einsamkeit. Und ich habe nichts in den Händen als dieses wütende Spiel. Stefan Zweig (1881-1942) ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Autoren. Die "Schachnovelle" ist die letzte Geschichte seines Lebens. Sie zeigt, wie ein Mensch an Diktatur und Folter zerbricht. Kann die Kraft der Gedanken eine letzte Rettung sein? Dieses Buch wurde auf dem Leseniveau B1 bzw. im Leselevel 3 verfasst und ist somit für fortgeschrittene Lesende geeignet.



Textprobe:

(Vergleichen Sie selbst, welche Passage der Text von Stefan Zweig selbst nimmt: in seiner Schreibart, in seinem intellektuellen Stil (1942) verfasst; z. B. in der Ausgabe: St. Z. Schachnovelle. - Text und Kommentar #129. Ffm. 2013)

(Text in „einfacher Sprache“):

Gegen mich selbst

(Diese gliedernde Querzeile unterteilt den Text der neuen Ausgabe; Zweig hat natürlich darauf verzichtet; denn der Leser als Aufklärer & Entdecker selber kann die Erinnerungsschichten, die epische Raumtiefe,  die erzählerischen Mittel erfassen.)

Drei Monate lang spiele ich die 150 Partien des Buches Tag für Tag systematisch durch. Aber dann gelange ich plötzlich an einen toten Punkt. Die Spiele sind mir zur Routine geworden.

 

<Zweig, vor der Festung Hohensalzburg>



Sie fordern mich nicht mehr. Sie haben für mich ihren Reiz verloren. Es gibt keine Überraschungen mehr. Nur eins kann mich jetzt vor dem wiederkehrenden Nichts retten: Ich muss neue Partien erfinden, eigene Partien. Ich muss gegen mich selbst spielen!

Wie unsinnig das klingt: Ich als Spieler der weißen Spielfiguren spiele gegen mich als Spieler der schwarzen Spielfiguren und umgekehrt. Wie soll das gehen? Wäre das nicht geistiger Krieg im eigenen Kopf? Wenn ich die weiße Figur auf dieses Feld hier setze, dann wird die schwarze Figur dies und das tun, und die weiße Figur wird dann ...Was sonst immer zwischen zwei Spielern abläuft, soll nun in meinem Kopf allein passieren können? Ein irrer Widerspruch ist das, aber ich will ihn wagen. Alles ist besser, als im Nichts umzukommen.

Nie wieder will ich der grauenhaften Leere ausgesetzt sein. Dann spalte ich mich lieber auf in ein Ich-Schwarz und ein Ich-Weiß.

Nach und nach lerne ich, sämtliche Züge im Voraus zu bedenken. Und das sowohl für die schwarzen Figuren als auch für die weißen. Manchmal denke ich zwölf Züge im Voraus, manchmal noch mehr. Alle möglichen Kombinationen berechne ich vor jedem einzelnen Zug, für Schwarz, für Weiß, für Schwarz, für Weiß. Tag für Tag, Stunde um Stunde. Mein Ehrgeiz wird immer größer, für Schwarz und für Weiß. Ich will das Gegenüber bekämpfen, besiegen. Ich will gewinnen. Schwarz gegen Weiß, Weiß gegen Schwarz. Mich packt das

Spielen wie ein Fieber.

Am Anfang bin ich noch still und konzentriert. Aber immer mehr wird mein Ehrgeiz zu Wut. Mein Spiel drückt die Wut und den Hass auf meine Gefangenschaft aus. Unschuldig haben sie mich hier eingesperrt. Sie haben mich aus allem Normalen in meinem Leben gerissen. Sie foltern mich mit Einsamkeit. Und ich habe nichts in den Händen als dieses wütende Spiel.

Wie ein Gejagter spiele ich eine Partie nach der anderen. Unersättlich!

Gierig! Besessen! Von früh morgens bis spät in der Nacht. Bei den Partien aus dem Schachbuch hatte ich noch Spielfreude.jetzt aber ist es nur noch ein Zwang. Selbst in meinen Träumen geht es weiter. Ich träume von den Verhören, und alle sind Spielfiguren: Der Untersuchungsrichter, die Gestapo-Leute, der Wärter. Ich bin im Wahn, in einem irren Spiel. Werde ich wahnsinnig?

(Abdruck nach dem neuesten „zweigheft # 33“. Salzburg. 2025, S. 45ff.)





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen